Urteil des SozG Hamburg vom 29.08.2009

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Sozialgericht Hamburg
Urteil vom 29.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 48 KR 251/04
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligen streiten darüber, ob die Klägerin eine Umlage zum Finanzausgleich für aufwändige Belastungen der
BKK Stadt H., seit 01.01.2004 City BKK, zu entrichten hat.
Die Klägerin ist eine Mitgliedskasse des beklagten BKK Landesverbandes Nord.
Der diesem Verband ebenfalls angeschlossenen BKK Stadt H. drohte im Juli 2000 die Schließung wegen eines
Schuldenstandes von umgerechnet ca. 45 Mio. EUR und wegen zuvor fruchtlos verlaufener Sanierungsbemühungen.
Die Schulden waren nach Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes 1995 entstanden, als durch den
Risikostrukturausgleich die hohe Grundlohnsumme in Hamburg abgeschöpft wurde, der Kasse aber, bedingt durch die
Morbidität im Mitgliederbestand und ein hohes Leistungsniveau und damit verbundene überdurchschnittliche
Ausgaben, hohe Kosten blieben. Zusätzlich kam es zu Fehleinschätzungen dieser Entwicklungen unter den
Bedingungen des Kassenwettbewerbs. Nachdem mehrjährige Bemühungen um eine Sanierung der BKK Stadt H.
zunächst ohne Ergebnis geblieben waren, teilte der Beklagte nach einem entsprechenden Grundsatzbeschluss seines
Verwaltungsrats vom 03.08.2000 mit Schreiben vom 28.08.2000 den Mitgliedern seines Verwaltungsrats und den
Vorständen der Mitgliedskassen die Grundzüge einer (auf der Grundlage des § 265 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch –
Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in Verbindung mit einer noch zu beschließenden Satzungsergänzung)
geplanten Sanierung der BKK Stadt H. mit. Vorgesehen waren im Kern eine Beteiligung der Stadt Hamburg, der A.
Versicherungs-AG und des Beklagten durch eine kreditfinanzierte Umlage aller Mitgliedskassen sowie eine Fusion mit
einer anderen geeigneten Krankenkasse.
Der Verwaltungsrat der Beklagten beschloss am 29.10.2001 ergänzend zum Anhang 1 (Finanzausgleich für
aufwendige Leistungsfälle) einen Anhang 1 a zur Satzung zum "Finanzausgleich für andere aufwendige Belastungen
der Mitgliedskassen des BKK - Landesverbandes Nord". § 1 dieses Satzungsanhangs lautet:
"Der Landesverband kann für andere aufwendige Belastungen ein Ausgleichsverfahren unter seinen Mitgliedskassen
durchführen.
Als andere aufwendige Belastungen gelten insbesondere außergewöhnliche Verbindlichkeiten einer Mitgliedskassen,
die die Kasse in ihrer Leistungsfähigkeit auf Dauer gefährden und die Gefahr einer Ausfallhaftung des
Landesverbandes nach § 155 Abs. 4 SGB V begründen.
Das Ausgleichsverfahren hat das Ziel, durch einmalige Gewährung finanzieller Mittel die Schließung der
Mitgliedskassen nach § 153 Abs. 1 Nr. 3 SGB V zu vermeiden und organisationsrechtliche Optionen zu ermöglichen,
um den Eintritt einer Haftung nach § 155 Abs. 4 SGB V abzuwenden."
Die Satzungsergänzung wurde von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales als Aufsichtsbehörde genehmigt.
Eine Beanstandung durch das Bundesversicherungsamt erfolgte nicht.
Am 30.10.2001 beantragte die BKK Stadt H. bei dem Beklagten finanzielle Unterstützung nach der neu geschaffenen
Regelung. Nach mehreren Vorständekonferenzen, in denen die Klägerin § 265 SGB V als Rechtsgrundlage der
geplanten Umlage nicht in Frage gestellt hatte, verpflichtete sich der Beklagte am 17.01.2003, einen
Sanierungsbeitrag in Höhe von 7,67 Mio. EUR zu übernehmen. Außerdem wurde die Fusion der BKK Stadt H. mit der
ebenfalls überschuldeten BKK B. beschlossen, zu deren Sanierung auch die Stadt B. beitrug. Der Sanierungsbetrag
des Beklagten wurde im Dezember 2003 bezahlt. In die Sanierung, die nunmehr auf einem Schuldenstand von ca. 35
Mio. EUR beruhte, flossen im Wege vertraglicher Absprachen ferner Beiträge der A. Versicherungsgruppe in Höhe von
8,6 Mio. EUR, der Stadt H. in Höhe von 12,8 Mio. EUR und des BKK Bundesverbandes in Höhe von 2,4 Mio. EUR.
Das verbleibende Defizit sollte die BKK Stadt H. nach erfolgter Fusion selbst tilgen.
Mit 2 Bescheiden vom 16.12.2003 forderte der Beklagte die Klägerin zur Zahlung von Umlagen in Höhe von
1.174.395,60 EUR und 83.143,50 EUR auf. Hierbei hatte er den Haftungsbetrag von 7,67 Millionen EUR durch die
Gesamtzahl der Versicherten aller Mitgliedskassen dividiert und mit der Zahl der Versicherten der Klägerin
multipliziert.
Die Klägerin hat gegen die Umlageverpflichtung am 16.01.2004 Klage erhoben, die sie wie folgt begründet: Soweit die
Satzung in Anlage 1 a und in § 3 Abs. 2 Nr. 7 auf § 265 SGB V gestützt sei, entbehre sie der rechtlichen Grundlage.
Die Sanierung einer überschuldeten Krankenkasse stelle keinen aufwändigen Leistungsfall dar und es liege auch
keine andere aufwändige Belastung im Sinne von § 265 SGB V vor. Nach herrschender Auffassung in der
Kommentarliteratur müsse es sich um aufwändige Einzelfallbelastungen handeln (Hinweis auf Krauskopf, Soziale
Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Randnr. 5 zu § 265 SGB V). Als aufwändige Belastungen kämen danach
grundsätzlich lediglich vorübergehende Ereignisse oder Vorhaben in Betracht, etwa die Aufwand für viele Versicherte
bei Katastrophen oder für ein von einer Krankenkasse durchgeführtes Pilotprojekt (Hinweis auf Peters in Kasseler
Kommentar, Randnr. 6 zu § 265; Engelhardt, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, § 56 Randnr. 25 f). Keine
Grundlage biete die Vorschrift dagegen für Maßnahmen, mit denen eine - aus welchen Gründen auch immer -
entstandene schlechte wirtschaftliche Gesamtsituation einer Kasse behoben werden sollten. Für diese Auffassung
sprächen auch systematische Gründe. Könnte § 265 SGB V auch zum Ausgleich einer allgemeinen Situation der
Krankenkasse herangezogen werden, würde die Grenze zu den gesetzlich vorgesehenen Systemen des Finanz – und
Risikostrukturausgleichs missachtet. Auf § 265 a SGB V könne die Satzungsregelung ebenfalls nicht gestützt
werden, weil hierfür eine Satzungsregelung auf der Ebene der Spitzenverbände erforderlich sei. Für die Behebung
allgemeiner finanzieller Krisen von Mitgliedskassen, die nicht durch §§ 265,265 a SGB V erfasst würden, stehe im
SGB V gegenwärtig kein Sanierungsinstrumentarium zur Verfügung. Eine drohende Kassenschließung und die
Ausfallhaftung könnten nicht als Hebel für eine unzulässige Kompetenzausweitung genutzt werden. Auch die
Satzungsautonomie gestatte dem Beklagten nicht, sich als Satzungsgeber über geltendes Recht hinwegzusetzen. Mit
der in § 1 Abs. 2 Satz 1 der Anlage 1 a vorgenommenen Konkretisierung der anderen aufwändigen Belastungen werde
der Tatbestand des § 265 SGB V in gesetzeswidriger Weise über seinen Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt.
Dies sei auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zulässig. Im übrigen sei die Sanierung mit
der BKK B. nicht geeignet, zu einer dauerhaften Problemlösung beizutragen, da diese Kasse ebenfalls erhebliche
Schulden eingebracht habe und so das Haftungsrisiko unzumutbar erhöht worden sei.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 16.12.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und trägt vor, dass die Klägerin, obwohl ständig über den Ablauf und
Stand der Sanierungsbemühungen informiert, den Sanierungsplan und die Rechtsgrundlage hierfür erstmalig im
Dezember 2003, vorher aber nicht in Frage gestellt habe. Die Umlageforderung sei rechtlich auf § 265 SGB V in
Verbindung mit dem Anhang 1 a zur Satzung zu stützen und auch der Sache nach gerechtfertigt. Die Sanierung unter
Einschluss weiterer finanziell Beteiligter sei zur Vermeidung einer Schließung mit weitaus höheren Folgekosten für die
Mitgliedskassen des Beklagten erforderlich gewesen und erfolgreich abgeschlossen worden. Zu der Fusion mit der
BKK B. habe es, da sich keine andere geeignete Kasse gefunden habe, keine Alternative gegeben. Die von der
Klägerin vertretene Rechtsauffassung werde von der in mehreren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
ergangenen Rechtsprechung nicht geteilt und sei auch in der Literatur umstritten; keinesfalls handele es sich um eine
einhellige Auffassung. Zur Unterstützung ihrer Ansicht bezieht sie sich auf von ihr in Kopien vorgelegte Literatur und
Rechtsprechung. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf deren Schriftsatz vom
11.02.2004 (Blatt 76 bis 105) und das Anlagenkonvolut B 1 – B 20 Bezug genommen.
Das Gericht hat die Prozessakte des von der Klägerin ohne Erfolg betriebenen Verfahrens auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes (Aktenzeichen: S 37 KR 278/04 ER) beigezogen und im Verhandlungstermin am 29.8.2006 die
Beteiligten angehört.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten S 48 KR 251/04 und S
37 KR 278/04 ER Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen und
haben der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Mit ihr werden im Wege der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), die
form- und fristgerecht (§§ 87 Abs. 1 Satz 1, 90, 92 SGG) erhoben worden ist, die Bescheide des Beklagten vom
16.12.2003 angegriffen. Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen, weil es sich um die Klage eines
Versicherungsträgers handelt (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 SGG).
In der Sache ist die Klage jedoch unbegründet.
Ermächtigungsgrundlage für die Bescheide vom 16.12.2003 ist § 265 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr.
7 sowie Anhang 1 a der Satzung des Beklagten in der hier maßgeblichen Fassung vom 01.04.2001. Nach § 265 Satz
1 SGB V können die Satzungen der Landesverbände und der Verbände der Ersatzkassen eine Umlage der
Verbandsmitglieder vorsehen, um die Kosten für aufwändige Leistungsfälle (1. Alternative) und für andere aufwändige
Belastungen (2. Alternative) ganz oder teilweise zu decken. Die von dem Beklagten in der Anlage 1 a zu seiner
Satzung vorgesehene Umlagepflicht ist von dieser Vorschrift durch die Formulierung " für andere aufwändige
Belastungen" (2. Alternative) gedeckt und deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin mit dem höherrangigen
Gesetzesrecht vereinbar. Soweit in der Literatur zu § 265 Satz 1 2. Alternative SGB V die Auffassung vertreten wird,
dass andere aufwändige Belastungen im Sinne der Vorschrift nur solche Belastungen seien, die auf der Grundlage
besonders aufwändiger Einzelfälle entstanden sind (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung,
Randnr. 5 zu § 265 SGB V), etwa Belastungen durch vorübergehende Ereignisse oder Vorhaben wie z.B.
Katastrophen mit hohem Aufwand für viele Versicherte oder Vorhaben wie z.B. ein von einer Krankenkasse
durchgeführtes Pilotprojekt (vgl. Peters in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 26. EL, Randnr. 7 zu §
265 SGB V; ders. in Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Randnr. 5 zu § 265 SGB V), während die
wirtschaftliche Gesamtsituation einer Krankenkasse oder ein insgesamt hohes Ausgabenniveau in der Region keine
Grundlage für eine Umlageverpflichtungen nach § 265 S. 1 2. Alternative SGB V darstellten (vgl. Engelhardt,
Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, Krankenversicherungsrecht, § 56 Randnr. 25 f), folgt die Kammer
dieser Auffassung nicht. Sie schließt sich vielmehr der in der bisher bekannten Rechtsprechung und in der Literatur
ebenfalls vertretenen Gegenansicht an, dass der Begriff "andere aufwändige Belastungen" in § 265 Satz 1 2.
Alternative nach seinem weit gefassten Wortlaut und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 265 Satz 1
SGB V weit auszulegen ist und Belastungen aus den verschiedensten Gründen umfasst, um so den Krankenkassen
auf Landesverbandsebene die Möglichkeit zu geben, möglichst zeitnah und flexibel auf außerordentliche Belastungen
einer Mitgliedskasse zu reagieren (vgl. SG Hamburg, Beschlüsse vom 09.12.2003 – Aktenzeichen S 22 KR 1804/03
ER – ,vom 05.02.2004 – Aktenzeichen S 37 KR 84/04 ER – und vom 20.02.2004 - Aktenzeichen S 21 KR 82/04 ER –
; SG Kiel, Beschluss vom 04.03.2004 – Aktenzeichen S 1 KR 13/04 ER – ; Methner, Gedanken über Fusion und
Finanzausgleich innerhalb der GKV am Beispiel eines Flächenstaats, KrV 1992, Seite 264, 265; Kruse/ Kruse,
Rahmenbedingungen der geplanten Strukturreform, Die Beiträge 1991, Seite 161, 167; dieselben, Mehr
Beitragssatzgerechtigkeit durch Finanzausgleiche?, Die Sozialversicherung 1990, Seite 258,264; Wasem,
Neugestaltung von Finanzausgleichen durch das Gesundheitsreformgesetz, KrV 1989, Seite 107). Dass der
Gesetzgeber mit der Einführung des § 265 SGB V einen weiten Anwendungsbereich der Norm ermöglichen wollte,
wird nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 11/2237, Seite 228 zu § 274
SGB V) deutlich, wo ausgeführt wird, dass die Vorschrift die aufwändigen Leistungsfälle nur als wichtigsten Grund für
Finanzausgleiche nenne und auch Umlagen für aus anderen Gründen notleidend gewordene Krankenkassen denkbar
seien. Damit knüpft § 265 SGB V an die Vorgängervorschrift des § 414 b Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO)
an, nach der die Satzungen der Landesverbände der einzelnen Kassenarten eine Umlage vorsehen konnten, um die
Kosten insbesondere für aufwändige Leistungsfälle ganz oder teilweise zu decken. Schon diese Bestimmung war
also, wie das Wort "insbesondere" zeigt, auf ein hohes Maß an Flexibilität und eine Anwendung für verschiedene,
nicht auf aufwändige Leistungsfälle beschränkte Notlagen angelegt, was auch in der Fassung des § 265 SGB V
Niederschlag gefunden hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin erfordern auch systematische Gründe,
insbesondere die Abgrenzung zum Instrument des Risikostrukturausgleichs, keine einschränkende Auslegung des §
265 SGB V. Der Risikostrukturausgleich nach § 266 SGB V ist in mehrfacher Hinsicht restriktiver ausgestaltet als der
Finanzausgleich nach § 265 SGB V. Seine Durchführung ist nicht freiwillig, sondern im jährlichen Rhythmus
obligatorisch (§ 266 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Ausgleichsfähig sind ausschließlich die in § 266 Abs. 1 Satz 2 genannten
Risikostrukturfaktoren (Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder, Zahl der beitragsfrei nach § 10 SGB V
Versicherten und Verteilung der Versicherten auf nach Alter und Geschlecht getrennte Versicherungsgruppen). Nach §
266 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden Ausgleichsanspruch oder Ausgleichsverpflichtung einer Krankenkasse
ausschließlich durch den Vergleich ihres Beitragsbedarfs mit ihrer Finanzkraft ermittelt; beide Rechengrößen sind
gesetzlich definiert. Damit stellt der Risikostrukturausgleich ein anderes Ausgleichsinstrument dar als der allgemeine
Finanzausgleich nach § 265 SGB V, der im vorliegenden Fall im Übrigen wesentlich durch den 1994 eingeführten
Risikostrukturausgleich wegen der Abschöpfung der hohen Grundlohnsumme in Hamburg notwendig wurde und
deshalb keinen tragfähigen Ausweg zu einer Sanierung der BKK Stadt H. bot. Soweit der Sanierungsbedarf auch
durch Risikostrukturfaktoren wie eine hohe Morbidität im Mitgliederbestand entstanden ist, ändert dies an der
Anwendbarkeit des § 265 Satz 1 SGB V im vorliegenden Falle nichts. Die Kammer vermag auch nicht zu erkennen,
dass § 265 a SGB V oder andere Ausgleichsinstrumente zu einer Reduzierung des Anwendungsbereichs des § 265
SGB V zwingen, denn auch hier handelt es sich um Sondertatbestände, die an jeweils bestimmte Sachverhalte
anknüpfen und außerhalb der Kompetenz des Beklagten liegen.
Im Übrigen sind Bedenken gegen die Wirksamkeit des Anhangs 1 a zur Satzung des Beklagten weder vorgetragen
noch sonst ersichtlich. Nach den Erörterungen im Verhandlungstermin am 29.08.2005 ist insbesondere festzustellen,
dass der Verwaltungsrat der Beklagten nach § 3 Abs. 2 Nr. 7 und § 11 Nr. 1, 11 der Satzung des Beklagten in der
seinerzeit geltenden Fassung vom 01.04.2001 zur Entscheidung über die Satzungsänderung vom 29.10.2001 und
zum Beschluss über die streitige Umlage berufen war und Anhang 1 a zur Satzung des Beklagten mit der für
Satzungsänderungen erforderlichen qualifizierten Mehrheit von 2/3 der anwesenden Mitglieder (§ 14 Abs. 2 der
Satzung) beschlossen hat.
Ist mithin der Anhang 1 a zur Satzung des Beklagten am 29.10.2001 rechtswirksam in Kraft gesetzt worden, sind
auch die Voraussetzungen für die mit den angefochtenen Bescheiden vom 16.12.2003 erhobenen Umlageforderungen
erfüllt. Die BKK Stadt H. war durch ihre dramatische Schuldenbelastung außergewöhnlichen Verbindlichkeiten im
Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs 1 a ausgesetzt, die sie in ihrer Leistungsfähigkeit auf Dauer gefährdeten
und die Gefahr einer Ausfallhaftung des Landesverbandes nach § 155 Abs. 4 SGB V begründeten. Sie hatte als
Mitgliedskasse des Beklagten am 30.10.2001 gemäß § 2 Abs. 1 des Anhangs 1 a unter Darlegung ihrer
Belastungssituation die finanzielle Hilfe nach § 1 schriftlich beantragt. Die Kammer kann, da hierüber zwischen den
Beteiligten kein Streit besteht und gegenteilige Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind, ohne weitere Ermittlungen
feststellen, dass die weiteren Voraussetzungen für die Umlage nach § 2 des Anhangs 1 a erfüllt sind und der auf die
Klägerin entfallende Umlagebeitrag nach §§ 3 und 4 des Anhangs 1 a zutreffend ermittelt worden ist.
Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht war zuzulassen, weil die vorliegende Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat (§ 161 Abs, 1 und 2 in Verbindung mit § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Sie kann nur nach Maßgabe der
beigefügten Rechtsmittelbelehrung mit Zustimmung des Gegners eingelegt werden.