Urteil des SozG Kassel vom 19.05.2006

SozG Kassel: bemessung der beiträge, berechnung der beiträge, beitragssatz, rentner, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, belastung, drucksache, anpassung, sozialstaatsprinzip, leistungsklage

Sozialgericht Kassel
Urteil vom 19.05.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 2 RA 2232/04
Die Klagen werden abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, a) ob die Beklagte verpflichtet ist, ab 01.04.2004 bei der Berechnung der von der
Rente des Klägers zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge den ermäßigten Beitragssatz zugrunde zu legen, b)
ob der Kläger ab dem 01.04.2004 den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen muss, c) ob die Beklagte
verpflichtet ist, die Rente des Klägers ab 01.07.2005 zumindest in Höhe der Inflationsrate anzupassen und d) ob der
Kläger ab 01.07.2005 verpflichtet ist, einen zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrag von 0,9 % zu zahlen.
Der 1930 geborene Kläger bezieht seit 01.06.1993 Altersrente für langjährig Versicherte von der Beklagten (Bescheid
vom 19.03.1993) und ist sowohl in der Krankenversicherung der Rentner als auch in der sozialen Pflegeversicherung
pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sowie § 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI). Er ist Mitglied der Deutschen
Angestellten Krankenkasse (DAK) bzw. der DAK – Pflegekasse -. Aufgrund der Pflichtversicherung wurden von der
Rente des Klägers Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe des allgemeinen Beitragssatzes und (ab
01.01.1995) Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung einbehalten. Der einbehaltene Betrag entsprach dabei 50 %
des Krankenversicherungs- bzw. Pflegeversicherungsbeitrages. Die Beklagte übernahm die andere Hälfte des
Beitrages und führte den Gesamtbeitrag ab (§§ 249 a, 255 Absätze 1 und 3 SGB V, 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
Mit Bescheid vom 08.03.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ab 01.04.2004 aus der Rente Beiträge zur
Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 % einzubehalten seien (voller Pflegeversicherungsbeitrag) und die bisherige
Feststellung über die Einbehaltung des Beitrags zur Pflegeversicherung mit Wirkung vom 01.04.2004 aufgehoben
werde. Ferner legte die Beklagte für die Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung ab 01.04.2004 einen
Beitragssatz in Höhe von 14,7 % zugrunde. Dies entsprach wie bisher dem allgemeinen Beitragssatz der DAK.
Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger einerseits gegen die Heranziehung zur vollen Beitragszahlung zur
Pflegeversicherung, andererseits begehrte er eine Beitragsberechnung zur Krankenversicherung nicht nach dem
allgemeinen Beitragssatz, sondern nach dem ermäßigten Beitragssatz, da dieser Beitragssatz für Mitglieder der
Krankenversicherung gelte, die keinen Anspruch auf Krankengeld hätten. Da pflichtversicherte Rentenbezieher keinen
Anspruch auf Krankengeld hätten, müsse auch für sie der ermäßigte Beitragssatz zur Grundlage der
Beitragserhebung gemacht werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2004,
als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 04.11.2004 zum Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Die durch Artikel 6 des 2. Gesetzes zur
Änderung des SGB VI vom 27.12.2003 vorgenommene Änderung des § 59 Abs. 1 SGB XI dahingehend, dass die
Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ab 01.04.2004 vom
Mitglied nunmehr allein zu tragen seien, sei wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3
Abs. 1 GG) und wegen Verstoßes gegen das Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG) verfassungswidrig, da es
keine sachliche Rechtfertigung dafür gebe, Rentnerinnen und Rentner hinsichtlich der Beitragslast zur
Pflegeversicherung anders zu behandeln als pflichtversicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die volle
Beitragspflicht sei somit willkürlich. Nach Einführung der Pflegeversicherung hätten die hierin pflichtversicherten
Rentenbezieher darauf vertrauen können, dass die Lastenverteilung zwischen Rentenversicherungsträger und
Rentnern auch weiterhin erhalten bleibe. Zur Unterstützung seines Vorbringens legt der Kläger eine rechtsgutachtliche
Stellungnahme von Prof. Dr. H. vor, in der der Verfasser zu dem Ergebnis kommt, dass die Belastung der Rentner mit
dem vollen Pflegeversicherungsbeitrag gegen Artikel 14 Abs. 1 GG und Artikel 20 Abs. 3 GG verstoße.
Der Kläger führt im Wesentlichen weiter aus, dass der ermäßigte, und nicht der allgemeine, Beitragssatz zur
Grundlage der Beitragserhebung gemacht werden müsse, da er – wie alle Rentner – keinen Anspruch auf Krankengeld
habe. Der allgemeine Beitragssatz dürfe nur auf Versicherte angewendet werden, die nach Ablauf von sechs Wochen
Entgeltfortzahlung Anspruch auf Krankengeld hätten. Es gebe keinen plausiblen Grund, Rentner mit Versicherten, die
Anspruch auf Krankengeld hätten, hinsichtlich des Beitragssatzes gleichzusetzen. Das gesetzgeberische Festhalten
am allgemeinen Beitragssatz für Rentner stelle somit eine sachwidrige Ungleichbehandlung im Sinne des Artikel 3
Abs. 1 GG dar.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit einer undatierten "Mitteilung zur Leistung aus der gesetzlichen
Rentenversicherung" dem Kläger gegenüber entschieden, dass nach der Rentenwertbestimmungsverordnung 2005 der
Rentenbetrag ab 01.07.2005 unverändert 1.906,36 EUR betrage. Des Weiteren teilt die Beklagte in dieser Mitteilung
mit, dass sich zu diesem Zeitpunkt Änderungen bei der Beitragszahlung zur Krankenversicherung der Rentner
ergäben. Danach werde ein hälftiger Beitragsanteil des Klägers nach dem neuen allgemeinen Beitragssatz von 13,8 %
errechnet. Darüber hinaus werde ab 01.07.2005 ein zusätzlicher Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 0,9 % von
seiner Rente in Abzug gebracht.
Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 23.08.2005) hat der Kläger am 21.09.2005 zum
Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Durch die unterbliebene Rentenanpassung zum 01.07.2005 (so genannte
Nullrunde 2005) sowie durch die früheren Kürzungen bei der Rentenanpassung sehe er sich in seiner grundrechtlichen
Position beeinträchtigt. Nach der neueren Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Bestandsrenten aus
Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR (BVerfGE 100,1, 41 ff) müsse die Frage, ob die
gesetzlich vorgeschriebene Rentenanpassung unter den Schutzbereich des Artikel 14 Abs. 1 GG fiele, bejaht werden.
Durch die vorherigen nicht erfolgten Anpassungen und durch die nunmehr geltende Rentenanpassungsformel sinke
der reale Wert der Rentenansprüche (und Rentenanwartschaften). Bereits mit der Verabschiedung des RVNG vom
21.07.2004 (BGBl. I, Seite 1791) und der dort normierten Rentenanpassungsformel (§§ 68, 255 e SGB VI) habe der
Gesetzgeber unzulässigerweise in den Eigentumsschutz von Rentenanwartschaften und Rentenansprüchen
eingegriffen. Die aufgeführten Regelungen dienten nicht mehr nur dazu, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des
Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten
wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, sondern in erster Linie dem politischen Ziel, eine langfristige
Beitragssatzstabilität von 22 Prozentpunkten zu gewährleisten. Damit sei aber die durch Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG
grundsätzlich gedeckte Befugnis, Rentenanwartschaften und Rentenansprüche zu beschränken, eindeutig
überschritten. Das Bundessozialgericht habe auch die Rentenanpassung unter den Schutz des Artikels 14 GG
gestellt. Aus dieser Rechtssprechung ergebe sich ein Anspruch auf Ausgleich jedenfalls in Höhe der Inflationsrate.
Auch die zusätzliche Auferlegung eines Krankenversicherungsbeitrags von 0,9 % von der Bruttorente sei
verfassungswidrig, weil in unzulässiger Weise in seine vertrauensgeschützte Position eingegriffen werde. Es liege hier
ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip gemäß Artikel 20 Abs. 1 GG vor. Richtig sei, dass auch die Rentnerinnen
und Rentner sich bisher über den allgemeinen Beitragssatz an der Finanzierung des Krankengeldes beteiligt hätten.
Dass diese Beteiligung erweitert werde, um zu verhindern, dass die Belastung der übrigen Versicherten nicht noch
weiter steigen solle, sei nach dem Urteil des BSG vom 25.08.2004 (B 12 KR 22/02 R) aber nicht mehr zu
rechtfertigen. Hiernach sei bei Versicherten, die von vorneherein aus der Krankengeldversicherung ausgeschlossen
seien, nur der ermäßigte Beitragssatz zu erheben. Rentnerinnen und Rentner erhielten gemäß § 50 SGB V kein
Krankengeld. Daher sei es sinnwidrig, von Rentnerinnen und Rentnern auch noch einen zusätzlichen Beitrag zu
erheben, der insbesondere diese Leistung absichern solle. Mit dem Ausschluss der Rentner von der Anwendung des
ermäßigten Beitrags und dem bei ihnen erhobenen zusätzlichen Beitrag zur Finanzierung des Krankengeldes liege ein
Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Artikel 3 Abs. 1 GG vor.
Das Gericht hat die beiden Rechtsstreite mit Beschluss vom 20.03.2006 zum Zweck der gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung gemäß § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verbunden.
Der Kläger beantragt, 1. den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 01.10.2004 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verpflichten, für Rentenbezugszeiten ab 01.04.2004 für die
Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung den ermäßigten Beitragssatz von 13,8 % zugrunde zu legen und
ab 01.04.2004 weiterhin nur den halben Beitrag zur Pflegeversicherung von der Rente des Klägers einzubehalten,
hilfsweise, das Verfahren gemäß Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen, um eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes einzuholen, weiter hilfsweise, die Sprungrevision zuzulassen, 3. den Bescheid (ohne
Datum) über den Rentenzahlbetrag ab 01.07.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 23.08.2005 aufzuheben, 4. die
Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 01.07.2005 eine Nettorente in Höhe von 1.767,20 EUR monatlich unter
Anrechnung der gezahlten Rentenbeträge zu zahlen, hilfsweise, das Verfahren gemäß Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 GG
auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen, weiter hilfsweise, die
Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen.
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 100 GG sei nicht geboten. Weder § 247 SGB V noch §
59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der Fassung des 2. SGB VI-Änderungsgesetzes verstießen gegen höherrangiges
Verfassungsrecht. Der Kläger beziehe seit 1993 von der Beklagten Rente und habe seitdem keine Beiträge zur
Rentenversicherung entrichtet. Versicherte, die nach Einführung der Pflegeversicherung keine Beiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hätten, hätten zu keinem Zeitpunkt den Versicherungsschutz der
Rentenbezieher mitfinanziert. Ihre Einbeziehung in die soziale Pflegeversicherung beruhe auf staatlicher Gewährung,
nicht aber auf Eigenleistung. Die hälftige Beitragstragung durch den Rentenversicherungsträger sei in diesen Fällen
keine von der Eigentumsgarantie umfasste Rechtsposition. Die streitgegenständliche Regelung des 2. SGB VI-
Änderungsgesetzes verstoße auch nicht gegen Artikel 2 Abs. 1 GG, weil sie dem öffentlichen Interesse diene und
nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzte. Hinsichtlich ihrer Auffassung, aus welchen Gründen für die
Bemessung der Beiträge aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung bei versicherungspflichtigen Rentnern der
allgemeine Beitragssatz der Krankenversicherung anzuwenden sei, verweise sie auf den Widerspruchsbescheid vom
01.10.2004.
Es verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Abs. 1 GG, dass der zusätzliche
Beitragssatz von 0,9 vom Hundert nicht nur für die Bemessung der Beiträge aus Arbeitsentgelt, sondern auch für die
Bemessung der Beiträge aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung gelte. Sie trete entschieden der Ansicht
des Klägers entgegen, dass der zusätzliche Krankenversicherungsbeitrag nach § 241a SGB V allein der Finanzierung
des Krankengeldes diene. Weder das Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004 noch
die Materialien zum Gesetzgebungsverfahren berechtigten zu dieser Aussage. Einen (verfassungsrechtlichen)
Grundsatz, wonach die Beiträge zur KVdR regelmäßig je zur Hälfte vom Rentenbezieher sowie vom
Rentenversicherungsträger zu tragen seien, gebe es nicht (Hinweis auf BSG, Urteil vom 03.09.1998 – B 12 P 4/97 - ).
Auch die Neuregelung des § 255e SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 verstoße nicht gegen
höherrangiges Verfassungsrecht. Der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor spiegele die Veränderungen des
Verhältnisses von Rentenempfängern zu Beitragszahlern wieder und habe bewirkt, dass zum 01.07.2005 sowohl eine
an der Lohn- und Gehaltsentwicklung der Aktiven als auch eine an der Inflationsrate orientierte Rentendynamisierung
unterblieben sei. Auch wenn die kontinuierliche Rentenanpassung grundsätzlich dem Eigentumsschutz des Artikel 14
Abs. 1 Satz 1 GG unterliege, bestehe für den Gesetzgeber nach Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Möglichkeit,
beschränkend in eigentumsschützende Rechtspositionen einzugreifen. Die Einbeziehung des Nachhaltigkeitsfaktors
in die Rentenanpassungsformel habe einem wichtigen Gemeinschaftsinteresse gedient und liege im öffentlichen
Interesse. Ferner habe der Gesetzgeber nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Schließlich
könne die Einführung einer Komponente, die die demographische Entwicklung zukünftig auch bei Rentenanpassungen
berücksichtige, aus Sicht der Beitragszahler betrachtet, sogar verfassungsrechtlich geboten sein. Da es um die
Klärung einer Rechtsfrage gehe und das Verfahren nach Absprache der Beteiligten als Musterverfahren geführt werde,
beantrage die Beklagte, die Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird
verwiesen auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt
Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung der Kammer gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Das Beklagtenrubrum ist von Amts wegen geändert worden, denn durch das Gesetz zur Organisationsreform in der
gesetzlichen Rentenversicherung vom 09.12.2004 (BGBl. I, Seite 3242) wird mit Wirkung vom 01.10.2005 die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte unter dem Namen "Deutsche Rentenversicherung Bund" fortgeführt (Art.
82 § 1, Art. 86 Abs. 4).
Das Gericht konnte eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung treffen, weil sich die Beteiligten
damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Klage ist im Wesentlichen zulässig. Der Kläger verfolgt seine Rechte mit einer kombinierten Anfechtungs- und
Leistungsklage. Gegen die (undatierte) Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2005 kann statthaft im Wege der
Anfechtungsklage vorgegangen werden, denn bei Rentenanpassungsmitteilungen handelt es sich um Verwaltungsakte
(vgl. BSG, SozR 3-1300 § 31 Nr. 24). Das vor der Erhebung der Klage notwendige Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 SGG) ist
(auch) hinsichtlich der Beanstandung der Rentenanpassungsmitteilung durchgeführt. Auch wenn der
Widerspruchsbescheid vom 23.08.2005 in den Entscheidungsgründen sich nicht ausdrücklich mit dem Einwand des
Klägers befasst, dass es rechtswidrig sei, dass die Anpassung zum 01.07.2005 unterblieben sei, ist dem Tenor des
Widerspruchsbescheides zu entnehmen, dass die Beklagte den Widerspruch gegen die Rentenanpassungsmitteilung
in vollem Umfang zurückweisen wollte (vgl. auch Schriftsatz der Beklagten vom 04.04.2006). Das
Widerspruchsbegehren des Klägers richtete sich von Anfang an (auch) gegen die unterbliebene Rentenanpassung.
Dies ist dem Schriftverkehr der Beteiligten und dem Inhalt der Akten zu entnehmen.
Die in der gerichtlichen Verfügung vom 17.03.2005 geäußerten Zulässigkeitsbedenken gibt die Kammer auf.
Maßgeblich hierfür ist, dass der Beklagten nach der Rechtssprechung des BSG (Urteil vom 18.12.2001, SozR 3-2500
§ 247 Nr. 2) eine Entscheidungskompetenz im Sinne einer Verwaltungsaktsbefugnis für die Festsetzung der
Beitragsabzüge zugestanden wird, so lange der Träger der Krankenversicherung bzw. der Träger der
Pflegeversicherung eine anderweitige Entscheidung noch nicht getroffen haben. Im Übrigen geht auch der
Gesetzgeber von einer Verwaltungsaktsbefugnis des Rentenversicherungsträgers aus, wie sich aus der mit Wirkung
vom 30.03.2005 durch Artikel 4 Nr. 14 des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21.03.2005 (BGBl. I, 818)
angefügten Vorschrift des § 255 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergibt.
Wegen bereits bestehender Rechtshängigkeit ist die Zahlungsklage auf Zahlung eines monatlichen Rentenbetrages in
Höhe von 1767,20 EUR (echte Leistungsklage) hingegen teilweise unzulässig. Denn der Kläger leitet diesen Anspruch
nicht nur aus seinen Angriffen gegen die Mitteilung zur Rentenanpassung zum 1.7.2005 ab, sondern auch aus der
Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes bei der Berechnung der Beiträge zur KVdR einerseits und aus dem
(vermeintlichen) Anspruch auf Zahlung eines hälftigen Beitragsanteils des Rentenversicherungsträgers zum
Pflegeversicherungsbeitrag andererseits. Diese Ansprüche jedoch sind bereits Gegenstand der seit 4.11.2004
anhängigen Anfechtungs- und (unechten) Leistungsklage gegen den Bescheid vom 8.3.2004.
Die Klagen sind nicht begründet. Weder der Bescheid der Beklagten vom 08.03.2004 (in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 01.10.2004) noch die undatierte Mitteilung zur Rentenanpassung zum 01.07.2005 (in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2005) sind sachlich oder rechtlich zu beanstanden. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf die von ihm mit der unechten bzw. echten Leistungsklage verfolgten Leistungen.
Die Beklagte hat in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen die zum jeweiligen streitgegenständlichen
Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Vorschriften zutreffend umgesetzt und auf den Einzelfall des Klägers richtig
angewandt. Dies ist offenkundig, zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf deshalb keiner näheren Darlegung.
Die von der Beklagten angewandten Rechtsnormen widersprechen nicht der Verfassung der Bundesrepublik
Deutschland. Eine Aussetzung des Rechtsstreits und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Artikel 100 Abs. 1
GG) ist deshalb weder möglich noch gar geboten.
Beiträge zur KVdR nach dem allgemeinen Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung
Gemäß § 247 Abs. 1 Satz 1 SGB V gilt bei Versicherungspflichtigen bei der Bemessung der Beiträge aus Renten der
gesetzlichen Rentenversicherung der allgemeine Beitragssatz ihrer Krankenkasse. Der Kläger erfüllt die
Voraussetzungen dieser Vorschrift, denn er ist als Rentner versicherungspflichtig und bezieht eine Altersrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung. Dies verstößt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen
verfassungsrechtliche Vorschriften, insbesondere nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Diese Norm gebietet es, alle
Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung
verwehrt. Das Grundrecht aus Artikel 3 GG ist nur dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von
Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher
Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG, Urteil vom
21.11.2001, SozR 3-8570 § 11 Nr. 5, stRspr). Zwischen der Gruppe der pflichtversicherten Rentner und der Gruppe
der freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung, bei denen der ermäßigte Beitragssatz zur
Anwendung kommt (§ 243 Abs. 1 SGB V) bestehen derartige sachliche Unterschiede, dass der Gesetzgeber bei der
Gruppe der Rentner den allgemeinen Beitragssatz und bei bestimmten freiwillig Versicherten ohne Anspruch auf
Krankengeld den ermäßigten Beitragssatz zugrunde legen durfte. So sind etwa bei versicherungspflichtigen Rentnern
nur die in § 237 SGB V ausgeführten Einnahmen beitragspflichtig, während bei freiwilligen Mitgliedern bei der
Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen ist (vgl. § 240 Abs.
1 SGB V). Während freiwillig Versicherte somit z. B. aus Miet- und Pachteinnahmen Beiträge entrichten müssen, gilt
dies für versicherungspflichtige Rentner nicht. Darüber hinaus hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom
01.10.2004 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes auf die Rentnerinnen
und Rentner (trotz fehlenden Krankengeldanspruchs) nach dem Willen des Gesetzgebers darin begründet liegt, von
den Rentenbeziehern einen Beitrag zur Stärkung des die deutsche Sozialversicherung beherrschenden
Generationenvertrages zu verlangen. Aus Gründen der Solidarität der Rentner mit den Aktiven solle der allgemeine
Beitragssatz angewendet werden (Bundesrats-Drucksache 200/88, Seite 226). In dieser Differenzierung liegt ein
(weiterer) sachlicher Grund, die Rentenbezieher anders zu behandeln, als sonstige Versicherte in der gesetzlichen
Krankenversicherung, die keinen Krankengeldanspruch haben.
Belastung mit dem vollen Pflegeversicherungsbeitrag.
Gemäß § 59 SGB XI in der bis zum 31.03.2004 geltenden Fassung galten für die nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 – 11
versicherten Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert
sind, für die Tragung der Beiträge die §§ 249 a, 250 Abs. 1 und 251 des Fünften Buches sowie § 48 des Zweiten
Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte entsprechend. Somit wurde der Kläger als Rentner mit der
hälftigen Tragung der Versicherungsbeiträge zur sozialen Pflegeversicherung herangezogen.
Durch Artikel 6 Nr. 1 des 2. Gesetzes zur Änderung des 6. Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom
27.12.2003 (BGBl. I, Seite 3013) ist mit Wirkung ab 01.04.2004 § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI um den Halbsatz 2
ergänzt worden, wonach die Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung allein von den Mitgliedern
zu tragen sind.
Durch die zum 01.04.2004 in Kraft getretene Neuregelung wird der Kläger nicht in seinem durch Artikel 14 Abs. 1 GG
geschützten Eigentumsrecht verletzt. Durch die in Streit stehende Gesetzesänderung ist bereits der Schutzbereich
des Artikel 14 Abs. 1 GG überhaupt nicht berührt, denn der grundgesetzliche Eigentumsschutz umfasst nur das
Kernsystem der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB VI (vgl. BSG, Beschluss vom 30.03.2004 – B 4 RA 24/02
R -). Danach sind Selbstzahler und versicherungspflichtige Arbeitnehmer in ihren Rechten auf Rente durch Erwerb von
Rangstellen durch Beiträge, bei der Anwendung der Rentenformel, der Rentenanpassung, der Rehabilitation, der
Erwerbsminderung- und Hinterbliebenenversicherung besonders geschützt. Die so genannten Zusatzsysteme
(beispielsweise Zuschuss zu Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen, Auffüllbeträge) vermitteln keine Rechte auf
eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB VI und zählen damit nach der Rechtssprechung des
BSG, der sich die Kammer anschließt, nicht zu dem Kernsystem der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB VI.
Soweit in der von dem Kläger vorgelegten gutachtlichen Stellungnahme des Prof. Dr. H. die Auffassung vertreten wird,
Artikel 14 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die hälftige Beitragszahlung durch den Rentenversicherungsträger ein
Rechtsvorteil sei, den der Einzelne in der Erwerbsphase durch Vorleistungen erworben habe, liegt diese Konstellation
im Falle des Klägers nicht vor. Denn der Kläger bezieht seit 01.06.1993 von der Beklagten Altersrente und hat
seitdem Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht entrichtet. Die gesetzliche Pflegeversicherung wurde
zum 01.01.1995 (mit einer hälftigen Beitragszahlung für Rentenbezieher durch den Rentenversicherungsträger)
eingeführt. Der Kläger hat während seines Erwerbslebens daher auch keine Beiträge zur gesetzlichen
Pflegeversicherung geleistet. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass seine Einbeziehung in die soziale
Pflegeversicherung nach dem Ende der Erwerbsphase auf staatlicher Gewährung, nicht aber auf Eigenleistung
beruhe.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG ist nicht zu erkennen. Der Kläger hat einen
solchen Verstoß zwar behauptet, aber keinerlei Argumente hierfür vorgetragen. Vergleicht man pflichtversicherte
Rentnerinnen und Rentner auf der einen und die übrigen Versicherten auf der anderen Seite handelt es sich schon
nicht um vergleichbare Sachverhalte im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 GG, denn beide Gruppen sind von erheblichen
Unterschieden geprägt. Die Einkommen dieser beiden Versichertengruppen werden sozialversicherungsrechtlich
unterschiedlich mit Beiträgen belegt. Während für pflichtversicherte Rentnerinnen und Rentner lediglich Beiträge zur
Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden, haben die übrigen Versicherten Beiträge auch zur Arbeitslosen-
und Rentenversicherung zu zahlen. Schon dieser Umstand schließt eine Vergleichbarkeit beider Gruppen aus.
Innerhalb der Gruppe der Rentnerinnen und Rentner kann ein Vergleichspaar nicht gebildet werden, denn die
Verpflichtung zur vollen Beitragstragung trifft alle gleich.
Die Regelung des § 59 Abs. 1 SGB XI n. F. verstößt schließlich nicht gegen Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem
rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Neureglung bewirkte im Zeitpunkt ihres Erlasses eine volle
Beitragstragung der Rentnerinnen und Rentner zur gesetzlichen Pflegeversicherung mit Wirkung für die Zukunft. Sie
greift also in einen noch nicht abgewickelten Sachverhalt mit Wirkung für die Zukunft ein und stellt daher einen Fall
der unechten Rückwirkung dar (vgl. BVerfGE 103, 392, 403). Eine solche Rückwirkung ist verfassungsrechtlich
grundsätzlich zulässig und genügt dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige
Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen
Interessensabwägung nicht überwiegt (BVerfGE a. a. O). Die streitgegenständliche Regelung des 2. SGB VI-
Änderungsgesetzes dient dem öffentlichen Interesse und verletzt nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem
Gesetzgeber ging es darum, den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren und die
Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung kurz– und mittelfristig zu beseitigen. Die finanziellen
Schwierigkeiten resultieren einerseits aus den längeren Rentenlaufzeiten aufgrund der höheren Lebenserwartung. Zum
anderen stehen immer mehr Rentner immer weniger Beitragszahlern gegenüber (Bundestags-Drucksache 15/1830
Seite 1). Die Änderung in der Beitragsleistung zur gesetzlichen Pflegeversicherung dient der kurz- und mittelfristigen
Behebung der Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung und damit der Stabilisierung des
Rentenversicherungssystems. Dass der Gesetzgeber sich zugunsten der Beibehaltung eines stabilen Beitragssatzes
von 19,5 % für eine höhere Belastung der Rentenbezieher entscheidet, liegt im Rahmen seiner gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit und erscheint nicht als unverhältnismäßig gegenüber einer Belastung der Rentenbezieher, die nur
einen Betrag von 0,85 % der monatlichen Bruttorente beträgt. Eine unzumutbare Belastung des Klägers liegt nicht nur
wegen dieses relativ geringen Betrages nicht vor, sondern auch deswegen nicht, weil der Kläger während seines
gesamtes Berufslebens davon ausgehen musste, die aus einer evtl. Pflegebedürftigkeit resultierenden Kosten selbst
tragen zu müssen. Dieses Risiko ist ihm mit der Einführung der Pflegeversicherung zum Teil abgenommen worden.
Es ist daher nicht unbillig, ihn stärker an den Kosten der Pflegeversicherung zu beteiligten (als Personen, die noch im
Erwerbsleben stehen).
Zusätzlicher Krankenversicherungsbeitrag von 0,9 % monatlich ab 01.07.2005
Nach § 241a SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004
(BGBl. I, Seite 3445) gilt seit 01.07.2005 für alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ein zusätzlicher
Beitragssatz i. H. v. 0,9 % der beitragspflichtigen Einnahmen. Die Regelung findet unter anderem auf Renten der
gesetzlichen Rentenversicherung Anwendung (§ 247 SGB V). Gleichzeitig vermindert sich unter anderem der
allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung im selben Umfang. Der nach dem allgemeinen
Beitragssatz zu bemessende Beitrag wird vom versicherungspflichtigen Rentner und dem Rentenversicherungsträger
jeweils zur Hälfte getragen (§ 249a Satz 1 Hs. 1 SGB VI). Den zusätzlichen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe
von 0,9 % der Rente muss der versicherungspflichtige Rentner dagegen allein tragen (§ 249a Satz 1, Hs. 2 SGB V).
Daraus ergibt sich eine Beitragsmehrbelastung zum 01.07.2005 in Höhe von 0,45 % der beitragspflichtigen Rente.
Die Einführung des zusätzlichen Beitrags verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1
GG, der es gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, liegt nicht vor. Der
Gleichheitsgrundsatz ist verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu ordnenden
Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken
orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner
Entscheidung frei (BVerfG, Urteil vom 03.04.2001, SozR 3-3300 § 54 Nr. 2). Es trifft nicht zu – wie der Kläger vorträgt
– dass der zusätzliche Beitrag allein der Finanzierung des Krankengeldes zu dienen bestimmt ist. Weder in § 241a
SGB V noch an anderer Stelle schreibt das Gesetz einen bestimmten Verwendungszweck für die Einnahmen
aufgrund des zusätzlichen Beitrages fest. Auch in der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, der zusätzliche Beitrag
sei unabhängig von der Finanzierung einzelner Leistungen und diene einer stärkeren Beteiligung der Mitglieder der
gesetzlichen Krankenversicherung an den gestiegenen Kosten im Gesundheitswesen (Bundestags-Drucksache
15/1525, Seite 140). Damit dient § 241a Abs. 1 SGB V einer rechnerischen Aufspaltung des Beitragssatzes in einen
allgemeinen und einen zusätzlichen Beitragssatz, welche jedoch beide zur Deckung aller gesetzlichen
Leistungsausgaben vorgesehen sind. Fehlt es bereits an einer Zweckbindung des zusätzlichen Beitrages, kann ein
Gleichheitsverstoß bereits deswegen nicht vorliegen, weil die krankenversicherungspflichtigen Rentner (welche keinen
Krankengeldanspruch haben) nicht anders behandelt werden, als die Gruppe der sonstigen
krankenversicherungspflichtigen Personen.
Da von einer gleichheitswidrigen Benachteiligung des Klägers nicht ausgegangen werden kann, liegt eine Verletzung
des Sozialstaatsprinzips (Artikel 20 Abs. 1 GG) fern. Das Sozialstaatsprinzip verlangt vom Staat, für eine gerechte
Sozialordnung zu sorgen, wobei dem Gesetzgeber bei der Erfüllung dieser Pflicht ein weiter Gestaltungsspielraum
eröffnet ist (BVerfGE 44, 70, 89). Dabei darf insbesondere neben einer Existenzsicherung für ein menschenwürdiges
Dasein eine ins Gewicht fallende Gruppe nicht vernachlässigt oder gegenüber anderen in gleicher Weise betroffenen
Gruppen ungleich behandelt werden (BVerfGE 40, 121, 133). Eine Existenzgefährdung des Klägers durch die strittigen
gesetzgeberischen Maßnahmen liegt fern. Zudem verlangen weder das Sozialstaatsprinzip noch andere
verfassungsrechtlichen Normen eine hälftige Aufteilung der Beiträge auf den Versicherten und denjenigen, von dem
die Einnahmen bezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 03.09.1998 – B 12 P 4/79 R -). Ohnehin ist die auf der
Beitragsseite ursprünglich bestehende Parität faktisch längst aufgehoben (Streichung eines Feiertages in Sachsen,
Zahlung von Eigenanteilen bei der Inanspruchnahme von Leistungen).
Unterbliebene Rentenanpassung zum 01.07.2005 aufgrund Einführung des so genannten Nachhaltigkeitsfaktors
Durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-
Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21.07.2004 (BGBl. I, Seite 1791) wurden unter anderem die Regelungen zur Bestimmung
des aktuellen Rentenwertes sowie des aktuellen Rentenwertes (Ost) neu gefasst. Der Gesetzgeber ergänzte die
Anpassungsformel in § 68 SGB VI sowie § 255e SGB VI, welche die Bestimmung des aktuellen Rentenwertes für die
Zeit vom 01.07.2005 bis 01.07.2011 regeln. Der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor spiegelt die Veränderungen des
Verhältnisses von Rentenempfängern zu Beitragszahlern wieder. Verschlechtert sich das Zahlenverhältnis von
Rentnern zu Beitragszahlern, so führt dies nach einem so genannten "Rentnerquotienten" dazu, dass die
Rentenanpassung geringer erfolgt oder ganz ausfällt. Zum 01.07.2005 ergab sich rechnerisch eine Verringerung des
aktuellen Rentenwertes bzw. des aktuellen Rentenwertes (Ost). Wegen der Sicherungsklausel (§ 255e Abs. 5 SGB
VI) erfolgte die Festsetzung des aktuellen Rentenwertes und des aktuellen Rentenwertes (Ost) in gleicher Höhe wie
im Vorjahr (Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und der
Alterssicherung der Landwirte zum 1. Juli 2005 vom 06.06.2005 – BGBl. I, Seite 1578 - ).
Die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors stellt keinen Verstoß gegen Artikel 14 Abs. 1 GG dar. Ansprüche auf
Versichertenrente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen und solche Rechtspositionen der Versicherten nach
Begründung des Rentenversicherungsverhältnisses, die bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen, etwa des Ablaufs der
Wartezeit und des Eintritts des Versicherungsfalls, zum Vollrecht erstarken können (Rentenanwartschaften)
unterfallen Artikel 14 Abs. 1 GG (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, Komm. z. GG, Artikel 14, Rn. 276 mit zahlreichen
Nachweisen zur Rechtssprechung des BVerfG). Bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken
rentenversicherungsrechtlicher Positionen kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zu.
Dies gilt im Besonderen für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der
gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen
Bedingungen anzupassen (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, a. a. O., Rn. 286 m. w. N.). Insoweit umfasst Artikel 14
Abs. 1 Satz 2 GG auch die Befugnis, Rentenansprüche und – anwartschaften zu beschränken. Sofern dies einem
Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber
grundsätzlich nicht verwert, Leistungen zu kürzen, den Umfang von Ansprüchen oder Anwartschaften zu vermindern
oder diese umzugestalten (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, a. a. O.). Die in § 65 SGB VI i. V. m. § 68 SGB VI
geregelte lohn- und gehaltsorientierte Rentenanpassung steht unter dem Schutz des Eigentums gemäß Artikel 14
Abs. 1 GG, soweit sie innerhalb der Systemgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung den Schutz bereits
erworbener geldwerter Rechte vor inflationsbedingten Einbußen (also dem Schutz des realen Geldwertes des Rechts
auf Rente) zu dienen bestimmt sind (BSG, Urteil vom 31.07.2002, SozR 3-2600 § 255c Nr. 1 unter Hinweis auf
BVerfGE 64, 87, 97 und BVerfGE 100, 1, 44, wo die Frage, ob die Rentenanpassung überhaupt von der
Eigentumsgarantie der Versichertenrente und der Rentenanwartschaft umfasst wird, offen gelassen worden ist).
Gemessen an dieser Rechtssprechung berührt die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors den Schutzbereich des
Artikel 14 Abs. 1 GG jedenfalls insoweit, als sich daraus rechnerisch auch ein Verlust einer inflationsbedingten
Rentenanpassung ergeben kann (und im Falle der Rentenanpassung zum 01.07.2005 auch ergeben hat). Bei der hier
in Streit stehenden gesetzlichen Neuregelung handelt es sich jedoch um eine zulässige Inhalts- und
Schrankenbestimmung im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber hat grundsätzlich auch die
Möglichkeit, das Recht auf Rentenanpassung nach § 65 SGB VI zum Zwecke des Allgemeinwohls unter
Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einzuschränken (BVerfGE 100, 1, 37).
Dem Gesetzgeber des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes ging es vor allem um die Bewahrung der so genannten
Generationengerechtigkeit (Bundestags-Drucksache 15/2149 Seite 17). Zweck des Nachhaltigkeitsfaktors ist eine
gerechte Verteilung der demographischen und ökonomischen Lasten zwischen den Generationen (Bundestags-
Drucksache a. a. O., Seite 23). Mit der Einbeziehung des Nachhaltigkeitsfaktors soll mittel- und langfristig erreicht
werden, dass der Beitragssatz bis zum Jahr 2020 nicht über 20 % und bis zum Jahr 2030 nicht über 30 % steigt. Im
Rahmen dieser Maßnahmen stellt die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors einen Beitrag der Rentnerinnen und
Rentner dar, um eine sonst notwendige Erhöhung des Beitragssatzes zu vermeiden und damit zur Stabilisierung des
Rentenversicherungssystems beizutragen. Es handelt sich somit um ein wichtiges Gemeinschaftsinteresse, welches
im öffentlichen Interesse liegt.
Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegt nicht vor, und zwar auch dann nicht, wenn man
berücksichtigt, dass bereits zum 01.07.2004 eine Rentenanpassung ausgefallen ist und auch in den Vorjahren nur
geringfügige Erhöhungen erfolgten. Der Nachhaltigkeitsfaktor ist ein geeignetes Mittel, um zur Konsolidierung der
Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung beizutragen, denn die Anpassung der Renten wird bis zum Jahr 2030
um über 7 % vermindert, was eine rechnerische Senkung des Beitragssatzes um 1,5 % bewirkt. Die Einführung des
Nachhaltigkeitsfaktors ist auch erforderlich. An der Erforderlichkeit der Regelung würde es nur fehlen, wenn evident
wäre, dass das angestrebte Ziel mit weniger eingreifenden Mitteln erreicht werden könnte (BVerfGE 75, 78, 100). Eine
weniger eingreifende Maßnahme ist für das Gericht nicht ersichtlich. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass
die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors aus der Sicht der ebenfalls in verfassungsmäßigen Rechten betroffenen
(zwangsversicherten) Beitragszahler sogar verfassungsrechtlich geboten sein könnte.
Das Gericht sieht die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors für den Kläger auch als angemessen und zumutbar
(verhältnismäßig im engeren Sinne) an. Ohne die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors ergäbe sich nur eine geringe
Bruttorentenerhöhung für den Kläger in Höhe von 1,35 EUR weil sich die Bruttolöhne von 2003 auf 2004 lediglich um
0,12 % erhöhten (vgl. die Berechnung der Beklagten auf Seite 10 des Schriftsatzes vom 27.02.2006). Auch wenn man
die Gesamtheit der gesetzgeberischen Maßnahmen zur Begrenzung der Rentenanpassungen in den letzten Jahren in
den Blick nimmt, ergibt sich keine (verfassungswidrige) unzumutbare Belastung des Klägers. Die Kammer stimmt der
Beklagten insoweit zu, dass der Gesetzgeber erst dann an verfassungsrechtliche Grenzen stößt, wenn "die Rente ihre
Funktion als Freiheits- und Existenzsicherung zu verlieren droht, weil man sich mit ihr im Vergleich zu früher und zu
den Aktiven nahezu nichts mehr leisten kann" (Ruland, DRV 2005, Seite 227). Es kommt auf jede gesetzgeberische
Eingriffsmaßnahme an und auf den konkreten Zweck, der mit dieser Maßnahme verfolgt wird. Bei der Einführung des
Nachhaltigkeitsfaktors liegt ein legitimer Zweck vor, der unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in die
Rentenansprüche der Betroffenen eingreift. Auch mit Blick auf die früheren Eingriffe gewährt die gesetzliche
Rentenversicherung (noch) ein Leistungsniveau, dass eine bedürftigkeitsunabhängige Sicherung nach einem vollen
Versicherungsleben erfüllt (zu diesem Kriterium vgl. BVerfGE 100, 138, 182). Darüber hinaus verhindert die
Schutzklausel der §§ 68 Abs. 6, 255e Abs. 5 SGB VI eine Verringerung des aktuellen Rentenwertes (also eine
Kürzung der Rentenansprüche), wenn eine positive Lohnentwicklung vorliegt. Auch mit diesen Regelungen ist dem
Schutz der Rentenbezieher vor einer Aushöhlung der Existenzsicherung der Rentenleistung Rechnung getragen.
Die Kammer konnte sich nach alledem insgesamt nicht von einer Verfassungswidrigkeit der vom Kläger angegriffenen
Normen überzeugen.
Eine Beiladung der DAK bzw. der DAK – Pflegekasse – war nicht erforderlich, weil die Voraussetzungen des § 75
Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Denn diese Versicherungsträger sind vom Ausgang des Rechtsstreits nur indirekt
betroffen, weil die von der Rente des Klägers einbehaltenen Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung nicht an
die DAK bzw. an die DAK – Pflegekasse abgeführt werden. Vielmehr erfolgt die Verteilung der Beiträge nach dem in §
255 SGB V bzw. § 60 SGB XI beschriebenen Verfahren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Das Gericht hat die Sprungrevision nach § 161 Abs. 2 Satz 1 SGG i. V. m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil
es den von dem Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beimisst und Entscheidungen des
BSG hierzu noch nicht vorliegen.