Urteil des SozG Koblenz vom 23.03.2007

SozG Koblenz: berechnung der frist, untätigkeitsklage, hauptsache, ermessen, witwenrente, fristberechnung, quelle, hinterbliebenenrente, erlass, verwaltung

Sozialrecht
SG
Koblenz
23.03.2007
S 6 RS 75/06
Fristberechnung bei einer Untätigkeitsklage
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Im Verfahren S 6 RS 35/06 hatte die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2006 dahingehend ein
Vergleichsangebot abgegeben, dass der angefochtene Bescheid vom 21.02.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17.03.2006 aufgehoben werde und nach Eingang einer
prozessbeendigenden Erklärung unter Zugrundelegung des Antrags auf Gewährung von Witwenrente
vom 09.01.2006 sowie unter Berücksichtigung des in der Widerspruchsbegründung enthaltenen neuen
Sachvortrages in der Angelegenheiten neu entschieden werde.
Mit Schreiben vom 23.06.2006 nahm die Klägerin diesen Vergleichsvorschlag an. Gleichzeitig erbat sie
die unverzügliche Neuentscheidung seitens der Beklagten.
Mit einer bei Gericht am 10.11.2006 eingegangenen Klage macht die Klägerin die Untätigkeit der
Beklagten geltend. Sie verwies auf den im Verfahren S 6 RS 35/06 geschlossenen Vergleich und darauf,
dass die Beklagte sich verpflichtet habe, kurzfristig neu über den Antrag zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 24.11.2006 hat die Beklagte der Klägerin die große Witwenrente ab dem 01.02.2006
bewilligt.
In Kenntnis dieses Bescheides erklärte die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und
gleichzeitig beantragt sie, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Sie verweist darauf, bezüglich der Fristberechnung sei auf die Gesamtdauer der Bearbeitung des
Rentenantrages vom 09.01.2006 abzustellen. Bereits für die erste Bearbeitung habe sich die Beklagte bis
zur Erteilung des Bescheides am 22.02.2006 fast 2 Monate Zeit gelassen. Die Dauer des anschließenden
Widerspruchs- und Klageverfahrens sei zusätzlich zu ihren Lasten gegangen. Ein Bürger könne jedoch
erwarten, dass die Verwaltung sich für die Bearbeitung eines Antrages nicht länger als 6 Monate Zeit
nimmt. Vom Abschluss des Vergleichs an hätten der Beklagten jedenfalls mithin nicht noch 6 Monate,
sondern nur noch 4 Monate zur endgültigen Bearbeitung zur Verfügung gestanden. Die Untätigkeitsklage
habe mithin spätestens 4 ½ Monate nach Abschluss des Vergleichs eingereicht werden können.
Die Beklagte macht geltend, es habe kein Raum für eine Untätigkeitsklage bestanden, so dass kein
Anspruch auf Kostenerstattung bestehe. Ausgehend von der prozessbeendigenden Erklärung der bei
Gericht am 26.06.2006 eingegangenen Mitteilung der Klägerin habe die 6-Monats-Frist erst im Dezember
2006 ihr Ende gefunden. Nach Eingang der Rentenakte am 28.06.2006 seien weitere Ermittlungen
hinsichtlich der Todesursache des Versicherten durchgeführt worden. Die Prozessbevollmächtigte sei
gebeten worden, den zuletzt behandelnden Arzt des Verstorbenen mitzuteilen. Am 10.08.2006 sei eine
ärztliche Bescheinigung des Dr. C eingegangen. Hierzu sei der Sozialmedizinische Dienst am 01.09.2006
befragt worden. Anschließend sei der behandelnde Arzt Dr. C mit Schreiben vom 22.09.2006 sowie mit
Schreiben vom 09.10.2006 aufgefordert worden, ausführliche ärztliche Unterlagen vorzulegen. Mit Fax
vom 05.11.2006 sei die ergänzende Stellungnahme des behandelnden Arztes eingegangen, so dass
nunmehr nach erneuter sozialmedizinischer Stellungnahme mit Bescheid vom 24.11.2006 die
Hinterbliebenenrente habe gewährt werden können.
Hinterbliebenenrente habe gewährt werden können.
Außergerichtliche Kosten sind seitens der Beklagten nicht zu erstatten.
Nachdem die von der Klägerin am 10.11.2006 erhobene Untätigkeitsklage durch die Erklärung vom
28.11.2006 in der Hauptsache ihre Erledigung gefunden hatte, war unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes über die Kostenfrage nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei
insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage, aber auch die Gründe für die Klageerhebung und die
Erledigung zu berücksichtigen sind.
Danach entspricht es im vorliegenden Fall billigem Ermessen, dass die Beklagte keine außergerichtlichen
Kosten zu erstatten hat.
Ausschlaggebend für diese Überlegung ist die Fristenregelung in § 88 Abs. 1 SGG. § 88 Abs. 1 SGG stellt
darauf ab, dass eine Klage nicht vor Ablauf von 6 Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des
Verwaltungsaktes zulässig ist.
Vorliegend ist aber ergänzend zu beachten, dass durch den außergerichtlichen Vergleichsabschluss im
Verfahren S 6 RS 35/06 der angefochtene Bescheid vom 21.02.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17.03.2006 aufgehoben wurde und der Beklagten in Anlehnung des § 131
Abs. 5 SGG eine Neuprüfung des Antrages und die Durchführung weitergehender Ermittlungen
übertragen worden war. Da ausweislich des Vorbringens der Beklagten der Aktenrücklauf am 28.08.2006
erfolgte, war ausgehend von diesem Zeitpunkt die Berechnung der Frist von 6 Monaten im Sinne des § 88
Abs. 1 SGG vorzunehmen. Bei anderer Betrachtungsweise, nämlich einer solchen im Sinne des
Vorbringens der Klägerin, würde die direkte bzw. auch die Quasi-Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG
immer dazu führen, dass eine Untätigkeitsklage in zulässiger Weise erhoben werden kann. Für das
Gericht ist es nämlich gerade nicht vorstellbar, dass in Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG die Frist von 6
Monaten seit dem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes noch nicht verstrichen ist. Insofern kann
es nur sachgerecht sein, dass erst mit dem Erlass einer Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG bzw. den
Abschluss eines Vergleichs, der dem Gesichtspunkt des § 131 Abs. 5 SGG folgt, zu diesem Zeitpunkt die
Frist von 6 Monaten im Sinne des § 88 Abs. 1 SGG neu beginnt. Da ausgehend vom 28.08.2006 die
Erteilung des Bescheides vom 24.11.2006 nicht außerhalb der 6-Monats-Frist erfolgte und im Übrigen
bereits am 10.11.2006 die Untätigkeitsklage erhoben worden war, kommt eine Erstattung der
außergerichtlichen Kosten seitens der Beklagten nicht in Betracht.