Urteil des SozG Koblenz vom 31.05.2007

SozG Koblenz: arzneimittel, apotheker, alv, fälschung, fahrlässigkeit, ärztliche verordnung, rezept, krankenkasse, abgabe, medikament

Sozialrecht
SG
Koblenz
31.05.2007
S 11 KR 47/06
Vergütungsanspruch eines Apothekers bei gefälschter Verordnung eines Arzneimittels
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer gefälschten Verschreibung von Arzneimitteln.
Der Kläger betrieb bis zum 31.01.2005 in R die "R-Apotheke". Seit dem 01.02.2005 hat der Kläger die
Apotheke an einen Nachfolger übergeben. Die Beklagte ist eine Primärkasse, die ihren Sitz außerhalb
des Bundeslandes Rheinland-Pfalz hat.
Am 29.10.2004 wurde in der Apotheke des Klägers, wie in weiteren rheinland-pfälzischen Apotheken,
eine gefälschte Arzneimittelverordnung über das Arzneimittel "G 12 mg (36 ie N 1 5 ST)" vorgelegt. Das
Arzneimittel "G" ist ein gentechnologisch gewonnenes S-Präparat. Bei S handelt es sich um ein
Wachstumshormon, welches den Knorpel-, Knochen- und Muskelaufbau fördert, Fettdepots abbaut, den
Blutzuckerspiegel erhöht und die Proteinbiosynthese im Muskelgewebe steigert. Das Arzneimittel wird fast
ausschließlich zur Therapie bei kleinwüchsigen Kindern/Jugendlichen mit ungenügender körpereigener
Wachstumshormonausschüttung, bei Wachstumsstörung infolge chronischen Nierenversagens, beim so
genannten Prader-Willi-Syndrom, zur Wachstumsförderung eingesetzt. Daneben wird "G" wegen seines
substanzaufbauenden Effektes seit Jahren zu Dopingzwecken in der Bodybuilding-Szene, in Fitness-
Studios und in anderen Bereichen missbräuchlich eingesetzt. Im Jahr 2004 wurden 3.177.046
Arzneimittelverordnungen, im Jahre 2005 3.334.871 Arzneimittelverordnungen zu Lasten der Beklagten
ausgestellt. Hierunter befanden sich 611 Verordnungen des Arzneimittels "G", davon waren 53
Verordnungen gefälscht. Da das Arzneimittel "G" ständig gekühlt gelagert und transportiert werden muss,
wird es regelmäßig in Apotheken nicht vorrätig gehalten, sondern muss bei Vorlage einer Verordnung
über den Großhändler bezogen werden.
Die vorgelegte Verordnung trägt am unteren Rand die eingedruckte Arztnummer "XY1". Die Verordnung
ist abgestempelt mit dem Stempel "Dr. med. D. H, V Straße 227, K", über dem Arztstempel ist ebenso wie
in der Mitte der Verordnung die Arztnummer "XY2" aufgedruckt worden. Als Verordnungsdatum ist der
29.10.2004 angegeben. Die Arzneimittelverordnung trägt den Namen "B J B, geb. am 07.06.1991", als
Adresse ist angegeben "P Straße 104, B". Ein Versicherter dieses Namens existiert bei der Beklagten
nicht. Weiterhin sind die Kassennummer, die Versichertennummer sowie die Gültigkeitsdauer der
Versichertenkarte aufgedruckt.
Die Apotheke des Klägers bestellte das Arzneimittel "G" gegen 10.30 Uhr bei dem Großhändler K in K,
hierfür wurde ein Betrag in Höhe von 2.677,38 € in Rechnung gestellt. Das Arzneimittel wurde gegen
17.00 Uhr von einer unbekannten Frau in der "R-Apotheke" abgeholt. Der Kläger berechnete der
Beklagten hierfür 3.206,33 €. Die Beklagte zahlte zunächst den geltend gemachten Betrag. Nachdem die
Beklagte die Fälschung entdeckt hatte, nahm die Beklagte gegenüber dem vom Kläger eingeschalteten
Apotheken-Rechen-Zentrum in D eine Rückbelastung des Betrages in Höhe von 3.206,33 € vor. Da eine
Verrechnung dieses Betrages mit laufenden Arzneimittelverordnungen durch das Apotheken-Rechen-
Zentrum nicht mehr erfolgen konnte, da der Kläger nicht mehr als Apotheker tätig war, zahlte er den Betrag
in Höhe von 3.206,33 € an das Apotheken-Rechen-Zentrum. Der Einspruch des Klägers gegen die
Retaxierung wurde von der Beklagten zurückgewiesen. Der Schlichtungsausschuss kam am 27.09.2005
einstimmig zu dem Ergebnis, dass die Tax-Beanstandung von der Beklagten zurückzunehmen sei, da die
Fälschung für den Apotheker offensichtlich nicht zu erkennen gewesen sei. Trotzdem weigerte die
Beklagte sich, dem Kläger den retaxierten Betrag zu erstatten.
Mit seiner am 14.02.2006 beim Sozialgericht K eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Verurteilung
der Beklagten zur Zahlung von 3.206,33 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit. Er trägt vor, er habe das verschreibungspflichtige Arzneimittel "G" zugunsten eines
Versicherten der Beklagten aufgrund einer zu Lasten der Beklagten ausgestellten ärztlichen Verordnung
geliefert und diese gegenüber der Beklagten als zuständigen Kostenträger auf der Basis des
Arzneilieferungsvertrages abgerechnet, der zwischen dem Apothekerverband R-P e. V. und den
Primärkassen in R-P mit Wirkung vom 01.04.1996 abgeschlossen worden sei. In diesem
Arzneilieferungsvertrag sei ausdrücklich geregelt, dass für gefälschte Verschreibungen kein Anspruch auf
Bezahlung bestehe, sofern der Apotheker die Fälschung bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt erkannt habe oder hätte erkennen müssen. Zwar sei es unstreitig, dass es sich um eine gefälschte
Verordnung gehandelt habe, diese gefälschte Verordnung habe jedoch sämtliche Kriterien, die an eine
vertraglich ordnungsgemäß ausgestellte Verordnung gestellt würden, beinhaltet, so dass er nicht
fahrlässig gehandelt habe. Soweit die Beklagte auf die unterschiedlichen Arztnummern hinweise,
begründet dies keine Fahrlässigkeit. Die Beklagte habe bereits im Februar 2002 bei der zuständigen
Staatsanwaltschaft den Diebstahl der Rezeptvordrucke angezeigt, jedoch offensichtlich nichts
unternommen, um Folgediebstählen einen Riegel vorzuschieben. Des Weiteren sei nicht nachvollziehbar,
wie es der Ärztin Dr. H als Vertragspartnerin der Beklagten habe passieren können, dass deren Stempel
anlässlich eines Einbruchs habe entwendet werden können und offenbar die Fälschung in der Arztpraxis
auf deren Computer vorgenommen worden sei. Es sei geboten gewesen, dass sich die betreffende Ärztin
schnellstmöglich mit den Kassenvertretern ins Benehmen hätte setzen müssen und Vorsorgemaßnahmen
hätten getroffen werden müssen, um Rezeptfälschungen gegenüber den Leistungserbringern zu
begegnen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei er auf der Basis des Arzneilieferungsvertrages
nicht verpflichtet gewesen, eine vergleichende Überprüfung der Arzneimittelverordnung hinsichtlich der
Arztnummern vorzunehmen und im Falle der fehlenden Identität die Verordnung zu verweigern. Eine
solche Handhabung sei weder vertraglich geregelt noch praxisgerecht. Oftmals komme es vor, dass
anlässlich der Ausstellung von Verordnungen im Notdienst oder Verordnungen durch eine
Gemeinschaftspraxis, in Mehrfachpraxen und in Praxisgemeinschaften unterschiedliche Arztnummern auf
der Verordnung aufgebracht seien, so dass es dem Apotheker in der Praxis nicht möglich sei, diese
unterschiedlichen Arztnummern einer Überprüfung zu unterziehen. Deshalb enthalte der
Arzneilieferungsvertrag auch keine entsprechende Verpflichtung. Zudem verfügten Apotheker nicht über
Listen mit den vergebenen Arztnummern. Auch die Tatsache, dass das verordnete Arzneimittel sehr teuer
sei, habe keinen Grund dargestellt, die Richtigkeit der Verordnung zu hinterfragen. Auch sei die
Gewinnspanne äußerst minimal, so dass nicht unterstellt werden könne, der Apothekenleiter habe aus
unlauteren Motiven unter bewusster Außerachtlassung der Sorgfalt das Arzneimittel abgegeben. Da der
Arztstempel auch über keine Telefonnummer verfügen müsse, habe sich auch nicht der Verdacht
aufgedrängt, dass es sich um ein gefälschtes Rezept gehandelt habe. Die Verordnung sei für ihn
ordnungsgemäß ausgestellt gewesen. Sie habe alle im Arzneilieferervertrag aufgeführten Kriterien, wie
u. a. Bezeichnung der Krankenkasse, Versichertenname, Vertragsarztnummer, Vertragsarztstempel und
Unterschrift enthalten. Der Apothekenleiter sei vertraglich nicht verpflichtet, beim Arzt fernmündliche
Rücksprache zu halten nur aus dem Grund, weil ein sehr teures Arzneimittel verordnet worden sei.
Dennoch habe er im konkreten Fall am 29.10.2004 gegen 16.00 Uhr die Nummer der Praxis von Frau
Dr. H angerufen, dort sei jedoch niemand mehr ans Telefon gegangen. Darüber hinaus seien im
Verbreitungsgebiet des Arzneilieferungsvertrages in den letzten 3 Jahren keine Hinweise veröffentlicht
worden, dass gefälschte Rezepte über Wachstumshormone in Umlauf seien. Ein solcher Warnhinweise
sei erstmals am 30.09.2005 durch den Apothekerverband R-P erfolgt. Da er auch nach der
Apothekenbetriebsordnung verpflichtet gewesen sei, eine ärztliche Verordnung unverzüglich
auszuführen, habe er sich nicht veranlasst gesehen, die Verordnung nach dem vergeblichen Anruf
weitergehend zu hinterfragen. Der Schlichtungsausschuss habe ebenfalls festgestellt, dass ihm kein
Vorwurf gemacht werden könne. Dies ergebe sich auch aus einem Urteil des Sozialgerichts S (S 10 KR
7898/04). In dieser Entscheidung sei das Sozialgericht in einem ähnlich gelagerten Fall zu dem Ergebnis
gelangt, dass der Apotheker nicht fahrlässig gehandelt habe. Schließlich sei im Arzneiliefervertrag
geregelt, dass die Apotheke grundsätzlich nicht zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des
verordneten Mittels verpflichtet sei. Weiterhin sei die Apotheke nicht zur Prüfung der Kassenzugehörigkeit
des Versicherten verpflichtet. Nur da der Versuch der Kontaktaufnahme mit der in der Verordnung
genannten Ärztin missglückt sei, habe er sich verpflichtet gefühlt, das Arzneimittel an den Abholer
abzugeben.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.206,33 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der geltend gemachte Zahlungsanspruch sei nicht gegeben, da der Kläger bei der Abgabe
des Arzneimittels "G" fahrlässig gehandelt habe. Zunächst handele es sich entgegen dem Vorbringen des
Klägers nicht um eine perfekte Fälschung, die nicht erkennbar gewesen sei. Jeder, der - wie der Kläger -
mit Verordnungsblättern Erfahrung habe, habe auf den ersten Blick erkennen können, dass die in der
vorgedruckten Codierzeile wiedergegebene Vertragsarztnummer weder mit der im Vertragsarztstempel
enthaltenen Vertragsarztnummer noch mit der Vertragsarztnummer links übereinstimme. Hierfür habe es
eine bloße Inaugenscheinnahme gebraucht, um die Nichtübereinstimmung festzustellen. Dass das
verwendete Formular echt gewesen sei, sei bei gefälschten bzw. missbräuchlich benutzten
Verordnungsblättern nichts Besonderes, sondern die Regel. Dass die angeblich verordnete Ärztin
tatsächlich existiere, sei unbestritten und bei gefälschten Verordnungsblättern nicht ungewöhnlich. Dass
allerdings das Rezept mit der Versichertenkarte eines B J in der Praxis der Frau Dr. H bedruckt worden sei
und der Vertragsarztstempel dieser Ärztin entwendet worden sei, sei ihr nicht bekannt. Der angeblich
Versicherte und die Versichertennummer seien frei erfunden gewesen. Wie, wo und ob der
Originalvertragsarztstempel von Frau Dr. H für die Fälschung benutzt worden sei, wisse sie nicht. Es sei
allerdings erstaunlich, dass der Kläger über diese Kenntnis verfüge. Im Regelfall erlange sie, die im
Gegensatz zum Apotheker bei der Abgabe des Medikaments nicht anwesend sei, erst mehrere Monate
später bei einer Prüfung der von den Rechen-Zentren zurückfließenden Verordnungsblätter Kenntnis,
dass es sich um Fälschungen handeln könne. In diesem Fall sei der Diebstahl oder angebliche Diebstahl
der Blanko-Rezepte oder von Vertragsarztstempeln längst Vergangenheit und könne von ihr nicht mehr
verhindert werden. Sie habe in jedem Fall Strafanzeige erstattet und die strafrechtlichen Ermittlungen
unterstützt. Es liege nicht in ihrer Hand, Rezeptdiebstähle zu verhindern und die Einlösung der dann
gefälschten Verordnungsblätter zu erschweren. Dies sei eine Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung,
die die Vertragsärzte zur sorgfältigen Verwahrung von Blanko-Verordnungsblättern anzuhalten habe, und
der Apotheker als der Stellen, die Arzneimittel aufgrund von gefälschten Verordnungen abgäben. Auch
das Vorbringen des Klägers über die Nutzung vorgedruckter Verordnungsblankoformulare durch
verschiedene Ärzte sei nicht stichhaltig. Die Musterverordnungsblätter würden bei einer Firma gedruckt
und verließen diese Firma nur vorcodiert mit der für jeden Vertragsarzt individuellen Vertragsarztnummer.
Damit sei jedes Verordnungsblatt, das die Druckerei verlasse, einem Vertragsarzt zuzuordnen. Zudem
hätte der Kläger mit einem Blick auf den Arztstempel erkennen können, dass es sich vorliegend nicht um
eine Gemeinschaftspraxis oder eine Praxisgemeinschaft gehandelt habe. Die Unterschiedlichkeit der
verwendeten Vertragsarztnummern sei durchaus ein äußerer Anhaltspunkt, der den Kläger hätte
misstrauisch werden lassen müssen. Zudem sprächen auch weitere Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger
eine nähere Überprüfung hätte vornehmen müssen. Das Arzneimittel "G" sei nicht irgendein Medikament,
welches täglich häufig in Apotheken abgegeben werde, sondern ein seltenes Arzneimittel. Zudem sei in
der Öffentlichkeit häufiger auf den Missbrauch dieses Arzneimittels hingewiesen worden. Dass solche der
Allgemeinheit bekannten Informationen dem Kläger nicht bekannt gewesen seien, verwundere sehr.
Zudem sei das Medikament von einem unbekannten Arzt für einen unbekannten Versicherten verordnet
worden. Die Verordnung von "G" erfolge im Normalfall im Rahmen einer Dauermedikation bei
kleinwüchsigen Kindern. Diese Patienten, die oftmals in Schwerpunktambulanzen behandelt würden,
seien dem Apotheker in der Regel bekannt. Vorliegend habe ein dem Kläger unbekannter Arzt, der nicht
in räumlicher Nähe zur Apotheke des Klägers seinen Praxissitz habe, die angebliche Verordnung
vorgenommen. Hinzu komme, dass es sich um ein ungewöhnlich hochpreisiges Medikament gehandelt
habe, welches aufgrund des Missbrauchspotentials ähnlich wie im Drogenhandel zu hohen Preisen
illegal gehandelt werde. Auch dies hätte den Argwohn des Klägers erwecken müssen. Aufgrund der
Notwendigkeit, das Medikament zu bestellen, habe beim Kläger auch kein Zeitdruck vorgelegen. Soweit
der Kläger vorgetragen habe, er habe am 29.10.2004 gegen 16.00 Uhr in der Praxis der Frau Dr. H
erfolglos angerufen, sei zu berücksichtigen, dass es sich dabei um einen Freitag gehandelt habe. Das
Rezept sei angeblich am 29.10.2004 in einer Arztpraxis in K ausgestellt worden und bereits am frühen
Vormittag in der Apotheke des Klägers in R vorgelegt worden. Auch diese frühe Vorlage hätte angesichts
der Entfernung zwischen K und R Verdacht erregen müssen. Ein rechtzeitiger Anruf bei der angeblich
verordnenden Ärztin oder der angegebenen Krankenkasse hätten einen Arzneimittelmissbrauch wie auch
verordnenden Ärztin oder der angegebenen Krankenkasse hätten einen Arzneimittelmissbrauch wie auch
den finanziellen Schaden vermeiden können. Zudem sei es nicht ihre Aufgabe gewesen, Apothekern wie
dem Kläger Problembewusstsein zu verschaffen. Der Kläger verfüge als Apotheker über pharmazeutische
Kenntnisse, die ihn in die Lage versetzten müssten, äußerlich erkennbare auffällige Verordnungsblätter
über ein problematisches Medikament mit Missbrauchspotential näher zu prüfen. Soweit der Kläger sich
auf das Urteil des Sozialgerichts S berufe, könne der dortigen Begründung nicht gefolgt werden.
Insgesamt hätten somit genügend Anhaltspunkte vorgelegen, die auf Unregelmäßigkeiten hingedeutet
hätten. Es hätte seitens des Klägers nur einer geringen Sorgfaltsanspannung bedurft, um den Schaden zu
vermeiden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt
der Gerichtsakte. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung des
Betrages, den die Beklagte gegenüber dem Apotheken-Rechen-Zentrum D rückbelastet hat und den der
Kläger anschließend dem Apotheken-Rechen-Zentrum erstattet hat.
Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs des Klägers ist der zwischen dem Apothekerverband R-P e. V.
und den Primärkassen in R-P gemäß § 129 Abs. 5 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) und
§ 127 Abs. 1 SGB V abgeschlossene Arzneiliefervertrag (ALV) vom 26.02.1996, der am 01.04.1996 in
Kraft getreten ist. Nach § 21 Abs. 1 ALV ist die Rechnung des Apothekers innerhalb von 10 Arbeitstagen
nach Eingang bei der Krankenkasse unter Verrechnung etwaiger Differenzen zu begleichen. Die Zahlung
erfolgt vorbehaltlich etwaiger Beanstandungen. Das Beanstandungsverfahren ist in § 23 ALV geregelt.
Nach § 23 Abs. 2 ALV sind sachliche Beanstandungen innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Ablauf
des Abrechnungsmonats gegenüber der Apotheke geltend zu machen. Sachliche Beanstandungen
werden der Lieferapotheke unter Vorlage der Originalverordnung oder einer Kopie mit der Begründung
der Beanstandung von dem Kostenträger mitgeteilt. Sachliche Beanstandungen sind u. a. Fehler nach § 3
ALV. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 ALV erfolgt die Abgabe von Arzneimitteln aufgrund ordnungsgemäß
ausgestellter vertragsärztlicher Verschreibung zu Lasten der vom Vertragsarzt bezeichneten
Krankenkasse an die Versicherten. Hat der Arzt die Verschreibung auf einem Verordnungsblatt der
Krankenkasse oder mit Angabe über die Kassenzugehörigkeit des Versicherten ausgestellt, ist nach § 3
Abs. 1 Satz 2 ALV die Apotheke zur Prüfung der Kassenzugehörigkeit des Versicherten nicht verpflichtet,
die angegebene Krankenkasse hat die Verschreibung zu bezahlen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 ALV ist die
Apotheke grundsätzlich nicht zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des verordneten Mittels
verpflichtet. Für gefälschte Verschreibungen besteht nach § 3 Abs. 1 Satz 5 ALV kein Anspruch auf
Bezahlung, sofern der Apotheker die Fälschung bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
erkannte oder hätte erkennen müssen. § 3 Abs. 2 ALV regelt im Einzelnen, wann eine vertragsärztliche
Verordnung ordnungsgemäß ausgestellt ist.
§ 3 Abs. 1 Satz 5 ALV enthält den Begriff der Fahrlässigkeit, wie er allgemein in § 276 Abs. 1 Satz 2
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) definiert ist. Da § 3 Abs. 1 Satz 5 ALV nicht fordert, dass die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden sein muss, genügt für die Erfüllung
der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 5 ALV einfache Fahrlässigkeit. Diese ist gegeben, wenn die
besonderen Merkmale grober Fahrlässigkeit nicht erfüllt sind. Ebenso wie im Zivilrecht ist vorliegend ein
objektiver Sorgfaltsmaßstab heranzuziehen. Abzustellen ist damit auf den Sorgfaltsmaßstab, der in der
maßgeblichen Vergleichsgruppe möglich ist, dem individuellen Leistungserbringer ist es nicht möglich,
sich unter Verweis auf individuelle Nachlässigkeiten oder ähnliche vom Vergleichsmaßstab abweichende
Gesichtspunkte vom Vorwurf der Fahrlässigkeit zu befreien. Weiterhin haftet der Apothekenleiter unter
Berücksichtigung der sich aus § 278 BGB ergebenden Grundsätze auch für fahrlässiges Verhalten seiner
Mitarbeiter.
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger bei der Abgabe des Arzneimittels "G" am 29.10.2004 an
eine unbekannt gebliebene Person fahrlässig gehandelt. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, war
das an diesem Tag vorgelegte Rezept über die Verordnung von 5 Stück "G" gefälscht. Der
Arzneimittelvordruck stammte von einem dem Namen nach unbekannten Arzt mit der Arztnummer "XY1",
bei diesem Arzt sind Blanko-Arzneimittelvordrucke mit der aufgedruckten Arztnummer verschwunden,
ohne dass die näheren Umstände geklärt werden konnten. Weiterhin ist der Name des Versicherten frei
erfunden, auch hat Frau Dr. med. D. H eine entsprechende Verordnung am 29.10.2004 nicht ausgestellt.
Damit handelt es sich insgesamt um ein gefälschtes Rezept im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 5 ALV. Bei
Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Kläger oder ein bei ihm beschäftigter
Mitarbeiter die Fälschung erkennen müssen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Arztnummer
auf dem verwendeten Arzneimittelvordruck abweicht von der über dem Arztstempel befindlichen
Arztnummer und der im linken mittleren Teil der Verordnung aufgedruckten Arztnummer. Der Kläger war
bei Anwendung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabes jedenfalls bei Einreichung der vorliegenden
Arzneimittelverordnung verpflichtet, diese sorgfältiger als sonst üblicherweise vorkommende
Arzneimittelverordnungen zu überprüfen. Zunächst besteht für den Apotheker die Verpflichtung, die
ordnungsgemäße Ausstellung gemäß § 3 Abs. 2 ALV zu überprüfen. Diese Überprüfung beinhaltet nach §
3 Abs. 2 Satz 1 e ALV die Kontrolle der Vertragsarztnummer. Die Kontrolle beschränkt sich dabei nicht nur
darauf, ob überhaupt eine Vertragsarztnummer auf dem Vordruck und in den hierfür vorgesehenen
Feldern vorhanden ist, sondern auch darauf, ob diese übereinstimmen. Der Kläger kann mit seinem
Vorbringen, er sei lediglich zu einer schematischen Überprüfung verpflichtet, ob alle - in welcher Form
auch immer - vorgesehenen Angaben vorhanden sind. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Arzneimittel
nach § 3 Abs. 13 ALV nur abgegeben werden dürfen, wenn die Verordnung innerhalb von einem Monat
nach Ausstellung der Verordnung in der Apotheke vorgelegt wird. Damit ist der Apotheker oder sein
Mitarbeiter verpflichtet, das Ausstellungsdatum mit dem Tag der Vorlage der Arzneimittelverordnung zu
vergleichen. Weiterhin ergibt sich aus § 3 Abs. 15 ALV, dass der Apotheker dann, wenn bei der ärztlichen
Verordnung von Arzneimitteln die Angabe der Darreichungsform und Dosierung ungenau oder
unvollständig ist, zunächst zu versuchen hat, den Vertragsarzt zu erreichen. Darüber hinaus hat der
Apotheker gemäß § 4 ALV zu überprüfen, ob preisgünstige namensgleiche importierte Arzneimittel
anstelle der verordneten Arzneimittel abgegeben werden können. Somit ist insgesamt eine lediglich
schematische Überprüfung einer vorgelegten Arzneimittelverordnung ein Verstoß gegen den im Verkehr
erforderlichen Sorgfaltsmaßstab bei pharmazeutischen Leistungserbringern. Hätten der Kläger oder seine
Mitarbeiter bei der gebotenen Kontrolle der Arzneimittelverordnung die unterschiedlichen Arztnummern
verglichen, wären sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen, bis zur Klärung dieser
Unstimmigkeit die Abgabe des verordneten Arzneimittels zu verweigern. Dem kann der Kläger auch nicht
entgegenhalten, dass die Verwendung unterschiedlicher Arztnummern auf dem Arzneimittelblatt
einerseits und im Stempelaufdruck andererseits nicht unüblich sei. Die Beklagte hat dargelegt, dass
Vertragsärzte Arzneimittelverordnungsvordrucke aus einer bundesweit zuständigen Druckerei erhalten, in
denen im unteren rechten Bereich die Arztnummer bereits aufgedruckt ist. In Gemeinschaftspraxen wird
zwar die gleiche Arztnummer verwendet, das Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis ergibt sich jedoch aus
dem Arztaufdruck. Vorliegend ergab sich hieraus eindeutig, dass es sich um eine Einzelpraxis handelte,
so dass unterschiedliche Arztnummern Verdacht hätten erregen müssen. Soweit in Praxisgemeinschaften
unterschiedliche Arztnummern verwendet werden, kann der hier vorliegende Sachverhalt ebenfalls nicht
eintreten, da jeder Arzt einer Praxisgemeinschaft die für ihn vergebene Arztnummer verwendet. Dies muss
dem Kläger als langjährig tätiger Pharmazeut bekannt gewesen sein. Sollte er über diese Kenntnis nicht
verfügt haben, handelt es sich um eine besondere in seiner Person liegende Nachlässigkeit, die den
Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht entfallen lässt.
Darüber hinaus hat der Kläger seine Sorgfaltspflicht auch dadurch verletzt, dass er in Anbetracht des
verordneten Arzneimittels und dem Widerspruch der verwendeten Arztnummern keine weiteren
Überprüfungen hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Arzneimittelverordnung angestellt hat. Der Kläger
kann nicht mit dem Vorbringen gehört werden, ihm sei als Apotheker nicht bekannt gewesen, dass für
Wachstumshormone, wie es auch das Arzneimittel "G" enthält, einen illegalen Markt gibt und dass durch
Vorlage gefälschter Arzneimittelverordnungen versucht wird, illegal in den Besitz dieser Arzneimittel zu
gelangen. Wie die Beklagte beispielhaft anhand der Vorlage einzelner in Tageszeitungen veröffentlichter
Berichte dargelegt hat, ist hierüber in der Öffentlichkeit oft berichtet worden. Auch der Kammer ist aufgrund
allgemein zugänglicher Informationen seit langem bekannt, dass Wachstumshormone illegal für
Dopingzwecke in Sport und Bodybuilding-Kreisen benutzt werden. Apotheker wie der Kläger sind im
Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit verpflichtet, auch nach Abschluss ihrer Ausbildung sich weiterzubilden
und sich insbesondere über neuere Entwicklungen zu informieren. Dies erfordert zur Vermeidung des
Vorwurfes der Fahrlässigkeit ein eigenständiges Tätigwerden, der Kläger kann sich daher nicht darauf
berufen, die Beklagte habe es verabsäumt, ihn über die Möglichkeit des Missbrauchs bei Verordnung des
Arzneimittels "G" zu informieren und sie habe ihn auch nicht über Diebstähle von Arzneimittelvordrucken
und Arztstempeln in Arztpraxen informiert. Jedenfalls handelt ein Apotheker fahrlässig, wenn er sich nicht
zumindest aus für ihn allgemein zugänglichen Informationsquellen und fachlichen Informationen
regelmäßig darüber informiert, welche neuen Entwicklungen - auch im Hinblick auf den Missbrauch bei
Arzneimitteln - eingetreten sind. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es der Kammer schlichtweg
unglaubhaft, dass dem Kläger als langjährigen Apotheker unbekannt gewesen sein soll, dass die
Beschaffung von Arzneimitteln, welche Wachstumshormone enthalten, auf illegale Weise erfolgt, da durch
den Weiterverkauf der somit beschafften Arzneimitteln erhebliche Gewinne erwirtschaftet werden können.
Der Kläger hat auch deshalb fahrlässig gehandelt, weil er nicht beachtet hat, dass die am 29.10.2004
angeblich in K für einen Versicherten aus B ausgestellte Verordnung bereits am gleichen Vormittag in
seiner Apotheke in R vorgelegt worden ist. Der Name des auf der Verordnung genannten Versicherten
war dem Kläger ebenso unbekannt wie die Person, die die Verordnung in der Apotheke vorgelegt hat. Da
das Arzneimittel "G", wie die Beklagte durch Vorlage entsprechender Zahlen in der mündlichen
Verhandlung nachgewiesen hat, äußerst selten verordnet wird und da bei diesem Medikament ein
erhebliches Missbrauchspotential besteht, was dem Kläger hätte bekannt sein müssen, hätte er sich
Gedanken darüber machen müssen, warum ein in K ausgestelltes Rezept für einen in B lebenden
Versicherten in einer Apotheke in R vorgelegt wird. Hierzu hätte insbesondere deshalb Anlass bestanden,
da es sich hierbei um ein Arzneimittel handelte, das gekühlt transportiert werden muss. Daher hätte
zumindest die Überlegung nahe liegen müssen, warum das Arzneimittel nicht in einer wohnortnahen
Apotheke bestellt worden ist.
Da somit aufgrund des tatsächlichen Sachverhalts erhebliche Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die
Arzneimittelverordnung gefälscht war, haben dem Kläger bzw. seinen Mitarbeitern weitere
Kontrollpflichten oblegen, denen sie nicht nachgekommen sind. Bietet sowohl die vorgelegte
Arzneimittelverordnung wie auch die Art des verordneten Arzneimittels Anlass zu Zweifeln an einer
ordnungsgemäßen Verordnung, hat der Apotheker, auch wenn ausdrückliche entsprechende Regelungen
im Arzneiliefervertrag fehlen, Kontrollmaßnahmen durchzuführen, wie sie jedem Leistungserbringer im
Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung obliegen. Allgemein ist bekannt, dass im Bereich der
gesetzlichen Krankenversicherung ein erhebliches Missbrauchspotential besteht, welches zu Schäden
führt, die im mehrstelligen Millionenbereich angesiedelt werden. Daher kann der Apotheker - ebenso wie
der Vertragsarzt oder sonstige Leistungserbringer - bei Anhaltspunkten für den Verdacht auf eine
missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme verlangen, dass die Person, die Leistungen in Anspruch
nehmen will, ihre Berechtigung durch Vorlage der Krankenversichertenkarte, des Personalausweises
oder sonstiger Legitimationspapiere nachweist. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass
angesichts der Massenabgabe von Arzneimitteln jeden Tag eine solche Kontrolle nicht durchführbar wäre,
da sie sich lediglich auf solche Fälle beschränkt, in denen die Arzneimittelverordnung Anlass zu Zweifeln
an ihrer Ordnungsmäßigkeit bietet, das verordnete Arzneimittel ein Missbrauchspotential bietet und es in
einer Preislage angesiedelt ist, die zu einer besonderen Kontrolle verpflichtet. Da solche Verordnungen,
beispielsweise für das Arzneimittel "G" zu Lasten der Beklagten lediglich etwa 600 Verordnungen im
Vergleich zu ca. 6,5 Millionen sonstigen Verordnungen innerhalb von zwei Jahren keinen besonderen
Aufwand fordern, handelt der Apotheker fahrlässig, wenn er solche Kontrollen unterlässt. Soweit der
Kläger vorgetragen hat, er habe am 29.10.2004 gegen 16.00 Uhr die Vertragsarztpraxis von Frau Dr. H
versucht, telefonisch zu erreichen, führt dies nicht zum Wegfall der Fahrlässigkeit, da er nicht ernsthaft
erwarten durfte, dass an einem Freitag spät nachmittags eine Arztpraxis noch geöffnet ist. Jedenfalls war
er auch unter Berücksichtigung sonstiger berufsrechtlicher Regelungen, insbesondere auch zur
Vermeidung von Gesundheitsschäden, berechtigt und sogar verpflichtet, die Abgabe des verordneten
Arzneimittels gegebenenfalls bis zum darauf folgenden Montag zu verweigern, um die
Ordnungsgemäßheit der Arzneimittelverordnung näher überprüfen zu können. Der Kläger hat schon nicht
nachvollziehbar vorgebracht, weshalb er erst am Spätnachmittag eines Freitages versucht hat, die auf der
Verordnung genannte Arztpraxis zu erreichen. Hierzu hätte bereits bei Vorlage der Verordnung am
Vormittag des 29.10.2004 Veranlassung bestanden. Zudem hätte der Kläger oder seine Mitarbeiter bei
der Beklagten nachfragen können, ob die auf der Arzneimittelverordnung genannte Versichertennummer
existiert und mit dem Namen des auf dem Rezept genannten Versicherten übereinstimmt. Hierzu hätte
insbesondere deshalb genügend Zeit bestanden, da das Arzneimittel über einen Großhändler besorgt
werden musste und deshalb eine sofortige Aushändigung an die vorlegende Person nicht erfolgte. Warum
der gemäß § 24 ALV gebildete Schlichtungsausschuss insoweit zu einer anderen Auffassung gelangt ist,
kann von der Kammer unter Berücksichtigung des vorliegenden Sachverhalts nicht nachvollzogen
werden.
Die Klage ist nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG).