Urteil des SozG Gelsenkirchen vom 27.09.2002

SozG Gelsenkirchen: wichtiger grund, gesetzliche vermutung, berufliches fortkommen, niederlassung, arbeitslosigkeit, aufhebungsvertrag, beendigung, anspruchsdauer, betriebsrat, arbeitsrecht

Sozialgericht Gelsenkirchen, S 11 AL 67/02
Datum:
27.09.2002
Gericht:
Sozialgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 11 AL 67/02
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des
Bescheides vom 12.04.2002 und unter Abänderung des Bescheides
vom 16.04.2002, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 28.05.2002 Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2002 nach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die
außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen, den damit
verbundenen Beginn des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und die Minderung der
Anspruchsdauer.
2
Der am 00.00.0000 geborene Kläger war seit 00.1987 als Sprinkler- und
Heizungsmonteur bei der C GmbH in L beschäftigt. Ende der 90er Jahre wurde die C
GmbH von der N GmbH mit Sitz in C1 P übernommen und als Niederlassung
weiterbetrieben. Die für die Arbeitgeberin maßgebliche Kündigungsfrist betrug 5 Monate
zum Monatsende. Am 00.00.2001 vereinbarte die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat
einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Wegen der "nachhaltigen
Verlustsituation der Niederlassung C" bestand Einigkeit darüber, verschiedene, im
einzelnen aufgezählte Maßnahmen durchzuführen, was einen Personalabbau zur Folge
hatte. Insgesamt 57 Mitarbeiter waren nach der Anlage 1 zum Interessenausgleich, die
die Sozialdaten der einzelnen Mitarbeiter wie Alter, Familienstand, Unterhaltspflichten,
Eintrittsdatum u.a. enthielt, durch Kündigungen betroffen, darunter auch der Kläger.
Allen betroffenen Mitarbeitern wurden Angebote zum Abschluss eines
Aufhebungsvertrages sowie der Übertritt in eine noch zu gründende Auffanggesellschaft
unterbreitet. Im Sozialplan einigten sich Arbeitgeberin und Betriebsrat nach Grund und
Höhe über die Abfindungen für entlassene Mitarbeiter.
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Am 00.00.2001 schloss der Kläger mit der Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag,
wonach das Beschäftigungsverhältnis mit Wirkung zum 00.00.2002 gegen Zahlung
einer Abfindung in Höhe von 0.000,- EUR endete.
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Der Kläger meldete sich am 28.03.2002 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld ab
dem 01.04.2002. In seiner Stellungnahme wies er darauf hin, dass er, hätte er den
Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet, zum 31.03.2002 gekündigt worden wäre. Der
Übertritt in die Auffanggesellschaft sei für ihn nicht in Frage gekommen.
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Mit Bescheid vom 12.04.2002 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12
Wochen vom 01.04.2002 bis zum 23.06.2002 fest, da der Kläger die Arbeitslosigkeit
durch Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zumindest grob fahrlässig herbeigeführt
habe, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Außerdem stellte sie die
Minderung der Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld um ein Viertel (165 Tage) fest.
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Mit Bescheid vom 16.04.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld nach
Ablauf der Sperrzeit ab dem 24.06.2002 für die Dauer von 579 Tagen.
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Gegen beide Bescheide legte der Kläger am 24.04.2002 Widerspruch ein. Zur
Begründung wiederholte er im Wesentlichen, dass ihm in jedem Fall zum selben Termin
betriebsbedingt gekündigt worden wäre.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Ein wichtiger Grund liege auch dann nicht vor, wenn dem Kläger
zum selben Zeitpunkt betriebsbedingt gekündigt worden wäre, denn es wäre ihm
zuzumuten gewesen, diese Kündigung abzuwarten.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 05.06.2002 erhobenen Klage, mit der er
seine bisherige Begründung im Wesentlichen wiederholt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 12.04.2002 und
unter Abänderung des Bescheides vom 16.04.2002, beide in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 28.05.2002 Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2002 nach
Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14
Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen J L1
und X L2. Wegen des genauen Wortlauts der Zeugenaussage wird auf Bl. 50 - 52 der
Gerichtsakte verwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die statthafte, form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
19
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Absatz 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da diese rechtswidrig sind. Dem Kläger steht
Arbeitslosengeld bereits ab dem 01.04.2002 zu, da eine Sperrzeit nicht eingetreten ist.
Infolgedessen mindert sich auch der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld nicht.
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Gemäß § 144 Absatz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) tritt eine
Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst
und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne
für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Gemäß § 128 Absatz 1 Nr. 4 SGB III
mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl von Tagen
einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von 12 Wochen
mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei
erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach
dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, zusteht.
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Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger durch den
Aufhebungsvertrag vom 00.00.2001 sein Beschäftigungsverhältnis mit der N GmbH im
Sinne des § 144 Absatz 1 Nr. 1 SGB III gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig
die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.
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Der Arbeitslose hat das Arbeitsverhältnis gelöst, wenn er es selbst gekündigt oder, wie
das hier geschehen ist, durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beendet hat. Es
genügt, dass der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag
eine wesentliche Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat. Wie
die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, kommt es deshalb nicht darauf an, ob die Initiative
zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer oder, was hier der Fall war,
vom Arbeitgeber ausgegangen ist (Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 12.04.1984,
Az.: 7 RAr 28/83, Urteil vom 13.08.1986, Az.: 7 RAr 1/86).
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Durch diese Lösung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger seine Arbeitslosigkeit ab
dem 01.04.2002 herbeigeführt und zwar zumindest grob fahrlässig. Der Arbeitnehmer
führt mit einer Lösung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitslosigkeit wenn nicht
vorsätzlich, so doch grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete
Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (st. Rspr. des BSG, seit Urteil vom
20.04.1977, Az.: 7 RAr 112/75). Solche Aussichten bestanden nicht. Der Kläger ist
vielmehr auch heute noch arbeitslos.
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Eine Sperrzeit von 12 Wochen tritt jedoch nur ein, wenn der Arbeitslose gehandelt hat,
ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Was als wichtiger Grund im
Sinne des § 144 Absatz 1 SGB III anzusehen ist, hat das Gesetz nicht näher bestimmt.
Die Sperrzeit beruht auf dem Grundgedanken, dass sich eine Versichertengemeinschaft
gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte zu vertreten hat oder an
deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Die Sperrzeit soll die Gemeinschaft der
Beitragszahler davor schützen, dass Anspruchsberechtigte das Risiko ihrer
Arbeitslosigkeit manipulieren. Andererseits gibt es Lebenssachverhalte, die eine
Aufgabe der Arbeit als gerechtfertigt erscheinen lassen. Nach den Vorstellungen des
Gesetzgebers soll eine Sperrzeit allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner
Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten
zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 20.04.1977, Az.: 7 RAr 112/75). Der wichtige
Grund muss dabei auch den Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses
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decken, d. h. der Arbeitslose muss einen wichtigen Grund dafür haben, dass er das
Beschäftigungsverhältnis zu dem bestimmten, von ihm gewählten Zeitpunkt auflöst
(BSG, Urteil vom 20.04.1977, a.a.O.).
Ein wichtiger Grund kann demnach nicht ohne weiteres darin gesehen werden, dass der
Arbeitnehmer dem Ausspruch einer drohenden Kündigung des Arbeitgebers
zuvorkommt. Grundsätzlich ist es dem Arbeitnehmer im Interesse der
Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht
besondere Umstände vorliegen (BSG, Urteil vom 25.04.2002, Az: B 11 AL 100/01 R).
Solche besonderen Umstände können dann gegeben sein, wenn dem Arbeitnehmer
eine nach Arbeitsrecht rechtmäßige Kündigung aus einem von seinem Verhalten
unabhängigen Grund zu dem Zeitpunkt droht, zu dem er das Arbeitsverhältnis löst, und
er durch die einverständliche Lösung des Arbeitsverhältnisses Nachteile vermeiden
kann, die sich durch eine Kündigung des Arbeitgebers für sein berufliches Fortkommen
ergeben (BSG, Urteil vom 25.04.2002, a.a.O.).
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Dem Kläger hat eine arbeitgeberseitige Kündigung gedroht. Dies steht nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme, nämlich insbesondere der Aussage des Zeugen L2, zur
Überzeugung der Kammer fest. Der Zeuge L2 hat glaubhaft vorgetragen, dass die N
GmbH den Kläger im Rahmen der Entlassungswelle in der Niederlassung C
betriebsbedingt gekündigt hätte. Die Kammer hatte keine Bedenken, ihrer Entscheidung
die Aussage des Zeugen L2 zugrunde zu legen. Der Zeuge L2 war ehemaliger
Betriebsratsvorsitzender der Niederlassung C und war als solcher an den
Entscheidungen der N GmbH beteiligt worden. Die Aussage ist schlüssig und in sich
stimmig. Der Zeuge hat insbesondere kein eigenes Interesse am Ausgang des
Rechtsstreits. Im übrigen deckt sich seine Aussage auch mit der vorgelegten Anlage 1
zum Interessenausgleich, auf der der Kläger als einer der zu entlassenden
Arbeitnehmer geführt wurde. Dass dem Kläger gleichzeitig der Übertritt in die
Auffanggesellschaft angeboten wurde, ist ohne Belang. Denn auch dieser Übertritt
setzte eine vorherige Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus.
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Die Kündigung wäre auch nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen rechtmäßig gewesen.
Ob die Kündigung rechtmäßig ist, richtet sich nach dem Kündigungsschutzgesetz
(KSchG), das auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung fand (vgl. §§ 1, 23
KSchG). Die beabsichtigte Kündigung wäre nur dann rechtswirksam gewesen, wenn sie
sozial gerechtfertigt gewesen wäre (§ 1 Absatz 1 KSchG). Sozial ungerechtfertigt ist die
Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des
Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer
Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Bereich entgegenstehen, bedingt ist
(§ 1 Absatz 2 KSchG). Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen
Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung
trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des
Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.
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Ob dringende betriebliche Gründe vorliegen, ist allein eine unternehmerische
Entscheidung, die von den Gerichten nur eingeschränkt überprüfbar ist (Ascheid in:
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2. Auflage Stand 2001, 430 KSchG, § 1 Rdnr.
373). Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen L2 steht fest, dass die N GmbH
aufgrund der nachhaltigen Verlustsituation in der Niederlassung C den ernsthaften und
endgültigen Entschluss gefasst hatte, die Arbeitnehmerzahl dort auf etwa die Hälfte zu
reduzieren. Die Aussage stimmt insofern auch überein mit dem vorgelegten
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Interessenausgleich, wonach der Personalabbau im Wesentlichen als Lösung
angesehen wurde, um die wirtschaftliche Schieflage der Niederlassung C zu beheben.
Selbst wenn nach Abschaffung des § 1 Absatz 5 KSchG keine gesetzliche Vermutung
mehr für die Annahme eines dringenden betrieblichen Erfordernisses streitet, wenn
aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die
Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet werden, so ist es nach der
Überzeugung der Kammer nach wie vor ein wichtiges Indiz, wenn so verfahren wird.
Das war hier der Fall. Die Kündigungen in der Niederlassung C stellten eine
Betriebsänderung nach § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG dar. Dies ist immer dann der Fall,
wenn hieraus wesentliche Nachteile - was bei einem Verlust des Arbeitsplatzes der Fall
ist - für erhebliche Teile der Belegschaft entstehen (Hanau/Kania, Erfurter Kommentar
zum Arbeitsrecht, 2. Aufl. Stand 2001, 210 BetrVG, § 111 Rdnr. 9). Ob ein erheblicher
Teil der Belegschaft betroffen ist, richtet sich nach der Anzahl der von der Maßnahme
betroffenen Arbeitnehmer. Maßgeblich sind nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (BAG) die Zahlenverhältnisse des § 17 Absatz 1 KSchG (z.B.
BAG, Urteile vom 06.12.1988 und 07.08.1999, AP BetrVG 1972, § 111 Nrn. 26 und 30).
Bei einer Betriebsgröße von 60 bis 500 Arbeitnehmern liegt danach eine
Betriebsänderung dann vor, wenn mehr als 25 %, mindestens jedoch 5 % der
Belegschaft (vgl. BAG, Urteil vom 07.08.1999, a.a.O.) entlassen werden. Das war hier
der Fall, da von 120 Mitarbeitern 57 gekündigt wurden. Da der Kläger in dem zwischen
dem Betriebsrat und der N GmbH vereinbarten Interessenausgleich namentlich genannt
ist (Anlage 1), geht die Kammer davon aus, dass dringende betriebliche Erfordernisse
vorlagen, die die Entlassung des Klägers nötig gemacht haben.
Nach der Aussage des Zeugen L2 ist die Kammer auch davon überzeugt, dass die
Sozialauswahl ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Der Zeuge L2 hat insofern
glaubhaft bekundet, dass alle von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter unter
Berücksichtigung ihrer relevanten Sozialdaten (Alter, Familienstand, Unterhaltspflichten,
Betriebszugehörigkeit, etc.) ausgewählt worden sind. Hiervon konnte sich das Gericht
auch anhand der vorgelegten Anlage 1 zum Interessenausgleich überzeugen. Auch
wenn die übrigen Namen von der N GmbH geschwärzt worden waren, so ergibt sich
hieraus dennoch, dass die relevanten Sozialdaten der zu kündigenden Mitarbeiter
erfasst worden waren. Dabei kommt es wegen der unterschiedlichen
Verfahrensgrundsätze im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren nicht darauf an, ob
eine Kündigungsschutzklage Erfolg gehabt hätte. Die Prüfung hat vielmehr dem
Ermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) zu entsprechen (BSG, Urteil vom 25.04.2002, B 11
AL 65/01 R). Das BSG hat in verschiedenen Zusammenhängen auf die Grenzen der
Amtsermittlungspflicht hingewiesen, die sich nicht auf Gegenstände erstreckt, für deren
Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte bieten (BSGE 78, 203,
213; 81, 259, 263; 87, 132, 138). Wegen des Ermittlungsgrundsatzes ist Zweifeln an der
sozialen Rechtfertigung von angedrohten Kündigungen nachzugehen, sofern die
Umstände des Einzelfalles dafür Anhaltspunkte bieten. Solche Anhaltspunkte lagen hier
nicht vor.
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Weiterhin steht fest, dass dem Kläger die betriebsbedingte Kündigung zum selben
Zeitpunkt gedroht hätte. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen L2 hätte die N
GmbH bei Scheitern der Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag am 00.00.2001
unmittelbar eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen, mit der Folge, dass diese
wegen der geltenden Kündigungsfrist von 5 Monaten zum Monatsende ebenfalls zum
31.03.2002 wirksam geworden wäre.
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Einen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses hat der
Arbeitslose aber nur dann, wenn ihm die Hinnahme einer rechtmäßigen
Arbeitgeberkündigung nicht zuzumuten war. Das Interesse an einer
Entlassungsentschädigung reicht hierfür allein nicht aus, insbesondere wenn dem
Kläger - wie hier - nach dem Interessenausgleich die Abfindung auch bei einer
Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugestanden hätte. Allerdings hat das
Bundessozialgericht bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die einverständliche
Lösung des Beschäftigungsverhältnisses sich positiv auf die
Eingliederungsmöglichkeiten des Arbeitslosen auswirken und damit der
Solidargemeinschaft zu Gute kommen kann (u.a. BSG, Urteil vom 10.08.2000, B 11 AL
115/99 R, Urteil vom 25.04.2002, B 11 AL 100/01 R)). Das ist hier zu bedenken, denn
der Kläger ist 0000 geboren und gehörte damit nicht zu der Altersgruppe, für die der
Gesetzgeber von Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben
ausgeht und deshalb von Leistungsbeziehern nicht fordert, alle Möglichkeiten zu nutzen
und nutzen zu wollen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden (vgl. § 428 Absatz 1
SGB III). Die Voraussetzungen der Erstattungspflicht von Arbeitgebern bei der
Entlassung von Arbeitnehmern, die das 56. Lebensjahr vollendet haben, deuten in die
gleiche Richtung. Gerade in Fällen einer rechtmäßigen Kündigung, in denen der
Arbeitnehmer sich rechtlich nicht gegen die Beendigung seines
Beschäftigungsverhältnisses wehren kann, ist der Zweck der Sperrzeit und das
verfassungsrechtliche Übermaßverbot, an dem alles staatliche Handeln zu messen ist
(BSGE 76, 12, 15) zu bedenken. Auf Grund seines Alters ist bei dem Kläger die
berufliche Wiedereingliederungschance nach der Überzeugung der Kammer bei einer
einvernehmlichen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses höher anzusiedeln als bei
einer arbeitgeberseitigen Kündigung. Denn damit zeigt der Arbeitnehmer nicht zuletzt
auch, dass er sachgerechten Lösungen zugänglich ist. Die Kammer ist davon
überzeugt, dass eine solche Haltung bei einem Einstellungsgespräch positiv
berücksichtigt wird.
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Da eine Sperrzeit nicht eintritt, ist dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2002 und
zwar ohne Minderung der Anspruchsdauer zu gewähren.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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