Urteil des SozG Karlsruhe vom 23.02.2016

vergütung, darstellung des sachverhaltes, reformatio in peius, entschädigung

SG Karlsruhe Beschluß vom 23.2.2016, S 1 SF 568/16 E
Sozialgerichtliches Verfahren - Sachverständigengutachten - Schreibgebühren -
Vergütungspauschale
Leitsätze
Die in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JVEG festgesetzte Vergütungspauschale für die
Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens schließt eine höhere
Vergütung auch dann aus, wenn der Sachverständige insoweit einen höheren
Aufwand nachweist.
Tenor
Die Vergütung des Antragstellers für sein im Hauptsacheverfahren S ... SB .../...
erstelltes Gutachten vom 29. Januar 2016 wird auf 872,23 EUR festgesetzt.
Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
I.
1 Im Hauptsacheverfahren S ... SB .../... streiten die dortigen Beteiligten um die
Höherbewertung des Grades der Behinderung im Sinne des
Schwerbehindertenrechts. Die Vorsitzende der ... Kammer des Sozialgerichts
Karlsruhe ernannte den Antragsteller mit Verfügung vom 12.01.2016 auf Antrag
und im Kostenrisiko des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes zum
gerichtlichen Sachverständigen und beauftragte ihn mit der Erstellung eines
schriftlichen Gutachtens. Hierfür lagen dem Antragsteller die Verwaltungsakte des
Beklagten (71 Bl.) sowie die Prozessakte S ... SB .../... (62 Bl.), insgesamt 133 Bl.
Aktenunterlagen, vor. Am 04.02.2016 legte der Antragsteller sein am 29.01.2016
erstelltes Gutachten im Umfang von 14 Textseiten mit - geschätzt - 27.500
Anschlägen vor. Hierfür machte er eine Vergütung von insgesamt 967,19 EUR
geltend. Dabei legte er einen Zeitaufwand von 10,5 Zeitstunden und ein Honorar
von 75,00 EUR je Stunde zugrunde. Außerdem machte er eine Entschädigung für
Röntgenaufnahmen (19,14 EUR), das Anfertigen von 28 Kopien (14,00 EUR) und
Portoaufwendungen (11,60 EUR) geltend. Weiter beanspruchte er eine Vergütung
für Schreibgebühren in Höhe von 124,95 EUR unter Vorlage einer Rechnung von
„M.“, M., über diesen Betrag (einschl. Umsatzsteuer).
2 Der Kostenbeamte hat die Vergütung nach Prüfung der Abrechnungsunterlagen
auf insgesamt 872,23 EUR festgesetzt. Dabei ist er von dem
Entschädigungsantrag des Antragstellers allein bezüglich des
Abrechnungspostens „Schreibgebühren“ abgewichen; diesen hat er auf 29,99
EUR, errechnet aus 28 x 0,90 EUR (= 25,20 EUR) zzgl.19 % Mehrwertsteuer
hieraus, das sind 4,79 EUR, festgesetzt (Schreiben vom 08.02.2016).
3 Deswegen hat der Antragsteller am 18.02.2016 die richterliche Festsetzung seiner
Vergütung beantragt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, der
Kostenbeamte habe zu Unrecht eine Kürzung des Aufwands für Schreibgebühren
vorgenommen.
4 Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom
22.02.2016) und sie dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
5 Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens des
Antragstellers wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungs-, Prozess- und
Kostenakten Bezug genommen.
II.
6 Auf den statthaften und zulässigen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Justizvergütungs- und -
entschädigungsgesetzes ) Antrag ist die Vergütung des Antragstellers für
sein dem Sozialgericht Karlsruhe am 04.02.2016 zugegangenes Gutachten vom
29.01.2016 - in Übereinstimmung mit dem Kostenbeamten - auf 872,23 EUR
festzusetzen.
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1.
Bei dem Antrag auf richterliche Festsetzung sind alle für die Bemessung der
Vergütung maßgebenden Umstände zu prüfen, unabhängig davon, ob sie
angegriffen werden (vgl. Bay. VGH vom 10.10.2005 - 1 B 97.1352 - und Thür. LSG
vom 07.01.2014 - L 6 SF 1048/13 E - und vom 11.11.2015 - L 6 JVEG 581/15 -
; ferner Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 4,
Rand-Nr. 12 m.w.N.). Das Gericht ist nicht an die Höhe der Einzelansätze,
Stundenansätze oder die Gesamthöhe der Vergütung oder die Anträge der
Beteiligten gebunden; es kann die Vergütung nur nicht höher festsetzen als vom
Erinnerungsführer beantragt. Nachdem überdies die Erinnerung kein Rechtsbehelf
ist und die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung gem. § 4 Abs. 1 JVEG
keine Überprüfung der von dem Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung
darstellt (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage 2014, § 4 JVEG, Rand-Nr.
10), sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung der Vergütung, gilt
auch das Verschlechterungsverbot (sog. „reformatio in peius“) bei der erstmaligen
richterlichen Festsetzung nicht (vgl. u.a. Thür. LSG vom 11.11.2015 - L 6 JVEG
1270/15 - m.w.N.; Bay. LSG vom 06.02.2014 - L 15 SF 13/14 - ;
LSG Niedersachsen, NZS 2002, 224 sowie Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., §
4 Rand-Nr. 3; Hartmann, a.a.O., § 4 JVEG, Rand-Nr. 10 und Gies in
Schneider/Volpert/Fölsch (Hrsg.), Gesamtes Kostenrecht, 1. Auflage 2014, § 4
JVEG, Rand-Nr. 8). Mit dem Antrag auf richterliche Festsetzung der Vergütung wird
eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den
Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (vgl. BGH,
Breithaupt 1969, 364, 365; Bay. LSG vom 04.07.2014 - L 15 SF 123/14 - und LSG
Baden-Württemberg vom 28.05.2015 - L 12 SF 1042/14 E - ; ferner
Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O.). Das Schreiben des Kostenbeamten vom
08.02.2016 entfaltet deshalb weder eine irgendwie geartete Bindungswirkung noch
gar eine Präjudizwirkung für die Entscheidung des erkennenden Gerichts.
8 Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Vergütung des Antragstellers sind die §§
8 und 9 JVEG in der hier maßgebenden (§ 24 JVEG), seit dem 01.08.2013
geltenden Fassung des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom
23.07.2013 (BGBl. I Seite 2586). Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten u.a.
Sachverständige als Vergütung ein Honorar für ihre Leistungen i.S.d. §§ 9 bis 11
(Nr. 1), eine Entschädigung für Aufwand (§ 6) sowie Ersatz für sonstige und für
besondere Aufwendungen gem. §§ 7 und 12 (Nr. 4). Soweit das Honorar nach
Stundensätzen zu bemessen ist, wird es für jede Stunde der erforderlichen Zeit
einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (§ 8 Abs. 2 Satz 1
JVEG). Die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn sie zu mehr
als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; andernfalls beträgt
das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags (§ 8
Abs. 2 Satz 2 JVEG).
9 Der Sachverständige erhält für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 75,00 EUR
für ein Gutachten nach der Honorargruppe M2 (§ 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG). In dieser
Honorargruppe sind beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtungen nach
standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit
einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem
Schwierigkeitsgrad einzuordnen, insbesondere Gutachten im Verfahren nach dem
Schwerbehindertenrecht (vgl. Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG).
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a)
Gemessen daran ist der vom Antragsteller für die Fertigung seines Gutachtens
vom 29.01.2016 beanspruchte Zeitaufwand von 10,5 Stunden wie auch die Höhe
des Honorars je Stunde (75,00 EUR) nicht zu beanstanden. Damit ergibt sich eine
Vergütung des reinen Zeitaufwands von 787,50 EUR.
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b)
Weiter hat der Antragsteller Anspruch auf Vergütung für die von ihm
durchgeführten Röntgenuntersuchungen nach den Gebühren-Nrn. 5105 (23,31
EUR) und 5298 (25% des Betrages gem. Gebühren-Nr. 5105, d.s. 5,83 EUR) der
Gebührenordnung für Ärzte in Höhe von insgesamt 29,14 EUR - wie geltend
gemacht - (§ 10 Abs. 1 und 2 JVEG).
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c)
Außerdem steht ihm eine Vergütung für das Anfertigen von 2 x 14 Fotokopien
seines Gutachtens (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG) in Höhe von 0,50 EUR je Seite,
das sind 14,00 EUR, und für das von ihm verauslagte Porto (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr.
1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 4 JVEG) in Höhe von 11,60 EUR zu.
13
d)
Nicht begründet ist die Erinnerung indes, soweit der Antragsteller eine höhere
Vergütung für Schreibgebühren als 29,99 EUR fordert. Der Anspruch auf
Vergütung von Schreibgebühren folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs.
1 Nr. 4 JVEG. Danach werden für die Erstellung eines schriftlichen Gutachtens
0,90 EUR je angefangene 1.000 Anschläge gesondert ersetzt; ist die Zahl der
Anschläge nicht bekannt, ist diese zu schätzen.
14 Daran orientiert steht dem Antragsteller für die das schriftliche Anfertigen seines
Gutachtens im Umfang von - geschätzt - 27.500 Zeichen eine (Netto-
)Entschädigung von 28 x 0,90 EUR, mithin 25,20 EUR, zu. Zu diesem Betrag
hinzuzuaddieren ist die gesetzliche Umsatzsteuer in Höhe von 19 % aus diesem
Betrag, das sind 4,79 EUR (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 4 JVEG).
Damit steht dem Antragsteller für Schreibgebühren keine höhere Vergütung als
29,99 EUR zu. Dabei brauchte das erkennende Gericht nicht darüber zu befinden,
ob dieser Betrag für das Schreiben eines 14-seitigen Gutachtens ausreichend oder
angemessen ist. Denn mit der vom Gesetzgeber auf 0,90 EUR für jeweils
angefangene 1.000 Anschläge des Gutachtenstextes festgesetzten
Vergütungspauschale wird der gesamte mit der Erstellung des Gutachtens
verbundene Aufwand einschließlich der Kosten einer hierfür eingesetzten Hilfskraft
(Schreibkraft) abgegolten. Der Sachverständige kann deshalb für die Fertigung
des schriftlichen Gutachtens selbst dann keine höhere Entschädigung erhalten,
wenn er - wie hier - einen höheren Aufwand nachweist (vgl. Bay. LSG vom
30.11.2011 - L 15 SF 97/11 -, Rand-Nr. 56 sowie
Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 12, Rand-Nr. 26, Buchstaben a) und b) und
Hartmann, a.a.O., § 12, Rand-Nr. 15).
15
2.
Mithin ist die Gesamtvergütung des Antragstellers für sein am 29.01.2016
erstelltes Sachverständigengutachten in Übereinstimmung mit dem
Kostenbeamten auf 872,23 EUR festzusetzen.
16 Die Entscheidung über die Gebühren und Kosten beruht auf § 4 Abs. 8 Sätze 1
und 2 JVEG.