Urteil des SozG Kassel vom 23.02.2006

SozG Kassel: geschäftsführer, unvermeidbarkeit des arbeitsausfalls, vermeidbarer arbeitsausfall, einfluss, arbeitsentgelt, arbeitnehmereigenschaft, kapitalbeteiligung, unternehmen, arbeitskraft

Sozialgericht Kassel
Urteil vom 23.02.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 11 AL 1435/03
Der Bescheid vom 12.02.2003 in der Fassung des Widerspruchsbeschei- des vom 17.06.2003 wird abgeändert und
die Beklagte wird verurteilt, vom 01.02.2003 bis 31.07.2003 auch an die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin
S.S., M.F., A.B. und W.L. Kurzarbeitergeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Kurzarbeitergeld an die vier Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin.
Im Betrieb der Klägerin geht es im Wesentlichen um Druckvorlagenherstellung, unter anderem für Werbe-,
Informations- und Prospektmaterial sowie Anzeigen und regelmäßig erscheinende Verbandszeitungen. In 2003 waren
im Betrieb der Klägerin sechs Personen beschäftigt, davon vier als Geschäftsführer, die jeweils zu gleichen Teilen
auch Gesellschafter der GmbH waren. Auf die Anzeige der Klägerin über Arbeitsausfall vom 03.02.2003 teilte die
Beklagte mit Bescheid vom 12.02.2003 mit, die in §§ 170, 171 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) genannten
Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) seien erfüllt. Kug werde deshalb den vom
Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern des Betriebes der Klägerin vom 01.02.2003 bis 31.07.2003 bewilligt. Die
Gesellschafter-Geschäftsführer S.S., M.F., A.B. und W.L. könnten wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft nicht
über Kurzarbeit gefördert werden.
Mit Schreiben vom 07.03.2003 widersprach der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der Bewertung der Beklagten
bezüglich der Gesellschafter-Geschäftsführer. Vor der Bewilligung von Leistungen habe die Beklagte zur Prüfung an
die Betroffenen ihre Fragebögen zu § 25 Abs. 1 SGB III übersandt. Nach dem Inhalt dieser Fragebögen sei es aus
Sicht des Prozessbevollmächtigten rechtlich zweifelsfrei, dass alle sozialversicherungsrechtlich im Sinne des § 7
Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) wie im Sinne des § 25 Abs. 1 SGB III als nichtselbständige
Beschäftigte bzw. als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte zu berücksichtigen seien. Danach sei zur Abgrenzung
zwischen einem selbständig tätigen und damit nicht versicherungspflichtigen Geschäftsführer und einem im
Beschäftigungsverhältnis gem. § 25 Abs. 1 SGB III befindlichen Geschäftsführer eine Gesamtschau vorzunehmen,
bei der die gesellschaftsrechtliche Stellung, der Anstellungsvertrag und die konkrete Durchführung der
gesellschaftsrechtlichen und dienstvertraglichen Bestimmungen vorzunehmen sei. Nach der Rechtssprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) bedeute allein die Organstellung des Geschäftsführers nicht, dass dieser stets als
Selbständiger anzusehen sei. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH bestehe dann, wenn die
Gesellschafter funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilhaben würden, für ihre Beschäftigung ein
entsprechendes Arbeitsentgelt erhalten würden und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft
kraft ihres Anteils am Stammkapital geltend machen könnten. Alle diese Gegebenheiten würden positiv für die vier
betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin vorliegen. Alle würden als Gesellschafter lediglich einen
Kapitalanteil von 25% besitzen, ohne dass hier gesellschaftsvertraglich oder überhaupt gesellschaftsrechtlich
praktiziert eine Sperrminorität vereinbart worden sei. Keiner der Gesellschafter habe damit maßgeblichen Einfluss auf
die Geschicke der Gesellschaft. Es gebe auch keinen Geschäftsführer, der gegenüber den anderen hervorgehobene
Fach- und Sachkompetenz besitze, denen zufolge er allein oder nur mit einem weiteren die zur Führung des Betriebes
notwendigen Branchenkenntnisse besitzen würde. Keiner der Geschäftsführer habe die faktische betriebliche
Oberaufsicht oder entscheidende Organisationsherrschaft, sodass er weisungsungebunden von den übrigen
Geschäftsführern agieren könne. Der Arbeitseinsatz aller Gesellschafter und Geschäftsführer sei durch konkrete
Anstellungsverträge geregelt, mit denen eine betriebliche Integration erfolge, die sich von der eines Arbeitnehmers
nicht oder nur unwesentlich unterscheide. Keiner der Geschäftsführer könne sich aufgrund eigener Entscheidung oder
eigener Weisung aus den betrieblichen Mitarbeitspflichten und arbeitsmäßigen Funktionen entziehen. Keiner der
Geschäftsführer könne allein verbindliche Weisungen an seine Kollegen und die übrigen Mitarbeiter erteilen.
Maßgeblich sei insbesondere, dass kein einzelner der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund seines Stimmrechts
die Entscheidungen der GmbH, insbesondere auch solche, die seinen konkreten Arbeitseinsatz, seinen Verdienst,
seine Arbeitszeit und seine Arbeitsbedingungen betreffen würden, selbst regeln könne. Jeder der Geschäftsführer
könne von den übrigen Geschäftsführern überstimmt werden. Da im Gesellschaftsvertrag die einfache
Stimmenmehrheit ausreiche, sei der überstimmte Geschäftsführer praktisch im gleichen Umfang weisungsgebunden
wie ein Arbeitnehmer. Aufgrund seiner Stellung habe keiner der Geschäftsführer ein erhebliches und über seien
Gesellschaftsanteil hinausgehendes Unternehmerrisiko. Die Arbeitnehmerstellung sämtlicher Geschäftsführer spiegele
sich auch darin wieder, dass diesen eine regelmäßige feste Vergütung zugewiesen werde und nur am Jahresende
gewisse Spitzenbeträge als restliche Gewinnausschüttung ausgezahlt würden bzw. dann Einlagen zur Kapitaldeckung
nachgefordert würden. Insbesondere seien die Geschäftsführer auch nicht berechtigt, die Lage ihres Urlaubes jeweils
für sich allein zu entscheiden, sondern sie hätten sich hier mit den anderen Geschäftsführern abzustimmen und
müssten, falls keine Einigkeit erzielt werde, sich in diesem Fall einer Mehrheitsentscheidung unterwerfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 169
SGB III hätten Arbeitnehmer Anspruch auf Kug, wenn sie unter anderem die persönlichen Voraussetzungen erfüllen
würden. Zu den persönlichen Voraussetzungen gehöre nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, dass der Arbeitnehmer nach
Beginn des Arbeitsausfalles eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetze oder aus zwingenden Gründen
aufnehme. Versicherungspflichtig seien gem. § 25 Abs. 1 SGB III Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer
Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) seien. Mitarbeitende Gesellschafter-
Geschäftsführer einer GmbH könnten in einem abhängigen und damit versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehen. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH liege allerdings nur
dann vor, wenn die Gesellschafter funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilhaben würden, für ihre
Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalten würden und keinen maßgeblichen Einfluss auf die
Geschicke der Gesellschaft kraft ihres Anteils am Stammkapital geltend machen könnten. Entscheidend sei das
Gesamtbild der Tätigkeit. Hierbei sei wesentlich, ob der äußere Rahmen der Tätigkeit, insbesondere was Zeit, Dauer
und Ort der Arbeitsleistung betreffe, durch einseitige Weisungen der Gesellschaft geregelt sei und geregelt werden
könne. Ebenfalls von Bedeutung sei die Kapitalbeteiligung. Sei diese so hoch, dass die Geschäftsführer ein nicht
unerhebliches Unternehmerrisiko tragen würden, so gelte die Vermutung, dass sie ihre Tätigkeit nicht für ein fremdes
Unternehmen sondern im eigenen Unternehmen ausübten. Schließlich sei für die Annahme eines abhängigen
(versicherungspflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses darauf abzustellen, ob der für ein Arbeitnehmer-
Arbeitgeberverhältnis typische Interessengegensatz vorhanden sei. Ein solcher Gegensatz sei kaum denkbar, wenn
die Geschäftsführer zugleich die alleinigen Gesellschafter seien. Die vier genannten Gesellschafter-Geschäftsführer
hätten im Feststellungsbogen zu ihrer versicherungsrechtlichen Beurteilung unter anderem folgendes
übereinstimmend angegeben: Die GmbH sei am 29.04.1982 gegründet worden. Zuvor habe die Firma in Form einer
GbR bestanden und vor der Firmenumwandlung seien Inhaber/Gesellschafter gewesen S.S., W.L., M.F. und A.B.
Durch Beschluss der GmbH vom 15.12.1997 sei dann M.F. als Geschäftsführer abberufen und für die ihn M.F. als
Geschäftsführerin berufen worden. Jeder der vier Geschäftsführer besitze eine Stammeinlage von 12.500,00 DM (25%
des Stammkapitals). Eine andere Verteilung der Geschäftsanteile habe es in der Vergangenheit nicht gegeben. Jeder
der Gesellschafter-Geschäftsführer habe der GmbH ein Darlehn gewährt (S.S. 2.812,11 EUR, A.B. 2.812,11 EUR, W.
2.556,46 EUR und M.F. 4.601,63 EUR). Jeder der Gesellschafter habe eine Bürgschaft von 50.000,00 DM
übernommen. Alle Gesellschafter-Geschäftsführer seien am Gewinn im Rahmen einer Gewinnausschüttung beteiligt.
In der Gesamtbetrachtung der jeweiligen und gleichberechtigten Stellung der Gesellschafter-Geschäftsführer
überwiege der Eindruck, dass jeder von ihnen ein erhebliches Arbeitgeberrisiko trage, weil jeder über seine
Geschäftsanteile hinaus nicht unwesentliche Darlehen an die GmbH gegeben und darüber hinaus erhebliche
Bürgschaften für die GmbH übernommen habe. Schon dies unterscheide sie signifikant von abhängigen
Arbeitnehmern. Es sei zwar richtig, dass, wie im Widerspruch vorgetragen, kein einzelner der Gesellschafter-
Geschäftsführer aufgrund seines Stimmrechts die Entscheidungen der GmbH, insbesondere auch solche, die seinen
konkreten Arbeitseinsatz, seinen Verdienst, seine Arbeitszeit und seine Arbeitsbedingungen betreffen würden, selbst
zu regeln im Stande sei, weil er von den übrigen Geschäftsführern überstimmt werden könne und dann im gleichen
Umfang weisungsgebunden wie ein abhängiger Arbeitnehmer dastehe. Dem sei aber hinzuzufügen, dass jeder
Geschäftsführer gemeinsam mit anderen Geschäftsführern wechselnde Mehrheiten im Entscheidungsgremium
herstellen und gegebenenfalls seine Meinung durchsetzen könne, also über ein Machtpotenzial verfüge, wie es dem
typischen abhängigen Arbeitnehmer nicht zukomme. Keiner der vier Gesellschafter-Geschäftsführer sei aufgrund
seiner tatsächlichen Einbindung in die GmbH für diese wie für ein fremdes Unternehmen tätig: sie alle würden
vielmehr gleichberechtigt und der GmbH gleichermaßen verpflichtet im eigenen Unternehmen arbeiten.
Versicherungspflichtige Arbeitnehmer seien sie mithin nicht. Ihre Förderung mit Kug scheide daher aus.
Hiergegen richtet sich die am 21.07.2003 beim Sozialgericht Kassel eingegangene Klage, mit der für die vier
Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin weiterhin Kug begehrt wird. Es wird geltend gemacht, die Beurteilung der
versicherungsrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft durch die Beklagte sei zu früheren Zeitpunkten anders ausgefallen.
So habe die Beklagte in 1995, 1996 und 1997 jeweils Kug auch für die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin
gewährt. An den damaligen Verhältnissen habe sich nichts geändert. Nach dem Gesamtbild seien die Gesellschafter
entgegen der Ansicht der Beklagten auch jetzt als Arbeitsnehmer einzustufen. Keiner der Gesellschafter könne für
sich allein Entscheidungen zur konkreten Arbeitsausübung, zur Arbeitsverteilung im betrieblichen Rahmen, zu Zeit,
Dauer und Ort der eigenen Arbeitsleistung treffen. Nach dem Gesellschaftsvertrag müssten die Entscheidungen durch
Mehrheitsbeschluss getroffen werden, was bedeute, dass der einzelne Gesellschafter keinen größeren Einfluss auf
die Geschicke der Gesellschaft wie ein Arbeitnehmer habe. Die von den Gesellschaftern an die Gesellschaft
gewährten Darlehn und die höchstpersönlichen Bürgschaften änderten an der Wertung ihrer Tätigkeit als
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nichts. Beides diene allein zur Erreichung eines positiven
Betriebsergebnisses und zur Absicherung der eigenen Anstellung. Entgegen der im Klageverfahren geäußerten
Zweifel der Beklagten sei es auch bei den Gesellschafter-Geschäftsführern zu Arbeitsausfall gekommen. Die
Alltagstätigkeit bestehe in der Fotosetzertätigkeit. Nur ein geringer Bruchteil der Arbeitszeiten entfalle auf Leistungs-,
Organisations- und Verwaltungstätigkeiten. Zwar hätten sich alle vier Gesellschafter um einen Ausgleich des Umsatz-
und Auftragseinbruchs bemüht. Der Arbeitsausfall sei aber nicht dadurch zu kompensieren gewesen, dass anstelle
der Setzertätigkeit ausschließlich Akquisition hätte betrieben werden können. Die Klägerin habe einige wenige
Großkunden, für die sie seit Jahren arbeite. Der Verlust eines Großkunden, wie in diesem Fall der Versicherung, führe
zu einem Arbeitsausfall, der gerade nicht durch reine Akquisitionstätigkeiten aufzufangen sei.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 12.02.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2003
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, vom 01.02.2003 bis 31.07.2003 auch an die Gesellschafter-
Geschäftsführer der Klägerin S.S., M.F., A.B. und W.L. Kurzarbeitergeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zunächst auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 17.06.2003 und bleibt bei ihrer
Auffassung, im Falle der vier Gesellschafter-Geschäftsführer liege keine Arbeitnehmereigenschaft vor. Der im
Klageverfahren vorgelegten Beurteilung der Versicherungspflicht durch die Berufsgenossenschaft (Gerichtsakte Blatt
39) komme zwar Indizwirkung zu, doch werde die Beklagte hierdurch nicht gebunden und halte an ihrer eigenen
versicherungsrechtlichen Beurteilung fest. In einem früheren Kug-Bewilligungsbescheid seien zudem die Herren F.
und L. von der Kurarbeit ausgenommen worden. Sie seien offenbar damals nicht als Arbeitnehmer bewertet worden.
Im Übrigen stelle sich die Frage, ob für die 4 Gesellschafter-Geschäftsführer überhaupt Arbeitsausfall habe eintreten
können. Nach den gleichlautenden Geschäftsführer-Dienstverträgen hätten die Geschäftsführer ihre ganze Arbeitskraft
der Gesellschaft zu widmen. Der Arbeitsausfall sei im Wesentlichen mit dem Auftragswegfall bei der Versicherung
begründet worden. In der wirtschaftlich schwierigen Lage leuchte es dann nicht ein, dass die Geschäftsführer, die ihre
ganze Arbeitskraft in die Gesellschaft einzusetzen hätten, Arbeitsausfall erleiden würden, also die Hände in den
Schoß legen und auf bessere Zeiten hoffen würden. Vielmehr sei doch zu erwarten, dass sich alle Geschäftsführer
unermüdlich um Neuaufträge bemühen und nach sonstigen Mitteln und Wegen suchen würden, um die
Unterbeschäftigung zu vermeiden oder zu beenden. Arbeitsausfall könne unter diesem Aspekt nicht eingetreten sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene
Kug-Akte Bezug genommen, soweit deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht erhobene Klage ist zulässig und auch begründet. Im
Gegensatz zur Auffassung der Beklagten sind auch die im Betrieb der Klägerin tätigen Geschäftsführer S.S., M.F.,
A.B. und W.L. im streitigen Zeitraum vom 01.02.2003 bis 31.07.2003 über Kurzarbeitergeld zu fördern.
In Übereinstimmung mit der Klägerin sind die im oben genannten Zeitraum streitigen Anspruchsvoraussetzungen für
eine Förderung sowohl hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft der Geschäftsführer der Klägerin als auch im Hinblick
auf die Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls in der Person der Geschäftsführer zu bejahen. Dies steht zur
Überzeugung der erkennenden Kammer auf der Grundlage der Würdigung des Gesamtsachverhalts und der
Darlegungen der Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2006 fest.
Gemäß § 169 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld unter anderem dann, wenn ein erheblicher
Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt. Nach § 170 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ist ein Arbeitsausfall dann erheblich, wenn
er nicht vermeidbar ist. Hierzu bestimmt § 170 Abs. 4 SGB III, dass ein Arbeitsausfall nicht vermeidbar ist, wenn in
einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern.
Eine Anspruchsberechtigung auf die Förderung über Kurzarbeitergeld besteht gemäß § 169 SGB III nur für
Arbeitnehmer. Arbeitnehmer sind nach § 25 Abs. 1 SGB III versicherungspflichtige Personen, die gegen
Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigung). Beschäftigung
ist nach § 7 Abs. 4 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche
Abhängigkeit erfordert grundsätzlich die Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des
Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung (BSGE 38, 35, 57; BSGE 51, 164, 167;
BSG in SozRecht 3-4100 § 168 AFG Nr. 5). Zwar kann das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, wie das
insbesondere bei Diensten höherer Art der Fall ist, vollständig entfallen darf es jedoch nicht. Es muss eine
fremdbestimmte Leistung verbleiben, die Dienstleistung also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen
Ordnung des Betriebes aufgehen (BSGE 38, 53, 57; BSG Urteil vom 24.09.1992, Az.: 7 RAr 12/92). Ist ein
Weisungsrecht nicht vorhanden, kann der Betreffende seine Tätigkeit also wesentlich frei gestalten, insbesondere
über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen oder sich nur in die von ihm selbst gegebene
Ordnung des Betriebes einreihen, liegt keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch
ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet zu sein pflegt (BSG Urteil vom 24.09.1992, a. a. O.; Urteil vom 06.02.1996,
Az.: 7 RAr 134/90).
Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob ein Geschäftsführer einer GmbH abhängig und deshalb
beitragspflichtig beschäftigt ist oder nicht. Grundsätzlich ist ein solcher Geschäftsführer weder wegen seiner
Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern
der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem
Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend bleibt die Bindung des Geschäftsführers an das
willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Ausdrücklich und grundsätzlich hat die
Rechtssprechung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu einer GmbH nur dann verneint, wenn ein GmbH-
Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist, der über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft
verfügt und damit einen maßgebenden Einfluss auf deren Entscheidungen besitzt (BSG in SozRecht 3-4100 § 168
AFG Nr. 5 m. w. N.). Vorliegend sind die Geschäftsführer der Klägerin am Kapital der GmbH jeweils mit 25% beteiligt.
Da laut Gesellschaftsvertrag Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit beschlossen
werden können und es zudem keine Vereinbarungen über so genannte Sperrminoritäten gibt, kann aufgrund der
vorliegenden Kapitalbeteiligung der einzelnen Geschäftsführer nicht auf eine die Gesellschaft beherrschende Position
geschlossen werden. Gerichtlicherseits war jedoch zu überprüfen, ob aufgrund der Konstellation in der GmbH der
Klägerin mit vier Gesellschafter-Geschäftsführern mit gleichem Kapitalanteil der tatsächliche Einfluss der
Geschäftsführer auf die Gesellschaft wesentlich größer war, als dies aufgrund der gleichmäßig verteilten
Kapitalbeteiligung von nur 25% an sich anzunehmen ist, und die Geschäftsführer damit wirtschaftlich gesehen eine
Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für das eigene Unternehmen ausüben (vgl. hierzu auch BSGE 38, 53 und
BSG in SozRecht 3-4100 § 168 AFG Nr. 5). Unter Beachtung der Rechtssprechungsgrundsätze gelangt die Kammer
im Ergebnis aber zu der von der Beklagten abweichenden Auffassung, dass alle vier Geschäftsführer der Klägerin
auch Arbeitnehmer der GmbH sind. Aufgrund der Angaben der Geschäftsführer im Antragsverfahren, im
Widerspruchsverfahren und nicht zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2006 kann gerade nicht davon
ausgegangen werden, dass die Geschäftsführer der Klägerin wichtige unternehmensrelevanten Entscheidungen
unabhängig und frei treffen konnten. Vielmehr ist den gleichlautenden Angaben in dem jeweiligen Feststellungsbogen
zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH bzw. eines
mitarbeitenden Gesellschafters in der GmbH zu entnehmen, dass die Geschäftsführer im Hinblick auf
betriebsrelevante Entscheidungen nur mehrheitliche bzw. gemeinschaftliche einvernehmliche Entscheidungen treffen
konnten und jeder einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer auf diese Entscheidungen angewiesen und damit auch
davon abhängig war. So sind mit Ausnahme der Alltagstätigkeiten aufgrund der jeweiligen beruflichen Ausbildung als
Schriftsetzer für alle unternehmensrelevanten Geschäftsentscheidungen, insbesondere größere finanzielle
Transaktionen und Anschaffungen von technischen Anlagen und Ergänzung und Erneuerung von Büroeinrichtungen
stets Mehrheitsbeschlüsse bzw. einvernehmliche Beschlüsse der Gesellschafter herbeigeführt worden. Dass die vier
Geschäftsführer hinsichtlich der alltäglichen routinemäßigen Abwicklungen der Geschäfte selbständig und ohne
konkrete Vorgaben der Gesellschafterversammlung gearbeitet haben, ändert nach Auffassung der Kammer nichts
daran, dass die Tätigkeit der vier Geschäftsführer der Kontrolle und Überwachung durch die
Gesellschafterversammlung unterlegen hat.
Auch enthalten die von den Geschäftsführern gemachten Angaben in dem Feststellungsbogen zur
versicherungsrechtlichen Beurteilung ihrer Tätigkeit keinerlei Angaben, welche der Annahme einer abhängigen
Beschäftigung entgegenstehen würden. Die zwischen der Klägerin und den vier Geschäftsführern abgeschlossenen
gleichlautenden Geschäftsführer-Dienstverträge enthalten ebenfalls keine Bestimmungen, die der Annahme der
Arbeitnehmereigenschaft der vier Geschäftsführer entgegenstehen würden. Die entsprechenden Vereinbarungen aus
dem Jahr 1996 bzw. 1997 (M.F.) enthalten die üblichen Bestimmungen eines Geschäftsführervertrages. Neben den
Bestimmungen zur Höhe der monatlichen Bezüge, des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes enthalten die Verträge noch
Bestimmungen zum Jahresurlaub, der sich an den Bestimmungen des Manteltarifvertrages der IG Medien orientiert.
Daneben wird noch eine gewinnabhängige Tantieme in Höhe von 15% des Jahresgewinnes der Gesellschaft genannt.
Die Geschäftsführer haben in den Feststellungsbögen jeweils eine wöchentliche Arbeitszeit in Anlehnung an die
tarifliche Arbeitzeit von 37,5 Stunden angegeben sowie die Vereinbarung darüber, dass im Falle der Arbeitsunfähigkeit
die Vergütung für die Dauer von sechs Wochen weitergewährt wird. Im Übrigen werden den Geschäftsführern durch
die Vereinbarungen in den Geschäftsführer-Dienstverträgen keine besonderen Freiheiten eingeräumt. Nach den
Darlegungen der Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2006 entsprachen auch die tatsächlichen
Gegebenheiten in der Gesellschaft den in den Geschäftsführer-Dienstverträgen getroffenen Bestimmungen und den
laut Feststellungsbögen getroffenen Vereinbarungen. Die Annahme von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen im
Falle der Geschäftsführer war somit weder aufgrund der in den Geschäftsführerverträgen festgelegten Rechte
ausgeschlossen noch bestand eine Kapitalbeteiligung in einem Umfang, dass der damit verbundene
gesellschaftsrechtliche Status von vornherein die Annahme eine abhängigen Beschäftigung scheitern lassen würde.
Die entscheidende Frage war, ob die Geschäftsführer nach der Gestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen zur GmbH
und der tatsächlichen Durchführung der Geschäftsführerverträge im Wesentlichen weisungsfrei waren. Dies wird
entgegen der Auffassung der Beklagten von der Kammer eindeutig verneint. Weder die vereinbarte Gewinnbeteiligung,
noch die Darlehnshingabe der Geschäftsführer an die Gesellschaft, noch die Übernahme von Bürgschaften ändern
etwas daran, dass alle vier Geschäftsführer aufgrund ihres nur geringen Kapitalanteils von 25% in einem Über-
Unterordnungsverhältnis gegenüber der Gesellschaft stehen.
Nach Ansicht der Kammer gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der tatsächliche Einfluss der
Geschäftsführer auf die Gesellschaft aufgrund der Konstellation im Betrieb der Klägerin wesentlich größer war, als er
entsprechend der Kapitalbeteiligung anzunehmen ist. Vor dem Hintergrund der von den Geschäftsführern
geschilderten Strukturen und Entscheidungsprozesse in der Gesellschaft kann nach Ansicht der Kammer nicht der
Schluss gezogen werden, dass jeder Geschäftsführer für sich der eigentliche Unternehmer der GmbH ist. So kann die
Stellung der Geschäftsführer in keinem Fall als diejenige eines selbständigen und alleinigen Unternehmers qualifiziert
werden. Eine entsprechende Machtposition der Geschäftsführer innerhalb der GmbH ist nicht feststellbar. Sowohl die
Regelungen in der jeweiligen Geschäftsführer-Dienstvereinbarung als auch die tatsächlichen Gegebenheiten in der
GmbH der Klägerin lassen im Ergebnis nur den Schluss zu, dass die vier Geschäftsführer zu der GmbH der Klägerin
in einem die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden haben und noch stehen. Sie sind
daher im Hinblick auf die Gewährung von Kug als Arbeitnehmer im Sinne des § 169 SGB III zu beurteilen.
Auch die im Klageverfahren von der Beklagten zum Begriff der "Vermeidbarkeit" gemachten Ausführungen tragen eine
ablehnende Entscheidung gegenüber den Geschäftsführern der Klägerin nicht. Zwar trifft durch das Erfordernis der
Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls den Arbeitgeber grundsätzlich eine Schadensminderungspflicht, sodass ein
vermeidbarer Arbeitsausfall den Kug-Anspruch ausschließt. Hintergrund ist, das grundsätzlich der Arbeitgeber das
Betriebsrisiko zu tragen hat, welches durch die Gewährung von Kug grundsätzlich nicht gemindert werden soll (Roeder
in Niesel SGB III, Sozialgesetzbuch, Arbeitsförderung, Kommentar, 2. Auflage, § 170 Rdnr. 25). Die zur Ablehnung
von Kug-Zahlungen an die vier Geschäftsführer der Klägerin führenden Erwägungen der Beklagten im Klageverfahren
stützen sich darauf, dass gemäß § 3 der Geschäftsführer-Dienstverträge der Geschäftsführer seine ganze Arbeitskraft
der Gesellschaft zu widmen hat. Aber nur unter der Prämisse, dass sich gerade in den Personen der Geschäftsführer
auch das Unternehmerrisiko verwirklicht und die Geschäftsführer zur Verhinderung des Arbeitsausfalls oder zur
Vermeidung weiteren Arbeitsausfalls der übrigen Mitarbeiter bzw. der übrigen Geschäftsführer jeweils verstärkt hätten
tätig werden müssen (vgl. insoweit Bieback in Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, § 170 Rdnr. 104ff., 125ff.), wäre mit
der Beklagten von der Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls für die vier Geschäftsführer auszugehen. Grundsätzlich
richtig ist, dass die nach § 170 SGB III erforderliche Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls für jede Personengruppe
nachgewiesen werden muss und dass insofern auch eine Prüfungspflicht des Arbeitsamtes (der Arbeitsagentur)
besteht (vgl. Bieback in Gagel, a. a. O., § 170 Rdnr. 111). Aufgrund der nachvollziehbaren Darlegungen der vier
Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2006 ist die erkennende Kammer jedoch zu
der Überzeugung gelangt, dass aufgrund der im streitigen Zeitraum bestehenden Verhältnisse in der Firma der
Klägerin von einer Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls auch für die Geschäftsführer ausgegangen werden muss. So
ist der Arbeitsausfall ab 01.02.2003 in erster Linie mit dem starken Auftragsrückgang seitens eines Großkunden
(Versicherung) begründet worden. Daneben ist angegeben worden, dass aufgrund neuer Techniken ganze
Produktionsbereiche entfallen sind bzw. Kunden den Satz jetzt selber produzieren. Unter Berücksichtigung dieser
Situation des klägerischen Betriebs zu Beginn des Jahres 2003 hält es die erkennende Kammer für plausibel, dass
der für die Geschäftsführer entstandene Arbeitsausfall unvermeidbar und auch nicht durch verstärkte
Akquistionstätigkeiten kompensierbar bar. So haben die Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung
nachvollziehbar dargelegt, dass es in ihrem Tätigkeitsbereich kaum möglich ist, Neukunden zu gewinnen und dadurch
einen Ausgleich für den Wegfall bisheriger Dauerkunden zu erreichen. Zur Untermauerung dieser Darstellung wird
darauf hingewiesen, dass der Betrieb der Klägerin die Akquise vorübergehend an ein externes Profiunternehmen
vergeben hatte. Trotz bundesweiter Bemühungen, die dem Betrieb der Klägerin mit über 5.000 EUR in Rechnung
gestellt wurden, habe es nach vier Monaten letztendlich nur eine unsichere Option für einen Neukunden gegeben, die
zudem bis dato nicht zu realisieren gewesen sei. Hieraus kann nach Ansicht der erkennenden Kammer nur der
Schluss gezogen werden, dass die von der Beklagten verlangte Gegensteuerung, das heißt
Schadensminderungsverpflichtung des Arbeitgebers, aufgrund der Besonderheiten der Branche der Klägerin und der
allgemeinen Marktsituation realistischer Weise gar nicht umsetzbar war und damit ein Ausgleich des Arbeitsausfalls
wegen des reduzierten Auftragsvolumens keineswegs durch Akquisetätigkeiten der Geschäftsführer aufzufangen war.
Im Ergebnis sieht es die Kammer daher als erwiesen an, dass nicht nur für eine Arbeitnehmerin der Firma der
Klägerin, sondern auch für die Geschäftsführer im streitigen Zeitraum der Arbeitsausfall unvermeidbar war. Der Klage
war daher, wie auch ausgeurteilt, stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.