Urteil des SozG Gelsenkirchen vom 19.07.2010

SozG Gelsenkirchen (rechtsfrage, sgg, frist, interesse, arbeitskraft, menge, wehr, sache, entstehen, klageverfahren)

Sozialgericht Gelsenkirchen, S 12 AY 203/10
Datum:
19.07.2010
Gericht:
Sozialgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 12 AY 203/10
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Beklagten wird zur Entscheidung über den Widerspruch des Klägers
vom 01.04.2010 eine Frist bis zum 01.07.2011 gesetzt und das
Verfahren bis dahin ausgesetzt.
Gründe:
1
Die am 13.07.2010 beim Sozialgericht eingegangene Untätigkeitsklage ist gemäß § 88
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil über den Widerspruch des Klägers
nicht binnen 3 Monaten entschieden worden ist. Das Verfahren war aber gemäß § 88
Abs. 1 Satz 2 SGG auszusetzen, weil ein zureichender Grund dafür vorliegt, dass der
beantragte Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen ist.
2
Die Beklagte möchte vorab eine höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage abwarten,
wie der Aktualitätsgrundsatz bei der Nachzahlung von "Analogleistungen" aufgrund
einer Überprüfung nach § 44 SGB X anzuwenden ist. Diesbezüglich ist nun ein
Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 8 AY 1/10
R anhängig.
3
Die Kammer hält eine Aussetzung bis zum 01.07.2011 gerechtfertigt, weil es im
wohlverstandenen Interesse der Kläger ist, wenn die Beklagte die Möglichkeit erhält, die
höchstrichterliche Klärung dieser Rechtsfrage abzuwarten und bei ihrer Entscheidung
zu berücksichtigen. Antragstellern geht es nicht um irgendeine Entscheidung der
Behörde, sondern um eine rechtlich zutreffende Entscheidung über ihr Begehren, so
dass sie sich dagegen nicht mit einer Klage zur Wehr setzen müssen. Es liegt
andererseits im Interesse einer funktionierenden Kommunalverwaltung und einer
funktionsfähigen Sozialgerichtsbarkeit, dass nicht fortlaufend neue Bescheide und
Widerspruchsbescheide erlassen und dagegen Klagen erhoben werden, die allesamt
die gleiche Rechtsfrage betreffen. Durch die Vielzahl der Verfahren wird eine große
Menge Personal gebunden. Deren Arbeitskraft kann anderweitig eingesetzt werden,
wenn zunächst das Musterverfahren vor dem Bundessozialgericht abgewartet wird.
Demgegenüber muss das Gebühreninteresse von Rechtsanwälten, möglichst viele
Klagen anhängig machen und PKH-Anträge stellen zu können, zurücktreten.
4
Außerdem ist in diesem Zusammenhang der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 18.11.2009 (-1 BvR 2455/08 -) zu beachten. Danach kann es jedem
Verfahrensbeteiligten zugemutet werden, eine Musterentscheidung des mit der
umstrittenen Rechtsfrage bereits befassten Bundesozialgerichts abzuwarten und das
eigene Verfahren so lange ruhend zu stellen. Denn ihm können durch das Abwarten der
anderen Sache keine Nachteile im eigenen Verfahren entstehen. Das gilt für
Widerspruchsverfahren ebenso wie für bereits anhängige Klageverfahren.
5
Die Kammer geht davon aus, dass bis Mitte des nächsten Jahres eine Entscheidung
des Bundessozialgerichts ergehen wird. Dabei kann die Frist noch verlängert werden,
wenn sich diese Erwartung der Kammer als zu optimistisch herausstellen sollte.
6