Urteil des SozG Karlsruhe vom 14.08.2015

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SG Karlsruhe Urteil vom 14.8.2015, S 1 SO 4269/14
Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Kraftfahrzeughilfe - Erlangung einer
Fahrerlaubnis und behindertengerechter Umbau eines Kraftfahrzeuges -
Angewiesensein auf das Kraftfahrzeug - Häufigkeit der Nutzung -
Vermögenseinsatz - Härte
Leitsätze
Keine Übernahme von Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis und den
behinderungsgerechten Umbau eines PKW aus Mitteln der Eingliederungshilfe bei
ausreichendem Vermögen des Ehepartners des Hilfesuchenden
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten um die Übernahme bzw. Erstattung von Kosten für den
Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse „B“ (= PKW) und für den
behinderungsgerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs aus Sozialhilfemitteln.
2 Die 19... geborene Klägerin leidet an einer spina bifida (= offener Rücken), einer
angeborenen Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks, mit partieller
Lähmung der Beine und an einer Harn- und Stuhlinkontinenz. Sie ist als
schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt;
außerdem sind ihr die Nachteilsausgleiche „G“, „B“ und „aG“ zuerkannt. Von der
Deutschen Rentenversicherung Bund bezieht die Klägerin Versichertenrente
wegen voller Erwerbsminderung.
3 Im August 2012 zog die Klägerin von B. nach W.-E. zu ihrem damaligen
Lebensgefährten, den sie am 20.12.2013 ehelichte. Im Februar 2013 kam die
gemeinsame Tochter zur Welt.
4 Am 13.01.2014 stellt die Klägerin beim Beklagten den Antrag, die Kosten für den
Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse „B“ und den behinderungsgerechten
Umbau eines Kfz aus Mitteln der Eingliederungshilfe nach den Bestimmungen des
Sechsten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) zu übernehmen.
Hierzu trug sie vor, ihre Tochter besuche seit dem 06.03.2014 eine
Kindertagesstätte. Da ihr Ehemann das Kind berufsbedingt weder morgens dorthin
bringen noch nachmittags von dort abholen könne, sei sie zwingend auf ein
Fahrzeug angewiesen. Ein solches benötige sie auch für die Durchführung von
Einkäufen, für Arzttermine und zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.
Außerdem beabsichtige sie, wenn sich ihre Tochter in der Kindertagesstätte gut
eingelebt habe, den Weg zurück in die Arbeitswelt zu finden. Ergänzend legte die
Klägerin den Kostenvoranschlag des Mobilcenters Z. GmbH, M., über 4.951,80
EUR für den behinderungsgerechten Fahrzeugumbau vor. Am 19.03.2014 legte
sie erfolgreich die Fahrprüfung ab. Für die Fahrausbildung entstanden Kosten von
3.158,90 EUR (Rechnung der Fahrschule T. vom 19.03.2014).
5 Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin könne die
Aufwendungen für den Erwerb einer Fahrerlaubnis und den
behinderungsgerechten Umbau des Kraftfahrzeugs in Höhe von insgesamt
„8.137,70 EUR“ (rechnerisch tatsächlich: 8.110,70 EUR) aus Einkommen und
Vermögen der Eheleute in vollem Umfang selbst aufbringen. Sie sei deshalb nicht
bedürftig (Bescheid vom 03.04.2014). Wegen der Berechnung des
Vermögenseinsatzes von 11.376,33 EUR und eines Einkommenseinsatzes von
830,72 EUR wird auf die dem Bescheid beigefügte Anlage Bezug genommen.
6 Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im
Wesentlichen vor, der Beklagte habe zum Vermögenseinsatz nur eine
schematische Berechnung vorgenommen, ohne die Besonderheiten des
Einzelfalls ausreichend zu würdigen. Insbesondere habe er zu Unrecht eine
Erhöhung von Vermögensfreibeträgen unter Berücksichtigung von Art und Dauer
des Bedarfs und der besonderen Belastungssituation der Klägerin und ihrer
Familie unterlassen. Der Erwerb einer Fahrerlaubnis sei eine einmalige
Angelegenheit, die mit einer außergewöhnlich hohen finanziellen Belastung
verbunden sei. Die insoweit von ihr begehrte Hilfeleistung sei deshalb keine
Dauerleistung. Außerdem habe der Beklagte zu Unrecht die Herkunft des
Vermögens unberücksichtigt gelassen: Das von ihm angerechnete Vermögen
stamme allein von ihrem Ehemann und stehe ausschließlich in dessen Eigentum.
Ihr Ehemann habe das Vermögen über einen längeren Zeitraum und lange, bevor
er 2012 eine Lebens- und Bedarfsgemeinschaft mit ihr begründet habe,
erwirtschaftet. Es sei deshalb nicht unbillig, den durch ihre Behinderung
bestehenden Nachteil durch die Solidargemeinschaft auszugleichen und nicht
durch die Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann. Soweit Bausparvermögen zu
berücksichtigen sei, sei dieses nur in Höhe der Ansparungen seit Beginn der
Bedarfsgemeinschaft im Jahr 2012, d.h. in Höhe von 1.800,00 EUR,
anrechnungsfähig. Vorliegend gehe es auch nicht allein um ihre Eingliederung in
die Gesellschaft, sondern vor allem darum, ihrer Tochter den Kindergartenbesuch
zu ermöglichen. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten gehe deshalb vor
allem zu Lasten ihres Kindes. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück: Aus
Gründen des Nachrangs der Sozialhilfe sei im Rahmen der Eingliederungshilfe für
behinderte Menschen neben dem Einkommen und Vermögen des Hilfesuchenden
auch das Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten zu
berücksichtigen. Hierzu gehöre auch das Bausparguthaben. Dieses sei nicht
geschützt, weil es nicht nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung
eines Hausgrundstückes vorgesehen sei. Einer besonderen Notlage der Familie
habe er insoweit Rechnung getragen, als er die Vermögensfreigrenze von
3.470,00 EUR um weitere 2.050,00 EUR für die anstehenden Kosten einer
Autoreparatur, einer neuen Waschmaschine und die Ausstattung des
Kinderzimmers erhöht habe. Auch habe er Vermögen für eine angemessene
Lebensführung oder Alterssicherung insoweit berücksichtigt, als er den
Rückkaufwert aus der Lebensversicherung des Ehemanns der Klägerin (2.081,47
EUR) nicht dem einzusetzenden Vermögen hinzugerechnet habe. Überdies seien
die Kosten für die Erlangung einer Fahrerlaubnis auch von nicht behinderten
Menschen aufzubringen, um einen Pkw nutzen zu können. In weiten Teilen der
Gesellschaft gehöre der Erwerb eines Führerscheins zum allgemeinen
Lebensstandard. Hierfür seien Ansparungen vom Einkommen und dessen Einsatz
allgemein üblich. Auch von daher stelle der geforderte Vermögenseinsatz für die
Klägerin und ihre Familie keine besondere Härte dar (Widerspruchsbescheid vom
17.11.2014).
7 Deswegen hat die Klägerin am 17.12.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe
erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt sie im
Wesentlichen ihr Widerspruchsvorbringen.
8 Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid vom 03. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17. November 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die
Kosten für den Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse „B“ in Höhe von 3.158,90
EUR zzgl. der Aufwendungen für den behinderungsgerechten Umbau des Kfz
ihres Ehemanns in Höhe von 4.951,80 EUR aus Mitteln der Eingliederungshilfe
nach dem SGB XII zu übernehmen bzw. ihr zu erstatten.
10 Der Beklagte beantragt,
11 die Klage abzuweisen.
12 Er erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
13 Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der
Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14 Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1
und Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes ) zulässig, aber
unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Recht hat der
Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten für den Erwerb einer
Fahrerlaubnis und den behinderungsgerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs aus
Mitteln der Eingliederungshilfe abgelehnt, weil die Klägerin die hierfür angefallenen
bzw. anfallenden Kosten aus eigenem Einkommen und Vermögen und dem
Einkommen und Vermögen ihres Ehemanns in vollem Umfang selbst bestreiten
kann, sie mithin nicht bedürftig ist.
15
1.
Dass die körperlich behinderte Klägerin zu dem grundsätzlich
anspruchsberechtigten Personenkreis gehört, dem Leistungen der
Eingliederungshilfe nach den Bestimmungen des Sechsten Kapitels SGB XII (§§
53 ff.) zu erbringen sind, ist unzweifelhaft und zwischen den Beteiligten zu Recht
nicht umstritten. Leistungen der Eingliederungshilfe sind gem. § 54 Abs. 1 Satz 1
SGB XII u.a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 des
Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -
IX>) und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 SGB IX).
Inhaltlich werden die Eingliederungshilfeleistungen weiter durch die aufgrund der
Ermächtigung in § 60 SGB XII erlassenen Eingliederungshilfeverordnung
(EinglHV) konkretisiert. Nach deren § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 gilt die Hilfe zur
Beschaffung eines Kraftfahrzeuges als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und
zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Sie wird in angemessenem Umfang
gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner
Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines
Kraftfahrzeuges angewiesen ist; bei Teilhabe am Arbeitsleben findet die
Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) Anwendung. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KfzHV
umfasst die Kraftfahrzeughilfe Leistungen u.a. für eine behinderungsbedingte
Zusatzausstattung. Nach § 10 Abs. 6 EinglHV kann als Versorgung im
angemessenen Umfang u.a. auch Hilfe zur Erlangung der Fahrerlaubnis gewährt
werden, wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung auf die
regelmäßige Nutzung dieses Kfz angewiesen ist oder angewiesen sein wird. Im
Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der
Notwendigkeit (§ 4 Abs. 1 SGB IX) ist das Merkmal der Angewiesenheit nur zu
bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme
unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist, die darin liegen, eine
Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den
behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. „Angewiesen sein“
bedeutet wegen Fehlens anderweitiger Beförderungsmöglichkeiten die
Notwendigkeit der wiederkehrend häufigen Nutzung eines eigenen Kfz, also nicht
nur vereinzelt oder gelegentlich. Dieser Häufigkeitsgrad ist anzunehmen, wenn der
behinderte Mensch nur mit Hilfe seines Kfz die Wohnung verlassen kann, wenn er
also zur Teilnahme am Leben in der Gesellschaft überhaupt auf ein Auto
angewiesen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 10.12.2014 - L 2 SO 4058/13 -,
Rand-Nr. 20 und vom 26.09.2012 - L 2 SO 1378/11 -, Rand-Nr. 43 ).
Dass die Klägerin zum Erreichen der Eingliederungsziele auf die Benutzung eines
Kraftfahrzeugs angewiesen ist, hat der Beklagte zuletzt im Schriftsatz vom
03.06.2015 ausdrücklich eingeräumt.
16
2.
Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen steht jedoch, wie alle
Leistungen der Sozialhilfe, unter dem Vorbehalt, dass dem Hilfebedürftigen und
u.a. seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel aus dem
Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels SGB XII
nicht zuzumuten ist (§ 19 Abs. 3 SGB XII). Diese Regelung konkretisiert den
allgemeinen sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII.
Nach dieser Bestimmung erhält Sozialhilfe nicht, wer sich u.a. durch den Einsatz
seines Vermögens selbst helfen kann. Dem Leistungsanspruch der Klägerin steht
vorliegend das Vermögen der Eheleute in Gestalt von Guthaben auf Spar- und
Girokonten sowie aus dem Bausparvertrag des Ehemanns der Klägerin bei der
Bausparkasse ... AG entgegen.
17 Nach § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen.
Vermögen sind dabei alle beweglichen oder unbeweglichen Güter und Rechte in
Geld oder in Geldeswert (vgl. BSG, FEVS 60, 109 m.w.N. und LSG Baden-
Württemberg, SAR 2011, 86 ff.). Der Vermögensbegriff umfasst auch Forderungen
und Ansprüche gegen Dritte (vgl. BSG SozR 4-3500 § 90 Nr. 3 und BSG vom
25.08.2011 - B 8 SO 19/11 R - ), soweit sie nicht normativ dem Einkommen
zuzurechnen sind. Hierzu gehören auch Forderungen aus Spar- und
Bankguthaben (vgl. BSG vom 20.02.2014 - B 14 AS 10/13 R - ; ferner LSG
Nordrhein-Westfalen, FEVS 60, 349 ff. und Sächs. OVG, FEVS 48, 199 ff.) sowie
Guthaben aus einem Bausparvertrag (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom
29.10.2012 - L 20 SO 63/09 -; Sächs. LSG vom 16.04.2009 - L 3 SO 9/08 - sowie
Urteil des erkennenden Gerichts vom 22.07.2011 - S 1 SO 1329/11 -
Juris>). Dass diese Vermögenswerte seit dem Zeitpunkt der Antragstellung am
13.01.2014 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts im
vorliegenden Rechtsstreit Monat für Monat einem irgendwie gearteten
tatsächlichen oder rechtlichen Verwertungshindernis unterlagen, ist weder
vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst
ersichtlich.
18 Die Sozialhilfe darf jedoch nach § 90 Abs. 2 SGB XII nicht abhängig gemacht
werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens, solange es
nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks
bestimmt ist (Nr. 3), oder kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte (Nr. 9).
Dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen.
Hierzu bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 der Verordnung zur Durchführung
des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (DVO), dass kleinere Barbeträge oder sonstige
Geldwerte bei den Leistungen u.a. nach dem Sechsten Kapitel SGB XII 2.600,00
EUR sind (Nr. 1 Buchstabe b). Dieser Betrag erhöht sich um einen Freibetrag von
614,00 EUR für den Ehegatten, wenn - wie hier - die Sozialhilfe vom Vermögen der
nachfragenden Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten abhängig ist,
außerdem um einen weiteren Betrag von 256,00 EUR für jede Person, die von der
nachfragenden Person oder u.a. ihrem Ehegatten überwiegend unterhalten wird
(Nr. 2). Nach § 2 DVO ist der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a) oder b)
maßgebende Betrag angemessen zu erhöhen, wenn im Einzelfall eine besondere
Notlage der nachfragenden Person besteht. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sind
bei der Prüfung, ob eine besondere Notlage besteht, sowie bei der Entscheidung
über den Umfang der Erhöhung vor allem Art und Dauer des Bedarfs sowie
besondere Belastungen zu berücksichtigen.
19
3.
Orientiert an diesen Rechtsgrundlagen hat der Beklagte vorliegend den Antrag
der Klägerin auf Übernahme der Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis (=
3.158,90 EUR gem. Rechnung der Fahrschule T. vom 19.03.2014) und den
behinderungsgerechten Umbau des vorhandenen Familien-Kfz (= 4.951,80 EUR
gem. Angebot der Fa. Z. GmbH vom 25.02.2014) in Höhe von insgesamt 8.110,70
EUR zu Recht abgelehnt. Denn die Klägerin ist nicht bedürftig, weil sie und ihr
Ehemann über vorrangig einzusetzendes (§§ 2 Abs. 1 und 19 Abs. 3 SGB XII)
Vermögen verfügen, das die Vermögensfreigrenze überschritt und damit der
begehrten Hilfeleistung entgegensteht. Hinsichtlich der konkreten Berechnung zum
Zeitpunkt der Antragstellung am 13.01.2014 verweist die Kammer zur Vermeidung
von Wiederholungen vollinhaltlich auf die zutreffende Darstellung des Beklagten in
der Anlage zum Bescheid vom 03.04.2014.
20 Im Hinblick auf die Klagebegründung ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:
21
a)
Dem Einsatz des gesamten verwertbaren Vermögens auch des Ehemanns der
Klägerin steht weder entgegen, dass diese Vermögensanteile allein in dessen
Eigentum stehen, noch der Umstand, dass der Ehemann diese Vermögensanteile
nach dem Vorbringen der Klägerin zu einem weit überwiegenden Teil bereits zu
einer Zeit angespart hatte, als die Eheleute noch nicht miteinander verheiratet
waren. Denn für eine solche (gesplittete) Vermögenszurechnung findet sich im
SGB XII keine Rechtsgrundlage. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut der §§ 19
Abs. 3 und 90 Abs. 1 SGB XII eindeutig der vorrangige Einsatz des Vermögens
des Leistungsberechtigten und u.a. seines nicht getrennt lebenden Ehegatten in
voller Höhe. Ausnahmeregelungen enthalten die Bestimmungen des § 90 Abs. 2
SGB XII; außerdem beinhaltet § 90 Abs. 3 SGB XII eine Härteregelung zum
Vermögenseinsatz (dazu jeweils sogleich). Weitere - hier von vorn herein nicht
einschlägige - Ausnahmebestimmungen finden sich §§ 92 und 92a SGB XII für
Leistungen in einer teilstationären oder stationären Einrichtung sowie außerhalb
von Einrichtungen für - hier nicht streitige - laufende Eingliederungshilfeleistungen.
22
b)
Bei der Berechnung des Gesamtvermögens der Eheleute mit 18.977,80 EUR
hat der Beklagte auch zu Recht das Bausparguthaben des Ehemanns der
Klägerin bei der Bausparkasse ... in vollem Umfang (8.596,33 EUR) berücksichtigt.
Die Ausnahmeregelung des § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII ist hier nicht einschlägig.
Denn es ist aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht ersichtlich,
dass dieses Vermögen tatsächlich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines
angemessenen Hausgrundstücks für die Klägerin und/oder ihrer Familie dient oder
dienen soll. Denn konkrete Pläne der Eheleute zum Erwerb oder Neubau eines
Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung in absehbarer Zeit, d.h. zeitnah
zum Leistungsantrag der Klägerin (vgl. Hess. LSG vom 26.01.2009 - L 9 SO 48/07
- ), sind weder vorgetragen oder ersichtlich. Das gegenteilige Vorbringen
der Klägerin erschöpft sich in einer bloßen, durch keine Unterlagen (z.B. Bau- oder
Finanzierungspläne) untermauerten Behauptung. Es erscheint auch angesichts
der Höhe der bisher angesparten Summe nicht glaubhaft. Allein der Abschluss des
Bausparvertrags reicht hierfür nicht aus; denn ein solcher Vertrag kann auch ohne
Bauabsicht geschlossen werden (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII,
5. Aufl. 2014, § 90, Rand-Nr. 42 und Zeitler, NDV 1991, 73).
23
c)
Der Beklagte hat weiter der Rechtsvorgabe in § 2 DVO ausreichend Rechnung
getragen, indem er im Rahmen der Vermögensanrechnung den Freibetrag nach §
1 DVO von 3.470,00 EUR (= 2.600,00 EUR Grundfreibetrag aus § 1 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 b) DVO zzgl. 614,00 EUR für den Ehemann der Klägerin und weiterer 256,00
EUR für das gemeinsame Kind gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DVO) um den Betrag
von 2.050,00 EUR erhöht und Vermögen in dieser Höhe zusätzlich
unberücksichtigt gelassen hat. Bei der Prüfung und Entscheidung über den
Umfang der Erhöhung sind vor allem Art und Dauer des Bedarfs und besondere
Belastungen des Hilfesuchenden und der Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft
zu berücksichtigen. Aus dem Erhöhungsbetrag von 2.050,00 EUR können die
Klägerin und ihr Ehemann die in der E-Mail vom 24.03.2014 angeführten
einmaligen und zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 950,00 EUR für die Reparatur
des Familien-Kfz, für die Neuanschaffung einer Waschmaschine in Höhe von
600,00 EUR und für die Ausstattung des Kinderzimmers für die Tochter der
Klägerin in Höhe von 500,00 EUR in vollem Umfang bestreiten. Mit Blick auf die
Berücksichtigung dieses zusätzlichen Vermögensfreibetrages geht auch der
Vorwurf der Klägerin fehl, der Beklagte habe nur eine schematische Berechnung
des Vermögenseinsatzes ohne Berücksichtigung von Besonderheiten des
Einzelfalls vorgenommen.
24
d)
Der Beklagte hat überdies ausreichend berücksichtigt, dass der Einsatz des
gesamten vorhandenen Vermögens für die Eheleute teilweise eine Härte i.S.d. §
90 Abs. 3 SGB XII bedeuten würde. Er hat deshalb einen weiteren Betrag in Höhe
von 2.081,47 EUR - dieser entspricht dem garantierten Rückkaufwert aus der
Lebensversicherung des Ehemanns der Klägerin bei der ...-Lebensversicherung
zum 01.03.2013 - unberücksichtigt gelassen. Eine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3
SGB XII ist bei der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen vor allem
gegeben, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung
einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert wäre (§ 90 Abs. 3 Satz
2 SGB XII). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber eine
Härtevorschrift regelmäßig deshalb einführt, weil er mit den Regelvorschriften - hier:
der Bestimmung über das nicht anzurechnende Vermögen nach § 90 Abs. 2 SGB
XII - zwar dem diesen zugrunde liegenden typischen Lebenssachverhalt gerecht
werden kann, nicht aber einem atypischen (vgl. BSG, FEVS 59, 411 ff. und 61, 193
ff.; ferner Wahrendorf, a.a.O., § 90, Rand-Nr. 72 sowie Hohm in
Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 90, Rand-Nr. 91). Die
Vermögensverwertung stellt aber nur dann eine Härte im Sinne dieser Bestimmung
dar, wenn ihre Auswirkungen deutlich über den bloßen Vermögensverlust infolge
der Verpflichtung zur Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs hinausgehen.
Unerheblich ist für die Anwendung des § 90 Abs. 3 SGB XII grundsätzlich die
Herkunft des Vermögens (vgl. BVerwGE 47, 103, 112; 105, 199, 201 und 106, 105
ff. außerdem Hohm, a.a.O., Rand-Nr. 27).
25 Orientiert daran ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte
im Rahmen der Härtefallregelung den Rückkaufwert der Lebensversicherung des
Ehemanns der Klägerin bei der Vermögensanrechnung unberücksichtigt gelassen
hat (zum grundsätzlichen Einsatz des Rückkaufwertes von Lebensversicherungen
ohne Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses im Sinne des § 165 Abs. 3
des Versicherungsvertragsgesetzes: vgl. BSG vom 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R -
und BSG, FEVS 59, 385; ferner LSG Schleswig-Holstein, FEVS 66, 333
sowie Hess. LSG vom 21.05.2010 - L 7 SO 78/06 -; LSG Niedersachsen-Bremen
vom 27.10.2011 - L 8 SO 215/11 B ER - und LSG Baden-Württemberg vom
18.11.2009 - L 13 AS 5234/08 - ). Im Übrigen hat der Beklagte in der
Begründung seiner Widerspruchsentscheidung zu Recht darauf hingewiesen,
dass auch nicht behinderte Menschen die - regelmäßig hohen - Kosten für den
Erwerb einer Fahrerlaubnis aufbringen müssen, wenn sie ein Kraftfahrzeug im
Straßenverkehr führen wollen, und der Erwerb einer Fahrerlaubnis in weiten Teilen
der Gesellschaft zum allgemein üblichen Lebensstandard gehört. Deshalb stellt
der Verweis auf den Einsatz eigenen Vermögens bzw. des Vermögens des
Ehemanns der Klägerin keine Härte i.S.d. § 90 abs. 3 SGB XII dar.
26
e)
Schließlich kann das erkennende Gericht nicht unberücksichtigt lassen, dass
nach den eigenen Angaben der Klägerin in ihrer E-Mail vom 24.03.2014 der Bedarf
in Bezug auf die Kosten für den Erwerb der Fahrerlaubnis bereits vollständig
gedeckt sind. Denn der Ehemann der Klägerin hat die Rechnung der Fahrschule
T. vom 19.03.2014 danach bereits beglichen. Dass der Ehemann der Klägerin
insoweit allein an Stelle des Beklagten als dem zuständigen Sozialhilfeträger
eingesprungen ist und deshalb die Bedarfslage der Klägerin etwa in Form von
Darlehensrückzahlungsansprüchen ihres Ehemanns fortbestünde (vgl. hierzu u.a.
BVerwGE 21, 208, 209; 94, 127ff; 96, 152, 157 und Hess. LSG vom 16.06.2011 - L
9 AS 658/10 B ER - ), ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vor diesem
Hintergrund stellt sich auch die Frage eines Rechtsschutzinteresses der Klägerin
insoweit, was die Kammer indes mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen nicht
abschließend klären musste.
27
4.
Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und
musste das Begehren der Klägerin erfolglos bleiben.
28 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.