Urteil des SozG Koblenz vom 03.11.2005

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Sozialrecht
SG
Koblenz
03.11.2005
S 11 AS 85/05
Unterkunftskosten bei ALG-II-Empfängern
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.01.2005
bis 30.06.2005.
Die …… geborene Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens „K 1 in 65558 B“. Die Grundstücksfläche
beträgt 222,5 m², die Wohnfläche des Hauses, das aus 3 Zimmern, Küche und Bad besteht, 73 m². Das
Haus wird neben der Klägerin von ihrer 1967 geborenen Tochter Stefanie Z bewohnt. Die Tochter arbeitet
bei der F AG in Frankfurt / Main. Die Klägerin zahlte Anfang des Jahres 2005 monatliche Schuldzinsen in
Höhe von 239,75 €, Heizkosten in Höhe von 123,24 € und Nebenkosten in Höhe von 58,29 €.
Am 22.11.2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem
zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) ab 01.01.2005. Sie legte eine Bescheinigung ihrer Tochter
vom 23.11.2004 vor, wonach diese ihre Mutter nicht mit finanziellen Mitteln unterstütze.
Mit Bescheid vom 07.12.2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.12.2004 bewilligte die
Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum
vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von 555,63 €. Diese Leistung enthielt die Regelleistung in Höhe
von 345,00 € sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 210,63 €.
Die Klägerin erhob Widerspruch und trug zur Begründung vor, die gewährte Leistung sei erheblich
niedriger als die ihr bei Abgabe des Antrages zugesagte Leistung. Es seien nicht alle Kosten für die
Unterkunft von der Beklagten berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2005 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur
Begründung führte die Beklagte unter anderem an, die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von
insgesamt 421,26 € könnten bei der Klägerin nur zur Hälfte berücksichtigt werden, da die Tochter der
Klägerin ebenfalls in dem Haus wohne. Die Aufteilung der Unterkunftskosten erfolge nach der Kopfzahl
der Personen, die die Unterkunft nützten. Eine Aufteilung sei insbesondere dann vorzunehmen, wenn
nicht hilfebedürftige Personen in der Unterkunft wohnten. Unerheblich sei, dass sich die Tochter gemäß
der vorgelegten Bescheinigung nicht an den Kosten für Unterkunft und Heizung beteilige. Die ansonsten
von der Klägerin geltend gemachten Kosten für die Beiträge zur Haftpflichtversicherung des Pkw und die
Berücksichtigung einer Pauschale von 30,00 € für weitere Versicherungen könnten nicht berücksichtigt
werden, da die Klägerin über kein eigenes Einkommen verfüge.
Am 27.05.2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Die pauschale Halbierung der Kosten für die Unterkunft
und die Heizung sei nicht rechtmäßig. Dies entspreche keinesfalls des Kostenermittlungsprinzip. Die
Argumentation der Beklagten, ihre Tochter wohne ebenfalls in dem Wohnhaus und aus diesem Grund sei
eine Halbierung der Kosten der Unterkunft vorzunehmen, gehe fehl. Die Beklagte habe nicht
berücksichtigt, dass ihre Tochter sie nicht mit finanziellen Mitteln unterstütze, wie aus dem vorgelegten
Schreiben vom 23.11.2004 hervorgehe. Ferner habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Wohnung
von ihrer Tochter keinesfalls hälftig genutzt werde, was die Wohnfläche betreffe. Ihre Tochter sei
berufstätig und daher kaum zu Hause. Aus diesem Grund sei es nicht gerechtfertigt, die
verbrauchsabhängigen Kosten ebenfalls zu halbieren, da durch die berufsbedingte Abwesenheit ihrer
Tochter weit weniger verbrauchsabhängige Kosten anfielen. Im Übrigen habe die Beklagte die
Angemessenheit der Heizkosten nicht überprüft. Sämtliche monatliche Aufwendungen für Unterkunft und
Heizung seien angemessen und keinesfalls überhöht. Ihr stehe daher eine Leistung in Höhe von
insgesamt 766,26 € ab 01.01.2005 zu.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid von 07.12.2004 und den Änderungsbescheid vom 15.12.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10.05.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom
01.01.2005 bis 30.06.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 766,26 € zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidungen für rechtmäßig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der Akteninhalt war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Bescheide der Beklagten vom 07.12.2004 und
15.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2005 sind rechtmäßig.
Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und
Heizung. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Beklagte hat die von der
Klägerin geltend gemachten Schuldzinsen, Nebenkosten sowie Heizkosten in Höhe von insgesamt
421,26 € der Berechnung der Leistung zu Grunde gelegt und damit die tatsächlichen Kosten als
angemessen angesehen. Weitere von der Beklagten nicht berücksichtigte Kosten der Unterkunft und
Heizung sind von der Klägerin für den Zeitraum ab 01.01.2005 nicht geltend gemacht worden.
Die Halbierung der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005
und die Gewährung entsprechender Leistungen nach dem SGB II an die Klägerin ist rechtlich nicht zu
beanstanden. Leben Hilfebedürftige mit anderen Personen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, in
Haushaltsgemeinschaft, so sind die Kosten für Unterkunft und Heizung der Bedarfsgemeinschaft anteilig
(pro Kopf) zu ermitteln (Eicher / Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2005, § 22 RdNr. 38). Dies entspricht
der Rechtssprechung der Verwaltungsgerichte zum bis zum 31.12.2004 geltenden
Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat bereits mit Urteil vom
21.01.1988 (Az: 5 C 68/85; BVerwGE 79, 17 - 22) entschieden, dass für den Regelfall die Aufteilung der
Aufwendungen für die Unterkunft nach der Zahl der Angehörigen der Haushaltsgemeinschaft rechtens ist.
Eine generalisierende, pauschalierende Regelung kann in diesem Zusammenhang erfolgen, ohne dass
die tatsächliche Nutzung der Wohnung durch die verschiedenen Angehörigen festgestellt werden muss.
Nur ein solches Verfahren entspricht auch der Verwaltungspraktikabilität. Ausnahmsweise können
allerdings besondere Umstände, die ein anerkennenswertes Mehr an Unterkunftsbedarf ausmachen, in
der Person eines der nicht hilfebedürftigen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft bestehen. Zu denken ist
hierbei nach Auffassung des BVerwG insbesondere an Fälle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit.
Die Anwendung dieser Grundsätze aus dem Sozialhilferecht für die ab 01.01.2005 geltende
Grundsicherung für Arbeitssuchende begegnet nach Auffassung der Kammer keinen Bedenken.
Die erwerbsfähige Klägerin lebt mit ihrer berufstätigen Tochter zusammen in der der Klägerin gehörenden
Unterkunft, so dass die Aufteilung der Kosten nach Kopfteilen unabhängig von der tatsächlichen Nutzung
des Hauses durch Mutter und Tochter rechtmäßig ist. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von der
Klägerin vorgelegten Bescheinigung ihrer Tochter vom 23.11.2004, wonach diese ihrer Mutter finanziell
nicht unterstützt. Die Anrechnung der Kosten der Unterkunft zur Hälfte zu Lasten der Tochter hängt nicht
von unterhaltsrechtlichen oder zivilrechtlichen Vertragsgestaltungen des Leistungsempfängers und des
anderen Bewohners des Hauses ab. Ermöglicht die Klägerin ihrer volljährigen Tochter die kostenlose
Nutzung des Hauses zu Wohnzwecken, kann dies eine Belastung der Gemeinschaft der Steuerzahler, die
die Mittel zur Finanzierung der Leistungen nach dem SGB II aufbringen, mit den Kosten für Unterkunft und
Heizung in voller Höhe nicht rechtfertigen.
Nach alledem hat die Klage in der Sache keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).