Urteil des SozG Koblenz vom 13.03.2007

SozG Koblenz: rechtsschutz, widerspruchsverfahren, vergütung, telefon, quelle, arzneimittel, behandlung, dringlichkeit, krankenversicherung, datum

Sozialrecht
SG
Koblenz
13.03.2007
S 11 ER 67/06 KR
Kosten eines Privatgutachtens
1. Die von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten werden auf
1.548,60 €
(i. W. Eintausendfünfhundertachtundvierzig €, 60 Cent)
festgesetzt.
2. Die festgesetzten Kosten sind ab 13.10.2006 mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Gründe:
Mit Beschluss vom 22.12.2006 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die für das einstweilige
Rechtsschutzverfahren zu erstattenden Kosten auf 626,40 € festgesetzt. Dabei hat sie es abgelehnt, die
Kosten des Privatgutachtens von Prof. Dr. U, welches die Antragstellerin im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren vorgelegt hat, als erstattungsfähige außergerichtliche Kosten der Antragstellerin
festzusetzen.
Mit ihrer am 08.01.2007 beim Sozialgericht eingegangener Erinnerung macht die Antragstellerin weiterhin
die Erstattung der Kosten für das Privatgutachten von Prof. Dr. U im Rahmen der außergerichtlichen
Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geltend.
Festzusetzen sind:
1. Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 320,00 €
2. Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 €
3. Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 €
4. Gutachtenskosten 795,00 €
5. 16 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV-RVG 213,60 €
1.548,60 €
Nach § 193 Abs. 2 SGG sind Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Erstattungsfähig sind in diesem Rahmen
u. a. die Kosten für die Vorbereitung eines Rechtsstreits, wozu ausnahmsweise auch die Kosten für ein
Privatgutachten zu zählen sind, wobei im Einzelfall zu prüfen ist, ob das Gutachten nötig oder mindestens
für den Ausgang des Rechtsstreits förderlich war (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. 2005, §
für den Ausgang des Rechtsstreits förderlich war (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. 2005, §
193 RdNr. 9a). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Kläger für die Begründung des Verfahrens
sonst nicht zu schwierigen Fachfragen oder medizinischen Ausführungen der anderen Verfahrensbetei-
ligten sachkundig Stellung nehmen kann. Die Kosten für ein im Verwaltungsverfahren eingeholtes
Privatgutachten sind dagegen grundsätzlich nicht erstattungsfähig (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 193 RdNr.
7a; anders noch die 7. Aufl. 2002, § 193 RdNr. 7a). Die Einholung eines Privatgutachtens im
Klageverfahren ist regelmäßig deshalb nicht erforderlich, da das Gericht nach §§ 103, 106 SGG den
Sachverhalt von Amts wegen aufklärt und dabei auch eine medizinisch erforderliche Begutachtung
veranlasst und zudem dem Kläger in § 109 SGG die Möglichkeit eingeräumt ist, einen Arzt seines
Vertrauens durch das Gericht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen zu lassen.
Anders verhält es sich jedoch in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, in dem wegen der
Dringlichkeit der Angelegenheit im Regelfall keine medizinische Sachaufklärung durch das Gericht erfolgt.
Hat - wie hier - der Leistungsträger im Vorfeld des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
durch seine Gutachterstelle oder durch den für ihn tätig werdenden Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK) zu komplizierten medizinischen Fragen eine Stellungnahme abgeben
lassen, kann der Antragsteller eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dem oft nur dadurch
entgegentreten, dass er bereits bei Stellung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz ein
Privatgutachten vorlegt. Dies ist jedenfalls dann erforderlich, wenn - wie hier - aufgrund der besonderen
Situation (lebensbedrohende Erkrankung der Antragstellerin, Behandlung mit einem Arzneimittel im
Rahmen des off-lable-use) medizinische Ermittlungen in einem Hauptsacheverfahren nicht abgewartet
werden können. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich auch nicht, dass die Antragstellerin das
Gutachten von Prof. Dr. U für das Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren hat anfertigen lassen. Der
enge zeitliche Zusammenhang zwischen Erstattung des Gutachtens (16.03.2006) und Stellung des
Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz (21.03.2006) lässt vielmehr erkennen, dass für die Stellung des
Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz das Gutachten von ausschlaggebender Bedeutung war und
daher davon auszugehen ist, dass dieses Gutachten für das einstweilige Rechtsschutzverfahren erstattet
worden ist. Daher hat die Antragsgegnerin dem Grunde nach die Kosten für das Privatgutachten zu
erstatten.
Allerdings können nicht die gesamten Kosten für das Gutachten angesetzt werden. Der Sachverständige
hat gemäß seiner Rechnung vom 16.03.2006 für das Gutachten Kosten in Höhe von insgesamt 1.377,50 €
geltend gemacht, die sich wie folgt aufgliedern: Durchsicht der Patientenunterlagen, Literaturrecherche,
Diktat, Korrektur - Zeitaufwand ca. 12 Stunden -, 1.000,00 €; Schreibgebühren ‑ 11 Seiten á 12,50 € ‑
137,50 €, Kopien, Telefonate usw. 50,00 €; 16 % Mehrwertsteuer 190,00 €.
Erstattungsfähig sind jedoch nur die Kosten, die bei einer Begutachtung nach den Vorschriften des JVEG
abrechenbar gewesen wären. Das Gutachten ist der Honorargruppe M 3 zuzuordnen, da es sich um ein
Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad gehandelt hat. Hierfür ist ein Stundensatz von 85,00 € zu
gewähren. Anrechenbar ist ein Zeitaufwand von 9 Stunden, wobei für das Aktenstudium (bis zu 50 Seiten)
gemäß dem JVEG ein Zeitaufwand von 1 Stunde, für das Diktat von 2 Stunden und für die Bearbeitung
einschließlich Recherche von 6 Stunden anzusetzen ist. Hieraus resultiert somit ein Betrag von 765,00 €
(9 Stunden x 85,00 €). Hinzu kommen Schreibauslagen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG in Höhe von
0,75 € je angefangener 1000 Anschläge, wobei vorliegend aufgrund des Umfangs des Gutachtens und
des Schreibbildes von 20 000 Anschlägen, also einer Vergütung von 15,00 €, auszugehen ist. Als Kosten
für Porto und Telefon sind weitere 15,00 € anzusetzen, so dass sich insgesamt ein erstattungsfähiger
Betrag des Privatgutachtens von 795,00 € ergibt. Dieser Betrag zuzüglich der hierauf entfallenden
Mehrwertsteuer ist ebenfalls von der Antragsgegnerin zu erstatten, so dass sich insgesamt ein
erstattungsfähiger Betrag in Höhe von 1.548,60 € ergibt.
Dieser Beschluss kann nach § 197 Satz 2 SGG nicht mit der Beschwerde angefochten werden.