Urteil des SozG Koblenz vom 07.09.2006

SozG Koblenz: angemessenheit der kosten, heizung, miete, materielles recht, unterkunftskosten, einfamilienhaus, zukunft, rücknahme, nebenkosten, ausnahme

Sozialrecht
SG
Koblenz
07.09.2006
S 11 KG 13/05
Weitergewährung von Kinderzuschlag bei Eigenheimbewohnern
Tenor:
1. Die Bescheide der Beklagten vom 24.08.2005 und 07.10.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.10.2005 und der Bescheid vom 07.03.2006 werden abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über den 01.09.2005 hinaus Kinderzuschlag unter
Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.
3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
4. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz
(BKGG).
Die 1980 geborene Klägerin ist seit dem 06.09.2002 mit dem 1974 geborenen M R verheiratet. Aus der
Ehe sind die Kinder R, geboren 2002, L, geboren 2004, und M, geboren 2005, hervorgegangen. Die
Klägerin ist nicht erwerbstätig, ihr Ehemann erzielt ein regelmäßiges Einkommen aus einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung in Höhe von 2.023,60 € brutto, hierauf entfallen Steuern und
Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 462,23 €. Die Klägerin und ihre Familie bewohnen ein eigenes
Haus mit einer Wohnfläche von ca. 114 qm. Die monatlich zu zahlenden Schuldzinsen belaufen sich auf
585,50 €, hinzu kommen Heizkosten in Höhe von 160,00 € und Nebenkosten in Höhe von 61,00 €.
Mit Bescheid vom 08.06.2005 lehnte die Arbeitsgemeinschaft R-L den Antrag des Ehemannes der
Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem 2. Buch des Sozialgesetzbuchs
(SGB II) ab, da nach den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB
II nicht vorliege.
Am 13.07.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Kinderzuschlag. Mit Bescheid vom
27.07.2005 bewilligte die Beklagte Kinderzuschlag für die Kinder R und L ab Februar 2005 in Höhe von
266,00 € monatlich. Die Beklagte errechnete Erwerbseinkünfte in Höhe von 1.257,72 € (Bruttoeinnahmen
aus Arbeitnehmertätigkeit in Höhe von 2.023,60 € abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in
Höhe von 462,23 €, Werbungskosten in Höhe von 26,73 €, Kfz-Haftpflichtversicherungsbeiträge in Höhe
von 28,01 €, Beiträge zu privaten Versicherungen in Höhe von 30,00 € und Freibeträge bei
Erwerbstätigkeit in Höhe von 218,91 €). Der Gesamtbedarf der Klägerin und ihrer Familie wurde ermittelt
mit 1.569,40 € (Regelleistung für die Klägerin und ihren Ehemann je 311,00 €, Regelleistung für die
mit 1.569,40 € (Regelleistung für die Klägerin und ihren Ehemann je 311,00 €, Regelleistung für die
Kinder R und L in Höhe von je 207,00 €, Mehrbedarf bei Schwangerschaft in Höhe von 53,00 €, Kosten
der Unterkunft in Höhe von 788,40 € abzüglich Kindergeld in Höhe von je 154,00 €). Der so ermittelte
Restbedarf in Höhe von 311,68 € ergab unter Berücksichtigung eines errechneten oder tatsächlichen
Anspruchs auf Wohngeld in Höhe von 70,00 € den Anspruch auf Kinderzuschlag. Im Juli 2005 gewährte
die Beklagte unter Berücksichtigung der Geburt des Kindes M Kinderzuschlag in Höhe von 322,00 €.
Mit Bescheid vom 24.08.2005 hob die Beklagte die Bewilligung von Kinderzuschlag ab August 2005 auf.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe nur, wenn damit
Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werde. Dies setze voraus, dass das Einkommen und/oder
Vermögen der Bedarfsgemeinschaft geringer sei als der Gesamtbedarf. Ab August 2005 sei nur noch die
Warmmiete zu berücksichtigen, die vom örtlich zuständigen kommunalen Träger als angemessen
festgelegt worden sei. Das Einkommen und/oder Vermögen der Klägerin und ihrer Bedarfsgemeinschaft
übersteige deshalb den Gesamtbedarf, daher sei ein Anspruch auf Kinderzuschlag ausgeschlossen.
Am 22.09.2005 erhob die Klägerin Widerspruch. Mit Bescheid vom 07.10.2005 nahm die Beklagte unter
Abänderung des Bescheides vom 24.08.2005 die Bewilligung des Kinderzuschlages ab September 2005
gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zurück. Zur Begründung
wurde ausgeführt, der Kinderzuschlag für August 2005 in Höhe von 322,00 € werde überwiesen. Das
öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrigen begünstigenden Entscheidung ergebe sich
aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Gleichbehandlungsgebot. Im Rahmen des
auszuübenden Ermessens sei zu beachten, ob das Vertrauen schutzwürdig sei. Das Vertrauen sei
schutzwürdig, wenn die Leistung verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen worden sei, die
nicht mehr rückgängig zu machen sei. Die Klägerin sei am 27.07.2005 über die Bewilligung des
Kinderzuschlages informiert worden. Mit Bescheid vom 24.08.2005 sei die Bewilligung des
Kinderzuschlages aufgehoben worden. Die Klägerin habe sich auf die geänderten
Einkommensverhältnisse einstellen können. Es werde eine einheitliche Rechtsauslegung, eine
zweckgerichtete Mittelverwendung und die Haushaltsgrundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit
beachtet. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2005 wurde der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.
Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, Leistungen für Unterkunft und Heizung würden nach §
22 SGB II in Höhe angemessener tatsächlicher Aufwendungen erbracht. Bei der Berücksichtigung der
Wohnkosten sei also von der tatsächlichen Warmmiete auszugehen, soweit sie angemessen sei.
Angemessen sei die Miete, wenn sie den vom örtlich zuständigen kommunalen Träger festgelegten
Betrag nicht übersteige. Übersteige die Miete den angemessenen Betrag, werde nur die angemessene
Miete berücksichtigt. Nach Ablauf von 6 Monaten nach der erstmaligen Gewährung von Kinderzuschlag
sei nur noch die Warmmiete zu berücksichtigen, die vom örtlichen zuständigen kommunalen Träger als
angemessen festgelegt worden sei. Ab September 2005 überschreite das Einkommen in Höhe von
monatlich 1.257,72 € den Gesamtbedarf von 1.186,50 €. Die Entscheidung über die Festsetzung des
Kindergeldes sei daher nach § 45 Abs. 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft ab September 2005 in vollem
Umfang zurückzunehmen.
Hiergegen richtet sich die am 31.10.2005 beim Sozialgericht Koblenz eingegangene Klage.
Mit Bescheid vom 07.03.2006 bewilligte die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07.10.2005
Kinderzuschlag für die Kinder R, L und M für Oktober 2005 und von Dezember 2005 bis März 2006 in
Höhe von 196,00 € monatlich, wobei die Beklagte als gesamte Kosten der Unterkunft einen Betrag in
Höhe von 476,00 € und nicht die tatsächlich anfallenden Kosten für Schuldzinsen, Heizung und
Nebenkosten berücksichtigte.
Die Klägerin trägt vor, sie habe ab September 2005 einen Anspruch auf Zahlung von Kinderzuschlag bzw.
eines höheren Kinderzuschlages. Das anzurechnende Einkommen habe den Gesamtbedarf zu keinem
Zeitpunkt überschritten. Die Beklagte habe die Kosten der Unterkunft nicht zutreffend festgestellt. Die
Beklagte habe zunächst die tatsächlich anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von
788,40 € berücksichtigt. Ab September 2005 habe die Beklagte lediglich noch die angeblich
angemessenen Kosten der Unterkunft angerechnet, obwohl weiterhin die tatsächlichen Kosten
berücksichtigungsfähig seien. Sie habe zusammen mit ihrer Familie ein Einfamilienhaus errichtet. Dieses
Einfamilienhaus diene auch der Alterssicherung. Ihr könne nicht zugemutet werden, zum Erhalt von
Kinderzuschlag ihr Eigentum zu verwerten und in günstigeren Wohnraum umzuziehen. Die Beklagte sei
auch verpflichtet, die Tilgungsraten für das selbst genutzte Wohnungseigentum zu berücksichtigen.
Außerdem sei der Freibetrag bei Erwerbstätigkeit zu Gunsten ihres Ehemannes nicht zutreffend berechnet
worden.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 24.08.2005 und 07.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
12.10.2005 und den Bescheid vom 07.03.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
Kinderzuschlag unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidungen für rechtmäßig. Ergänzend trägt sie vor, gemäß der Weisung für die
Familienkassen Nr. 17/2005 sei nach Ablauf von 6 Monaten nicht mehr die tatsächliche Miete bei der
Berechnung des Kinderzuschlages zugrunde zulegen, sondern lediglich die noch angemessenen Kosten.
In diesem Fall habe eine Rücknahme für die Zukunft gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X unter Ausübung
pflichtgemäßen Ermessens zu erfolgen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der Akteninhalt war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von
Kinderzuschlag ab September 2005 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunfts- und
Heizungskosten.
Nach § 6a Abs. 1 BKGG in der bis zum 30.06.2005 geltenden Fassung erhalten Personen für die in ihrem
Haushalt lebenden Kinder, die noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag,
wenn
1. sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommenssteuergesetzes
Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 BKGG haben,
2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11, 12 des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) mindestens in Höhe des nach § 6a Abs. 4 Satz 1 BKGG für sie
maßgebenden Betrages und höchstens in Höhe der Summe aus diesem Betrag und dem
Gesamtkinderzuschlag nach § 6a Abs. 2 BKGG verfügen und
3. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.
Der Kinderzuschlag beträgt nach § 6a Abs. 2 BKGG für jedes zu berücksichtigende Kind jeweils bis zu
140,00 € monatlich. Die Summe der Kinderzuschläge bildet den Gesamtkinderzuschlag. Der
Gesamtkinderzuschlag wird längstens für 36 Monate gezahlt. Der Kinderzuschlag mindert sich nach § 6a
Abs. 3 BKGG um das nach den §§ 11 und 12 SGB II mit Ausnahme des Wohngeldes zu berücksichtigende
Einkommen und Vermögen des Kindes. Hierbei bleibt das Kindergeld außer Betracht. Der Kinderzuschlag
wird nach § 6a Abs. 4 BKGG, soweit die Voraussetzungen des § 6a Abs. 3 BKGG nicht vorliegen, in voller
Höhe gezahlt, wenn das nach den §§ 11 und 12 SGB II mit Ausnahme des Wohngeldes zu
berücksichtigende elterliche Einkommen oder Vermögen einem Betrag in Höhe des ohne
Berücksichtigung von Kindern jeweils maßgebenden Arbeitslosengeldes II nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II
oder des Sozialgeldes nach § 28 Abs. 1 SGB II entspricht. Dazu sind die Kosten für Unterkunft und
Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, dass sich aus den im jeweils letzten Bericht der Bundesregierung
über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden
Kosten für Alleinstehende, Ehepaare und Kinder ergibt. Der Kinderzuschlag wird außer in den in § 6a Abs.
3 BKGG genannten Fällen auch dann stufenweise gemindert, wenn das nach den §§ 11 und 12 SGB II mit
Ausnahme des Wohngeldes zu berücksichtigende elterliche Einkommen oder Vermögen den in Satz 1
genannten jeweils maßgebenden Betrag übersteigt. Als elterliches Einkommen oder Vermögen gilt dabei
dasjenige des mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebenden allein erziehenden Elternteils,
Ehepaares oder als eingetragenen Lebenspartner oder in einer eheähnlichen Gemeinschaft
zusammenlebenden Paares. Soweit das zu berücksichtigende elterliche Einkommen nicht nur aus
Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des in § 6a Abs. 4 Satz 1
BKGG genannten jeweils maßgebenden Betrages durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht
die Summe der anderen Einkommensteile oder des Vermögens für sich genommen diesen maßgebenden
Betrag übersteigt. Für je 10,00 €, um die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag
übersteigen, wird der Kinderzuschlag um 7,00 € monatlich gemindert. Anderes Einkommen wie Vermögen
mindern den Kinderzuschlag in voller Höhe. Kommt die Minderung des für mehrere Kinder zu zahlenden
Kinderzuschlages in Betracht, wird sie beim Gesamtkinderzuschlag vorgenommen.
Der Kinderzuschlag wird somit Personen gezahlt, die für minderjährige Kinder Anspruch auf Kindergeld
nach dem EStG bzw. BKGG oder andere Leistungen nach § 4 BKGG haben. Der Anspruch auf
Kinderzuschlag besteht zusätzlich zu diesem kindbezogenen Leistungen. Der Kinderzuschlag soll den
Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermeiden und knüpft an verschiedene maßgebende
Einkommen- und Vermögensgrenzwerte an. Der Anspruch setzt voraus, dass die antragstellende Person
über ein Mindesteinkommen in Höhe des elterlichen Bedarfes an Arbeitslosengeld II und/oder Sozialgeld
verfügt. Durch die Festsetzung dieses Mindesteinkommens soll gewährleistet werden, dass nur die Eltern
den Kinderzuschlag erhalten, deren eigener Bedarf an Arbeitslosengeld II und Sozialgeld durch eigenes
Einkommen gedeckt ist. Der Kinderzuschlag stellt insoweit einen gewissen Arbeitsanreiz dar. Außerdem
darf das elterliche Einkommen dieses Mindesteinkommens zuzüglich des möglichen
Gesamtkinderzuschlages nicht überschreiten. Mit dieser Einkommenshöchstgrenze wird erreicht, dass
Eltern, die auch ohne den Kinderzuschlag den Bedarf im Sinne des Arbeitslosengeldes II/Sozialgeld nach
dem SGB II für sich und ihre Kinder aus eigenem Einkommen decken können, keinen Kinderzuschlag
erhalten (Seewald/Felix, Kommentar zum Kindergeldrecht, § 6a BKGG Rd-Nr. 15 ff.; Eicher/Spellbrink,
Kommentar zum SGB II, Anhang § 6a BKGG Rd-Nr. 6 ff.).
Die Aufhebung der Bewilligung von Kinderzuschlag ab September 2005 ist nach § 48 SGB X und nicht
nach § 45 SGB X erfolgt. Während § 45 SGB X die Rücknahme eines von Anfang an rechtswidrigen
begünstigenden Verwaltungsaktes regelt, sieht § 48 SGB X die Aufhebung eines ursprünglich
rechtmäßigen, aufgrund einer Änderung der Verhältnisse jedoch rechtswidrig gewordenen
Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft vor. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 27.07.2005 der
Klägerin Kinderzuschlag ab Februar 2005 ohne zeitliche Begrenzung gewährt. Eine zeitliche Begrenzung
war in dem Bescheid nicht enthalten, insbesondere erfolgte keine Bewilligung für lediglich 6 Monate
gemäß § 6a Abs. 2 Satz 3 BKGG in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung.
In den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die dem Erlass des Bescheides vom 27.07.2005 ist
ab August oder September 2005 keine wesentliche Änderung dahingehend eingetreten, dass aufgrund
nunmehr geringerer anzurechnender Kosten für Unterkunft und Heizung ein Anspruch auf Kinderzuschlag
nicht mehr besteht. In den tatsächlichen Verhältnissen der Klägerin und ihrer Familienangehörigen ist
hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung ab August bzw. September 2005 keine wesentliche
Änderung eingetreten, die Familie hat auch über diesen Zeitpunkt hinaus das bereits vorher bewohnte
Einfamilienhaus weiter genutzt. Auch der Ablauf von 6 Monaten seit der Bewilligung von Kinderzuschlag
ab Februar 2005 stellt keine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Zwar sieht
die von der Beklagten vorgelegte Dienstanweisung Nr. 17/2005 für die Familienkassen folgendes vor:
"Der Kinderzuschlag wurde bisher unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft
bewilligt. Erschienen diese Kosten zum Entscheidungszeitpunkt unangemessen hoch, sollte der
Kinderzuschlag intern auf sechs Monate bzw. bis September 2005 befristet werden.
Gemäß den Weisungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist nach DA
106a 121 Abs. 3 die tatsächliche Warmmiete zu berücksichtigen, soweit sie angemessen ist. Sie ist
angemessen, wenn sie den vom örtlich zuständigen kommunalen Träger als angemessenen festgelegten
Betrag nicht übersteigt. Übersteigt jedoch die Miete diesen angemessenen Betrag, wird nur letzterer
berücksichtigt. Dabei ist das Verwaltungsverfahren einschließlich etwaiger Ermessensentscheidungen der
jeweiligen kommunalen Träger zu übernehmen.
Die Familienkassen haben somit festzustellen, welche Miete im Einzelfall aus kommunaler Sicht
angemessen ist. Dazu sind bei den für Arbeitslosengeld II örtlich zuständigen Leistungsträgern
(Arbeitsgemeinschaft/Kommune) die dort vorhandenen Listen über die Angemessenheit der Kosten der
Unterkunft samt der Bewertungskriterien anzufordern.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist die tatsächliche Miete als Bedarf so lange zu Grunde zu legen, wie es
der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel die Kosten zu
senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Das bedeutet, dass für die ersten sechs Monate
des Leistungsbezuges die tatsächliche Miete und vom 7. Leistungsmonat an nur noch die angemessene
Miete der Berechnung des KiZ zu Grunde zu legen ist.
Soweit sich in laufenden Fällen durch die Neuberechnung mit angemessenen Kosten der Unterkunft kein
(z. B. wegen Überschreitens der Höchsteinkommensgrenze) oder ein geringerer Kinderzuschlag
für die Zukunft
Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens zurückzunehmen.
Das öffentliche Interesse an einer Rücknahme ergibt sich aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung, dem Gebot zweckgerechter Verwendung von Sozialleistungen aus allgemeinen Steuermitteln
und dem Gleichbehandlungsgebot. Im Übrigen sind in die Interessenabwägung die jeweiligen Umstände
des Einzelfalles einzubeziehen, insbesondere die Auswirkungen im sozialen Bereich.
Das Vertrauen auf künftige Kinderzuschlagsleistungen ist auch dann nicht als geschützt anzusehen, wenn
darüber Dispositionen getroffen worden sein sollten. Begehrt ein Berechtigter die Weiterzahlung
rechtswidrig bewilligten Kinderzuschlages mit der Behauptung, im Hinblick auf die Bewilligung eine
bindende Vermögensdisposition getroffen zu haben, trifft ihn im Übrigen die Nachweispflicht hinsichtlich
der Unzumutbarkeit der Auflösung.
Sind Kinderzuschlagsanträge wegen Unterschreitens der Mindesteinkommensgrenze abgelehnt worden
und wird nunmehr die Mindesteinkommensgrenze unter Zugrundelegung der angemessenen Kosten der
Unterkunft mit dem anzurechnenden Einkommen und/oder Vermögen erreicht, sind bei erneuter
Antragstellung die Ablehnungsbescheide teilweise ab dem Monat, von dem an die angemessenen Kosten
der Unterkunft zu berücksichtigen sind, gem. § 44 Abs. 1 SGB X i. V. mit § 11 Abs. 4 BKGG
zurückzunehmen."
Bei dieser Verwaltungsanweisung handelt es sich nicht um die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit
bindendes materielles Recht, sondern um Verwaltungsanweisungen, die lediglich die Familienkassen bei
der Durchführung ihrer Verwaltungsaufgaben binden.
Bei der Berechnung des Kinderzuschlages ist auch nach Ablauf von 6 Monaten bei
Leistungsberechtigten, die ein Einfamilienhaus bewohnen, der tatsächliche Aufwand für Zinsen,
Nebenkosten und Heizung der Berechnung des Kinderzuschlages zugrunde zu legen. Für den Bereich
der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist in § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II geregelt, dass ein selbst
genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe nicht als Vermögen bei der Berechnung eines
Leistungsanspruches zu berücksichtigen ist. Bei dem von der Klägerin und ihrer Familie bewohnten
Einfamilienhaus handelt es sich um ein Hausgrundstück von angemessener Größe. Nach § 22 Abs. 1 Satz
1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft die in der
Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein
stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein
stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch
einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der
Regel jedoch längstens für sechs Monate. Bei Eigentümern von angemessenen Einfamilienhäusern sind
als angemessene Kosten der Unterkunft die zu zahlenden Zinsen für aufgenommene Darlehen sowie die
tatsächlich anfallenden Nebenkosten und Heizkosten zu übernehmen. Dies gilt auch nach Ablauf von
sechs Monaten, da ansonsten das gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II geschützte Hausgrundstück von
angemessener Größe verwertet werden müsste. Da jedoch dieses Vermögen im Rahmen des SGB II
geschützt ist, entspricht es dem Sinn und Zweck von § 22 Abs. 1 SGB II, dass die für dieses
Hausgrundstück anfallenden Schuldzinsen, nicht jedoch die Tilgung, vom Leistungsträger nach dem SGB
II zu übernehmen sind. Daher kann auch nicht nach Ablauf von sechs Monaten von Leistungsempfängern
verlangt werden, dass bisher als Vermögen geschützte Hausgrundstück zu verwerten und eine vom
Leistungsträger der Größe und der Miethöhe nach als angemessen angesehene Wohnung anzumieten.
Daher sind auch bei der Berechnung des Kinderzuschlages für die gesamte Anspruchsdauer die
tatsächlich berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft und Heizung, wie sie die Beklagte zunächst
ab Februar 2005 anerkannt hat, für die Berechnung des Kinderzuschlages zugrunde zu legen. Die in der
von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsanweisung enthaltene Weisung, nach Ablauf von sechs
Monaten nur noch die vom kommunalen Träger als angemessen angesehenen Unterkunftskosten bei der
Berechnung des Kinderzuschlages zu berücksichtigen, ist nicht anwendbar. Es kann letztlich offen
bleiben, ob bei Leistungsempfängern, die eine Mietwohnung bewohnen, die von der Beklagten
angewandten Kriterien Anwendung finden, obwohl Bezieher von Kinderzuschlag nicht gemäß § 6a BKGG
verpflichtet sind, die Kosten der Unterkunft auf ein angemessenes Maß abzusenken und die Beklagte die
Leistungsempfänger nicht frühzeitig auf das von ihr als angemessen angesehene Maß der
Unterkunftskosten hinweist und auch nicht die Verfügbarkeit entsprechend günstigen Wohnraums
überprüft, denn jedenfalls für Eigentümer von Einfamilienhäusern im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4
SGB II sind die hierfür anfallenden tatsächlichen Kosten für die gesamte Dauer der Leistungsbewilligung
nach § 6a BKGG heranzuziehen. Die Beklagte hat daher ab September 2005 den Anspruch der Klägerin
auf Kinderzuschlag unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten, wie sie bereits ab
Februar 2005 zugrunde gelegt worden sind, neu zu berechnen, wobei für November 2005 das dem
Ehemann der Klägerin gezahlte 13. Monatsgehalt anzurechnen sein wird. Die von der Klägerin gerügte
fehlerhafte Anrechnung des Freibetrages bei Feststellung des anrechnungsfähigen Einkommens ihres
Ehemannes liegt nicht vor, die Beklagte hat insoweit den Freibetrag nach § 30 SGB II zutreffend
berechnet.
Nach alledem hat die Klage in der Sache Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Kammer hat die Revision nach § 161 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG
zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es ist bisher höchstrichterlich nicht
geklärt, ob bei der Gewährung von Kinderzuschlag nach Ablauf von sechs Monaten die tatsächlichen
Unterkunftskosten oder von dem örtlichen kommunalen Träger als angemessen angesehene
Unterkunftskosten heranzuziehen sind.