Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 27.07.2007

SozG Frankfurt: anerkennung, durchschnitt, anwaltsgebühr, verfügung, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, quelle, kenntnisnahme, gerichtsverfahren, dokumentation

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Gericht:
SG Frankfurt 35.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 35 SB 99/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 14 Abs 1 S 1 RVG
Anwaltsgebühr bei Streitigkeit über die Feststellung der
Schwerbehinderteneigenschaft
Gründe
Mit Kostenfestsetzungsgesuch vom 4. Juni 2007 begehrte die
Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung außergerichtlicher Kosten in
Höhe von 692,46 € (1/2 =346,23 €).
In seiner Stellungnahme vom 18. Juni 2007 erklärte der Beklagte die
Verfahrensgebühr der Höhe nach für unbillig. Ein Rechtstreit im
Schwerbehindertenrecht sei von durchschnittlicher Natur und rechtfertige
regelmäßig lediglich die Mittelgebühr.
Die Stellungnahme des Beklagten wurde mit Verfügung vom 25. Juni 2007 der
Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rahmen des rechtlichen Gehörs zur
Stellungnahme übersandt.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2007 bekräftigte diese ihre Kostennote. Die
Angelegenheit sei umfangreich gewesen, da neben der umfangreichen
Klagebegründung zahlreiche Befundberichte und ein Reha- Entlassungsbericht
hätten durchgesehen, geprüft und mit dem Kläger besprochen werden müssen.
Auch die Bedeutung habe über dem Durchschnitt gelegen. Es sei vorliegend um
die grundsätzliche Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft
gegangen, die im Arbeitsleben und im Hinblick auf die Rente von erheblicher
Bedeutung sei.
Das Schreiben der Klägervertreterin wurde am 3. Juli 2007 an den Beklagten zur
Kenntnis und abschließenden Stellungnahme übersandt. Dieser teilte mit, dass
man auch nach Kenntnisnahme des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten
des Klägers weiterhin die Kostennote als unbillig ansehe. Die Auseinandersetzung
mit medizinischen Sachverhalten sei Normalfall und könne nicht zu einer Erhöhung
der Gebühr führen. Auch die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft
habe keine hohe Bedeutung und könne nicht gebührenerhöhend berücksichtigt
werden. Es wurde nochmals um die Erteilung eines
Kostenfestsetzungsbeschlusses gebeten.
Dem Gericht lagen für die nunmehr durchzuführende Kostenfestsetzung die
Gerichts- und die Verwaltungsakte der Beklagten vor.
Auch im vorliegenden Fall bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 RVG die Gebühr
im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung
der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach
billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von
dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Unstreitig blieben der grundsätzliche Ansatz der Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102
VV RVG, die in Ansatz gebrachte Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV RVG sowie die
Auslagenerstattung gem. Nr. 7000 und 7002 VV RVG.
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Die Laufzeit des gerichtlichen Verfahrens betrug von der Klageeinlegung am 17.
Februar 2005 bis zur Beendigung des Verfahrens durch Erledigungserklärung am
13. September 2007 ca. ein Jahr und sieben Monate. In dieser Zeit nahm die
Klägervertreterin Einsicht in die Verwaltungsakte und begründete die Klage
ausführlich. Es mussten zahlreiche Befundberichte ausgewertet und diskutiert
werden. Ein Gutachten war allerdings nicht auszuwerten. Die Teilnahme an einem
Termin zur mündlichen Verhandlung, der bekanntlich in Vorbereitung und
Durchführung selbst nicht unerhebliche Zeit beanspruchen dürfte, war vorliegend
nicht notwendig. Die Bedeutung des Klageverfahrens für den Kläger war als etwas
überdurchschnittlich zu bewerten, da die grundsätzliche Anerkennung der
Schwerbehinderteneigenschaft streitig war. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit
war insgesamt merklich überdurchschnittlich. Die notwendige Auswertung von
einer solchen Vielzahl von Befundberichten entspricht nicht dem Normalfall und
musste gebührenerhöhend berücksichtigt werden. Die Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit konnte ebenso als zumindest leicht überdurchschnittlich
angesehen werden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Klägers eine Abweichung von der Mittelgebühr
rechtfertigen könnten. Sie werden als durchschnittlich eingestuft.
Nach alledem und unter Berücksichtigung des § 14 RVG erschien hier eine
Verfahrensgebühr gerechtfertigt, die sich ausgehend von der Mittelgebühr des
Gebührenrahmens gem. Nr. 3102 VV RVG merklich über dem Durchschnitt
bewegen sollte. Die Gebühr war auf 300,00 € festzusetzen.
Hieraus ergab sich, dass der Unterschied zwischen der vom Gericht festgesetzten
Gebühr und der beantragten Gebühr der Prozessbevollmächtigten des Klägers
nicht die vom Gesetzgeber geforderte Unbilligkeit erfüllte, so dass es bei der
beantragten Gebührenhöhe von 350,00 € für das Klageverfahren verbleiben
konnte. Es ergibt sich folgende Kostenaufstellung:
Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht
Gebühr gem. Nr. 3102 VV RVG 350,00 €
Gebühr gem. Nr. 3106 VV RVG 200,00 €
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Schreibauslagen gem. Nr. 7000 VV RVG (63 Kopien) 26,95 €
16 % Mehrwertsteuer 95,51 €
gesamt 692,46 €
davon ½ = 346,23 €
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.