Urteil des SozG Karlsruhe vom 06.08.2015

auflage, rechtskraft, unterrichtung, kostenverfügung

SG Karlsruhe Beschluß vom 6.8.2015, S 1 SF 2450/15 E
Sozialgerichtliches Verfahren - Kostenfestsetzung - Aufwendungen für vom
Gericht angefertigte Kopien von Schriftsätzen - kein Vollstreckungshindernis
durch Anhörungsrüge gegen Hauptsacheentscheidung
Leitsätze
Legt ein Prozessbeteiligter seine Schriftsätze nicht in ausreichender Anzahl vor, hat er
die für das Anfertigen der erforderlichen Mehrfertigungen entstehenden
Gerichtskosten zu erstatten.
Das Erheben einer Anhörungsrüge lässt die Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung
unberührt und steht der Vollstreckbarkeit von Gerichtskosten nicht entgegen.
Tenor
Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen die Kostenfestsetzung der
Kostenbeamtin des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Aussetzung des Kostenfestsetzungsverfahrens wird abgelehnt.
Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1 Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (S 5 R .../13), zu dem u.a.
der Erinnerungsführer beigeladen war (Beschluss von 09.07.2013), war umstritten,
ob der Erinnerungsführer zwischen Juni 2001 und dem 26.10.2011 bei der
Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Durch
Urteil vom 04.11.2013 hob die 5. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe die
streitgegenständlichen Bescheide des beklagten Rentenversicherungsträgers auf
und stellte fest, der Erinnerungsführer habe seine Tätigkeit bei der Klägerin nicht im
Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt.
Zugleich verurteilte sie die Beklagte zur Tragung der Kosten des Verfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die dagegen
erhobene Berufung des Erinnerungsführers hatte keinen Erfolg (Urteil des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21.10.2014 - L 11 R .../13 -). Auch
die von ihm zum Bundessozialgericht (BSG) erhobene Beschwerde wegen der
Nichtzulassung der Revision blieb erfolglos (Beschluss vom 24.06.2015 - B 12 R
.../14 B -).
2 Nach seiner Beiladung zum Verfahren legte der Kläger - trotz richterlicher Auflage
im Beiladungsbeschluss, Schriftsätze und Anlagen künftig in 6-facher Fertigung
einzureichen - seine Schriftsätze vom 15.08.2013, 20.08.2013, 03.09.2013,
14.10.“2015“, 19.10.2013, 21.10.2013 und vom 24.10.2013 jeweils nicht in
ausreichender Anzahl vor. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle musste daher
zur Unterrichtung der übrigen Verfahrensbeteiligten von diesen Schriftsätzen und
Anlagen Fotokopien (insgesamt 152) anfertigen. Hierfür setzte sie gegen den
Erinnerungsführer Kosten in Höhe von 40,30 EUR fest (Verfügung vom
13.07.2015).
3 Dagegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom - ohne Datum -, beim
erkennenden Gericht am 28.07.2015 eingegangen, Erinnerung erhoben mit der
Begründung, seine Prozessbevollmächtigten hätten gegen den Beschluss des
BSG vom 24.06.2015 Anhörungsrüge erhoben. Sofern die Rüge durchgreife,
müsse das BSG „das ganze Verfahren in seine Ausgangslage zurückversetzen“
und sei die Kostenverfügung überholt. Er beantrage deshalb die
Verfahrensaussetzung bis zum Abschluss des Anhörungsrügeverfahrens.
4 Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem erkennenden
Gericht zur Entscheidung vorgelegt (Verfügung vom 04.08.2015).
5 Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens des
Erinnerungsführers wird auf den Inhalt der vorliegenden Prozess- und Kostenakten
Bezug genommen.
II.
6 Die nicht form- und fristgebundene (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage
2014, § 66 GKG, Rand-Nr. 15) Erinnerung des Erinnerungsführers gegen die
Kostenfestsetzung der Kostenbeamtin des Sozialgerichts Karlsruhe vom
13.07.2015 ist gem. § 66 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG)
statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat die Kostenbeamtin
gegen den Erinnerungsführer Kosten in Höhe von 40,30 EUR festgesetzt.
7 1. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG finden die Vorschriften des GKG für Verfahren vor
den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG)
Anwendung, soweit nach dem SGG das GKG anzuwenden ist. Hierzu gehört auch
der Rechtsstreit S 5 R .../13, weil in diesem weder die Klägerin noch die Beklagte
zu dem in § 183 SGG genannten kostenprivilegierten Personenkreis gehörten, für
den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit kostenfrei sind (§ 197 a
Abs. 1 Satz 1, erster Halbsatz SGG). Gem. § 3 Abs. 2 GKG werden in diesem Fall
Kosten nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zum GKG erhoben. Zu den
Kosten zählen Aufwendungen für Ausfertigungen, Kopien und Ausdrucke bis zur
Größe von DIN A 3, die angefertigt worden sind, weil ein Beteiligter es unterlassen
hat, die erforderliche Anzahl von Mehrfertigungen beizufügen. Der Anfertigung
steht es gleich, wenn per Telefax übermittelte Mehrfertigungen von der
Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt werden. In diesem Fall ist nach
dem Gesetz eine Kostenpauschale in Höhe von 0,50 EUR für die ersten 50 Seiten
je Seite und von 0,15 EUR für jede weitere Seite zu erheben (Nr. 9000 Ziff. 1
Buchstabe b) KV-GKG).
8 2. Daran orientiert ist der Erinnerungsführer als zum Verfahren Beigeladener (§ 75
Abs. 2 SGG) Beteiligter des Verfahrens (§ 69 Nr. 3 SGG). Er hat, da er der
richterlichen Aufforderung zur Vorlage von Schriftsätzen und Anlagen in jeweils
ausreichender Anzahl - hier: 6-fach - nicht nachgekommen ist, die Kosten für die
vom Gericht deshalb zur Unterrichtung der übrigen Verfahrensbeteiligten
angefertigten (insgesamt 152) Kopien seiner Schriftsätze und Anlagen in Höhe von
40,30 EUR (= 50 x 0,50 EUR = 25,00 EUR zzgl. 102 x 0,15 EUR = 15,30 EUR) zu
tragen und an die Staatskasse zu entrichten. Denn nachdem das Urteil des
Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.11.2013 mit der Zustellung des Beschlusses über
die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BSG am 24.06.2015
rechtskräftig geworden ist (§ 202 SGG i.V.m. § 705 der Zivilprozessordnung; vgl.
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 141, Rn. 2a m.w.N.), steht
fest, dass der Kläger insoweit Kostenschuldner ist. Die Höhe der von der
Kostenbeamtin festgesetzten Kosten hat er mit der Erinnerung nicht angegriffen.
Eine unrichtige Berechnung der Kosten ist auch für das erkennende Gericht mit
Blick auf die detaillierte Aufstellung der Kostenbeamtin, die ihrer Kostenverfügung
vom 13.07.2015 als Anlage beigefügt war, nicht ersichtlich.
9 Der Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.11.2013 steht
nicht entgegen, dass dem Vorbringen des Erinnerungsführers zufolge seine
Prozessbevollmächtigten zu dem Beschluss des BSG vom 24.06.2015
Anhörungsrüge gem. § 178a SGG erhoben haben. Denn die Anhörungsrüge ist
mangels Devolutiveffekts lediglich ein außerordentlicher Rechtsbehelf zur
Selbstkontrolle des Gerichts wegen eines ihm unterlaufenen Verfahrensfehlers
(vgl. BVerwG, AGS 2010, 304, R. 4 sowie Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO,
4. Aufl. 2014, § 152a, Rn. 4), jedoch kein Rechtsmittel zur Überprüfung der
inhaltlichen Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung. Sie lässt deshalb die
Rechtskraft der angegriffenen Entscheidung unberührt (vgl. BVerwG, AGS 2010,
304, Rn. 4; BGH vom 24.02.2005 - III ZR 263/04 -, Rn. 9 sowie Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 178a, Rn. 2 m.w.N. und Kopp/Schenke, VwGO
21. Aufl. 2015, § 152a, Rn. 4) und hindert auch eine Vollstreckung nicht (vgl.
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn. 11).
10 Schließlich liegt auch kein Fall des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG vor, demzufolge
Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht
erhoben werden. Denn die Kosten für das Anfertigen von Mehrfertigungen seiner
Schriftsätze und Anlagen war erforderlich, weil der Erinnerungsführer - entgegen
der richterlichen Auflage im Beschluss vom 09.07.2013 - seine nachfolgenden
Schriftsätze jeweils nicht in der erforderlichen Anzahl zur Unterrichtung der übrigen
Verfahrensbeteiligten vorgelegt hatte.
11 Angesichts dessen war der Erinnerung nicht stattzugeben und liegen auch die
Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens bis zur abschließenden
Entscheidung des BSG über die Anhörungsrüge nicht vor.
12 Die Entscheidung über die Gebühren und Kosten folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.