Urteil des SozG Karlsruhe vom 30.10.2015

stationäre behandlung, freiwillige versicherung, juristische person, nothilfe

SG Karlsruhe Urteil vom 30.10.2015, S 1 SO 4077/14
Sozialhilfe - Nothilfe - Erstattungsanspruch eines Krankenhausträgers wegen
stationärer Krankenhausbehandlung - örtliche Zuständigkeit - Bedürftigkeit des
Nothilfeempfängers - Unaufklärbarkeit - Beweislast
Leitsätze
Kein Anspruch des Nothelfers auf Kostenerstattung für medizinische Behandlung aus
Sozialhilfemitteln bei nicht feststellbarer Bedürftigkeit (Bestätigung von SG Karlsruhe
vom 14.08.2015 - S 1 SO 215/15 -).
Keine Haftung des Trägers der Sozialhilfe als Ausfallbürge bei ungeklärter
Bedürftigkeit.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme von
Kosten in Höhe von 1.987,80 EUR für die stationäre Behandlung der am
28.08.1995 geborenen bulgarischen Staatsangehörigen M. Y. (im Folgenden: Y.)
in der Zeit vom 14.03. bis zum 18.03.2014 im Wege der Nothilfe aus Mitteln der
Sozialhilfe geltend.
2 Y. befand sich in der Zeit von Freitag, dem 14.03.2014, 15:18 Uhr, bis Dienstag,
dem 18.03.2014, 14:24 Uhr, unter der Aufnahmediagnose einer schlaffen
Paraparese und Paraplegie (ICD 10-Schlüssel: G 82.9) zur stationären
Behandlung in der Klinik für Neurologie des von der Klägerin betriebenen
Krankenhauses. Dabei gab Y. u. a. an, sie halte sich erst seit zehn Tagen in
Deutschland auf und wohne in der L.straße 23, K., mietfrei in Untermiete bei einem
„J“. Eine Krankenversicherung bestehe nicht. Sie könne die Behandlungskosten
nicht zahlen. Am 18.03.2014 stellte sie über die Klägerin bei der Beklagten einen
Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für
Arbeitsuchende - (SGB II) und dem Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Die
Entlassung der Y. aus der stationären Behandlung erfolgte unter der
Hauptdiagnose einer dissoziativen Bewegungsstörung (ICD 10-Schlüssel: F 44.4);
außerdem diagnostizierten die Klinikärzte als Gesundheitsstörungen eine akute
respiratorische Insuffizienz (ICD 10-Schlüssel: J 96.6) und eine „Beobachtung bei
Verdacht auf neurologische Krankheit“ (ICD 10-Schlüssel: Z 03.3). Für die
stationäre Behandlung fielen Kosten in Höhe von 1.987,80 EUR an.
3 Am 17.03.2014 (Montag) zeigte die Klägerin der Beklagten an, sie habe Y. am
14.03.2014 notfallmäßig aufgenommen. Zugleich bat sie um Übernahme der
anfallenden Krankenhauskosten für die Dauer der medizinisch notwendigen
Behandlungszeit. In der Folge lehnte das Jobcenter Stadt K. Leistungen nach dem
SGB II ab, weil der Aufenthalt von Y. im Bundesgebiet allein zum Zwecke der
Arbeitssuche erfolgt sei (eMail vom 15.04.2014). Die bulgarische
Sozialversicherung teilte der Klägerin am 17.03.2014 mit, Y. sei dort seit dem
31.01.2014 nicht mehr krankenversichert. Versuche der Beklagten, die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Y. zu klären, blieben erfolglos:
das Regierungspräsidium K. (RP) teilte auf telefonische Anfrage mit, Y. sei in der
Bundesrepublik Deutschland noch nie ausländerrechtlich in Erscheinung getreten.
Nach ebenfalls telefonischer Auskunft der Ausländerstelle beim Ordnungsamt der
Beklagten war Y. in K. nicht polizeilich gemeldet. In der Frauenberatungsstelle K.
war Y. nicht bekannt (eMail vom 28.05.2014). Auch der Versuch eines
Hausbesuchs unter der von Y. angegebenen Anschrift in K. verlief erfolglos; den
von ihr mit „J“ bezeichneten Vermieter konnte die Beklagte unter der genannten
Anschrift ebenfalls nicht ermitteln. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der
Klägerin mit der Begründung ab, Voraussetzung für eine Kostenerstattung an den
Nothelfer sei u.a. eine Leistungsberechtigung der in Not geratenen Person nach
dem SGB XII; sie habe für die Zeit der stationären Behandlung der Y. jedoch deren
persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse und damit deren Bedürftigkeit nicht
ausreichend ermitteln können (Bescheid vom 05.06.2014).
4 Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin, zu dessen Begründung sie
u.a. vortrug, Y. habe bzgl. ihrer Adresse in K. vermutlich absichtlich unrichtige
Angaben gemacht, und eine Zustellung der Rechnung sowohl an die K. als auch
an die aus dem Pass ersichtliche Anschrift in Bulgarien sei jeweils erfolglos
geblieben, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.11.2014).
5 Deswegen hat die Klägerin am 03.12.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe
erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie im
Wesentlichen vor, im Fall der Y. habe ein Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinne
vorgelegen. Sie - die Klägerin - habe deshalb als Nothelferin gehandelt. Y. sei auch
bedürftig gewesen, da weder ein vorrangig Verpflichteter vorhanden sei noch eine
Krankenversicherung in Deutschland oder Bulgarien bestehe. Gleiches gelte für
eventuell vorrangige Leistungsansprüche nach dem SGB II. Y. habe überdies zum
Zeitpunkt der Notfallbehandlung angegeben, über keinerlei Einkünfte oder
Vermögen zu verfügen. Allein die Unmöglichkeit, Y. später unter der von ihr
angegebenen Anschrift zu erreichen, lasse keinen Rückschluss auf die
Unrichtigkeit dieser Angeben zu. Hätte sie - die Klägerin - die Beklagte unmittelbar
nach Beginn der stationären Behandlung informiert, hätte diese auf der Grundlage
der Angaben der Y. die Krankenbehandlung sicherstellen müssen. Wenn sich
deren Bedürftigkeit nunmehr nicht mehr aufklären lasse, dürfe dies nicht zu ihren -
der Klägerin - Lasten ausfallen. Andernfalls werde sie zum Ausfallbürgen für die
Beklagte.
6 Die Klägerin beantragt,
7
den Bescheid vom 05. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
11. November 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten
für die stationäre Behandlung der Y. im Zeitraum vom 14. März bis zum 18. März
2014 in Höhe von 1.987,80 EUR aus Sozialhilfemitteln zu erstatten.
8 Die Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10 Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
11 Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der
Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
12 Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1
und Abs. 4 i. V. m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes ) zulässig, aber
unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Klägerin steht gegen
die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die stationäre
Behandlung der Y. in der Zeit vom 14.03. bis zum 18.03.2014 zu.
13
1.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 25 SGB
XII. Nach Satz 1 dieser Bestimmung sind demjenigen, der in einem Einzelfall
einem anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen der
Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenem
Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht
selbst zu tragen hätte. § 25 Satz 1 SGB XII bezweckt, die Hilfebereitschaft Dritter
im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken und Hilfe in
Fällen sicher zu stellen, in denen Leistungen des Sozialhilfeträgers zu spät kämen
oder wegen Zeitablaufs ins Leere gingen (vgl. BVerwGE 91, 245, 248 und
BVerwGE 114, 326, 332, ferner BSG SozR 4-3500, § 25 Nr. 11 und BSG SozR 4-
5910 § 121 Nr. 1). Darüber hinaus sollen mit der Erstattungspflicht diejenigen
Träger der Sozialhilfe belastet werden, die ohne Eingreifen des Nothelfers die
Kosten der erbrachten Leistung zu tragen gehabt hätten (vgl. BVerwGE 135, 150
ff).
14
2.
Die Klägerin als juristische Person des Privatrechts (§ 13 Abs. 1 des GmbH-
Gesetzes) kann Anspruchsberechtigte im Sinne des § 25 Satz 1 SGB XII sein. Sie
hat auch in einem nach dieser Bestimmung vorausgesetzten Eilfall Leistungen
erbracht. Dies ergibt sich allerdings nicht allein daraus, dass aus medizinischer
Sicht eine Notfallsituation eingetreten war und die Klägerin Y. wegen einer evtl.
potenziell lebensbedrohenden Erkrankung durch die bei ihr angestellten oder
beschäftigten Ärzte und durch ihre Einrichtungen eines Krankenhauses die
medizinisch notwendige Akuthilfe geleistet hat. Denn weitere Voraussetzung für
die Annahme eines Eilfalls ist, dass nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Hilfe
des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erreichen war (vgl. BVerwGE 114, 298; LSG
Hamburg vom 21.0.2012 - L 4 AY 4/11 - und LSG Nordrhein-Westfalen vom
28.01.2013 - L 20 SO 554/11 - ). Diese Voraussetzung ist vorliegend
indes unstreitig und unzweifelhaft erfüllt. Denn zum Zeitpunkt des Beginns der
Hilfegewährung am 14.03.2014 um 15:18 Uhr, d.h. Freitag Nachmittag, war die
Beklagte schon wegen ihrer fehlenden Dienstbereitschaft nicht von der Notlage zu
unterrichten, damit sie bei einer Leistungsverpflichtung selbst rechtzeitig Hilfe
gewähren konnte. Mit Blick auf die Aufnahmediagnose „schlaffe Paraparese und
Paraplegie“ hat auch die Beklagte im Widerspruchsbescheid einen Eilfall i.S.d. §
25 SGB XII nicht in Abrede gestellt.
15 Die Beklagte ist für die geltend gemachte Erstattungsforderung passiv legitimiert.
Denn bezogen auf den maßgebenden Zeitpunkt des Beginns der Notfallhilfe am
14.03.2014 war sie der sachlich (§ 97 Abs. 1 SGB XII) und örtlich (§ 98 Abs. 1 Satz
1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3, 4. Alternative SGB XII) zuständige Sozialhilfeträger. Nach §
98 Abs. 2 Satz 3, 4. Alternative SGB XII hat in einem Eilfall der Träger der
Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält,
unverzüglich über die Hilfe zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen.
16
3.
Der streitige Kostenerstattungsanspruch scheitert vorliegend aber daran, dass
nicht zur Überzeugung der Kammer erwiesen ist, dass die Beklagte als örtlicher
Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis des Hilfefalls für die Zeit der
Nothilfe Sozialhilfe - hier: Hilfe bei Krankheit gem. § 48 SGB XII - hätte gewähren
müssen, mithin zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Dies setzt voraus, dass
der Empfänger der Nothilfe - hier: Y. - im Zeitpunkt der Nothilfe alle
Anspruchsvoraussetzungen für die konkrete Sozialhilfeleistung, die zu erbringen
gewesen wäre, erfüllte, was u.a. dessen Hilfebedürftigkeit (vgl. BVerwG vom
30.12.1996 - 5 B 202/95 -, Rn. 2 und Waldhorst-Kahnau in jurisPK-SGB
XII, 2. Aufl. 2014, § 25, Rn. 36) und das Fehlen von Leistungsausschlüssen
voraussetzt. Denn nach § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor
allem durch Einsatz u. a. seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen
kann oder die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen
oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
17 Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens steht zwar fest, dass eine
vorrangige Hilfegewährung durch andere Sozialleistungsträger, insbesondere eine
in- oder ausländische Krankenversicherung, ausgeschlossen waren. Denn nach
bundesdeutschen Rechtsvorschriften schied eine Pflicht- oder freiwillige
Versicherung der Y. in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 13
und § 9 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung -)
aus, was zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits nicht streitig ist.
Y. war seit dem 31.01.2014 auch nicht (mehr) von der bulgarischen
Krankenversicherung erfasst, ungeachtet dessen, dass ein Anspruch des
Empfängers der Nothilfe gegen einen ausländischen Krankenhausträger den
Nachrang nach § 2 Abs. 1 SGB XII von vornherein nicht eingreifen lässt, weil bei
Bestehen einer solchen Versicherung im Regelfall kein Sachleistungs-, sondern
lediglich ein Kostenerstattungsanspruch gegeben ist, der zudem erst noch
durchgesetzt werden müsste (vgl. BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R -, Rn. 23
). Weiter bestanden keine evtl. vorrangigen Ansprüche nach dem SGB II,
nachdem das Jobcenter Stadt K. den Leistungsantrag von Y. abgelehnt hatte..
Andererseits haben allerdings auch die Versuche der Beklagten, die Einkommens-
und Vermögensverhältnisse der Y. zu klären, keinen Erfolg gehabt. Denn weder
war Y. unter der von ihr angegebenen Anschrift in K. erreichbar - auch den
gegenüber der Klägerin mit „J“ bezeichneten Vermieter konnte die Beklagte dort
nicht ermitteln - noch war Y. in K. ausländerrechtlich in Erscheinung getreten noch
polizeilich gemeldet noch bei der Frauenberatungsstelle bekannt. Die Klägerin ist
deshalb in ihrer Widerspruchsbegründung auch zutreffend davon ausgegangen,
dass Y. ihr gegenüber absichtlich falsche Angaben zu ihrer Wohnadresse gemacht
hat. Damit bleibt aber die Hilfebedürftigkeit der Y. letztlich offen, d.h. ungeklärt.
Weitere Ermittlungsmöglichkeiten zu den Einkommens- und
Vermögensverhältnissen des Y. sind für das Gericht nicht ersichtlich.
Insbesondere versprechen eventuelle Anfragen hierzu an die in ihrem
Personaldokument angegebene Anschrift in Bulgarien keinen weiteren
Ermittlungserfolg, nachdem bereits die von der Klägerin dorthin versuchte
Zustellung der Rechnung über die Behandlungskosten erfolglos geblieben ist.
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 28.04.2015 angeregt hat, unter
Einschaltung bulgarischer Behörden und bei etwaigen Verwandten der Y. deren
Aufenthaltsort und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu ermitteln, war
dem nicht nachzugehen. Denn insoweit handelt es sich um eine unbeachtliche
(vgl. u.a. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 184, Rn. 3 m.w.N.)
Anregung zu einem Ausforschungsbeweis.
18 Ist deshalb auch im Wege der Amtsermittlung nicht zu klären, ob
Sozialhilfebedürftigkeit der Y. am 14.03.2014 vorlag und steht deshalb nicht fest,
dass die Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis Hilfe nach den Bestimmungen des
SGB XII zu gewähren gehabt hätte, trägt die Klägerin als Anspruchstellerin die
materielle Beweislast dafür, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 25 Satz 1
SGB XII vorlagen, mithin Hilfebedürftigkeit bestand (vgl. BSG SozR 4-5910 § 121
Nr. 1, Rn. 24 und BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R -, Rn. 17 ;
BVerwGE 45, 131, 133; LSG Berlin-Brandenburg, FEVS 59, 475 ff; LSG Sachsen-
Anhalt FEVS 62, 559 ff und OVG Münster FEVS 48, 272; dieser Rechtsprechung
folgend: Urteil des erkennenden Gerichts vom 14.08.2015 - S 1 SO 215/15 -
; außerdem Hohm in Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, §
25 Rn. 14). Dies gilt nach insoweit geklärter höchstrichterlicher Rechtsprechung
(vgl. BVerwGE 45, 131, 132; BVerwG vom 30.12.1996 - 5 B 202/95 -, Rn. 5
und LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.) selbst dann, wenn die Beklagte die gemäß §
20 des Sozialgesetzbuchs - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -
(SGB X) gebotene Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts von
Amts wegen nicht ausreichend oder nur oberflächlich durchgeführt oder erst
verspätet aufgenommen hätte - hierfür besteht vorliegend indes kein Anhalt. Diese
Risikoverteilung folgt aus den allgemeinen Beweislastregelungen. Denn die
Verpflichtung der Klägerin zur Leistung der im Einzelfall notwendigen Hilfe durch
die Einrichtung eines Krankenhauses ist stets mit dem Risiko behaftet, auf den
dafür notwendigen Aufwendungen „sitzen zu bleiben“. Dies führt jedoch nicht dazu,
der Beklagten als örtlichem Träger der Sozialhilfe - und damit letztlich der
Gemeinschaft der Steuerzahler - das Risiko nicht festgestellter Hilfebedürftigkeit
desjenigen aufzubürden, demgegenüber die Klägerin eine Soforthilfe erbracht hat.
Denn letztlich trägt diese - wie bspw. auch jeder Handwerker - immer das Risiko,
dass ihre Leistungen nicht vergütet werden. Die allgemeine Beweislastregelung ist
auch keine Ungleichbehandlung des Nothelfers. Denn die einen Nothelfer
treffende Hilfepflicht wird ihm nicht vom Sozialhilfeträger auferlegt, sondern trifft ihn
wegen der strafrechtlichen Sanktionen (§ 323c des Strafgesetzbuchs ) und
die Klägerin als Krankenhausträger und ihr ärztliches Personal zudem aus berufs-
und zulassungsrechtlichen Gründen. Der Gesetzgeber hat mit § 25 Satz 1 SGB XII
schließlich auch keine Haftung des Trägers der Sozialhilfe als Ausfallbürge
normiert (vgl. BSG SozR 4-5910 § 121 Nr. 1, Rn. 20; BVerwGE 114, 298, 300 und
LSG Berlin-Brandenburg, FEVS 59, 475).
19 Nicht ausreichend für einen Anspruch nach § 25 Satz 1 SGB XII gegen die
Beklagte ist deshalb, dass dem Nothelfer kein anderer Schuldner zur Verfügung
steht. Der Erstattungsanspruch setzt vielmehr nach dem eindeutigen
Gesetzeswortlaut die Leistungspflicht des Trägers der Sozialhilfe voraus. Nur bei
rechtzeitiger Kenntnis des Hilfefalls
und
Leistungsverpflichtung soll der Träger der
Sozialhilfe nicht von der geleisteten Nothilfe profitieren.
20 Damit ist ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 25
Satz 1 SGB XII nicht gegeben.
21
4.
Ein solcher ergibt sich auch nicht aus einem sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch wegen evtl. unzureichender oder verspätet eingeleiteter
Sachaufklärung hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der
Y. Denn eine Umkehr der materiellen Beweislast für das Vorliegen der
Anspruchsvoraussetzungen nach § 25 Satz 1 SGB XII in Bezug auf die
Hilfebedürftigkeit des Nothilfeempfängers tritt selbst dann nicht ein, wenn die
Behörde den Sachverhalt nur unzureichend ermittelt hat (vgl. nochmals LSG
Berlin-Brandenburg FEVS 59, 475). Eine solche Beweislastumkehr lässt sich -
ungeachtet der Voraussetzungen des richterrechtlichen Rechtsinstituts des
sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. hierzu Mrozynski, SGB I, 5. Aufl.
2014, § 14, Rn. 25 ff) - auch über diesen nicht konstruieren. Überdies hat die
Beklagte vorliegend nach Ansicht der Kammer alles ihr Mögliche und Zumutbare
unternommen, um die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Y. zu
ermitteln.
22
5.
Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und
musste das Begehren der Klägerin erfolglos bleiben.
23 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG (vgl. hierzu
BSG SozR 4-1500, § 183 Nr. 7 und BSG SozR 4-3500, § 25 Nrn. 2 und 3).