Urteil des SozG Koblenz vom 05.08.2009

SozG Koblenz: abklärung, krankenkasse, minderung, krankenversicherung, aufwand, verschulden, quelle, verfahrenskosten, leistungsklage, datum

Sozialrecht
SG
Koblenz
05.08.2009
S 6 KR 405/08
Aufwandspauschale
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten sowie die Verfahrenskosten.
3. Der Streitwert wird auf 100,00 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Entrichtung einer Aufwandspauschale.
In dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus wurde der bei der Beklagten Krankenversicherte
Wilfried H in der Zeit vom 06.01.2008 bis 28.01.2008 stationär behandelt.
Nach Eingang der Rechnung vom 29.01.2008 beauftragte die Beklagte am 25.02.2008 den
Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit den Fragestellungen:
War die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet?
Ist/Sind die Prozedur(en) korrekt?
Nachdem seitens des Krankenhauses die medizinischen Unterlagen nicht vorgelegt worden waren,
sandte der MDK den Auftrag unerledigt an die Beklagte zurück.
Mit Schreiben vom 15.04.2008 forderte die Beklagte bei dem Medizinischen Dienst mit denselben
Fragestellungen erneut eine Überprüfung an.
Der Arzt im MDK Dr. L führte am 06.05.2008 im Krankenhaus eine Begehung durch und nach der
entsprechenden Erörterung teilte er in der sozialmedizinischen Stellungnahme mit, die Prozedur sei
korrekt kodiert.
Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass seitens des MDK die Frage bezüglich der Überschreitung
der oberen Grenzverweildauer nicht beantwortet worden ist, forderte sie den MDK mit Schreiben vom
19.05.2008 zu einer weiteren Stellungnahme auf.
Der Arzt im MDK Dr. L führte am 03.06.2008 eine weitere Begehung im Krankenhaus der Klägerin durch
und er teilte mit, die Verweildauer sei in der gesamten Länge medizinisch nachvollziehbar, die
Gesamtverweildauer betrage 22 Tage, davon seien 22 medizinisch begründet.
Nachdem das Krankenhaus gegenüber der Beklagten anschließend zwei Mal die Aufwandspauschale in
Höhe von 100,00 € geltend machte, seitens der Beklagten lediglich ein Mal die Aufwandspauschale
erstattet wurde, erhob die Klägerin bezüglich des Ausgleichs der zweiten Aufwandspauschale in Höhe
von 100,00 € am 02.09.2008 die Leistungsklage.
Die Klägerin macht geltend, ihr gegenüber seien seitens des MDK zwei Prüftermine mitgeteilt worden. Es
seien tatsächlich auch zwei Prüftermine durchgeführt worden. Aus dem Empfängerhorizont heraus seien
jede der beiden Prüfungsfragen für sich alleine zu betrachten, so dass die Aufwandspauschale auch zwei
Mal angefallen sei. Sowohl bei der Begehung am 06.05.2008 wie auch bei der Begehung am 03.06.2008
seien keine Beanstandungen festgestellt worden. Die Kommunikation zwischen der Beklagten und dem
MDK habe offensichtlich nicht reibungslos funktioniert. Dies habe dazu geführt, dass ihr zwei Prüfungen
angezeigt wurden und zwei Begehungen mit Erörterungen stattgefunden haben. Hierbei seien
unterschiedliche Fragen seitens des MDK abgeklärt worden und beide hätten nicht zu einer Minderung
des Abrechnungsbetrages geführt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 02.09.2008 zu zahlen,
hilfsweise die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, nach der Rechnungsbegleichung habe sie mit Auftrag vom 25.02.2008 den MDK um
die Überprüfung dahingehend gebeten, ob im zu prüfenden Fall die Überschreitung der oberen
Grenzverweildauer medizinisch begründet war sowie auch um die Überprüfung dahingehend, ob die
Prozeduren zutreffend kodiert worden waren. Da dem MDK die Unterlagen nicht vorgelegt worden waren,
habe dieser den Prüfauftrag unbearbeitet an sie zurückgegeben.
Unter dem 15.04.2008 habe sie den MDK nochmals mit denselben Prüfungen wie im Auftrag vom
25.02.2008 beauftragt. Im Rahmen der Krankenhausbegehung sei der MDK am 06.05.2008 zu dem
Ergebnis gekommen, dass eine korrekte Kodierung erfolgt war. Da dem MDK-Gutachten jedoch eine
Stellungnahme zu der von ihr auch gestellten Frage, ob die Überschreitung der oberen
Grenzverweildauer medizinisch begründet war, nicht zu entnehmen war, habe sie den Auftrag insoweit
nochmals an den MDK geschickt. Dieser sei dann zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verweildauer
medizinisch nachvollziehbar sei. Sie habe nur eine Prüfung mit einem einzigen Prüfauftrag gegenüber
dem MDK erteilt. Dass der Prüfauftrag vom MDK versehentlich zunächst nicht ganz, sondern erst in einem
"zweiten Anlauf" vollständig erledigt wurde, ändere nichts daran, dass von vornherein nur eine Prüfung
ihrerseits eingeleitet worden war. Nur eine eingeleitete Prüfung könne aber auch nur eine
Aufwandspauschale nach sich ziehen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der
Einführung des so genannten Strafzolls an einen bei einem Krankenhaus möglicherweise entstehenden
Anschein und nicht an die tatsächlichen Fakten anknüpfen wollte. Das Dringen auf eine vollständige
Erledigung eines einzigen Auftrages sei etwas anderes, als wäre zunächst der eine und dann später,
unabhängig davon, noch einmal ein anderer Prüfauftrag an den MDK gegeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Prozessakte sowie den der Verwaltungsakte. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist erfolglos.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausgleich der beiden geltend gemachten Aufwandspauschalen,
vielmehr hat sie lediglich Anspruch auf Ausgleich einer Aufwandspauschale, die seitens der Beklagten
bereits erbracht wurde.
Gemäß § 275 Abs. 1c Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur
Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007
(Bundesgesetzblatt vom 30.03.2007, 378ff.) ist bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 eine Prüfung
nach Abs. 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens 6 Wochen nach Eingang
der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem
Krankenhaus anzuzeigen. Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat
die Krankenkasse im Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 € zu entrichten.
Unstrittig hat die Beklagte zunächst mit Auftrag vom 25.02.2008 den MDK mit der Abklärung der Fragen
eingeschaltet, ob die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet war und ob
die Prozeduren korrekt seien5. Nachdem dieser Auftrag mangels der Vorlage medizinischer Unterlagen
seitens des Krankenhauses vom MDK unbearbeitet an die Beklagte zurückgesandt worden war, hat diese
den MDK mit einem Auftrag vom 15.04.2008 nochmals zur Abklärung der beiden Fragestellungen
eingeschaltet. Im Rahmen der anschließend durch den Arzt im MDK Dr. L am 06.05.2008 erfolgten
Begehung wurde von diesem Arzt aber lediglich eine der Fragestellungen beantwortet, indem er mitgeteilt
hat, die Prozedur sei korrekt kodiert. Da die zweite Fragestellung bezüglich der Überschreitung der
oberen Grenzverweildauer seitens des MDK nicht beantwortet worden war, wurde dieser seitens der
Beklagten mit Schreiben vom 19.05.2008 auf die Beantwortung dieser Frage hingewiesen. Im Rahmen
einer Begehung am 03.06.2008 stellte der Arzt im MDK Dr. L dann fest, dass die Verweildauer in der
gesamten Länge medizinisch nachvollziehbar sei.
Gerade dieser Ablauf zeigt, dass die Beklagte bei der ursprünglichen Beauftragung des MDK diesen mit
der Abklärung zweier Fragestellungen beauftragt hat, die seitens des Arztes im MDK Dr. L aber nicht im
Rahmen einer Begehung vollständig beantwortet wurden. Unstrittig hat die von Dr. L dann durchgeführte
zweite Begehung am 03.06.2008 nochmals die Abläufe im Krankenhaus belastet und für zusätzlichen
zweite Begehung am 03.06.2008 nochmals die Abläufe im Krankenhaus belastet und für zusätzlichen
personellen und finanziellen Aufwand gesorgt. Auch wenn gerade unter diesen Gesichtspunkten die in §
275 Abs. 1c SGB V geregelte Aufwandspauschale ausweislich der Gesetzesbegründung
(Bundestagsdrucksache 16/3100 Seite 171ff.) eingeführt worden war, ist bei der vorliegenden
Fallgestaltung festzuhalten, dass seitens der Beklagten lediglich ein Auftrag an den MDK gestellt worden
war und die Beklagte nach der unvollständigen Bearbeitung seitens des MDK diesen auf die vollständige
Beantwortung der noch offenstehenden Frage des ursprünglichen Prüfauftrags hingewiesen hat. Es liegt
also eine andere Fallgestaltung vor, als wenn die Beklagte nach einer entsprechenden Prüfung seitens
des MDK bezüglich einer Fragestellung diesen mit der Abklärung einer zweiten Fragestellung beauftragt
hätte. Bei einer solchen Fallgestaltung wären zwei Aufträge seitens der Krankenkasse gegeben und dann
auch zwei Prüfungen durch den MDK gegeben gewesen. Alleine diese Fallgestaltung rechtfertigt dann
aber auch den Ausgleich von zwei Aufwandspauschalen im Sinne des § 275 Abs. 1c SGB V.
Auch wenn aus der Empfängersicht das Krankenhaus davon ausgehen musste, dass zwei Prüfungen
durchgeführt wurden, rechtfertigt aber der konkrete Prüfauftrag seitens der Beklagten gegenüber dem
MDK mit den beiden Fragestellungen vorliegend gegenüber der Beklagten lediglich ein Mal den
Ausgleich der Aufwandspauschale im Sinne des § 275 Abs. 1c SGB V. Dass der ursprüngliche Prüfauftrag
mit den beiden Fragestellungen seitens des MDK zunächst nur unzureichend und erst aufgrund einer
zweiten Begehung vollumfänglich beantwortet wurde, hat die Beklagte nicht zu vertreten. Ein Verschulden
des MDK hat sich die Beklagte nicht zurechnen zu lassen (Urteil des BSG vom 28.09.2006 ‑ B 3 KR 23/05
R ‑).
Ob gegebenenfalls seitens der Klägerin gegenüber dem MDK infolge des mit der zweiten Prüfung
erforderlichen Ressourcenverbrauchs ein Anspruch auf einen entsprechenden Ausgleich besteht, war
vorliegend nicht zu entscheiden. Gegenüber der Beklagten hat die Klägerin aber jedenfalls lediglich den
Anspruch auf Ausgleich einer Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 €.
Da diese Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 € seitens der Beklagten an die Klägerin gezahlt
worden war, ist die darüber hinausgehende Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Berufung zuzulassen.