Urteil des SozG Karlsruhe vom 21.03.2016

allgemeine versicherungsbedingungen, insolvenz, zwangsvollstreckung, unterliegen

SG Karlsruhe Entscheidung vom 21.3.2016, S 13 P 4166/15
Private Pflegeversicherung - Beitragszahlungspflicht - Zahlungsverzug - Insolvenz des
Schuldners - private Pflegeversicherungsbeiträge unterliegen nicht der Zwangsvollstreckung
gem § 850b Abs 1 Nr 4 ZPO
Leitsätze
Die privaten Pflegeversicherungsbeiträge unterliegen nicht der Zwangsvollstreckung gem. § 850 b Abs. 1 Nr. 4
ZPO und sind damit nicht Teil der Insolvenzmaße.
Tenor
1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgericht H. vom 24. November 2015
(Geschäftsnummer X) wird aufrechterhalten.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Beiträgen zur privaten Pflegeversicherung für den Zeitraum
vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2015 in Höhe von 788,06 EUR nebst vorgerichtlicher Rechtsanwalts- und
Mahnkosten in Höhe von 133,17 EUR streitig.
2 Mit Antrag vom 27. Oktober 2015 erwirkte die Klägerin den Mahnbescheid des Amtsgericht H.
(Geschäftsnummer X) vom 27. Oktober 2015 für den Beitragszeitraum 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2015,
welcher dem Beklagten am 29. Oktober 2015 zugestellt wurde. Auf Antrag erließ das Amtsgericht H. am 24.
November 2015 einen Vollstreckungsbescheid, welcher dem Beklagten am 27. November 2015 zugestellt
wurde. Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Einspruchs vom 7. Dezember 2015 verwies der
Beklagte auf seine seit August 2010 bestehende Insolvenz. Daraufhin gab das Amtsgericht H. das Verfahren
zur Durchführung eines Klageverfahrens an das Sozialgericht ab.
3 Die Klägerin trägt nunmehr vor, sie habe einen Anspruch auf rückständige Pflegeversicherungsbeiträge für
den Zeitraum 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2015 in Höhe von 788,06 EUR sowie auf vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 EUR und Mahnkosten in Höhe von 12,50 EUR. Zwischen den
Beteiligten sei ein privater Pflegeversicherungsvertrag im Tarif MB/PPV geschlossen worden. Der Beklagte sei
mit der Zahlung der Beiträge von je 17,99 EUR für Mai bis Dezember 2012, je 18,61 EUR von Januar 2013 bis
Dezember 2014 und je 19,75 EUR für Januar bis Oktober 2015 in Rückstand.
4 Sie beantragt,
5 den Vollstreckungsbescheid des Amtsgericht H. vom 24. November 2015, Geschäftsnummer X, zugestellt am
27. November 2015, aufrechtzuerhalten.
6 Der Beklagte äußerte sich im Klageverfahren nicht, es ist aber davon auszutragen, dass er -sinngemäß-
beantragt,
7 die Klage abzuweisen.
8 Das Gericht hat die Beteiligten zur Absicht, durch Gerichtsbescheid gem. § 105 SGG zu entscheiden,
angehört.
9 Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses sowie des Vortrages der Klägerin wird auf die
Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
10 Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten
tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, ohne mündliche Verhandlung
durch Gerichtsbescheid entscheiden (§ 105 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
11 Die Klage ist zulässig und auch begründet.
12 Der vom Beklagten nicht bestrittene Anspruch auf Bezahlung der rückständigen Beiträge in Höhe von
788,06 EUR Euro ergibt sich aus § 8 Absatz 1 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die private
Pflegeversicherung (MB/PPV). Anhaltspunkte für ein Nichtbestehen der Forderung dem Grunde und der
Höhe nach sind vom Beklagten weder vorgebracht noch ersichtlich. Der geltend gemachte Anspruch ist
schlüssig. Die Beiträge sind gemäß § 8 Abs. 1 AVB zudem am Ersten eines jeden Monats fällig und der
Beklagte befindet sich im Zahlungsverzug, sodass er der Klägerin als Verzugsschaden auch die geltend
gemachten vorgerichtlichen Mahn- und Rechtsanwaltskosten in von Höhe von 133,17 EUR schuldet (vgl. §§
280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -).
13 Entgegen der Auffassung des Beklagten steht seine Insolvenz dem Bestehen seiner Zahlungsverpflichtung
nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH erfasst § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auch die privaten
Pflegeversicherungsverträge. Diese Beiträge gehören demnach zu den Gegenständen, die nicht der
Zwangsvollstreckung unterliegen und damit auch nicht gem. § 36 InsO Teil der Insolvenzmasse sind. (vgl.
BGH, Urteil vom 19. Februar 2014, IV ZR 163/13, nach juris) Diese Erstreckung ist auch sachgerecht. Zwar
erwähnt § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO weder die Pflegekassen noch die privaten
Pflegeversicherungsunternehmer. Allerdings ist mit Blick auf Sinn und Zweck dieser Vorschrift, der
Versorgung des Schuldners dienende Bezüge von der Zwangsvollstreckung auszunehmen, auch die
Pflegeversicherung miteinzubeziehen. Folglich hat die Insolvenz des Beklagten keinen Einfluss auf seine
Pflicht zur Zahlung der privaten Pflegeversicherungsbeiträge.
14 Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei besteht keine Möglichkeit, dem Beklagten
außergerichtliche Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Gemäß § 182a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist mit
dem Eingang der Akten beim Sozialgericht nach den Vorschriften des SGG zu verfahren. Nach § 193 Abs. 4 i.
V. m. §§ 184 Abs. 1, 183 SGG sind unter anderem private Pflegeversicherungsunternehmen nicht zur
Geltendmachung der außergerichtlichen Kosten berechtigt. Demgegenüber haben der Beklagte die
Gerichtskosten des vorhergehenden gerichtlichen Mahnverfahrens zu tragen, § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG (vgl.
auch BSG, Urteil vom 12.02.2004, B 12 P 2/03 R).