Urteil des SozG Koblenz vom 29.11.2006

SozG Koblenz: eingriff, drg, abrechnung, versicherter, aufenthalt, krankenversicherung, organisation, gerichtsakte, vergütung, international

Sozialrecht
SG
Koblenz
29.11.2006
S 6 KNK 77/05
Voruntersuchung für Koronarangiographie
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 381,57 € nebst 2% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit
dem 02.07.2005 zu zahlen
2. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
3. Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten.
4. Der Streitwert wird auf 381,57 € festgesetzt.
5. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kosten einer Krankenhausbehandlung.
Der 1957 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte R G wurde aufgrund einer Verordnung vom
14.02.2005 des Internisten und Kardiologen Dr. L, N, zur Durchführung einer Kontrolle bei KHK am
16.02.2005 in der St. E-Klinik S der Klägerin stationär aufgenommen. Die Koronarangiographie wurde am
17.02.2005 durchgeführt und die Entlassung erfolgte am 18.02.2005.
In der Rechnung vom 09.03.2005 erfolgte die Abrechnung aufgrund der DRG-Ziffer F49C und die
Verweildauer wurde um weniger als 3 Belegungstage angegeben.
Mit Schreiben vom 23.03.2005 teilte die Beklagte dem Krankenhaus mit, dass sie den in der Rechnung
gestellten Betrag unter Vorbehalt zur Zahlung angewiesen habe. Weiter führte sie in diesem Schreiben
aus, dass auf Grundlage der übermittelten Diagnosen die Notwendigkeit einer vollstationären
Krankenhausbehandlung nicht nachvollziehbar sei. Zur Erstellung einer sozialmedizinischen
Stellungnahme erbat sie den Entlassungsbericht zur Vorlage bei dem Sozialmedizinischen Dienst bis zum
25.04.2005.
Nach Vorlage des Entlassungsberichts stellte der Arzt für Chirurgie S in einer sozialmedizinischen
Stellungnahme fest, es sei eine Koronarangiographie durchgeführt worden, bei der ein gutes
Dilatationsergebnis am D1 des RIVA festgestellt wurde. Ein Nachweis einer Restenose sei nicht erfolgt.
Den Unterlagen seien keine Gründe zu entnehmen, warum die Untersuchungen nicht bereits am
Aufnahmetag durchgeführt wurden, Voruntersuchungen wären gegebenenfalls prästationär möglich
gewesen. Der stationäre Aufenthalt hätte sich damit um einen Tag verkürzen lassen.
In Kenntnis dieser Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes teilte die Beklagte dem
Krankenhaus mit Schreiben vom 23.06.2005 mit, aufgrund der sozialmedizinischen Stellungnahme
ergebe sich ein neuer Zahlbetrag in Höhe von 1.119,87 €. Unter Berücksichtigung der bisherigen Zahlung
von 1.501,44 € werde der überzahlte Betrag an einer der nächsten Rechnungen einbehalten.
Nach durchgeführter Verrechnung erhob die Klägerin am 15.12.2005 Leistungsklage.
Die Klägerin macht geltend, der Versicherte sei wegen pectanginöser Beschwerden im Krankenhaus
stationär aufgenommen worden, wobei eine Koronarangiographie durchgeführt wurde. Entgegen der
Auffassung der Beklagten habe der stationäre Aufenthalt des Versicherten nicht um einen Tag verkürzt
werden können. Aufgrund der Tatsache, dass bei dem vom behandelnden Kardiologen eingewiesenen
Versicherten nicht abgeschätzt werden konnte, ob es sich um eine stabile oder eine instabile koronare
Situation handelte, habe die Angiographie durchgeführt werden müssen. Eine Angiographie ohne eine
ausführliche Aufklärung des Versicherten dürfe nur im dringlichsten Notfall noch am selben Tag
durchgeführt werden. Erst nach Anamnese und Untersuchung des Versicherten habe diese Dringlichkeit
ausgeschlossen werden können. Aus diesem Grund sei auch die Frist zur Einwilligungserteilung nach
ausführlicher Aufklärung des Versicherten zu wahren gewesen. Es wäre medizinisch nicht zu
verantworten gewesen, den Versicherten nochmals nach Hause zu schicken da nicht feststand, ob es sich
um eine stabile oder unstabile koronare Situation handelte. Bereits aus haftungsrechtlichen Gründen sei
dies nicht zu verantworten gewesen. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass der Versicherte in F, mithin
weit entfernt vom Sitz des Krankenhauses in S wohne. bis zum Tag der stationären Aufnahme habe das
Krankenhaus keinen Kontakt zu ihm gehabt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 381,57 € nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
dem 02.07.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise ein Sachverständigengutachten einzuholen, ob die stationäre Aufnahme des Versicherten
bereits ein Tag vor dem tatsächlichen Eingriff notwendig war,
hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Sie macht geltend, weiterhin sei von einer eintägigen Fehlbelegung auszugehen. Hierbei sei
insbesondere auch der Aspekt der Aufklärung des Versicherten über die Risiken der Untersuchung
berücksichtigt. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die besonderen Mittel eines Krankenhauses bereits bei
Aufklärung des Versicherten benötigt würden. Im Übrigen verweist sie auf eine weitere sozialmedizinische
Stellungnahme.
Das Gericht hat die Krankenakte beigezogen und die Beklagte auf die Entscheidung des
Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.05.2006 - L 5 KR 149/05 - hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten und auch den der Krankenakte. Er war
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist erfolgreich.
Die Klägerin hat über den bisherigen Ausgleich einen weiteren Anspruch auf Zahlung von 381,57 € nebst
2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 02.07.2005.
Entsprechend der von der Klägerin mit in der Rechnung vom 09.03.2005 vorgenommenen Codierung
nach der DRG-Ziffer F49C ist der Anspruch vollständig seitens der Beklagten auszugleichen. Entgegen
deren Auffassung kann nach Überzeugung des Gerichts nicht von einer Fehlbelegung von einem Tag
ausgegangen werden.
Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) ist für die Vergütung der allgemeinen
Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes
Vergütungssystem einzuführen. Das Vergütungssystem hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten
und Comorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach
Satz 1 werden die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen
Behandlungsfall vergütet.
Nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der
privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 mit der
Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits
eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert, seine
jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen,
Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen
Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im
Krankenhausentgeltgesetz vorgegeben werden.
Gemäß § 17b Abs. 6 KHG wird das Vergütungssystem für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung
eines Deutschen Fallpauschalkatalogs verbindlich zum 01. Januar 2004 eingeführt. Das
Vergütungssystem wird für das Jahr 2004 budgetneutral umgesetzt. Ab dem Jahr 2005 wird das
Erlösbudget des Krankenhauses nach den näheren Bestimmungen des Krankenhausentgeltgesetzes
schrittweise an den Basisfallwert nach Abs. 3 Satz 5 angeglichen.
Zur Ermittlung der Fallpauschale haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Spitzenverbände der
Krankenkassen sowie der Verband der privaten Krankenversicherung die Deutschen Codierrichtlinien
beschlossen. Für den hiesigen Abrechnungsfall kommt es insofern auf die Version 2005 an.
Vorliegend ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass die Abrechnung nach der DRG-Ziffer F49C zu
erfolgen hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aber bei der grundsätzlichen Abrechnung
nach der DRG-Ziffer F49C die Verweildauer nicht um einen Tag gekürzt werden.
Abgesehen davon, dass ausweislich der in der Verwaltungsakte enthaltenen Grouper-Feststellungen bei
der DRG-Ziffer F49C von einer mittleren Verweildauer von zwei Tagen auszugehen ist, rechtfertigen die
Feststellungen des Sozialmedizinischen Dienstes vorliegend nicht die Reduzierung auf einen
Belegungstag. Zwar erfolgte die stationäre Aufnahme des Versicherten nicht notfallmäßig, sondern elektiv
zur weiterführenden invasiven Diagnostik bei pathologischem Belastungs-EKG. Gleichwohl rechtfertigt
dies nicht den Standpunkt der Beklagten, dass die Mittel eines Krankenhauses nicht benötigt werden
während der Zeit, in der der Versicherte überlegt, ob er einem Eingriff zustimmt oder nicht. In diesem
Zusammenhang ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass bei der durchgeführten
Katheteruntersuchung eine ordnungsgemäße Aufklärung des Versicherten erforderlich war und insofern
der Versicherte auch genügend Zeit zwischen der Aufklärung und dem tatsächlichen Eingriff haben
musste, das Für und Wider des Eingriffs abzuwägen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.05.2006 - L 5
KR 149/05 -). Da vorliegend die Beklagte selbst davon ausgeht, dass bei dem hier erfolgten Eingriff die
Aufklärung des Versicherten wenigstens 24 Stunden vor dem Eingriff angezeigt war, erübrigen sich
dahingehend weitere Ausführungen. Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt aber die elektive
Untersuchungsindikation nicht die Durchführung einer prästationären diagnostischen Maßnahme
insofern, dass der Versicherte prästationär voruntersucht und aufgeklärt hätte werden können und nach
einer erneuten Anreise dann am Aufnahmetag selbst der diagnostische Eingriff hätte durchgeführt werden
können. Abgesehen davon, dass ausweislich des Routenplaners bei MSN zwischen dem Wohnsitz des
Versicherten und dem Krankenhaus der Klägerin eine tatsächliche Entfernung von 36 km hätte
zurückgelegt werden müssen, obliegt es gerade der Organisation des Krankenhauses der Klägerin sowie
der medizinischen Beurteilung der dortigen Ärzte, die notwendigen Voruntersuchungen und die
erforderliche Aufklärung im stationären Rahmen vor dem Tag des eigentlichen Eingriffs durchzuführen.
Gerade im Rahmen einer stationären Behandlung lassen sich die für eine Koronarangiographie
durchzuführenden Voruntersuchungen sowie die notwendige Aufklärung wesentlich besser und einfacher
organisieren. Unter Berücksichtigung der gerichtsbekannten Situation in Krankenhäusern kann selbst bei
straffster Organisation nicht davon ausgegangen werden, dass prästationär die erforderlichen
Untersuchungen und die erforderliche Aufklärung für den späteren Eingriff in einem für den Versicherten
angemessenen Zeitrahmen durchgeführt werden kann. Wesentlich einfacher lässt sich dies aber nach
erfolgter stationärer Aufnahme durchführen. Entsprechend den dann zur Verfügung stehenden
Kapazitäten im Krankenhaus können dann die Untersuchungen und die erforderliche Aufklärung
durchgeführt werden. Von ausschlaggebender Bedeutung für die vorgenommene Beurteilung ist für das
Gericht aber insbesondere auch die Tatsache, dass, wie gerichtsbekannt ist, ein Versicherter bei der
Durchführung einer Koronarangiographie nüchtern sein muss. Wie das aber ein verantwortungsbewusster
Arzt unter Berücksichtigung seines Haftungsrisikos sicherstellen will, wenn ein Versicherter nach
Durchführung einer prästationären Diagnostik und Aufklärung am eigentlichen Untersuchungstag
morgens anreist, erschließt sich dem Gericht nicht. Da aber ausschließlich der den Eingriff durchführende
Arzt und gerade nicht der Arzt des SMD das entsprechende Haftungsrisiko trägt, ist es für das Gericht
gerade medizinisch vertretbar, wenn der Versicherte bereits einen Tag vor Durchführung der
Koronarangiographie stationär aufgenommen wird. Ob insofern, so das Vorbringen der Klägerin, von dem
den Versicherten behandelnden Kardiologen nicht habe abgeschätzt werden können, ob es sich um eine
stabile oder instabile koronare Situation handelte oder ob insofern der Auffassung des
Sozialmedizinischen Dienstes, dass ausweislich der Unterlagen bei dem Versicherten an Beschwerden
lediglich eine Belastungsdispnoe beim Treppensteigen nach einer Etage vorgelegen haben, dagegen
pectaginöse Beschwerden nicht angegeben wurden, ist insofern unerheblich. Insofern war dann auch
keine Abklärung durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens angezeigt.
Da sich der im Krankenhaus der Klägerin durchgeführte Eingriff gerade an der von der DRG-Ziffer F 49C
unterstellten mittleren Verweildauer von 2 Tagen ausrichtet, war die Beklagte zum vollständigen Ausgleich
des in der Rechnung vom 09.03.2005 ausgewiesenen Rechnungsbetrages zu verurteilen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 14 Abs. 5 KBV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Berufung zuzulassen.