Urteil des SozG Koblenz vom 29.11.2006

SozG Koblenz: stationäre behandlung, drg, analyse, entlassung, abrechnung, diagnose, begriff, anschluss, krankenversicherung, vergütung

Sozialrecht
SG
Koblenz
29.11.2006
S 6 KNK 37/06
Hauptdiagnose "nach Analyse"
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten.
4. Der Streitwert wird auf 2.902,48€ festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kosten einer Krankenhausbehandlung.
Die 1935 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte R W wurde nach einer zuvor diagnostizierten
diffusen Struma nodosa am 20.02.2004 zur Durchführung einer Schilddrüsenoperation im St. M-
Krankenhaus, V, das in der Trägerschaft der Klägerin steht, stationär aufgenommen. Am 20.02.2004
erfolgte eine subtotale Schilddrüsenresektion beidseits und bei postoperativ komplikationslosem Verlauf
wurde die Versicherte am 23.02.2004 entlassen.
Am 24.02.2004 ging der Histologiebefund im Krankenhaus ein. Hierbei stellte sich heraus, dass es sich
bei der Versicherten um ein kapselnahes entwickeltes papilläres Schilddrüsenkarzinom mit fokalem
Kapseldurchbruch und lediglich histologisch nachweisbarer minimaler Ausbreitung im perityreodalen
Fettgewebe handelte.
Die Versicherte wurde sodann prästationär vorbereitet und am 25.02.2004 erneut stationär aufgenommen.
Am 26.02.2004 wurde die Resthydreodektomie beidseits durchgeführt. Nachdem sich der postoperative
Verlauf als komplikationslos erwies, wurde die Versicherte am 02.03.2004 entlassen.
Das Krankenhaus legte für die beiden stationären Behandlungen unterschiedliche Rechnungen vor. Für
die stationäre Behandlung vom 20.02.2004 bis 22.02.2004 nahm sie eine Abrechnung nach der DRG-
Ziffer K10Z vor (Rechnung vom 05.08.2004).
Nach Vorlage der Rechnungen teilte die Beklagte dem Krankenhaus mit, dass eine Begleichung in der
geforderten Höhe nicht möglich sei. Gemäß § 2 Abs. 1 KFPV sei eine Zusammenfassung der Falldaten zu
einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen, wenn Patienten innerhalb der
oberen Grenzverweildauer einer Fallpauschale wieder aufgenommen werden und für die
Wiederaufnahme eine Einstufung in dieselbe Basis-DRG vorgenommen wird. Es wurde um die
Übersendung einer Rechnung sowie einer Entlassungsmitteilung für den gesamten Behandlungsfall
gebeten.
Das Krankenhaus teilte der Beklagten sodann mit, dass eine Zusammenfassung der beiden Fälle nicht in
Betracht komme. Die erste stationäre Behandlung sei nach der DRG K10Z und die zweite stationäre
Behandlung nach der DRG K11Z abzurechnen.
Nachdem zunächst die Beklagte den in der Rechnung vom 23.08.2004 geforderten Betrag in Höhe von
2.902,48 € zur Zahlung angewiesen hatte, stellte der Sozialmedizinische Dienst in einer Stellungnahme
fest, dass die stationären Aufenthalte vom 20.02. bis 23.02.2004 sowie vom 25.02. bis 02.03.2004 jeweils
nach der ICD C73 und insofern nach der DRG K11Z abzurechnen seien.
Die Beklagte teilte sodann dem Krankenhaus mit, dass sie die Zahlung korrigiert und einen neuen
Zahlbetrag in Höhe von 5.012,02 € zur Zahlung angewiesen habe.
Im Rahmen einer Akteneinsichtnahme im Krankenhaus stellte der Sozialmedizinische Dienst sodann fest,
es handele sich um einen zusammenhängenden stationären Aufenthalt mit gleicher Hauptdiagnose. Der
Sozialmediziner wies aber weiter darauf hin, dass es sich um einen Fall aus 2004 handelt und eine
Codierrichtlinie, die explizit einen entsprechenden Fall regelt, nicht bekannt sei. Die für 2005 geltende
Codierrichtlinie führe einen solchen Fall unter der einheitlichen Hauptdiagnose "Schilddrüsenkarzinom"
zusammen.
Das Krankenhaus teilte der Beklagten sodann mit Schreiben vom 14.07.2005 mit, dass in den
Codierrichtlinien 2004 diesbezüglich noch keine Regelung vorhanden gewesen sei. Dass die
Codierrichtlinien 2005 dahingehend geändert wurden, zeige, dass 2004 noch eine entsprechende Lücke
bestanden habe.
Am 29.05.2006 erhob die Klägerin Leistungsklage.
Sie macht geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten liege kein einheitlicher nicht ein
Behandlungsfall vor. Vielmehr sei die stationäre Behandlung der Versicherten in der Zeit vom 20.02.2004
bis 23.02.2004 gesondert abzurechnen, da beiden Behandlungsfällen unterschiedliche Einstufungen
zugrunde liegen würden. Die erste stationäre Behandlung sei nach der DRG K10Z und der spätere
Behandlungsfall nach der DRG K11Z abzurechnen. Vorliegend sei die Abrechnung alleine nach den
Codierrichtlinien 2004 vorzunehmen und entgegen der Auffassung der Beklagten sei es nicht zulässig,
aus einer späteren Version der Codierrichtlinien, also im Grunde aufgrund einer Rechtsänderung, auf die
zum maßgeblichen Behandlungszeitpunkt vorliegende Rechtslage zu schließen. Keineswegs sei in der
neuen Version eine Lücke in den Codierrichtlinien geschlossen worden, vielmehr sei eine Änderung bzw.
Ergänzung vorgenommen worden. Entsprechend sei die in der Rechnung vom 05.08.2004 ausgewiesene
Summe in Höhe von 2.902,48 € seitens der Beklagten zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 2.902,48 € nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
dem 22.02.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, beide stationäre Behandlungen der Versicherten seien als ein einheitlicher
Behandlungsfall abzurechnen. Gemäß den allgemeinen Codierrichtlinien für Krankheiten werde die
Hauptdiagnose definiert als: "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die
hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten
verantwortlich ist".
Diese Definition sei in den Versionen 2003 und 2004 unter DKR D002C enthalten gewesen und sie
bestehe in der Version 2005 unter der DKR D002D unverändert fort. Im Anschluss an die Definition
würden in den Codierrichtlinien einzelne Be
griffe erläutert, wobei in der Version 2005 bei unveränderter Definition der Hauptdiagnose folgender
klarstellender Satz in den Erläuterungen hinzugefügt sei:
"Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Codierung
heranzuziehen".
Entgegen der Auffassung der Klägerin handele es sich hierbei lediglich um eine Klarstellung zu einer
spezifischen Fallkonstellation und nicht um eine sachliche Änderung. Auch ohne die in der Version 2005
vorgenommene Klarstellung dürfte kaum zweifelhaft sein, dass die Vergütung nicht von dem zufälligen
Eingangsdatum eines Untersuchungsergebnisses abhängig sein kann. Nach wie vor heiße es in der
Erläuterung, dass der Begriff "nach Analyse", die Evaluation der Befunde am Ende des stationären
Aufenthaltes bezeichnet sowie das sämtliche Untersuchungsbefunde zu berücksichtigen seien.
Das Gericht hat die Beteiligten auf die Ausführungen im Anhang B, u.a. Seite 160, der Codierrichtlinien
Version 2005 hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Prozessakte sowie den der Verwaltungsakte. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist erfolglos.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der stationäre Aufenthalt der Versicherten vom 20.02.2004 bis
zur Entlassung am 23.02.2004 nicht gesondert abzurechnen, vielmehr sind die beiden durchgeführten
stationären Behandlungen unter der Berücksichtigung der DRG K11Z als ein einheitlicher
Behandlungsfall abzurechnen und zu vergüten.
Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) ist für die Vergütung der allgemeinen
Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalisierendes
Vergütungssystem einzuführen. Das Vergütungssystem hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KG Komplexitäten
und Co-Morbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach
§ 17b Abs. 1 Satz 1 KHG werden nach Abs. 1 Satz 3 die allgemeinen vollstationären und teilstationären
Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet.
Nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der
privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 mit der
deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, dass sich an einem international bereits
eingesetzten Vergütungssystem auf Grundlage der Diagnosis Relaeted Groups (DRG) orientiert, seine
jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen,
Kostenentwicklungen, Verweildauer für Kürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen
Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im
Krankenhausentgeltgesetz vorgegeben werden.
Nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG wird das Vergütungssystem für alle Krankenhäuser mit einer ersten
Fassung eines deutschen Fallpauschalenkataloges verbindlich zum 01. Januar 2004 eingeführt. Nach
§ 17b Abs. 6 Satz 3f. KHG wird das Vergütungssystem für das Jahr 2004 budgetneutral umgesetzt und ab
dem Jahr 2005 wird das Erlösbudget des Krankenhauses nach den näheren Bestimmungen des
Krankenhausentgeltgesetzes schrittweise an den Basisfallwert nach Abs. 3 Satz 5 angeglichen.
Zur Ermittlung der Fallpauschale haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Spitzenverbände der
Krankenkassen sowie der Verband der privaten Krankenversicherung die deutschen Codierrichtlinien,
Version 2004, beschlossen.
Unter D002C wird die Hauptdiagnose wie folgt definiert:
"Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung
des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist".
Weiter wird im direkten Anschluss ausgeführt: "Der Begriff "nach Analyse" bezeichnet die Evaluation der
Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich
verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Die dabei evaluierten
Befunde können Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer
psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen Untersuchung,
diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen
Untersuchungen gewonnen wurden.
Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder
Einweisungsdiagnose entsprechen."
Nach alledem zeigt sich, dass nach den Codierrichtlinien diejenige Diagnose zur Hauptdiagnose wird, die
rückblickend die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes maßgeblich verantwortet hat
(siehe insofern auch die Übergangsregelungen in den deutschen Codierrichtlinien, Version 2004, Seite
XIX).
Ausweislich der zutreffenden Ausführungen der Beklagten wurde in den deutschen Codierrichtlinien
Version 2005 unter D002d bei der Erläuterung zum Begriff "nach Analyse" der Satz angefügt:
"Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Codierung
heranzuziehen".
Unter Berücksichtigung dieses zusätzlich erläuternden Satzes wäre, sofern die stationäre Behandlung mit
den durchgeführten Eingriffen im Jahr 2005 erfolgt wäre, ein einheitlicher Abrechnungsfall nach der DRG
K11Z vorzunehmen und auszugleichen. Wie weitere Hinweise in den deutschen Codierrichtlinien Version
2005 aber belegen, wurde durch die zusätzliche Aufnahme dieses Hinweissatzes entgegen der
Auffassung der Klägerin keine Änderung bzw. Ergänzung in der Version 2005 gegenüber der Version
2004 vorgenommen.
Ausweislich der in den deutschen Codierrichtlinien Version 2005 unter der Einleitung enthaltenen
Ausführungen (siehe Seite IV) werden wesentliche Änderungen im Vergleich zur Vorversion (mithin den
deutschen Codierrichtlinien Version 2004) im Anhang B zu den Codierrichtlinien zusammenfassend
dargestellt. Im Anhang B findet sich dann aber auf Seite 160 unter D002D Hauptdiagnose der Hinweis,
dass es sich insofern um eine
"Klarstellung der Codierung von nach der Entlassung eingehenden Befunden"
handelt. Wenn aber die Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgehen, dass es sich um eine
Klarstellung und nicht um eine Neufassung oder Änderung durch die Aufnahme des zusätzlichen Satzes:
"Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Codierung
heranzuziehen"
handelt, so ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten entsprechend der DRG K11Z die
stationäre Behandlung der Versicherten als ein Abrechnungsfall auszugleichen.
Mithin besteht kein weiterer Zahlungsanspruch.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG.