Urteil des SozG Koblenz vom 31.05.2006

SozG Koblenz: erziehungszeit, eltern, familie, abgabe, anerkennung, schlosser, quelle, russland, datum, verfügung

Sozialrecht
SG
Koblenz
31.05.2006
S 6 KNR 43/05
Kindererziehungszeiten
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten
wegen Kindererziehung.
Der 1944 geborene Kläger ist mit der 1945 geborenen A B verheiratet. Aus der Ehe stammen der am 1964
geborene A sowie die am 1969 geborenen R und J B.
Aus Russland kommend ist die Familie des Klägers am 22.01.1996 in das Bundesgebiet zugezogen. Der
Kläger ist anerkannter Spätaussiedler im Sinne des § 4 Bundesvertriebenengesetz, seine Ehefrau ist
Abkömmling des Spätaussiedlers im Sinne des § 7 Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz.
Im Rahmen eines vom Kläger im Mai 2000 gestellten Antrages auf Kontenklärung hatte der Kläger unter
der Ziff. 8 ausgeführt, dass Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
nicht geltend gemacht werden.
Mit Bescheid vom 22.11.2000 nahm die LVA R-P eine Feststellung der Versicherungszeiten vor.
Im Juli sowie November 2004 legte der Kläger übereinstimmende Erklärungen mit seiner Ehefrau vor und
machte geltend, sie beide hätten die Kinder gemeinsam erzogen und die Kindererziehungszeiten seien
ihm zuzuordnen. Die Geburtsurkunden der Kinder fügten die Eheleute der Erklärung bei.
Mit Bescheid vom 23.11.2004 lehnte die Beklagte die Feststellung von Kindererziehungszeiten bzw.
Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Versicherungskonto des Klägers ab, weil die
Erklärung erst am 11.11.2004 abgegeben worden sei.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er sei im Auffanglager nicht darüber informiert
worden, dass er Kindererziehungszeiten beantragen könne. Es sei nicht ihm anzulasten, dass er die
übereinstimmende Erklärung nicht früher vorgelegt habe. Er habe sich damals intensiv um Arbeit bemüht,
um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten.
Mit Bescheid vom 29.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie auf
§ 28b FRG, nach dem die Frist zur Abgabe der Erklärung ein Jahr nach dem Zuzug, mithin am 22.01.1997,
abgelaufen sei.
Am 12.04.2005 ist die Klage beim Sozialgericht für das S eingegangen, die an das Sozialgericht K
verwiesen wurde.
Der Kläger macht geltend, beim Registrieren der Ankunft im Auffanglager für Spätaussiedler in E sei dem
aufnehmenden Beamten bekannt gewesen, dass seine Ehefrau und er drei Söhne erzogen haben. Die
Zwillinge seien auch im Registrierschein eingetragen worden. Der älteste Sohn A habe damals schon
eine eigene Familie gehabt und er sei deshalb in einem eigenen Registrierschein aufgenommen worden.
Sofern der aufnehmende Beamte sie darüber informiert hätte, dass eine übereinstimmende Erklärung
bezüglich der Kindererziehungszeiten vorzulegen sei, so hätten er und seine Ehefrau diese auch
vorgelegt. Weder im Auffanglager E, in dem sie sich vom 22.01.1996 bis 06.02.1996 befunden haben,
noch im Auffanglager G, in dem sie vom 07.02.1996 bis 28.02.1996 gewesen seien, seien sie
entsprechend informiert worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 23.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2005 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, bei ihm Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen
Kindererziehung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihren bisherigen Standpunkt und macht geltend, die Behauptung des Klägers bezüglich
einer unzureichenden Aufklärung im Auffanglager sei nicht zu beweisen. Der Kläger dürfte sich erstmals
im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens im Jahr 2000 an einen Rentenversicherungsträger gewandt
haben. Über das Begehren des Klägers habe sie erst im Juli 2004 Kenntnis erlangt. Ein Verstoß gegen
Beratungspflichten könne ihr nicht angelastet werden.
Auf Anfrage hat die Bundesagentur für Arbeit H mitgeteilt, bei ihr würden keine Unterlagen mehr vorliegen.
Die Landesaufnahmestelle für Spätaussiedler E hat auf Anfrage mitgeteilt, Akten bzw.
Informationsmaterial aus der relevanten Zeit würden nicht mehr zur Verfügung stehen, da die
Aufnahmestelle E im September 2000 geschlossen worden sei. Informationen bezüglich
Rentenversicherung und Kindererziehungszeiten wurden damals von den Mitarbeitern der ansässigen
Wohlfahrtsverbände gegeben. Ob im Fall des Klägers auch dies erfolgt sei, könne mangels Unterlagen
nicht festgestellt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Prozessakte sowie den der Verwaltungsakte. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist erfolglos.
Entgegen der Auffassung des Klägers können in seinem Versicherungskonto keine
Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt werden.
Gemäß § 56 Abs. 2 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat.
Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil
zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende
Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der
Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige
Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu 2 Kalendermonate vor Abgabe
der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine
Leistung bindend festgestellt oder eine rechtskräftige Entscheidung über einen Versorgungsausgleich
durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung
entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, ist die
Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen. Haben mehrere Elternteile das Kind erzogen, ist die
Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat, soweit sich aus Satz 3
nicht etwas anderes ergibt.
Nach dem Vorbringen des Klägers ist insbesondere unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten
gemeinsamen Erklärungen davon auszugehen, dass die Elternteile die Kinder gemeinsam erzogen
haben. Durch Erklärungen vom 12.07.2004 bzw. 09.11.2004 haben die Eheleute dies gerade gegenüber
der Beklagten mitgeteilt. Auch wenn die Eheleute in dieser übereinstimmenden Erklärung angegeben
haben, dass die Kindererziehungszeiten dem Kläger zuzuordnen sind, kommt vorliegend eine
entsprechende Zuordnung nicht in Betracht.
Gemäß § 28b FRG steht für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten
wegen Kindererziehung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch die Erziehung im jeweiligen
Herkunftsgebiet der Erziehung im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches gleich. Die Erklärungen nach
§ 56 und dem am 31.12.1996 geltenden § 249 Abs. 6 und 7 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind
innerhalb eines Jahres nach Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland abzugeben. Die Zuordnung nach
§ 56 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch kann für Kinder, die im Zeitpunkt des Zuzuges geboren sind,
rückwirkend auch für mehr als 2 Kalendermonate erfolgen.
Da der Zuzug des Klägers am 22.01.1996 erfolgte und die übereinstimmende Erklärung am 12.07.2004
erstmals erstellt und anschließend vorgelegt wurde, wird deutlich, dass die durch § 28b Satz 2 FRG
vorgegebene Frist von einem Jahr bei Weitem verstrichen war.
Es mag zwar sein, dass entsprechend des Vorbringens des Klägers er über diese Fristsetzung nicht oder
unzureichend informiert war. Da es sich hierbei aber um eine gesetzliche Ausschlussfrist handelt, die nicht
heilbar ist und für die es auch keine Wiedereinsetzung geben kann, ist letztlich vom Verstreichen der
Jahresfrist auszugehen. Insofern kann der Beklagten auch kein Beratungsfehler vorgeworfen werden, der
ggf. im Rahmen der Prüfung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu einer anderen Beurteilung
führen könnte. Ausweislich des Akteninhalts ist der Kläger erstmals im Rahmen des von ihm im Mai 2000
eingeleiteten Kontenklärungsverfahrens mit einem Rentenversicherungsträger in Verbindung getreten. Im
Rahmen dieses Kontenklärungsverfahrens hat der Kläger im Übrigen ausdrücklich ausgeführt, dass
Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nicht geltend gemacht
werden.
Mithin scheidet aufgrund der vorgelegten übereinstimmenden Erklärung eine Anerkennung der geltend
gemachten Zeiten beim Kläger aus.
Die entsprechende Anerkennung beim Kläger scheidet darüber hinaus auch aus, weil der Kläger die
Kinder nicht überwiegend erzogen hat. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI ist nämlich die Erziehungszeit
demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat, sofern mehrere Elternteile das Kind
erzogen haben und soweit sich aus Satz 3 nicht etwas anderes ergibt. Ausweislich des Inhalts der
übereinstimmenden Erklärung ist davon auszugehen, dass der Kläger und seine Ehefrau die Kinder
gemeinsam erzogen haben. Da aber gerade eine gemeinsame Erziehung vorgelegen hat, kann eine
überwiegende Erziehung durch den Kläger selbst nicht unterstellt werden. In diesem Zusammenhang ist
auch von Bedeutung, dass ausweislich des Arbeitsbuches der Kläger in der relevanten Zeit durchgängig
entweder seinen Wehrdienst abgeleistet hat oder er als Schlosser bzw. Reparaturschlosser beruflich tätig
war. Entsprechend kann eine überwiegende Erziehung der Kinder durch den Kläger nicht vorgelegen
haben, so dass auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes dem Kläger die
Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI) nicht
anerkannt werden können.
Mithin ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.