Urteil des SozG Freiburg vom 13.07.2010

SozG Freiburg (kläger, abtretung, höhe, rente, betrag, verhältnis zwischen, konto, forderung, leistung, abfindung)

SG Freiburg Urteil vom 13.7.2010, S 9 U 2325/09
Gesetzliche Unfallversicherung - Unfallrente - Anspruch auf Weiterzahlung - teilweise Abtretung -
Wirksamkeit - Erfüllungswirkung - Leistung durch Dritte
Leitsätze
1. Die teilweise Abtretung mehrerer selbstständiger Sozialleistungsansprüche setzt zu ihrer Wirksamkeit voraus,
dass sich der Abtretung zweifelsfrei entnehmen lässt, wie sich der abgetretene Betrag auf die einzelnen
Ansprüche verteilt (Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit).
2. Die Anwendung der Schuldnerschutzvorschrift § 409 Abs. 1 BGB setzt die hinreichend bestimmte Bezeichnung
der abgetretenen Forderung in der Abtretungsurkunde voraus.
3. Ansprüche auf Sozialleistungen können soweit das Sozialgesetzbuch nichts abweichendes regelt nur vom
zuständigen Leistungsträger erfüllt werden. Im Übrigen ist eine Leistung durch Dritte mit Erfüllungswirkung analog
§ 267 BGB ausgeschlossen.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 09.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2009 wird
aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.028,31 EUR nebst Zinsen gem. § 44 SGB I zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weitere Rente in Höhe von
20.028,31 EUR zu zahlen, oder ob die diesbezüglichen Ansprüche des Klägers durch Zahlung an dessen
Geschwister, die Beigeladenen, als Abtretungsgläubiger erfüllt worden sind.
2
Der Kläger, geboren 1942, erlitt am 30.11.1979 einen Arbeitsunfall., wegen dessen Folgen ihm die Beklagte mit
Bescheid vom 14.5.1981 eine vorläufige Rente ab 1.5.1981 und mit Bescheid vom 15.9.1981 eine Dauerrente
nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. bewilligte. Die Rente wurde im Laufe des
Bezuges wiederholt angepasst. Seit Oktober 1997 bezieht der Kläger daneben eine Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung, was der Beklagten von der LVA Baden zeitnah
mitgeteilt wurde, sowie eine Betriebsrente von der H GmbH.
3
Mit Schreiben vom 22.9.1999 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten, wie lange die Rente wegen der
Teilabfindung noch gekürzt werde und ob die Möglichkeit einer Abfindung der restlichen Rente bestehe; er sei
(...) in eine finanzielle Notsituation geraten. Hierauf antwortete die Beklagte (Schreiben vom 30.9.1999), die
Wiedergewährung der ungekürzten Rente sei im März 2002 vorgesehen und eine weitere Abfindung sei aus
rechtlichen Gründen (§ 79 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches ) nicht möglich. Mit
Schreiben vom 11.8.2000 legte der beigeladene Bruder des Klägers eine Vollmacht des Klägers vor und
erkundigte sich in dessen Namen erneut, ob eine Abfindung möglich sei. Der Grund der Anfrage liege darin,
Forderungen des Finanzamts in einer Summe auszugleichen. Unter dem 18.8.2000 legt die Beklagte daraufhin
die Voraussetzungen einer Abfindung nach § 78 SGB VII dar und übersandte dem Beigeladenen ein
entsprechendes Antragsformular. In der Folge fanden zwischen dem Beigeladenen und der Beklagten
Korrespondenz und Besprechungen über die Höhe des zu erwartenden Abfindungsbetrages sowie das
Abfindungsverfahren statt. Parallel dazu bat der Beigeladene mit Schreiben vom 11.10.2000 um Auskunft, ob
die Rente abgetreten werden könne und um einen aktuellen Rentenbescheid. Mit Schreiben vom 30.10.2000
erklärte die Beklagte dem Beigeladenen, es sei selbstverständlich möglich, die laufende Rente auf das Konto
eines Abtretungsgläubigers zu überweisen. Es werde gebeten, entsprechende Unterlagen zu übersenden.
Außerdem sandte die Beklagte dem Kläger einen Ausdruck über die Höhe der Verletztenrente ab 1.7.2000.
4
Mit Schreiben vom 12.2.2001 meldeten sich die Bevollmächtigten des Beigeladenen bei der Beklagten und
zeigten die Vertretung beider Beigeladener an. Sie übersandten zwei Abtretungserklärungen zu Gunsten der
beiden Beigeladenen. Diese hatten insbesondere folgenden Wortlaut:
5
1. Frau ... hat ihrem Bruder ein Darlehen in Höhe von insgesamt DM 70.000,00 gewährt. (Der Kläger) ist
verpflichtet, dieses Darlehen mit 8% p. a. zu verzinsen und hierauf monatliche Raten in Höhe von DM
850,00, einschließlich Zins und Tilgung zu leisten. (...)
2. Zur Sicherung der Rückzahlungsansprüche der Darlehensgeberin tritt hiermit (der Kläger) seine
Rentenansprüche - soweit gesetzlich zulässig und pfändbar bzw. abtretbar - gegenüber den
Rentenversicherungsträgern
LVA B
G-Berufsgenossenschaft
H GmbH
ab. Frau ... nimmt die Abtretung an. Frau ... ist berechtigt, diese Abtretung offen zulegen.
3. (...)
S, den 20. März 2000
6
bzw.
7
(Der Kläger) schuldet Herrn ... die Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von DM 50.000 nebst 8 % Zinsen
hieraus seit 30.03.2000. Zur Ausgleichung dieses Betrages, der von (dem Kläger) in Monatsraten bezahlt
werden soll, tritt dieser an Herrn ... seine Rentenansprüche - soweit gesetzlich zulässig und pfändbar bzw.
abtretbar - gegenüber den Rentenversicherungsträgern
LVA B,
G-Berufsgenossenschaft
H GmbH
ab. Herr ... nimmt diese Abtretung an. Die Monatsraten belaufen sich in Höhe der jeweils gesetzlich
zulässigen Pfändungsbeträge und sind zahlbar ab sofort zum Monatsersten. (...)
S, den 1.12.2000
8
Im Schreiben der Bevollmächtigten wurde u. a. ausgeführt, vorrangig sei die Abtretung vom 20.3.2000 mit
monatlich 850 DM zugunsten der Beigeladenen zu bedienen. Weiter wurde gebeten, die Abtretung einstweilen
nicht zu bedienen, da die monatlichen Zahlungen in Höhe von 850 DM durch die LVA B als weitere
Drittschuldnerin erfolgten. Aufforderungsgemäß bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 28.2.2001,
bezüglich der Rente des Klägers bestünden keine Rechte Dritter und gegebenenfalls könne eine Rentenzahlung
gemäß der Abtretungserklärung erfolgen.
9
Unter dem 21.12.2001 teilt der Kläger zunächst mit, er habe sich nach reiflicher Überlegung entschlossen,
keine weitere Rentenabfindung zu beantragen. Dagegen ließ er mit Schreiben vom 20.1.2002 wissen, er habe
nach reiflicher, endgültiger Überlegung entschieden, sich zum Zweck der Abfindung ärztlich begutachten zu
lassen, da er die weitere Rentenabfindung dringend benötige. Am 5.3.2002 ging bei der Beklagten ein
Schreiben des Beigeladenen u. a. mit folgendem Wortlaut ein:
10
Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit möchten wir Sie vorab informieren, dass (der Kläger) seine
Ansprüche im Hinblick auf die Unfallrente an seine Schwester ... und seinen Bruder ... abgetreten hat. Als
Beleg fügen wir Ihnen vorab Fotokopie der Abtretungserklärung als auch eine unterschriebene Vollmacht
vom 12.1.2000 unsrem heutigen Schreiben bei. Mit der Wahrnehmung unserer Interessen haben wir die RA
D&D beauftragt. Wir gehen davon aus, dass die LVA in Abstimmung mit Ihnen, der G-BG den Betrag der über
die Pfändungsfreigrenze hinausgeht an ... u. ... transferieren wird.
11 Die beigefügten, auf den 11.2.2002 datierten neuen Abtretungserklärungen zugunsten beider Beigeladenen,
hatten gegenüber den früheren Abtretungserklärungen insbesondere folgendem veränderten Wortlaut:
12
Zur Ausgleichung dieses Betrages, der von (dem Kläger) in Monatsraten gezahlt werden soll, tritt dieser an
Frau ... (bzw. Herrn ...) seine Rentenansprüche in Höhe von mindestens DM 800,00 (Euro 409,03) und
darüber hinaus soweit gesetzlich zulässig und pfändbar bzw. abtretbar gegenüber den
Rentenversicherungsträgern LVA B, G-Berufsgenossenschaft, H GmbH ab. Die Monatsraten belaufen sich in
Höhe von mind. DM 800,00 (Euro 409,03) und sind zahlbar sofort zum Monatsersten auf das Konto ... u. ...
Volksbank S (...).
13 Mit Schreiben vom 6.3.2002 bestätigte die Beklagte den Eingang dieses Schreibens und teilte mit, sie sehe
der weiteren Mitteilung der beauftragten Rechtsanwälte bezüglich des beabsichtigten Verfahrens der
Rentenabtretung entgegen. Mit gleicher Post versuchte die Beklagte, den im Hinblick auf den Abfindungsantrag
erteilten Gutachtensauftrag zu stornieren, da der Kläger inzwischen die Abtretung seiner Rentenzahlung
veranlasst habe. Gleichwohl erstattete der beauftragte Internist Dr. S das Gutachten unter dem 11.3.2002.
14 Unter dem 9.4.2002 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass sie aufgrund der vorliegenden
Abtretungserklärung ab 1.5.2002 einen Teilbetrag der Rente in Höhe von 409,03 EUR auf das Konto des
Beigeladenen überweisen werde. Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 11.4.2002. Er führte aus,
nach seiner Rechnung sei der Abtretungsbetrag zu hoch. Er sei jetzt wieder verheiratet und seines Wissens sei
der Pfändungsfreibetrag erhöht worden. Er bat um eine genaue Abrechnung des Pfändungsbetrages.
15 Hierzu nahm die Beklagte insbesondere wie folgt Stellung (18.4.2002):
16
Wir haben Ihr o. a. Schreiben mit Unverständnis zur Kenntnis genommen. Bei der Vereinbarung der
Abtretung der Rentenforderung zwischen Ihnen und Frau ... wussten sie damals schon, dass Sie verheiratet
sind und den Betrag möglicherweise nicht aufbringen können. Es ist für uns daher nicht nachvollziehbar,
warum eine bereits getroffene Vereinbarung jetzt wieder abgeändert werden soll (...). Bevor wir in Ihrer
Sache nochmals tätig werden, werden wir Frau ... sowie Ihren Bevollmächtigten, Herrn ..., zunächst noch
anhören, um festzustellen, wie jetzt eigentlich weiter verfahren werden soll.
17 Der Beigeladene äußerte sich zu dem Schreiben vom 11.4.2002 und 18.4.2002 gegenüber der Beklagten unter
dem 29.4.2002 insbesondere wie folgt:
18
... wir setzen natürlich voraus, das die bisherigen Berechnungen auf der Basis aktueller Gesetzgebung,
aktueller Bemessungsgrundlagen aufgestellt worden sind...
Gemäß Ihrem Schreiben vom 9. April 2002 haben Sie uns mitgeteilt, das die G-Berufsgenossenschaft ab
dem 1. Mai 2002 den abgetretenen Betrag von Euro 409,03 an .../... überweisen wird. Bei der Bemessung
wurde ja sicherlich auch die bestehende Erwerbsunfähigkeitsrente mit berücksichtigt.
19 Dieses Schreiben übersandte die Beklagte dem Kläger in Kopie und vertrat die Auffassung, der Kläger habe
sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass ein monatlicher Betrag von 409,03 EUR von seiner Rente
einbehalten werde. Diese Regelung sei verbindlich, die Beklagte sei erst dann bereit, hier eine Änderung
vorzunehmen, wenn der Kläger in Abstimmung mit den Beigeladenen nachweise, dass eventuell ein geringerer
Betrag an diese abgeführt werden solle (Schreiben vom 7.5.2002).
20 Ab November 2003 bemühte sich der Kläger erneut um eine Abfindung der Rente. Auf den Hinweis der
Beklagten, dass die Abfindung einer abgetretenen Rente nicht möglich sei, erklärte der Kläger ihr gegenüber
unter dem 7.12.2003, er nehme die Abtretungserklärung zurück, die auf einem Teil seiner Rente liege. Der
Abfindungsantrag wurde mit Bescheid vom 17.12.2003 wegen drohender Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers
abgelehnt. Auf den Widerspruch des Klägers hiergegen prüfte die Beklagte Leistungen der Wohnungshilfe
(behindertengerechter Umbau). In einem Schreiben im Widerspruchsverfahren vom 5.7.2004 bestätigte die
Beklagte, die Erklärung über die Rücknahme der Abtretungserklärung zur Kenntnis genommen zu haben und
bat um Mitteilung, ob die gesamte Rente künftig ausschließlich auf das Konto des Klägers überwiesen werden
solle. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 13.7.2004 erneut Darlegungen zur von ihm begehrten Abfindung
gemacht und eine eventuell noch vorliegende Vollmacht zu Gunsten seines Bruders widerrufen hatte, erklärte
die Beklagte mit Schreiben vom 22.7.2004 nunmehr, der Kläger möge - wenn er seinen Widerspruch
aufrechterhalte - eine Erklärung seiner Geschwister vorlegen, wonach die Abtretungen vom 11.2.2002
zurückgenommen werden. Nach weiterer Korrespondenz wies die Beklagte den Widerspruch gegen die
Ablehnung der Abfindung mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2004 zurück. Die dagegen gerichtete Klage
wurde vom Sozialgericht Freiburg mit Gerichtsbescheid vom 13.6.2005 wegen Versäumung der Klagefrist als
unzulässig abgewiesen (Az. S 9 U 432/05).
21 Mit Schreiben vom 20.12.2005 teilte der Kläger mit, die Beigeladene habe ihn telefonisch gebeten, die
Überweisung der abgetretenen Teilrente künftig auf ein anderes, auf ihren Namen lautendes Konto bei der H-
Bank zu veranlassen. Diesem Ersuchen kam die Beklagte zunächst nach. Auf den Widerspruch des
Beigeladenen hiergegen teilte die Beklagte mit (29.2.2005), sie betrachte die Mitteilung des Klägers als
verbindlich, ein eventueller Übergang der Forderung an den Beigeladenen auf zivilrechtlichem Wege sei
zwischen dem Beigeladenen und seinem Bruder geltend zu machen. Nach Intervention der Bevollmächtigten
des Beigeladenen mit Schreiben vom 7.2.2006, in dem nunmehr der Beigeladene als alleiniger
Forderungsgläubiger des abgetretenen Anspruchs bezeichnet wurde, teilte die Beklagte mit Schreiben vom
9.2.2006 mit, die Zahlungen würden zukünftig wieder auf das Gemeinschaftskonto beider Beigeladener bei der
örtlichen Volksbank überwiesen.
22 In einem Schreiben vom 5.4.2006 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Unstimmigkeiten wegen der
monatlichen Rentenabtretung würden immer schlimmer. Daher bitte er darum, zu prüfen, inwieweit der
Beigeladene überhaupt noch Ansprüche habe, dies sei für ihn in keiner Weise nachvollziehbar. Bei der
Unterzeichnung der Abtretungserklärung habe er sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Bis
zum Jahr 2003 habe er den abgetretenen Betrag immer mal wieder von seinem Bruder zurückbekommen, von
November 2003 bis April 2006 sei er mit der Miete verrechnet worden. Daneben habe es erbrechtliche
Auseinandersetzungen zwischen den Geschwistern gegeben. Seine Schwester habe ihn tatsächlich zwischen
1996 und 2000 immer wieder finanziell unterstützt, deshalb könne er nicht verstehen, dass sie die Abtretung
nicht direkt auf ihr Konto erhalten könne. Hierzu erklärte die Beklagte (Schreiben vom 7.4.2006), sie habe vom
1.5.2002 bis 30.4.2006 den Beigeladenen insgesamt 19.633,44 EUR überwiesen. Da das Geld auf ein
gemeinsames Konto gegangen sei, könne die Beklagte nicht sagen, wie sich die Zahlungen auf die
Beigeladenen verteilten. Sie forderte mit gleicher Post bei den Beigeladenen aktuelle Forderungsaufstellungen
an. Auf diese Aufforderung reagierte der Beigeladene zunächst nicht, die Beigeladene teilte unter dem
18.4.2006 mit, sie habe bislang nichts erhalten, der abgeführte Betrag sei ausschließlich dem Beigeladenen
zugutegekommen. Sie hoffe, dass nun Zahlungen auf ihr Konto bei der H-Bank erbracht würden. Dem schloss
sich der Kläger mit Schreiben vom 20.5.2006 an.
23 Unter dem 4.6.2006 erklärte der Beigeladene nach wiederholter Erinnerung, nach dem Anwaltsschreiben vom
12.2.2001 sei vorrangig die Forderung der Beigeladenen zu bedienen. Auf dieser Grundlage habe die Beklagte
auch die Zahlungen vorgenommen, diese seien daher zunächst auf die Forderung der Beigeladenen zu
verrechnen, die voraussichtlich im März 2009 abgegolten sein werde. Ab diesem Zeitpunkt werde die
bestehende Forderungsabtretung zu seinen Gunsten bedient werden. Die Kontoverwaltung werde von ihm, dem
Beigeladenen vorgenommen.
24 Auf die Aufforderung der Beklagten (9.6.2006), sich zu den Widersprüchen zwischen den Äußerungen der
Beigeladenen zu erklären, ließ der Beigeladene mit Rechtsanwaltsschreiben vom 16.8.2006 eine auf den
14.8.2006 datierte Erklärung vorlegen, wonach er mit sofortiger Wirkung die bestehende Abtretung widerruflich
aussetze und die monatlichen Zahlungen ab sofort auf ein Konto der Ehefrau des Klägers bei der P-Bank zu
leisten seien. Die Ehefrau des Klägers erklärte hierzu am 25.8.2006 telefonisch, das Schreiben des
Beigeladenen mache keinen Sinn, da der Kläger und seine Schwester übereinstimmend der Auffassung seien,
dass zunächst die Forderung der Beigeladenen zu bedienen sei. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlungen
auf das gemeinsame Konto der Beigeladenen bei der Volksbank ein und forderte den Bevollmächtigten des
Beigeladenen zur Vorlage einer gemeinsamen Erklärung der Beigeladenen, auf welches Konto die Zahlungen
zukünftig erfolgen sollten. Derartige Erklärungen gingen im Laufe der Monate September und Oktober 2006 bei
der Beklagten ein. Danach bestand zwischen den Beigeladenen Einigkeit, das die bisherigen Zahlungen
ausschließlich auf die Forderung der Beigeladenen zu verrechnen und zukünftige Zahlungen zunächst auf
deren Konto bei der H-Bank vorzunehmen seien.
25 Mit Schreiben vom 22.11.2007 beantragte der Kläger die Prüfung, ob der abgetrennte Betrag von 409,03 EUR
noch gesetzlich zulässig sei. Er habe die Rentenansprüche mit Erklärung vom 11.2.2002 lediglich abgetreten,
soweit gesetzlich zulässig und pfändbar. Er sei nun 65 Jahre alt, könne aus gesundheitlichen Gründen keine
Nebentätigkeiten auszuüben und müsse in naher Zukunft seiner Ex-Frau jeden Monat 255 EUR
Versorgungsausgleich bezahlen. Die Beklagte erklärte hierzu (3.12.2007), eine Rücknahme der Abtretung sei
grundsätzlich nicht möglich. Sofern sein Gesamteinkommen unterhalb der Pfändungsfreibetragsgrenze liege,
möge er dies nachweisen. Eine daraufhin vom Kläger vorgelegte Einkommensaufstellung vom 8.3.2008, aus
der sich ein pfändbarer Betrag von 300,09 EUR ergab, akzeptierte die Beklagte mangels Belegen nicht.
26 Unter dem 14.10.2008 meldeten sich die Bevollmächtigten des Klägers bei der Beklagten und forderten sie auf,
mitzuteilen, wie sie ihrerseits die Pfändungsfreigrenze berechnet und ggf. bei den abgetrennten
Rentenzahlungen berücksichtigt habe. Darauf erwiderte die Beklagte (24.10.2008), der Kläger habe seinen
Rentenanspruch mehrfach abgetreten. Die maßgebliche Abtretungsvereinbarung vom 11.2.2002 habe
vorgesehen, dass ein Mindestbetrag von monatlich 409,03 EUR auf das gemeinsame Konto der Geschwister
des Klägers überwiesen werden sollte. Soweit gesetzlich pfändbar, sollten darüber hinaus weitere Zahlungen
auf das gleiche Konto gezahlt werden. Gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches
(SGB I) könnten Geldleistungsansprüche übertragen werden, soweit dies im wohlverstandenen Interesse des
Berechtigten liege, auch soweit diese nicht pfändbar seien. Nachdem der Kläger die Vereinbarung offenbar
gewünscht und veranlasst habe, erscheine es verwunderlich, wenn diese nun im Nachhinein nicht mehr in
seinem wohlverstandenen Interesse gelegen haben solle.
27 Mit Schreiben vom 25.11.2008 wiesen die Bevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass der Kläger bereits im
Jahr 2002 geltend gemacht habe, dass er lediglich die pfändbaren Beträge abgetreten habe. Die Beklagte habe
es aber abgelehnt, die Pfändungsfreigrenze zu beachten. Weshalb die überhöhten abgeführten Beträge im
wohlverstandenen Interesse des Klägers gelegen haben sollten, sei nicht nachvollziehbar. Das Schreiben
enthielt weiter eine Aufstellung der den jeweils pfändbaren Betrag übersteigenden Zahlungen an die
Beigeladenen im Zeitraum vom 1.6.2002 bis 31.10.2008, aus der ein offener Rentenanspruch des Klägers in
Höhe von 20.028,31 EUR errechnet wurde. Die Beklagte wurde zur Zahlung dieses Betrages zuzüglich
Rechtsanwaltsgebühren aufgefordert.
28 Mit Bescheid vom 9.1.2009 lehnte die Beklagte dies ab. Sie vertrat die Auffassung, die Abtretungserklärungen
des Klägers ließen keinen Interpretationsspielraum zu. In ihnen sei ein monatlicher Betrag in Höhe von
mindestens 409,03 EUR vereinbart. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom
22.1.2009 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.4.2009 zurückwies.
29 Seit Januar 2009 führt die Beklagte lediglich noch einen allseitig als pfändbar anerkannten Betrag an die
Beigeladene ab.
30 Am 7.5.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg.
31 Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte von Anfang an lediglich den gesetzlich pfändbaren bzw.
abtretbaren Betrag an die Beigeladenen hätte abführen dürfen.
32 Der Kläger beantragt,
33
den Bescheid der Beklagten vom 9.1.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.4.2009
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 20.028,31 EUR nebst Zinsen gemäß § 44
SGB I zu bezahlen.
34 Die Beklagte beantragt,
35
die Klage abzuweisen.
36 Sie hält an der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung fest. Auf die Aufforderung des
Gerichts unter Fristsetzung gem. § 106a Abs. 2 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), zur Berechnung des
klägerischen Bevollmächtigten im Schreiben vom 25.11.2008 Stellung zu nehmen, hat die Beklagte nicht
reagiert, da ihr eine Überprüfung anhand der ihr vorliegenden Unterlagen nicht möglich sei.
37 Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
38 Der Beigeladene lässt vortragen, die Abtretung in Höhe von monatlich 409,03 EUR sei von den Parteien
unabhängig von irgendwelchen Pfändungsfreigrenzen vereinbart und gewollt gewesen. Wegen der finanziellen
Probleme des Klägers seien die Zahlungen der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum teilweise wieder
an den Kläger bzw. dessen Ehefrau ausgezahlt und in weiteren Monaten vereinbarungsgemäß mit
Mietzinsforderungen des Beigeladenen gegen den Kläger verrechnet worden.
39 Die Verwaltungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
genannte Verwaltungsakte sowie die Akte des Gerichts, Az.: S 9 U 2325/09, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
40 Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen zulässig und als kombinierte
Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft. Insbesondere
steht der für die Verbindung von Anfechtungs- und Leistungsklage vorausgesetzten Befugnis der Beklagten,
durch Verwaltungsakt über die Auszahlung des vom Kläger beanspruchten Betrages nicht entgegen, dass über
den Rentenanspruch insgesamt bereits durch frühere Verwaltungsakte (die Renten- und
Rentenanpassungsbescheide) entschieden worden war; denn die Beklagte ist im Falle einer Teilabtretung wie
hier dazu berufen, die Höhe des abtretbaren Betrages durch Verwaltungsakt zu regeln, was hier bis zum
angefochtenen Bescheid noch nicht geschehen ist (BSG-Urt. v. 29.6.1995, Az. 11 RAr 109/94, veröff. in
). Falls die Auszahlungsverfügungen der Beklagten im verfahrensgegenständlichen Zeitraum als die
Höhe des Abtretungsbetrages regelnde schlüssige Verwaltungsakte angesehen würde, wäre von einer
zulässigen objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) einer isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) mit einer
echten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) auszugehen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.
A. 2008, § 54, Rnr. 41), die Klage somit ebenfalls statthaft.
41 Die Klage ist auch begründet.
42 Der Kläger hatte aufgrund der bindend gewordenen Rentenbescheide und Rentenanpassungsbescheide der
Beklagten im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf monatliche Rente in 409,03 EUR deutlich
übersteigender Höhe. Dieser Anspruch wurde lediglich teilweise durch direkte Zahlung an den Kläger erfüllt,
nämlich monatlich um 409,03 EUR gekürzt. Insoweit ist der Sachverhalt zwischen den Beteiligten unstreitig
und den Akten zweifelsfrei zu entnehmen. Streitig ist lediglich, ob und ggf. inwieweit der Anspruch des Klägers
durch Leistung an die Beigeladenen als Abtretungsgläubiger, durch Weiterleitung/Aufrechnung durch einen der
Beigeladenen als Dritten oder auf sonstige Weise erloschen ist.
43 Die Prüfung dieser Streitfrage führt zu dem Ergebnis, dass der nicht durch Leistung an ihn selbst erfüllte
Rentenanspruch des Klägers nicht einmal teilweise erloschen ist, so dass der Kläger jedenfalls Anspruch auf
den mit der Klage geltend gemachten Teilbetrag hat.
44 Zwar wäre der Anspruch, wovon die Beklagte ausging, gem. § 362 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches
(BGB) durch Leistung an den Gläubiger erloschen, wenn es sich bei den Beigeladenen im Zahlungszeitpunkt
kraft wirksamer Abtretung gem. § 398 BGB um die neuen Gläubiger des abgetretenen Teils des
Rentenanspruchs gehandelt hätte. Eine wirksame Teilabtretung des Rentenanspruchs des Klägers zu Gunsten
der Beigeladenen hat jedoch nicht stattgefunden, nicht einmal hinsichtlich des pfändbaren Teils.
45 Gemäß § 398 BGB kann eine Forderung von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen
übertragen werden mit der Folge, dass der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt. Ein
wirksamer Abtretungsvertrag im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass die abzutretende Forderung
bestimmt oder mindestens bestimmbar ist. Werden mehrere rechtlich unselbstständige Forderungen in der
Weise abgetreten, dass der abgetretene Betrag die Summe der Forderungen unterschreitet (sog. Teilabtretung
einer Forderungsmehrheit), setzt die Bestimmbarkeit voraus, dass im Abtretungsvertrag zweifelsfrei bestimmt
wird, wie sich die abgetretene Summe auf die einzelnen Forderungen verteilt, d. h., auf welche bestimmte
Forderung sich die Abtretung jeweils in welcher bestimmten Höhe bezieht (st. Rspr. seit RG-Urt. v. 27.2.1920,
Az.: VII 296/19 = RGZ 98, 200; aus neuerer Zeit z. B. OLG Köln, Urt. v. 19.1.2005, Az. 11 U 79/04; OLG
Rostock, Urt. v. 3.5.2005, Az. 4 U 182/01, alle in ; vgl. auch Staudinger/Jan Busche (2005), § 398 BGB,
Rnr. 61 m. w. N.).
46 An diesen Maßstäben gemessen sind alle vier hier zu beurteilenden Abtretungsverträge mangels Bestimmtheit
unwirksam. Denn es handelte sich sowohl bei den Abtretungen vom 20.3.2000 bzw. 1.12.2000 als auch bei den
Abtretungen vom 11.2.2002 um Teilabtretungen von Forderungsmehrheiten (der selbstständigen
Rentenansprüche gegen den Rentenversicherungsträger LVA B, die Beklagte als Unfallversicherungsträger und
die H-GmbH, von der der Kläger eine Betriebsrente bezog). Der lediglich teilweise Abtretungscharakter ergibt
sich bei den Verträgen vom 20.3.2000/1.12.2000 aus der ausdrücklichen Beschränkung auf den pfändbaren
Betrag, bei den Verträgen vom 11.2.2002 aus der Bezifferung auf 409,03 EUR bzw. darüber hinaus „soweit
pfändbar“. Nach jeder denkbaren Auslegung wurden somit in allen Abtretungsverträgen drei verschiedene
Rentenansprüche nicht in vollem Umfang, sondern lediglich teilweise abgetreten, ohne dass sich den Verträgen
entnehmen ließe, wie sich der Teilbetrag auf die drei Rententräger als Drittschuldner verteilen sollte.
47 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des BSG vom 29.6.1995 (a. a. O.) und des
bayerischen LSG vom 28.10.1997 (Az. L 11 AL 199/96, ), denn in den diesen beiden Entscheidungen zu
Grunde liegenden Fällen war zwar ebenfalls lediglich der pfändbare Teil des Einkommens abgetreten worden,
dieses bestand aber jeweils nur in einer einzigen Sozialleistung (Arbeitslosenhilfe bzw. Arbeitslosengeld). Im
Gegensatz zum vorliegenden Fall wurde also eine einzige Forderung, nicht eine Mehrheit von Forderungen
teilweise abgetreten, so dass die Beschränkung auf den pfändbaren Teil der Rente der Bestimmtheit nicht
schadete.
48 Die Beklagte kann sich weiter nicht auf § 409 Abs. 1 BGB berufen. Nach dieser entsprechend auch für die
Abtretung von Sozialleistungen geltenden Vorschrift (vgl. BSG a. a. O.) muss der Gläubiger dem Schuldner
gegenüber zwar auch eine unwirksame Abtretung gegen sich gelten lassen, wenn er - wie hier - dem neuen
Gläubiger eine Urkunde über die Abtretung ausgestellt hat und dieser sie dem Schuldner vorlegt. Die Urkunde i.
S. d. § 409 Abs. 1 Satz 2 BGB muss nämlich insbesondere die abgetretene Forderung in hinreichend
bestimmter oder bestimmbarer Weise bezeichnen (Knerr in: jurisPK-BGB, 4. A. 2008, § 409, Rnr. 15), was hier
- wie dargelegt - gerade nicht der Fall ist. Die hinreichende Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der
abzutretenden Forderung in der Abtretungsurkunde ist zwingende Voraussetzung der § 409 Abs. 1 BGB zu
Grunde liegenden Rechtsscheinwirkung. Ist die Forderung nicht bestimmt oder bestimmbar genug, wird gerade
kein Rechtsschein begründet, denn es lässt sich der Urkunde nicht in vertrauensbegründender Weise
entnehmen, in welchem Umfang die Abtretung erfolgt sein soll. Vorliegend blieb nach dem Inhalt der
Abtretungsurkunden vom 11.2.2002 unklar, ob gerade die Beklagte an die Beigeladenen 409,03 EUR bezahlen
sollte (wie sie dies verstand) oder z. B. lediglich 1/3 hiervon, einen ihrem Anteil an der Summe der
abgetretenen Forderungen entsprechenden Betrag oder sonst einen Teilbetrag. Daher konnten diese Urkunden
die Wirkung des § 409 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entfalten.
49 Der nicht durch direkte Zahlung der Beklagten an den Kläger erfüllte Teil der Rentenansprüche ist auch nicht
etwa durch die Weiterleitung entsprechender Beträge oder Verrechnung mit Mietzinsforderungen durch den
Beigeladenen ganz oder teilweise erloschen. Die Rechtslage ist insoweit nach dem im öffentlichen Recht
entsprechend anwendbaren (Kerwer in: jurisPK-BGB, 4. A. 2008, § 267 BGB, Rnr. 18 m. w. N.) § 267 BGB zu
beurteilen. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann auch ein Dritter die Leistung mit Erfüllungswirkung bewirken,
ohne dass es auf die Einwilligung des Schuldners ankäme, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat.
Nach den Grundsätzen dieser Vorschrift konnten die Beigeladenen nicht als Dritte Verpflichtungen der
Beklagten gegenüber dem Kläger erfüllen.
50 Bei Ansprüchen auf Sozialleistungen handelt es sich erstens nach Überzeugung des Gerichts um gleichsam
persönlich vom zuständigen Leistungsträger zu erfüllende Ansprüche i. S. von § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB, die
einer Leistung durch Dritte mit Erfüllungswirkung von vornherein nicht zugänglich sind. Dies ergibt sich
systematisch daraus, dass § 107 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) ausdrücklich
die Erfüllung von Sozialleistungsansprüchen insoweit fingiert, wie z. B. vorläufig oder nachrangig zuständige
oder unzuständige Leistungsträger diese Leistungen erbracht haben und daher nach Maßgabe der §§ 102 ff.
SGB X erstattungsberechtigt sind. Dieser Vorschrift bedürfte es nicht und insbesondere auch nicht der
rechtlichen Gestaltung der Erfüllungswirkung als Fiktion („ gilt... als erfüllt“), wenn entsprechend § 267 Abs. 1
BGB bereits durch die Leistung des Dritten die Erfüllung einträte. Dies entspricht zweitens auch den
gesetzlichen Zwecken der jeweiligen Sozialleistungen, die durch Leistungen Dritter, erst recht privater Dritter,
nicht erfüllt werden können. Drittens würde die Erfüllbarkeit von Sozialleistungsansprüchen durch unzuständige
Dritte außerhalb der durch das Sozialgesetzbuch geregelten Ausnahmen dazu führen, dass etwaige Störungen
in einem der beiden Leistungsverhältnisse (sozialrechtlich zwischen Leistungsträger und
Leistungsberechtigten, zivilrechtlich zwischen dem Dritten und diesem) auch nach Maßgabe des jeweils
anderen materiellen und Verfahrensrechts behandelt werden müssten, z. B. also bei Nichtbestehen des
sozialrechtlichen Anspruchs eine Rückabwicklung nach §§ 45 ff. SGB X im Verhältnis zwischen dem Dritten
und dem Leistungsberechtigten nicht möglich wäre.
51 Zweitens könnten die Leistungen des Beigeladenen an den Kläger nur dann die Wirkung des § 267 Abs. 1 BGB
entfalten, wenn jener dabei mit dem Willen gehandelt hätte, die Verpflichtung der Beklagten zu tilgen (sog.
Fremdtilgungswille, vgl. Kerwer a. a. O., Rnr. 6 m. w. N.). Hiervon kann bereits deshalb keine Rede sein, weil
der Beigeladene im Zeitpunkt der Weiterleitung/Verrechnung davon ausging, dass eine Schuld der Beklagten
gegenüber dem Kläger insoweit wegen der erfolgten Abtretung überhaupt nicht mehr bestand.
52 Drittens setzt eine Leistung durch Dritte mit schuldbefreiender Wirkung nach Maßgabe des § 267 Abs. 1 BGB
voraus, dass die Leistung selbst bewirkt wird; Ersatzleistungen, insbesondere eine Aufrechnung, sind nicht
statthaft (Kerwer, a. a. O., Rnr. 7). Aus diesem Grund kann jedenfalls den „Verrechnungen“ mit behaupteten
Mietzinsforderungen keine die Rentenansprüche insoweit befriedigende Wirkung zukommen.
53 Zusammenfassend kommt eine die Beklagte entlastende Wirkung etwaiger Leistungen der Beigeladenen an
den Kläger nicht in Betracht. Sollte die Beklagte von den Beigeladenen die an sie ausgezahlten
Rententeilbeträge nach Maßgabe des § 50 Abs. 2 SGB X zurückfordern (vgl. BSG-Urt. v. 24.7.2001, Az. B 4
RA 102/00 R, ), wäre eine eventuelle Rückabwicklung dem Kläger weitergeleiteter Beträge ggf. nach
zivilrechtlichen Maßstäben im Verhältnis zwischen den Beigeladenen und ihm zu klären.
54 Das Gericht hat auch deshalb keine Bedenken, der Klage in vollem Umfang stattzugeben, weil die Beklagte
ohnehin noch über die Wirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Abtretungen zu entscheiden gehabt hätte
und diese wahrscheinlich nicht rechtsfehlerfrei hätte bejahen können. Die Abtretung von Geldleistungen nach
dem Sozialgesetzbuch bedarf nach § 53 Abs. 2 SGB I eines die Abtretbarkeit nach Maßgabe dieser Vorschrift
feststellenden Verwaltungsakt der für die Leistung zuständigen Behörde (Pflüger, in: jurisPK-SGB I, § 53, Rnr.
63). Eine solche Entscheidung ist hier bislang nicht, zumindest nicht bestandskräftig, erfolgt. Selbst wenn man
in dem Schreiben der Beklagten vom 9.4.2002 (Mitteilung an den Kläger, dass zukünftig 409,03 EUR auf das
Konto der Beigeladenen überwiesen werden) einen derartigen Verwaltungsakt sehen würde, wäre dieser für die
Beteiligten noch nicht bindend, denn der Kläger hat eben diesem Schreiben seinerseits mit Schreiben vom
11.4.2002 widersprochen. Ein Widerspruchsbescheid ist ersichtlich noch nicht ergangen. Zwar ist die Abtretung
bis zur bindenden Entscheidung des Leistungsträgers über die Abtretbarkeit der Forderung schwebend
unwirksam und die Beteiligten sind einstweilig an die Abtretung gebunden (Pflüger, a. a. O., Rnr. 64), was eine
Einziehung des abgetretenen Betrages durch den Zedenten (und damit eine Verurteilung der Beklagten zur
Zahlung allein aus diesem Grund) verbieten würde. Käme es noch auf die Zulässigkeit der Abtretung gemäß §
53 Abs. 2 SGB I an, stünde dem hierfür gem. Abs. 2 Nr. 2 der Vorschrift vorausgesetzten wohlverstandenen
Interesse des Berechtigten aber entgegen, dass Abtretungen zum Ausgleich von Schulden wie hier in aller
Regel diesem Interesse nicht entsprechen. Durch eine derartige Abtretung wird lediglich die Position des
Gläubigers verbessert; dem Leistungsberechtigten werden hingegen Mittel für Zwecke entzogen, die dem
Leistungszweck entgegenstehen (Pflüger, a. a. O., Rnr. 61 m. w. N.). Keinesfalls kann das wohlverstandene
Interesse - wie im Schreiben der Beklagten vom 24. 10. 2008 - damit begründet werden, dass der Kläger die
Abtretung selbst veranlasst habe; denn dies ist ohnehin Voraussetzung einer wirksamen Abtretung, so dass §
53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I überflüssig wäre, wenn sich hieraus bereits das wohlverstandene Interesse ergäbe.
55 Nicht zuletzt bestehen auch Bedenken gegen die Auslegung der Abtretungsverträge vom 11.2.2002 durch die
Beklagte. Für die Abtretung eines Betrages von 409,03 EUR monatlich ohne Rücksicht auf die
Pfändungsfreigrenze scheint zwar der Wortlaut der Vereinbarung selbst zu sprechen. Der Inhalt des
Anschreibens des Beigeladenen an die Beklagte vom 5.3.2002 (Eingangsdatum) und insbesondere seines
Schreibens vom 29.4.2002 ist mit dieser Auslegung jedoch kaum zu vereinbaren. Wäre der Beigeladene bereits
damals von der unbedingten Abtretung eines Mindestbetrages in Höhe von 409,03 EUR ausgegangen, wie er
heute das Gericht glauben machen will (Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15.3.2010), so hätte es für
ihn nahe gelegen, bereits zum Schreiben seines Bruders vom 11.4.2002 in diesem Sinne Stellung zu nehmen,
statt wenig konkret auszuführen, dass „die bisherigen Berechnungen auf der Basis aktueller Gesetzgebung,
aktueller Bemessungsgrundlagen“ beruhten und dass „bei der Bemessung ... ja sicherlich auch die bestehende
Erwerbsunfähigkeitsrente mit berücksichtigt“ worden sei. Diese Ausführungen lassen eher vermuten, dass die
Parteien der Abtretungsverträge vom 11.2.2002 den Teilbetrag von 409,03 EUR irrtümlich für jedenfalls
pfändbar hielten.
56 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Eine
Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen erschien dem Gericht nicht angemessen, weil der
Beigeladene durch die Vorlage der unwirksamen Abtretung und Einziehung der daraufhin abgetrennten Beträge
den vorliegenden Rechtsstreit und seine Beiladung selbst mit veranlasst hat. Letzteres gilt auch für die
Beigeladene, der zudem - soweit ersichtlich - außergerichtliche Kosten nicht entstanden sind.