Urteil des SozG Karlsruhe vom 14.08.2015

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SG Karlsruhe Urteil vom 14.8.2015, S 1 SO 1225/15
Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - Vermögenseinsatz - eheähnliche Gemeinschaft -
Getrenntleben - Unterbringung im Pflegeheim - Trennungswille - Verweigerung
der Übernahme ungedeckter Heimkosten durch den in der Wohnung
verbleibenden Partner - kein fiktiver Vermögensverbrauch
Leitsätze
Allein die (dauerhafte) Aufnahme eines Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft in
ein Pflegeheim und der dadurch bedingte Wegfall der bisherigen
Wirtschaftsgemeinschaft bewirkt kein Getrenntleben im sozialhilferechtlichen Sinn.
Hinzukommen muss vielmehr der nach außen erkennbar bekundete Wille eines der
Partner, sich von dem anderen Partner unter Aufgabe der bisherigen
Lebensgemeinschaft dauerhaft zu trennen.
Auch die bloße Weigerung des in der bisher gemeinschaftlichen Wohnung
verbleibenden Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft, die ungedeckten
Heimkosten des anderen Partners aus seinem Vermögen zu bestreiten, führt für sich
nicht zur Beendigung der eheähnlichen Gemeinschaft.
Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs ist in Ermangelung einer
gesetzlichen Grundlage rechtlich nicht zulässig.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten um die Übernahme ungedeckter Heimkosten aus Mitteln
der Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des Siebten Kapitels des
Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit ab dem 05.02.2014.
2 Die 1934 geborene Klägerin und der 1940 geborene C. M. (im Folgenden: M)
bewohnten ab dem 20.11.1965 gemeinsam eine Wohnung im Anwesen X-Str. 6,
B.. Neben 5 Kindern aus der Ehe mit ihrem 1966 verstorbenen Ehemann hat die
Klägerin mit M einen 1971 geborenen Sohn.
3 Die Klägerin bezieht von der ... - Pflegekasse - K. seit dem 01.02.2014 Leistungen
aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II und seit dem
01.08.2014 nach der Pflegestufe III (Bescheide vom 19.03. und vom 11.09.2014).
Wegen ihrer Gesundheitsstörungen ist sie seit dem 05.02.2014 vollstationär im E.
Altenzentrum B. untergebracht, zunächst im Rahmen von Kurzzeit- (bis zum
26.02.2014) und Verhinderungspflege (vom 27.02. bis zum 20.03.2014), seit dem
21.03.2014 zur Dauerpflege. Seither bewohnt M die zuvor gemeinsam genutzte
Wohnung allein. Nach den Angaben der Klägerin sieht sich M ihr gegenüber
weiterhin emotional verbunden und besucht sie regelmäßig, nach Auskunft der
Pflegedienstleitung des Altenzentrums B. täglich, im Pflegeheim. Nach den
Angaben der Tochter U. der Klägerin sind die Pflegeheimkosten bis einschließlich
31.05.2014 bezahlt.
4 Den Antrag der Klägerin vom 04.03.2014 auf Gewährung von Hilfe zur Pflege ab
dem 05.02.2014 lehnte der Beklagte nach weiterer Sachaufklärung (u.a. zu den
Einkünften und Vermögensverhältnissen des M) und Anhörung der Klägerin
(Schreiben vom 23.10.2014) mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht
hilfebedürftig. Sie und M verfügten über Vermögen auf Giro- und Sparkonten zum
28.02.2014 in Höhe von insgesamt 16.499,86 EUR. Unter Abzug eines
Vermögensfreibetrages von 3.214,00 EUR verbleibe ein zu berücksichtigendes
Vermögen von 13.285,86 EUR. Dieses Vermögen könne die Klägerin vorrangig
zur Begleichung der ungedeckten Heimkosten einsetzen. Die Weigerung des M,
die ungedeckten Heimkosten aus seinem Sparvermögen zu bestreiten, führe zu
keinem anderen Ergebnis (Bescheid vom 28.11.2014).
5 Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im
Wesentlichen vor, sie könne auf das Sparvermögen des M. keinen Zugriff nehmen.
Außerdem habe sie über ihre Prozessbevollmächtigte bereits versucht, M zur
Übernahme der offenen Heimkosten zu bewegen. Hierauf habe sie indes keine
Antwort erhalten. Sie sei daher bedürftig. Deshalb komme es nicht darauf an, ob
zwischen ihr und M noch eine Bedarfsgemeinschaft bestehe; jedenfalls
übernehme M. ihr gegenüber keine finanzielle Verantwortung mehr. Insoweit sei
von einer einseitigen Aufkündigung der vormals bestehenden eheähnlichen
Gemeinschaft auszugehen. Im Übrigen wäre das Sparvermögen spätestens mit
Ablauf des Monats Januar 2015 verbraucht gewesen. Ergänzend verweist die
Klägerin auf den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Reutlingen vom 08.11.2006 -
S 12 SO 3629/06 ER -. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück: nach den
Bestimmungen des SGB XII dürften Personen in eheähnlicher Gemeinschaft
hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser
gestellt werden als Ehegatten. Deshalb bestimme sich die Hilfebedürftigkeit der
Klägerin nach ihren eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie
denen ihres eheähnlichen Partners M. Diese eheähnliche Lebensgemeinschaft
bestehe weiterhin. Allein die räumlich getrennte Unterbringung führe zu keinem
abweichenden Ergebnis, nachdem ein aktiv geäußerter Wille eines der
Lebensgefährten, die eheähnliche Lebensgemeinschaft zu beenden, nicht
festzustellen sei. Allein die Weigerung des M. zur Übernahme ungedeckter
Heimkosten aus seinem Vermögen lasse ein Aufgeben des Bekenntnisses zur
Lebensgemeinschaft mit der Klägerin nicht erkennen. Denn M. begleite und
unterstütze die Klägerin weiterhin fürsorglich durch tägliche Besuche in der
Pflegeeinrichtung. Die Partnerschaft erscheine mithin weiterhin gelebt und durch
gegenseitige Unterstützung geprägt. Wäre allein der fehlende Wille, angespartes
Vermögen zu Gunsten des eheähnlichen Partners einzusetzen, ausreichend, um
eine eheähnliche Gemeinschaft zu beenden, führe dies zu einer Aushöhlung der
gesetzlichen Regelung und einer vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollten
Besserstellung von Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft gegenüber
Eheleuten hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe. Der
Entscheidung des SG Reutlingen habe ein anders gelagerter Sachverhalt
zugrunde gelegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG;
Hinweis auf Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 20/11 R -) sei überdies die
Berücksichtigung eines fiktiven Vermögensverbrauchs nicht zulässig
(Widerspruchsbescheid vom 08.04.2015).
6 Deswegen hat die Klägerin am 13.04.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe
erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie im
Wesentlichen vor, mit ihrer Aufnahme ins Pflegeheim sei die häusliche
Gemeinschaft mit M. aufgehoben. Dieser weigere sich trotz mehrfacher
Aufforderung u.a. durch ihre Prozessbevollmächtigte, ihre ungedeckten
Heimkosten zu übernehmen. Da sie mit M. nicht verheiratet sei, habe sie weder
Unterhaltsansprüche gegen ihn noch eine sonstige rechtliche Handhabe, auf sein
Vermögen Zugriff zu nehmen. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr
Widerspruchsvorbringen.
7 Sie beantragt - teilweise sinngemäß -,
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den Bescheid vom 28. November 2014 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08. April 2015 aufzuheben und den Beklagten zu
verurteilen, ihr ab dem 08. April 2014 aus Sozialhilfemitteln Hilfe zur Pflege in
gesetzlichem Umfang zu gewähren.
9 Der Beklagte beantragt,
10 die Klage abzuweisen.
11 Er erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
12 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
13 Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der
Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14 Die Klage, über die die Kammer mit Einverständnis die Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG
-), ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4
i.V.m. § 56 SGG) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind
rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat
keinen Anspruch auf Hilfe zur Pflege aus Sozialhilfemitteln, weil sie nicht bedürftig
ist.
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1.
Dass die Klägerin zu dem Personenkreis gehört, der dem Grunde nach
Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des Siebten Kapitels SGB
XII (§ 61 ff. SGB XII) hat, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten und
unzweifelhaft. Die von ihr begehrten Hilfeleistungen hängen gem. §§ 19 Abs. 3 und
20 SGB XII aber davon ab, dass u.a. dem Leistungsberechtigten und der Person,
die mit ihm in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, d.h. ihrem Lebenspartner, die
Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften
des Elften Kapitels SGB XII nicht zuzumuten ist.
16
2.
Zunächst ist aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens festzustellen,
dass zwischen der Klägerin und M. während ihres rund 50 Jahre andauernden
Zusammenlebens im Anwesen X-Str. 6, B., eine eheähnliche Lebensgemeinschaft
im Sinne des § 20 SGB XII bestanden hat. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 87, 234 ff.) ist eine eheähnliche
Gemeinschaft eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau,
die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher
Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges
Einstehen der Partner füreinander begründen, mithin über die Beziehung in einer
reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Erfasst werden
solche Gemeinschaften, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass
von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens
erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr
füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen
Lebensunterhalt sicher stellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur
Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht
dauernd getrennt lebender Ehegatten vergleichbar. Das Bestehen einer solchen
eheähnlichen Lebensgemeinschaft während der Dauer des Zusammenlebens
bestreitet auch die Klägerin nicht. Hierfür spricht überdies der Umstand, dass sie
und M. Eltern eines gemeinsamen Kindes, des 1971 geborenen Sohnes P., sind
und die Klägerin nach den aktenkundigen Kontoauszügen jedenfalls bis zu ihrer
Aufnahme in die Pflegeeinrichtung die Kosten der Unterkunft und für die
Stromversorgung der gemeinschaftlichen Wohnung aus ihren eigenen Einkünften
in voller Höhe bestritten hat. Sie hat es damit M. ermöglicht, eigenes Vermögen
anzusparen.
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a)
Diese eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und M. besteht
zur Überzeugung der Kammer - trotz der Aufnahme der Klägerin in die
Pflegeeinrichtung am 05.02.2014 - auch weiter fort. Denn allein der Umstand, dass
einer der Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft wegen eines
pflegebedingten Aufenthaltes in einem Heim räumlich von dem anderen Partner
getrennt lebt und eine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen ihnen mithin nicht mehr
besteht, reicht nicht aus, ein Getrenntleben im Sinne sozialhilferechtlicher
Bestimmungen anzunehmen. Erforderlich ist vielmehr darüber hinaus, dass
wenigstens einer der Partner der eheähnlichen Lebensgemeinschaft den Willen
hat, sich von dem anderen Partner unter Aufgabe der bisherigen
Lebensgemeinschaft dauerhaft zu trennen
und
diesen Willen nach außen
erkennbar bekundet (vgl. insoweit BSG SozR 4-4200 § 9 Nr. 12; BSG SozR 4-
4200 § 7 Nr. 16; LSG Niedersachsen-Bremen, NZS 2010, 112; LSG Berlin-
Brandenburg, FEVS 61, 263 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.06.2007 - L 20 B
37/07 SO ER -; LSG Schleswig-Holstein vom 29.06.2011 - L 9 SO 25/09 -; Hess.
LSG vom 29.07.2008 - L 7 SO 133/07 ER - und vom 25.11.2011 - L 7 SO 194/09 -
und LSG Baden-Württemberg vom 04.11.2014 - L 7 SO 2290/14 B
- ). Einen solchen, nach außen dokumentierten
Trennungswillen der Klägerin und/oder des M. vermag das erkennende Gericht in
Übereinstimmung mit dem Beklagten vorliegend indes nicht zu erkennen. Denn
nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin sieht sich M. ihr weiterhin emotional
verbunden und besucht sie auch regelmäßig in der Pflegeinrichtung, nach der
aktenkundigen telefonischen Auskunft der dortigen Pflegedienstleitung vom
28.11.2014 sogar täglich. Zwar kann die Zuwendung des M. zur Klägerin durch
regelmäßige Besuche und gegebenenfalls fürsorgerische Handreichungen im
Pflegeheim allein noch nicht als Ausdruck eines Willens aufgefasst werden, die
frühere Lebensgemeinschaft mit der Klägerin fortzusetzen (vgl. LSG Berlin-
Brandenburg, FEVS 61, 263 ff.). Jedoch sind sonstige äußere Anhaltspunkte für
einen Trennungswillen des M. von der Klägerin nicht erkennbar.
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b)
Allein die Weigerung des M., die ungedeckten Pflegeheimkosten aus seinem
Sparvermögen von 16.507,34 EUR (vgl. insoweit die Auskunft der X-bank B. eG
vom 22.08.2014) zu bestreiten, führt ebenfalls nicht zur Aufhebung der
eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und M. Hinsichtlich der
Beendigung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft hat zwar bereits das BVerfG
darauf hingewiesen, dass eine solche jederzeit ohne ein rechtlich geregeltes
Verfahren wieder beendet werden kann (vgl. BVerfGE 87, 234, 265). Die einzelnen
Partner entscheiden also selbst über Begründung, Fortbestand und Beendigung
der eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Ein bestimmtes rechtliches Verfahren ist
für die Beendigung nicht vorgeschrieben. Ohne rechtlichen Hinderungsgrund kann
daher der nicht verheiratete Partner jederzeit sein bisheriges Verhalten ändern und
sein Einkommen und Vermögen ausschließlich zur Befriedigung eigener
Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtung verwenden. Wenn sich der
Partner entsprechend verhält, so besteht von diesem Zeitpunkt an eine
eheähnliche Gemeinschaft nicht mehr.
19 Eine derartige Verhaltensänderung des M. lässt sich aufgrund des
Gesamtergebnisses des Verfahrens aber auch zur Überzeugung der Kammer
nicht feststellen. Denn nach dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich kein Anhalt
dafür, dass trotz ihrer erheblichen Gesundheitsstörungen und der Notwendigkeit
einer dauerhaften Pflegeheimunterbringung eine Veränderung der seit rund 50
Jahren andauernden inneren Bindung des M. zur Klägerin stattgefunden hätte.
Insbesondere das Verhalten des M. nach dem Einzug der Klägerin in die
Pflegeeinrichtung mit täglichen Besuchen lässt nicht erkennen, dass er den Willen
zur Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft mit der Klägerin aufgegeben hat.
Dieser besteht nämlich auch dann fort, wenn sich die mögliche Kontaktpflege allein
auf Besuche des M. bei der Klägerin im Pflegeheim beschränkt (vgl. BSG SozR 4-
4200 § 9 Nr. 12 und BGH, FamRZ 1989, 479). Vorliegend kommt hinzu, dass M.
seit der Pflegeheimaufnahme der Klägerin die vormals gemeinsame Wohnung
weiterhin nutzt, nunmehr aus seinen Einkünften die hierfür anfallenden
Aufwendungen vollumfänglich trägt und auch weder vorgetragen noch ersichtlich
ist, dass er z.B. Kleidung und/oder sonstige persönliche Gegenstände der Klägerin
aus der Wohnung entfernt hat. Die bloße, vorliegend überdies nicht einmal
gerichtsfest belegte Behauptung der Klägerin, M. wolle sie finanziell nicht (mehr)
unterstützen, reicht nicht aus, die Aufgabe des Willens zur Verantwortungs- und
Einstandsgemeinschaft zu begründen (vgl. Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII,
19. Aufl. 2015, § 20, Rand-Nr. 22). Erforderlich ist vielmehr insoweit eine glaubhafte
Versicherung des M., das eigene Einkommen und/oder Vermögen künftig allein
zur eigenen Existenzsicherung verwenden zu wollen (vgl.
Schellhorn/Hohm/Schneider, a.a.O. und Schoch in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, §
20, Rand-Nr. 12), oder der Nachweis einer tatsächlich in diesem Sinne
vorgenommenen Verwendung. Daran fehlt es vorliegend. Wollte man im Übrigen
allein die Weigerung des Einkommens- oder Vermögenseinsatzes eines Partners
zugunsten des anderen ausreichen lassen, den Fortbestand einer eheähnlichen
Lebensgemeinschaft zu verneinen, wäre einer Umgehung des § 20 SGB XII, dem
zufolge Personen in eheähnlicher Gemeinschaft hinsichtlich der Voraussetzungen
und des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden dürfen als
Ehegatten, Tür und Tor geöffnet.
20
c)
Dass der Klägerin gegenüber M. kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zusteht,
begründet keine abweichende Entscheidung. Denn vorliegend geht es nicht um
die Berücksichtigung gesetzlicher Unterhaltsansprüche, sondern um den Einsatz
von Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII. Solange das Vermögen des M.
in einer den Freibetrag von 3.214,00 EUR (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 b der
Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) übersteigenden Höhe
vorhanden ist, steht es der Bedürftigkeit der Klägerin Monat für Monat (vgl. insoweit
BSG vom 25.08.2011 - B 8 SO 19/10 R - und Hess. LSG vom 18.09.2006 - L 7 SO
49/06 ER - ; ferner BVerwGE 106, 105 ff.) entgegen. Die Annahme
eines fiktiven Vermögensverbrauchs ist in Ermangelung einer gesetzlichen
Grundlage rechtlich nicht zulässig (vgl. BSG SozR 4-3500 § 19 Nr. 4 m.w.N.; ferner
Bay. LSG vom 21.11.2014 - L 8 SO 5/14 - und LSG Sachsen-Anhalt vom
12.12.2013 - L 8 SO 37/13 b - ). Dass die nach Abzug der eigenen
Einkünfte der Klägerin und der Leistungen der Pflegekasse verbleibenden
monatlichen Pflegeheimkosten den Betrag von 13.293,34 EUR (16.507,34 EUR
abzgl. 3.214,00 EUR) übersteigen, ist ebenfalls weder vorgetragen noch
ersichtlich.
21
d)
Anders ist auch nicht aufgrund des Beschlusses des SG Reutlingen vom
08.11.2006 - S 12 SO 3629/06 ER - zu entscheiden. Denn das SG
Reutlingen ist zu Unrecht von einer Aufhebung/Auflösung der nichtehelichen
Lebensgemeinschaft bereits allein aufgrund der pflegebedingten
Heimunterbringung eines der Partner und der damit verbundenen Auflösung der
Wohngemeinschaft ausgegangen. Überdies lag der dortigen Entscheidung
insoweit ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde, als neben der - im Übrigen
dort offenbar auch objektiv belegten - Weigerung des Lebenspartners, für die
ungedeckten Pflegeheimkosten aus eigenem Einkommen und Vermögen
aufkommen zu wollen, auch keine innere Bindung mehr bestand, nachdem die
Antragstellerin des dortigen Verfahrens von ihrem früheren Lebenspartner nicht
einmal Kleidungsstücke erhalten hatte.
22
e)
Schließlich und ohne dass dies noch entscheidungserheblich wäre, ist das
Begehren der Klägerin, soweit es die Zeit vom 05.02.2014 bis zum 31.05.2014
betrifft, auch deshalb nicht begründet, weil die während dieser Zeitspanne
angefallenen Pflegeheimkosten vollständig beglichen worden sind. Dies ergibt sich
zur Überzeugung des erkennenden Gerichts aus den handschriftlichen Vermerken
(„bezahlt“) der Tochter der Klägerin vom 04.04.2014 auf den aktenkundigen
Rechnungen des Pflegeheims vom 24.03.2014 und vom 31.03.2014 für die
Zeitspanne vom 05.04.2014 bis zum 31.03.2014 sowie den weiteren Vermerken
der Tochter der Klägerin auf der Rechnung des Pflegeheims vom 02.06.2014 für
den Monat Juni 2014, denen zufolge die Rechnungen für die Monate April und Mai
2014 aus Mitteln der Klägerin und deren Kinder übernommen wurden.
Anhaltspunkte dafür, dass die Mittel der Kinder der Klägerin nur darlehensweise
und im Vorgriff auf eventuelle Sozialhilfeleistungen aufgebracht wurden und
deshalb aktuell eine Bedarfslage auf Klägerseite weiterhin bestünde (vgl. insoweit
BVerwGE 21, 208, 209; 94, 127 ff und 96, 152, 157; Hess. LSG vom 16.06.2011 -
L 9 AS 658/10 B ER - sowie Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl.
2014, Einl., Rand-Nr. 151), sind weder vorgetragen noch aufgrund des
Gesamtergebnisses des Verfahrens ersichtlich.
23
3.
Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und
musste das Begehren der Klägerin erfolglos bleiben.
24 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.