Urteil des SozG Freiburg vom 31.08.2010

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Sozialgericht Freiburg
Urteil vom 31.08.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Freiburg S 14 AS 3578/10
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme des Zusatzbeitrags ihrer Krankenkasse in Höhe von 8 EUR monatlich ab Februar
2010 durch den Beklagten.
Die im Jahre 1967 geborene Klägerin bezieht seit mindestens August 2006 Leistungen zur Grundsicherung für
Arbeitsuchende vom Beklagten. Sie ist bei der DAK gesetzlich krankenversichert und hat unter Inanspruchnahme
einer Kooperation zwischen der DAK und der Hanse Merkur Versicherung eine private Zusatzversicherung mit
letzterer zu einem Sondertarif abgeschlossen. In diesem ist insbesondere die Versorgung mit Augengläsern und
Zahnersatz versichert. Der monatliche Beitrag beträgt 19,90 EUR und wäre bei Mitgliedschaft in einer anderen
Krankenkasse voraussichtlich höher. Mit Bescheid vom Februar 2010 teilte die DAK der Klägerin mit, dass sie ab
Februar 2010 einen Zusatzbeitrag in Höhe von 8 EUR monatlich erhebe. Eine zeitliche Begrenzung des
Zusatzbeitrags ergab sich aus dem Bescheid nicht.
Mit Schreiben vom 3.2.2010 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme dieses Zusatzbeitrags und stellte
gleichzeitig einen Antrag auf Fortzahlung der bisher gewährten Leistungen. Mit Bescheid vom 18.2.2010 bewilligte der
Beklagte der Klägerin Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ab März 2010 in Höhe von 359 EUR
monatlich. Mit weiterem Bescheid vom 25.2.2010 lehnte er die Übernahme des Zusatzbeitrags zur gesetzlichen
Krankenversicherung ab, weil der Klägerin ein Kündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 Sozialgesetzbuch Fünftes
Buch (SGB V) zustehe, mit dessen Hilfe sie die Belastung mit dem Zusatzbeitrag verhindern könne.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 2.3.2010, zu dessen Begründung sie anführte, dass sie durch
einen Kassenwechsel den Versicherungsschutz ihrer Zusatzversicherung verliere. Auf Nachfrage des Beklagte teilte
sie mit, dass bei ihrer Zusatzversicherung Wartezeiten gälten, die sie zwischenzeitlich erfüllt habe. Wenn sie die
Versicherung kündige müsse sie bei einer neuen Versicherung erneut Wartezeiten in Kauf nehmen. Das sei ihr nicht
zumutbar. Dazu legte sie einen Versicherungsschein der Hansemerkur Versicherung vor, nach dem sie in einen DAK-
Sondertarif eingestuft war. Die Versicherung bei der DAK kündigte sie ebenso wenig wie diejenige bei der
Hansemerkur Versicherung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen richtet sich die am 13.7.2010 erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt, dass sie
Brillenträgerin sei. Da die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für die Versorgung mit Augengläsern nicht
mehr trage, sei sie auf die Zusatzversicherung angewiesen. Außerdem sei in ihrer Kindheit ein Fehler bei der
Behandlung eines Fehlbisses begangen worden, so dass sie jetzt an einem Zahnverschleiß und
Kieferknochenverschleiß leide, der zur Notwendigkeit besonders haltbarer und nicht von der gesetzlichen
Krankenkasse zu gewährender Zahlfüllungen führe. Auch das trage die Zusatzversicherung. Auch deshalb sei ihre
eine Kündigung ihrer Krankenversicherung nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid vom 25.2.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
17.6.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr acht Euro monatliche Leistungen für den Zusatzbeitrag zu
ihrer gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte sowie auf zwei
Bände Verwaltungsakten der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidungsfindung
waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG), hat aber
in der Sache keinen Erfolg, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch auf
Übernahme des Zusatzbeitrags zur DAK durch den Beklagten zu.
Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die
Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben.
Die Kammer entscheidet über den Anspruch der Klägerin auf Übernahme des Zusatzbeitrags zur DAK von Februar
2010 bis auf Weiteres. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 25.2.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
17.6.2010. In diesem Bescheid lehnte der Beklagte die Übernahme des Zusatzbeitrags ab 1.2.2010 ohne nähere
zeitliche Beschränkung ab. Aus den Gründen der angefochtenen Bescheide ist erkennbar, dass der Beklagte eine
zeitlich unbegrenzte Entscheidung über die Übernahme der Zusatzbeiträge zur DAK treffen wollte. Einer zeitlich
unbegrenzten Ablehnung steht nicht entgegen, dass Leistungen grundsätzlich für höchstens sechs Monate zu
gewähren sind, denn bei den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich um eine abgrenzbare
Entscheidung, die der Beklagte in einem von der Entscheidung über Regelleistung und Kosten der Unterkunft
abgetrennten Bescheid treffen konnte. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich insofern hinreichend deutlich,
dass sie eine Übernahme des Zusatzbeitrags zur DAK über den laufenden Bewilligungsabschnitt hinaus begehrt
solange sie der DAK diesen Zusatzbeitrag schuldet.
Die so ausgelegte Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Übernahme des Zusatzbeitrags zur
DAK zu. Nach § 26 Abs. 4 SGB II kann der Beklagte als sog. Optionskommune den Zusatzbeitrag zur gesetzlichen
Krankenversicherung nach § 242 SGB V für Bezieher von Arbeitslosengeld II übernehmen, für die der Wechsel der
Krankenkasse nach § 175 SGB V eine besondere Härte bedeuten würde. Nach § 242 Abs. 1 SGB V hat die
Krankenkasse in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird, wenn
weitere Voraussetzungen vorliegen. Nach Satz 3 darf dieser Zusatzbeitrag ohne Prüfung des Einkommens monatlich
höchstens acht Euro betragen. Nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V kann die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen
Krankenkasse bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung gekündigt werden, wenn eine Krankenkasse einen
Zusatzbeitrag erhebt.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, so dass es nicht darauf ankommt, ob § 26 Abs. 4 SGB II einen Anspruch
auf eine Leistung oder lediglich auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Übernahme des Zusatzbeitrags
gewährt. Bei der Klägerin bedeutet der Wechsel der Krankenkasse keine besondere Härte. Eine besondere Härte im
Sinne des § 26 Abs. 4 SGB II kann schon nach dem Wortlaut der Norm nur vorliegen, wenn die Härte, die den
Empfänger von Arbeitslosengeld II durch den Kassenwechsel trifft, von dem abweicht, was jeden trifft, der sich mit
der Erhebung eines Zusatzbeitrags konfrontiert sieht. Eine Härte kann nämlich nur eine besondere sein, wenn sie
eben nicht die allgemeine Härte des Zusatzbeitrags bedeutet.
Das Gesetz geht in § 242 Abs. 1 Satz 3 SGB V davon aus, dass jedem Versicherten - unabhängig von seinem
Einkommen und damit auch wenn er Empfänger von Leistungen nach dem SGB II ist - ein Zusatzbeitrag von acht
Euro monatlich zugemutet werden kann. Hält ein Versicherter die Zahlung des Zusatzbeitrags für sich selbst für
unzumutbar hat er die Möglichkeit, seine Mitgliedschaft in der betreffenden Krankenkasse nach § 175 Abs. 4 Satz 5
SGB V zu kündigen und zu einer anderen Krankenkasse zu wechseln, die keinen Zusatzbeitrag erhebt. Das bedeutet,
dass der Gesetzgeber im Grundsatz davon ausgeht, dass jedem Versicherten zunächst ein Kassenwechsel zumutbar
ist. Die allgemeine Härte, die ein Zusatzbeitrag mit sich bringt, kann deshalb nicht ausreichen, um eine Übernahme
durch den Leistungsträger nach dem SGB II zu rechtfertigen.
Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der §§ 175, 242 SGB V, die die Krankenkassen zu einem wirtschaftlichen
Verhalten anregen soll, um zu vermeiden, dass ihre Versicherten kündigen und zu anderen Krankenkassen wechseln.
Das bedeutet, dass umgekehrt die Versicherten im Fall der Erhebung eines Zusatzbeitrags zum Kassenwechsel
animiert werden sollen. Ein Kassenwechsel ist also geradezu erwünscht und deshalb als solches keine Härte.
Eine allgemeine Härte stellt es insofern auch dar, wenn der Tarif einer private Zusatzversicherung durch den
Kassenwechsel umgestellt werden muss. Eine Kooperation zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkasse zur
Zusatzversicherung nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckter Risiken wie z.B. die Versorgung
mit Brillen und Kontaktlinsen oder auch bestimmter Formen von Zahnersatz ist vom Gesetz ermöglicht und vom
Gesetzgeber ausdrücklich erwünscht. Insofern können die Krankenkasse mit privaten Krankenversicherungen
kooperieren, um ihren Versicherten besonders günstige Tarife zu ermöglichen. Dieses Vorgehen stellt nach der
Konzeption des Gesetzes den Regelfall oder zumindest einen häufigen Fall dar und keine Besonderheit. Die
Notwendigkeit eine Versicherung, die aufgrund einer Kooperation mit einer gesetzlichen Krankenversicherung
abgeschlossen worden ist, umzustellen, wenn die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gekündigt
wird, stellt insofern keinen besonderen Fall dar, sondern ist notwendige Konsequenz beider vom Gesetz vorgesehener
Vorgehensweisen der gesetzlichen Krankenversicherungen.
Die Klägerin hat nichts vorgetragen oder vorgelegt, das darauf schließen lässt, dass die Hansemerkur Versicherung
ausschließlich für Versicherte der DAK Zusatzversicherungen anbietet. Vielmehr scheint es nach der Gestaltung des
Versicherungsscheins so zu sein, dass für diese Versicherten lediglich ein Sondertarif angeboten wird, während
Versicherte anderer Krankenkassen zu einem anderen Tarif zusatzversichert werden. Es ist auch nicht erkennbar,
warum die Klägerin in diesem Fall erneut die Wartezeit für die Versicherung erfüllen müsste. Ebenso ist nicht
erkennbar, dass der Klägerin unzumutbar ist, in einen anderen Tarif der Hansemerkur Versicherung zu wechseln.
Selbst wenn aber der Vortrag der Klägerin zutreffen sollte, dass sie bei einem Wechsel ihrer gesetzlichen
Krankenkasse auch die private Zusatzversicherung wechseln muss, stellt die Notwendigkeit eine anderen
Zusatzversicherung, ggfs. eine solche, die mit der neu gewählten Krankenversicherung kooperiert, abzuschließen als
solches keine besondere Härte dar. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass andere private Zusatzversicherungen
einen schlechteren Versicherungsschutz bieten als die Hansemerkur Versicherung.
Auch die Notwendigkeit einer erneuten Wartezeiterfüllung bei einer anderen Versicherung führt nicht zu einer
besonderen Härte. Die Notwendigkeit, eine bestimmte Wartezeit zu erfüllen, ist vielmehr typisch für private
Versicherungen und insofern keine vom üblichen abweichende Härte.
Auch die anderen von der Klägerin vorgetragenen Gründe führen nicht zu einer besonderen Härte. Der Klägerin ist
zwar recht zu geben, wenn sie vorträgt, dass der Versicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung z.B. für
Brillen nicht ausreichend ist, so dass eine Zusatzversicherung sinnvoll ist. Dieses Problem stellt sich aber für fast die
Hälfte der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen, nämlich allen denjenigen, die auf Brillen
angewiesen sind. Auch die Notwendigkeit mehr oder weniger regelmäßig eine neue Brille zu benötigen und diese
finanzieren zu müssen ist deshalb keine besondere Härte im Sinne des § 26 Abs. 4 SGB II.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie besondere Zahnfüllungen benötige, weil in ihrer Kindheit ein Behandlungsfehler
bei der Behandlung von Zahnfehlstellungen aufgetreten ist, gilt das Gleiche.
Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die DAK oder die Hansemerkur Versicherung besondere Leistungen
gewähren, die vom Leistungskatalog anderer Krankenkassen oder privaten Zusatzversicherungen abweichen und die
sie aus medizinischen Gründen benötigt.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.