Urteil des SozG Hildesheim vom 23.09.2009

SozG Hildesheim: ablauf der frist, hauptsache, informatiker, weiterbildungskosten, rechtsschutz, vollstreckung, widerruf, verordnung, fahrtkosten, vollziehung

Sozialgericht Hildesheim
Beschluss vom 23.09.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 26 AS 1577/09 ER
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, vorläufig die vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2010, längstens jedoch
bis zum Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der Abschlussprüfung, bis zur Beendigung des
Ausbildungsvertrages oder bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren S 26 AS 737/09, entstehenden Lehrgangs-
und Fahrkosten für die Weiterbildung des Antragstellers zum "Staatlich geprüften Informatiker - Schwerpunkt
Medieninformatik" bei dem Bildungszentrum für informationsverarbeitende Berufe gGmbH, E. an deren Niederlassung
in F. zu tragen; im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. 2. Dem Antragsteller wird ab Antragstellung Prozesskostenhilfe
ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin G. bewilligt. 3. Der Antragsgegner hat die notwendigen
außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Weiterbildungskosten im
Rahmen eines Leistungsverhältnisses nach dem SGB II.
Der 1976 geborene Antragsteller steht seit Juni 2008 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II).
Auf Antrag stellte der Antragsgegner einen vom 25.07.2008 bis 25.10.2008 gültigen Bildungsgutschein mit dem
Bildungsziel Informatiker/in Medieninformatik für eine Weiterbildungsdauer bis zu 24 Monaten aus. In dem
Begleitschreiben zum Bildungsgutschein vom 25.07.2008 sowie auch auf dem Bildungsgutschein selbst wurde der
Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Kosten für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung übernommen
werden, solange Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vorliege und die Weiterbildung für die Weiterbildungsförderung
nach § 85 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zugelassen sei.
Der Antragsteller schloss mit dem Bildungszentrum für informationsverarbeitende Berufe gGmbH, Fürstenallee 3 - 5,
33102 Paderborn (Maßnahmeträger) einen Ausbildungsvertrag für eine Weiterbildung an deren Ausbildungsstandort in
Hannover über den vom 01.10.2008 bis zum 30.09.2010 durchzuführenden Ausbildungsgang Staatlich geprüfter
Informatiker mit Schwerpunkt Medieninformatik. Der Maßnahmeträger übersandte daraufhin eine ausgefüllte
Ausfertigung des Bildungsgutscheins an den Antragsgegner.
Mit Bescheid vom 16.09.2008 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Förderung der Maßnahme ab. Zur Begründung
führte er an, die Maßnahme überschreite die Höchstförderungsdauer. Die Verweildauer in der Maßnahme würde den
Zulassungszeitraum überschreiten und es bestünde keine Möglichkeit den Zulassungszeitraum zu verlängern.
Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 26.09.2008 Widerspruch.
Auf seinen Antrag vom 17.09.2008 verpflichtete das Sozialgericht Hildesheim den Antragsgegner mit Beschluss vom
30.09.2008 zur vorläufigen Übernahme der Weiterbildungs- und der Fahrtkosten ab 01.09.2008 (S 24 AS 1719/08 ER).
Mit Bescheid vom 06.10.2008 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 16.09.2008 auf und bewilligte dem
Antragsteller "unter dem Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache (zu Widerspruch 3229/08) sowie unter dem
Vorbehalt der Rückforderung" Fahr- und Lehrgangskosten in Höhe von 10.955,24 EUR für den Zeitraum vom
01.10.2008 bis 30.09.2009. Den hiergegen unter dem 05.11.2008 erhobenen und mit der auf ein Jahr befristeten
Bewilligung begründeten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2009 (W 3884/08)
zurück. Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsteller am 30.04.2009 Klage zum Sozialgericht Hildesheim (S 26
AS 737/09), über die noch nicht entschieden ist.
Am 26.08.2009 hat der Antragsteller erneut um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, weil das zweite
Ausbildungsjahr, für die der Antragsgegner die Kosten nicht übernehme, unmittelbar bevorstehe. Es reiche aus, dass
sich der Ausbildungsort im Tagespendelbereich befinde und die Maßnahme zum Zeitpunkt der Bewilligung zugelassen
sei.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Antragsteller die weiteren
Weiterbildungskosten einschließlich der Fahrtkosten für den Ausbildungsgang "Staatlich geprüfter
Informatiker/Medieninformatik" am b. i. b. International College, H. ab 01.10.2009 sowie fortlaufend bis zum
30.09.2010 zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er unter Verweis auf seinen Vortrag aus dem Verfahren S 24 AS 719/08 ER aus, die Maßnahme
sei nur noch bis zum 12.03.2010 zugelassen und entspreche ab dem 13.03.2010 nicht mehr den Anforderungen nach
§ 85 SGB III.
Das Gericht hat mit Verfügung vom 08.09.2009 eine schriftliche Auskunft der I. - im Folgenden: J. - eingeholt. Diese
hat unter dem 15.09.2009 mitgeteilt, der Maßnahmeträger und der Ausbildungsgang zum Staatlich geprüften
Informatiker mit Schwerpunkt Medieninformatik seien bis zum 18.02.2010 bzw. 12.03.2010 i. S. d. §§ 84, 85 SGB III
i. V. m. der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung zugelassen. Am 17.05.2009 sei ein Zusatz in die Anlage zum
Zertifikat aufgenommen worden, dass die Finanzierung des letzten Maßnahmedrittels bei Zulassung nicht vorgelegen
habe. Aufgrund dieses Zusatzes sei die Förderung der Maßnahme durch Bildungsgutscheine bereits aktuell
ausgeschlossen und stehe auch einer erneuten Zulassung entgegen. Der Maßnahmeträger habe für sich bislang keine
weitergehende Zulassung beantragt. Die üblichen Bearbeitungszeiten für einen solchen Antrag betrügen ca. drei
Wochen. Erkenntnisse, die einen Widerruf der erteilten Zulassung begründen bzw. einer erneuten Zulassung des
Trägers entgegen stehen könnten, lägen ihr nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen. II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und im erkannten Umfang begründet.
1. Der Zulässigkeit des Antrages steht nicht entgegen, dass das Gericht mit rechtskräftigem Beschluss vom
30.09.2008 - S 24 AS 1719/08 ER - den Antragsgegner zur vorläufigen Übernahme der Weiterbildungs- und der
Fahrtkosten ab 01.09.2008 verpflichtet hat. Vielmehr ist dieser Beschluss nicht mehr vollziehbar, denn er ist innerhalb
eines Monats nach seiner Bekanntgabe nur teilweise vollzogen und hinsichtlich des verbleibenden Teils die
Vollziehung nicht zumindest eingeleitet worden.
Dies folgt aus § 929 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf
eine einstweilige Anordnung entsprechend anwendbar ist.
Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung eines Arrestbefehls - hier der einstweiligen Anordnung - unstatthaft, wenn
seit dem Tage, an dem Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat
verstrichen ist. Daraus folgt, dass die Vollziehung einer einstweiligen Anordnung nach Ablauf der Frist unstatthaft ist
und diese ihren Regelungsgehalt verliert. Deshalb ist die Anordnung nach Fristablauf wirkungslos und auf eventuellen
Antrag aufzuheben (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 04.01.2007 - L 11 B 509/06 AS
ER m. w. N.).
Der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 30.09.2008 ist dem Antragsteller am 02.10.2008 zugestellt worden.
Er hätte somit spätestens am Montag, den 03.11.2008 die Vollstreckung einleiten müssen. Das ist nicht erfolgt.
Ob anstelle der Zustellung des Beschlusses für den Beginn der Monatsfrist darauf abzustellen ist, wann der
Vollstreckungsgläubiger feststellt, dass der öffentlich-rechtliche Vollstreckungsschuldner tatsächlich den Beschluss
nicht befolgen will (zu § 123 Abs. 3 VwGO: Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 8. Dezember 1987 - 6 B 90/87 ) kann
hier dahin stehen. Auch dann hätte der Antragsteller es versäumt, die Vollstreckung rechtzeitig zu beantragen. Er
hatte mit Bekanntgabe des Bescheides vom 06.10.2009 Kenntnis davon, dass der Antragsgegner den Beschluss
nicht befolgen würde (was ihn auch zum Widerspruch veranlasste). Unter Berücksichtigung der Zugangsvermutung
des § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X hätte die Vollstreckung also spätestens am Montag, den 10.11.2008 beantragt werden
müssen.
2. Der Antrag ist auch im erkannten Umfang begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen
Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher
Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Falle des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. Oktober 1977, Az.: 2 BvR 42/76, BvR 46, 166, 179, 184). Steht dem
Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten den Ausgang
des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet. Eine
aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen
Verfahren ist jedoch nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung
unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können (LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 08.09.2004 - L 7 AL 103/04 ER -).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Die Rechtsgrundlage für die begehrte Leistung ergibt sich aus § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes
vom 17.07.2009 (BGBl. I S. 1990) in Verbindung mit §§ 77, 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 80, 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der
Fassung des Gesetzes vom 16.07.2009 (BGBl. I S. 1959).
Nach § 77 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der
Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich
einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden
Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung
durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung
zugelassen sind.
Das Vorliegen der persönlichen Förderungsvoraussetzungen nach § 77 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III ist im Rahmen
dieses Verfahrens nicht mehr zu prüfen. Durch den dem Antragsteller von dem Antragsgegner erteilten
Bildungsgutschein kann - jedenfalls im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes - davon ausgegangen werden, dass
der Antragsteller diese persönlichen Fördervoraussetzungen erfüllt (siehe § 77 Abs. 4 S. 1 SGB III und LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 27.05.2008 - L 7 AS 253/08 ER ). Der Bildungsgutschein ist eine
Leistungsbewilligung dem Grunde nach. Er dokumentiert als Verwaltungsakt nicht nur, dass die persönlichen
Fördervoraussetzungen erfüllt sind, sondern auch, dass der Antragsgegner sein Ermessen dahin ausgeübt hat, die
Teilnahme des Antragstellers an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung durch die gesetzlichen Leistungen zu
fördern (Stratmann, in: Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 77 Rn. 32).
Eine Beratung des Antragstellers (§ 77 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III) hat zumindest telefonisch am 14. Juli 2008
stattgefunden.
Der vom Hilfebedürftigen gewählte Träger und die Bildungsmaßnahme waren auch i. S. d. § 77 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB
III zugelassen.
Die Frage der Zulassung des Bildungsträgers und der Maßnahme ist trotz des erteilten Bildungsgutscheines zu
prüfen. Im Rahmen der Vorgaben des Bildungsgutscheins kann der Arbeitslose selbst entscheiden, in welcher
Maßnahme er sich fördern lassen möchte (vgl. Sächsisches LSG, Beschl. v. 31.01.2005 - L 2 B 192/04 AL-ER -;
OVG Bremen, Beschl. v. 24.08.2007 - S 1 B 246/07 -). Damit scheidet es zwangsläufig aus, dass bereits bei
Erteilung des Bildungsgutscheines festgestellt wird, ob die Maßnahme und der diese anbietende Bildungsträger
zertifiziert sind.
Die Prüfung ist jedoch darauf beschränkt, ob der vom Antragsteller gewählte Träger und die gewünschte Maßnahme
zum Maßnahmebeginn - hier der 01.10.2008 - zugelassen ist.
Zwar erstrebt der Antragsteller in der Hauptsache die Gewährung der gesamten Fahr- und Lehrgangskosten bis zum
Abschluss seiner Bildungsmaßnahme, die planmäßig bis zum 30.09.2010 erfolgen soll. Es handelt sich also um ein
(Anfechtungs- und) Leistungsbegehren, für das im Regelfall die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung maßgeblich ist (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 54 Rn. 34). Allerdings
kann ausnahmsweise Abweichendes gelten, wenn das Gesetz für das Entstehen eines Anspruch auf einen
begünstigenden Verwaltungsakt auf einen bestimmten Zeitpunkt abstellt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113
Rn. 221). Dies ist für den hier streitigen Anspruch auf Weiterbildungskosten zu bejahen. Die §§ 77, 79 ff. SGB III
enthalten zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, zu welchem Zeitpunkt die Förderungsvoraussetzungen
vorliegen müssen. Es genügt jedoch auch, dass sich dem materiellen Recht durch Auslegung oder aus der Natur der
Sache entnehmen lässt, dass der Anspruch auch bei einem späteren Wegfall seiner Voraussetzungen fortbestehen
soll (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., Rn. 223). Bei den Kosten einer Bildungsmaßnahme von zwei Jahren Dauer ist dies
systemimmanent. Wegen der vom Teilnehmer einzugehenden vertraglichen Bindung und weiterer erheblicher
Aufwendungen bedarf dieser einer bereits bei Beginn der Maßnahme vorliegenden und die gesamte
Weiterbildungsmaßnahme erfassenden Dispositionsgrundlage. Dies dient nicht nur dem beiderseitigen Interesse an
einer erfolgreichen Wiedereingliederung, sondern auch einer sparsamen Mittelverwendung. Letzteres zeigt sich in der
Vorschrift des § 85 Abs. 2 S. 3 SGB III, nach der die Finanzierung des letzten Maßnahmedrittels bei Beginn der
Maßnahme gesichert sein muss. Insgesamt verdeutlichen die maßgeblichen Rechtsvorschriften, dass die rechtlichen
und finanziellen Voraussetzungen bei Beginn der Maßnahme umfassend geklärt sein sollen, damit ein hieraus
bedingter Abbruch der Maßnahme und die daraus folgende "Fehlinvestition" vermieden wird.
Deshalb ist dem Antragsgegner (auch weiterhin) nicht darin zu folgen, dass eine erst nach Maßnahmebeginn
auslaufende Träger- oder Maßnahmezulassung der Förderung entgegen stehen kann. Aufgrund der regelmäßigen
Befristung der Zertifizierungen könnten längere Weiterbildungsmaßnahmen in vielen Fällen mit dem Argument
abgelehnt werden, dass die weitere Zulassung des Trägers oder der Maßnahme nicht gesichert sei. Damit bestünde
aufgrund der regelmäßigen Befristung des Bildungsgutscheines im Einzelfall zumindest faktisch die Möglichkeit, die
Begünstigung eines erteilten Bildungsgutscheines nachträglich ohne Einhaltung der rechtlichen Schranken des § 45
SGB X zu beseitigen. Würde eine Kostenübernahme unter Hinweis auf die auslaufende Zulassung abgelehnt, wird es
dem Hilfeempfänger in vielen Fällen nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich sein, innerhalb der
verbleibenden Zeit einen den Vorgaben des Bildungsgutscheines entsprechenden Bildungsträger mit freier
Ausbildungskapazität zu finden.
Zudem erforderte eine Berücksichtigung eines zukünftigen Auslaufens zumindest in den meisten Fällen eine
(prognostische!) Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen. Es kann hier offen bleiben, ob der Grundsicherungsträger
hierzu überhaupt fachlich und organisatorisch in der Lage wäre. Jedenfalls ist er hierzu in dem Umfang nicht
berechtigt, in dem eine Maßnahme oder ein Träger bei Beginn einer Maßnahme von einer fachkundigen Stelle
zertifiziert ist. Ebenso wie der Träger der Arbeitslosenversicherung ist auch der Grundsicherungsträger an die
Entscheidung der für die Zulassung berufenen fachkundigen Stelle i. S. d. §§ 84, 85, 87 SGB III i. V. m. §§ 1 - 3 der
Anerkennungs- und Zulassungsverordnung - Weiterbildung - AZWV vom 16.06.2004 gebunden und deshalb an der
Kontrolle der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen gehindert. Bereits die Gesetzesbegründung zu § 85 SGB III
bringt hinreichend zum Ausdruck, dass es sich um eine originäre Entscheidungskompetenz der fachkundigen Stellen
handeln soll, die insoweit die Entscheidung durch den Leistungsträger ersetzt (BT-Drucks 15/25 S. 30 zu §§ 84, 85).
Für eine Bindung spricht auch, dass nur im Einzelfall und über die Zulassung der fachkundigen Stellen hinausgehend
weitere Maßnahmen zugelassen werden können (§ 12 AZWV). Schließlich würde § 86 Abs. 2 S. 2 SGB III ohne eine
grundsätzlich gegebene Bindung an die Zulassung mangels eigenständigen Regelungsgehalts keinen Sinn ergeben
(Hessisches LSG, Beschl. v. 28.04.2009 - L 7 AL 118/08 B ER - [juris Rn. 44]).
Es kann hier dahin stehen, ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn bei Maßnahmebeginn Tatsachen vorliegen,
die einen Widerruf der erteilten Zulassung rechtfertigen oder einer innerhalb weniger Wochen erforderlichen erneuten
Zulassung des Trägers und/oder der Maßnahme zwingend entgegen stehen. Erkenntnisse, die einen Widerruf
begründen könnten, liegen nach Auskunft der J. nicht vor. Auch steht die erneute Zulassung des Trägers und der
Maßnahme nicht unmittelbar bevor. Vielmehr laufen die Zulassungen erst in mehr als vier bzw. fünf Monaten aus, so
dass unter Berücksichtigung der üblichen Bearbeitungszeiten von rund drei Wochen ohnehin erst Anfang 2010 mit
entsprechenden Anträgen zu rechnen wäre. Entsprechend kann unentschieden bleiben, ob die von der J. angeführte
fehlende Sicherung der Finanzierung des letzten Maßnahmedrittels durch den Maßnahmeträger der Zertifizierung der
Maßnahme durch die fachkundige Stelle entgegen stehen könnte, nachdem die Rechtsprechung hierfür bereits
wiederholt die Sicherung der Finanzierung durch den Teilnehmer hat genügen lassen (Hessisches LSG, a. a. O. [Rn.
46 ff.] m. w. N.).
Aufgrund der Bindung an die bei Maßnahmebeginn vorliegende Zulassung durch die J. ist im Rahmen des § 77 Abs. 1
S. 1 Nr. 3 SGB III auch nicht mehr zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 85 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB III vorliegen.
Danach ist die Dauer einer Vollzeitmaßnahme, die zu einem Abschluss in einem allgemein anerkannten
Ausbildungsberuf führt, angemessen, wenn sie gegenüber einer entsprechenden Berufsausbildung um mindestens ein
Drittel der Ausbildungszeit verkürzt ist. Ist eine Verkürzung aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften
ausgeschlossen, so ist die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zu zwei Dritteln der Maßnahme nicht
ausgeschlossen, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme
gesichert ist.
Die Ausbildung des Antragstellers zum anerkannten Abschluss des Staatlich geprüften Informatikers dauert zwei
Jahre und kann nicht abgekürzt werden (§ 35 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung über berufsbildende Schulen
vom 10.06.2009 i. V. m. Anlage 4 zu § 36 der Niedersächsischen Verordnung über berufsbildende Schulen vom
24.07.2000 (Nds. GVBl. S. 178) i. d. F. der Verordnung vom 11.07.2008 (Nds. GVBl. S. 263)).
Da § 85 SGB III die Voraussetzungen für die Zulassung der Bildungsmaßnahme durch die fachkundige Stelle
definiert, umfasst die Zertifizierung auch die Feststellung, dass die Finanzierung für das letzte Maßnahmedrittel durch
den Maßnahmeträger gesichert ist.
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die Zulassung bei Fehlen einer institutionellen Fördermöglichkeit mit einem
entsprechenden deklaratorischen Hinweis versehen werden darf (Hessisches LSG, a. a. O. [juris Rn. 46]). Erst dieser
Hinweis beseitigt die Bindung an die Entscheidung der fachkundigen Stelle und berechtigt den Grundsicherungsträger,
die Sicherung der Finanzierung für das letzte Maßnahmedrittel selbst zu prüfen. Hieraus folgt aber im Umkehrschluss,
dass eine solche Prüfung unzulässig ist, wenn es bei Beginn der Maßnahme an einem Hinweis in der Zulassung fehlt.
Der im Mai 2009 aufgenommene Hinweis in die Zertifikatsanlage ist hier unerheblich, weil diese Änderung erst nach
Maßnahmebeginn erfolgt ist.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Die im Hauptsacheverfahren angegriffene Entscheidung des Antragsgegners ist - wie ausgeführt - mit hoher
Wahrscheinlichkeit aufzuheben. Dem Antragsteller ist nicht zumutbar, die bereits mit sichtbarem Erfolg begonnene
Maßnahme abzubrechen. Zudem könnte - wie bereits im Verfahren S 24 AS 1719/08 festgestellt wurde - der
Ausbildungsgang jeweils nur im Wintersemester begonnen werden, so dass der Antragsteller erst zum Oktober 2010
die Möglichkeit zu einem - ohnehin eher theoretisch möglichen - Wiedereinstieg hätte, folglich erst nach Ablauf eines
Jahres.
Keinen Erfolg hat der Antrag, als er auf eine insbesondere vom Verlauf und Abschluss der Ausbildung unabhängige
Verpflichtung des Antragsgegners abzielt, so dass der Ausspruch insoweit zu begrenzen ist.
3. Aus den zuvor dargelegten Gründen ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen und dem Kläger
Rechtsanwältin G. beizuordnen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dem Kläger mag auf den
ersten Blick vorzuwerfen sein, dass er die bereits erstrittene vorläufige Regelung nicht hat vollstrecken lassen.
Allerdings darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Antragsgegner entsprechenden Verfügungen auch
nachkommt. Es bleibt ihm daher in der Regel unbenommen, nochmals einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen,
zumal er dadurch - insbesondere bei einer Änderung der Verhältnisse - einem höheren Unterliegensrisiko ausgesetzt
sein kann. Gleichzeitig hat der Antragsgegner Veranlassung gegeben, erneut einen Antrag zu stellen. Er hat trotz
erhobenen Widerspruchs ohne neue Argumente und unter Nichtbeachtung des gerichtlichen Beschlusses an seiner
Ablehnung festgehalten. Eine Kostenbeteiligung des Antragstellers folgt auch nicht daraus, dass er mit seinem
Klageantrag nicht in der gefassten Form durchgedrungen ist. Das Unterliegen beschränkt sich auf eine für den
Antragsteller letztlich unwesentliche Beschränkung der Leistungsdauer bei Eintritt bestimmter Bedingungen. Dem
kommt letztlich keine eigenständige Bedeutung zu (Rechtsgedanke des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).