Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 25.04.2007

SozG Frankfurt: ultra petita, pflege, heizung, pauschalierung, abgrenzung, sozialhilfe, verpflegung, kritik, verfügung, erwerbstätigkeit

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Gericht:
SG Frankfurt (Oder)
7. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 7 SO 101/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 28 SGB 12, § 35 Abs 1 SGB 12,
§ 35 Abs 2 S 1 SGB 12, § 42
SGB 12, § 53 SGB 12
Abgrenzung von Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsfähigkeit; Hilfe zum Lebensunterhalt und
Eingliederungshilfe bei Leistungen in stationären Einrichtungen;
notwendiger Lebensunterhalt in Einrichtungen;
Bekleidungsbeihilfe in Einrichtungen
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25.04.2007 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2007 in der Fassung des Bescheides vom
13.11.2007 verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 30.06.2008
Bekleidungsbeihilfe als Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
nach dem 4. Kapitel SGB XII statt als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel
SGB XII zu gewähren.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 30.06.2008 die Gewährung von
Bekleidungsbeihilfe als Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) statt als Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII.
Der 1972 geborene Kläger ist körperlich und geistig wesentlich behindert und bezieht
Rente wegen dauernder Erwerbsminderung, 256,00 € Pflegegeld nach dem Elften Buch
Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie Blindenhilfe. Er bewohnt die Wohnstätte „V...“ der L... in
E.... Folgeanträge auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung gingen beim Beklagten am 15.11.2006 (für 2007) und 19.10.2007
(für 2008) ein. Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 25.04.2007
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von 320,75 €
monatlich, Hilfe zum Lebensunterhalt (Bekleidungspauschale) von 21,20 € monatlich
und Eingliederungshilfe von 3.097,23 € monatlich, jeweils ab April 2007. Die Leistungen
der Grundsicherung und der Hilfe zum Lebensunterhalt (zusammen 341,95 € monatlich
für April und Mai 2007) werden in voller Höhe auf die Eingliederungshilfe angerechnet. Ab
Juni 2007 werden 431,97 € monatlich angerechnet.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 15.05.2007 Widerspruch.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2007
(zugestellt 31.10.2007) zurück.
Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 29.11.2007 am 30.11.2007 erhobene
Klage.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 25.04.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.10.2007 in der Fassung des Bescheides
vom 13.11.2007 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für den
Zeitraum vom 01.04.2007 bis 30.06.2008 Bekleidungsbeihilfe als Leistung
der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4.
Kapitel SGB XII statt als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB
XII zu gewähren, hilfsweise dem Kläger für den Zeitraum vom 01.04.2007
bis 30.06.2008 Bekleidungsbeihilfe als Leistung der Eingliederungshilfe
nach dem 6. Kapitel SGB XII statt als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
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nach dem 6. Kapitel SGB XII statt als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
3. Kapitel SGB XII zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag auch in der Sache begründet. Über
den Hilfsantrag war daher nicht mehr zu entscheiden.
1.
Der Zulässigkeit der auf die Gewährung von Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung statt Hilfe zum Lebensunterhalt gerichteten Klage ergibt sich daraus,
dass der Anspruch des Hilfebedürftigen nicht auf Sozialhilfe generell gerichtet ist,
sondern auf eine bestimmte Hilfeart im Sinne des § 8 SGB XII. Der Hilfebedürftige kann
somit verlangen, dass ihm Hilfe in der zutreffenden Hilfeart gewährt wird und muss dann
konsequenterweise auch verlangen können, dass ihm Hilfe in der zutreffenden statt in
einer unzutreffenden Hilfeart gewährt wird. Hierfür besteht auch ein
Rechtsschutzbedürfnis, da die jeweiligen Hilfearten insbesondere bezüglich der
Inanspruchnahme von unterhaltspflichtigen Angehörigen unterschiedliche Folgen haben.
2.
Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung der Bekleidungsbeihilfe als Leistung der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung statt auf Hilfe zum Lebensunterhalt.
a)
Voraussetzungen des Vierten Kapitels SGB XII (§§ 41 ff. SGB XII) Personen zu leisten, die
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben oder das 18. Lebensjahr
vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen
Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln,
insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können (§ 19 Abs. 2
Satz 1 SGB XII). Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII (§§ 27 ff.
SGB XII) ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht
ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und
Vermögen, beschaffen können (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Leistungen der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII vor (§ 19 Abs. 2 Satz 3 SGB XII).
Dass der Kläger nach §§ 19 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit §§ 41, 43 SGB XII
Leistungsberechtigter für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist, ist zu
Recht unstreitig.
Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung umfassen
gemäß § 42 Satz 1 SGB XII
Kann im Einzelfall ein von den Regelsätzen umfasster und nach den Umständen
unabweisbarer Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden, sollen auf Antrag hierfür
notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden (§ 42 Satz 2 SGB XII).
b)
(ebenso wie die Hilfe zur Pflege) in einer Einrichtung zugleich die dort gewährte Hilfe zum
Lebensunterhalt. Dies ist nach dem SGB XII grundsätzlich nicht mehr der Fall (vgl. BSG,
Urteil vom 09.12.2008, B 8/9b SO 10/07 R, www.sozialgerichtsbarkeit.de, Grube in
Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Aufl. 2008, § 35 SGB XII Rdnr. 1 bis 2). Der
Lebensunterhalt von Menschen, die in einer stationären Einrichtung Eingliederungshilfe
(bzw. Hilfe zur Pflege) erhalten, wird zwar auch weiterhin gedeckt, jedoch nicht mehr
(oder zumindest nicht mehr nur) durch die Eingliederungshilfe, sondern durch die Hilfe
zum Lebensunterhalt und/oder die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Damit stellt sich sowohl die Frage der Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe
einerseits und Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung für Arbeitsuchende
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einerseits und Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung für Arbeitsuchende
andererseits als auch die Frage der Abgrenzung zwischen Hilfe zum Lebensunterhalt und
Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Was der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen umfasst, regelt der im 3. Kapitel
SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) stehende § 35 SGB XII in Absatz 1 und 2. § 42 SGB
XII, der den Umfang der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung bestimmt, verweist nicht auf § 35 SGB XII. Der notwendige
Lebensunterhalt in Einrichtungen umfasst den darin erbrachten sowie in stationären
Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt (§ 35 Abs. 1 Satz 1
SGB XII). Der notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen entspricht dem
Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 41 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII (§ 35
Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Der weitere notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere
Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verwendung (§ 35 Abs. 2
Satz 1 erster Halbsatz SGB XII). Der notwendige Lebensunterhalt in stationären
Einrichtungen umfasst somit (im Regelfall) den in der Einrichtung erbrachten
Lebensunterhalt sowie Kleidung und einen angemessenen Barbetrag. Ein Barbetrag wird
jedoch im vorliegenden Fall nach § 72 Abs. 4 Satz 1 SGB XII nicht gewährt, weil der
Kläger Blindenhilfe erhält.
c)
Lebensunterhalt oder Grundsicherung für Arbeitsuchende andererseits könnte sich
entweder daran orientieren, welcher Teil der Kosten in erster Linie den Lebensunterhalt
betrifft (Unterkunft und Verpflegung bzw. Grundpauschale) oder daran, welchen Teil der
Kosten der Gesetzgeber normativ dem Lebensunterhalt zuordnen will.
Eine normative Zuordnung, welche Kosten bei Menschen, die Eingliederungshilfe (oder
Hilfe zur Pflege) in stationären Einrichtungen erhalten, dem Lebensunterhalt
zuzurechnen sind, trifft § 35 Abs. 1 und 2 SGB XII. § 35 Abs. 1 SGB XII bestimmt den
notwendigen Lebensunterhalt (§ 27 SGB XII) in Einrichtungen in zweierlei Hinsicht.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII setzt sich der „notwendige Lebensunterhalt in
stationären Einrichtungen“ aus dem „in stationären Einrichtungen erbrachten
notwendigen Lebensunterhalt“ und dem „weiteren notwendigen Lebensunterhalt“
zusammen. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entspricht der „notwendige
Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen“ dem Umfang der Leistungen der
Grundsicherung nach § 41 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII, also der Summe des für den
Leistungsberechtigten maßgebenden Regelsatzes nach § 28 SGB XII, der Aufwendungen
für Unterkunft und Heizung entsprechend § 29 SGB XII, wobei als Kosten für Unterkunft
und Heizung Beträge in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen
Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes im Bereich des nach §
98 SGB XII zuständigen Trägers der Sozialhilfe zu Grunde zu legen sind, der Mehrbedarfe
entsprechend § 30 SGB XII und der einmaligen Bedarfe entsprechend § 31 SGB XII. Es
erfolgt also für den Regelbedarf und die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung
jedenfalls dem Wortlaut nach eine Pauschalierung. § 41 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, auf den §
35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII verweist, trifft bezüglich des Umfangs der Kosten der
Unterkunft und Heizung speziell bei Leistungen in stationären Einrichtungen eine
pauschalierende Regelung. Aber auch der Verweis auf „den für den Antragsberechtigten
maßgebenden Regelsatz nach § 28“ SGB XII in § 41 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, auf den § 35
Abs. 1 Satz 2 SGB XII ebenfalls verweist, statt z. B. auf „Leistungen für den Regelbedarf
entsprechend § 28“ SGB XII, stellt eine Pauschalierung dar. Wenn man § 41 Satz 1 Nr. 1
SGB XII dahin auslegen würde, dass er mit dem Verweis auf den für den Hilfebedürftigen
maßgeblichen Regelsatz nicht den Regelsatz meinte, sondern auch eine etwaige vom
Regelsatz abweichende Bemessung des Regelbedarfs (so aber BSG, Urteil vom
11.12.2007, B 8/9b SO 21/06, Rdnr. 20, www.sozialgerichtsbarkeit.de), würde man dem
Gesetzgeber einen völlig undifferenzierten Sprachgebrauch unterstellen. Eine
Gesetzesauslegung, die eine solche Unterstellung enthalten würde, hat das BSG in
anderem Zusammenhang zu Recht zurückgewiesen (BSG, Urteil vom 28.10.2008, B 8
SO 22/07 R, Rdnr. 19, 23).Die Pauschalierung entspricht auch der mit § 35 Abs. 1 Satz 2
SGB XII verfolgten Absicht des Gesetzgebers (Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII,
Kommentar, 2. Aufl. 2008, § 35 SGB XII Rdnr. 3: „Versuch des Gesetzgebers, den in
stationären Einrichtungen zu gewährenden notwendigen Lebensunterhalt ebenso wie
außerhalb von Einrichtungen weitgehend zu pauschalieren“). Sie entspricht auch dem
generell mit Grundsicherungsleistungen und mit dem SGB II und SGB XII verfolgten
Konzept, Leistungen in möglichst weitgehendem Umfang zu pauschalisieren. Die durch §
35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vorgenommene Pauschalierung orientiert sich ersichtlich daran,
welche Kosten außerhalb einer Einrichtung für den Lebensunterhalt entstehen würden,
und ordnet die demgegenüber entstehenden Mehrkosten der Eingliederungshilfe (bzw.
Hilfe zur Pflege) zu. Die Zuordnung der gegenüber der Pauschalierung entstehenden
Mehrkosten zur Eingliederungshilfe (bzw. Hilfe zur Pflege) wird durch § 35 Abs. 1 und 2
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Mehrkosten zur Eingliederungshilfe (bzw. Hilfe zur Pflege) wird durch § 35 Abs. 1 und 2
SGB XII nicht ausdrücklich ausgesprochen, ist aber, da ja bei der Hilfe in Einrichtungen
weiterhin der gesamte Bedarf durch Sozialhilfe zu decken ist, klare und unvermeidliche
Folge der bei der Festsetzung des „notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen“
vorgenommenen Pauschalierung. Zudem ist bei § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wenn er
nicht den durch Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung zu deckenden Lebensunterhalt in Abgrenzung zur Eingliederungshilfe
(bzw. Hilfe zur Pflege) bestimmen soll, kein nachvollziehbarer Sinn erkennbar.
Mit der pauschalierenden, an der Höhe der Grundsicherungsleistung orientierten
Bestimmung des Lebensunterhalts in stationären Einrichtungen hat der Gesetzgeber
zwangsläufig in Kauf genommen, dass die Abgrenzung zwischen Hilfe zum
Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einerseits und
Eingliederungshilfe andererseits nicht so erfolgen kann, dass die im Vergütungsvertrag
nach § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB XII vereinbarte Pauschale für Unterkunft und Verpflegung
(Grundpauschale) der Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung zugeordnet werde, während die im Vergütungsvertrag nach § 76 Abs.
2 SGB Satz 1 XII vereinbarte Pauschale für die Maßnahmen (Maßnahmepauschale) der
Eingliederungshilfe zugeordnet werde. Dies erspart auch, den nach § 76 Abs. 2 Satz 1
SGB XII gleichfalls zu vereinbarenden Investitionsbetrag entweder der Hilfe zum
Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder der
Eingliederungshilfe zuzuordnen oder zwischen beiden Hilfearten aufzuteilen. Zudem
waren nach früherem Recht alle drei Pauschalen der Eingliederungshilfe zugeordnet, so
dass es nicht sachwidrig ist, wenn jetzt (nur) der Teil aus der Eingliederungshilfe
herausfällt und in die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung fällt, der bei typisierender Betrachtung auch außerhalb der
Einrichtung anfällt.
Dass gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII der notwendige Lebensunterhalt in stationären
Einrichtungen dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nr. 1
bis 3 SGB XII entspricht, führt dazu, dass neben der nach § 19 Abs. 2 Satz 3 SGB XII
vorrangigen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ergänzende Hilfe zum
Lebensunterhalt nicht in Betracht kommt.
Da nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII der notwendige Lebensunterhalt in stationären
Einrichtungen (der gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII dem Umfang der Leistungen der
Grundsicherung nach § 41 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII entspricht), den in der stationären
Einrichtung erbrachten notwendigen Lebensunterhalt sowie zusätzlich den weiteren
notwendigen Lebensunterhalt, also „insbesondere Kleidung und einen angemessenen
Barbetrag“ (§ 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII), umfasst, hat logisch zur Folge, dass der in der
Einrichtung erbrachte notwendige Lebensunterhalt der Grundsicherung abzüglich des
weiteren notwendigen Lebensunterhaltes (also hier der: Grundsicherung abzüglich
Kleidung) entspricht, während die Eingliederungshilfe die restlichen Kosten umfasst (so
zur Hilfe zur Pflege auch SG Karlsruhe, Urteil vom 28.05.2009, S 4 SO 6021/07, zitiert
nach juris). In Formeln stellt sich das wie folgt dar (wobei LU für „notwendiger
Lebensunterhalt“, DurchschnittsKdU für „durchschnittliche Kosten der Unterkunft und
Heizung“ und MB für „Mehrbedarf“ steht):
Dass die dargestellte Lösung kompliziert ist, ist in der vom Gesetzgeber gewählten
komplizierten Konstruktion begründet, von der Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII,
Kommentar, 2. Aufl. 2008, § 35 SGB XII Rdnr. 3, schreibt, sie habe in der Praxis zu
unübersehbaren Schwierigkeiten geführt. Die vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion
ist zwar kompliziert, aber nicht willkürlich, so dass das Gesetz nicht verfassungswidrig ist
und daher anzuwenden ist, ohne dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht in
Betracht käme.
Die vom Bundessozialgericht im Urteil vom 11.12.2007, Az.: B 8/9b SO 22/06 R, Rdnr. 9,
www.sozialgerichtsbarkeit.de, erwogenen Lösungen sind gegenüber der dargestellten
Lösung nicht vorzugswürdig. Das Bundessozialgericht hatte im genannten Urteil offen
gelassen, ob der weitere notwendige Lebensunterhalt im Sinne des § 35 Abs. 2 SGB XII
trotz der fehlenden Verweisung in § 42 SGB XII auf § 35 Abs. 2 SGB XII als
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbstätigkeit zu erbringen ist oder die weiteren
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Grundsicherung im Alter und bei Erwerbstätigkeit zu erbringen ist oder die weiteren
notwendigen Leistungen des § 35 Abs. 2 SGB XII zum Lebensunterhalt als Hilfe zum
Lebensunterhalt neben die der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach
§§ 41 ff SGB XII treten. Das Bundessozialgericht hat allerdings ersichtlich keine über das
Problem der Weihnachtsbeihilfe hinausreichende Lösung bzw. Aussage treffen wollen. In
dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall hätte sich nach der von der Kammer
vertretenen, oben ausführlich dargestellten Lösung die Eingliederungshilfe erhöht, weil
sich durch die Weihnachtsbeihilfe der von der Grundsicherung zur Abdeckung der
Restheimkosten zur Verfügung stehende Betrag vermindert hat.
Gegen die Annahme, dass bei Personen, die Leistungen in stationären Einrichtungen
erhalten, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zusätzlich zu den in §
42 SGB XII bezeichneten Leistungen auch den in § 35 Abs. 2 SGB XII bezeichneten
„weiteren notwendigen Lebensunterhalt“ umfasst, spricht zunächst, dass der weitere
notwendige Lebensunterhalt in § 42 SGB XII nicht genannt ist. Bei der Nichterwähnung
von § 35 Abs. 2 SGB XII beim Leistungsumfang der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung handelt es sich auch nicht um ein Redaktionsversehen. Gegen ein
Redaktionsversehen spricht schon, dass trotz der in der sozialrechtlichen Fachliteratur
geäußerten Kritik (z. B. Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Aufl. 2008, §
35 SGB XII Rdnr. 3) der Gesetzgeber bei den zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des
SGB XII § 35 SGB XII und § 42 SGB XII nicht geändert hat. Es ist aber auch inhaltlich
konsequent, dass der in § 35 Abs. 2 SGB XII bezeichnete „weitere notwendige
Lebensunterhalt“ nicht neben den Leistungen nach § 42 Satz 1 Nr. 1 bis 5 und Satz 2
SGB XII in den Umfang der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung aufgenommen worden ist. Der Barbetrag deckt einen Bedarf ab, der
bereits vom Regelsatz (§ 42 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 28 SGB XII) abgedeckt ist.
Es würde sich also um eine Doppelleistung handeln. Zudem wird ein besonderer
Barbetrag auch außerhalb von Einrichtungen nicht gewährt. Die vom Gesetzgeber
ersichtlich beabsichtigte Angleichung der Leistungen zum Lebensunterhalt innerhalb und
außerhalb von Einrichtungen würde damit beeinträchtigt. Außerdem würde die über den
Wortlaut des § 43 SGB XII hinausgehende Erweiterung des Leistungsumfangs der
Grundsicherung zusätzliche Unklarheit darüber bringen, wie § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII
zu verstehen ist. Dies wäre insbesondere auch deshalb problematisch, weil die
Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe einerseits und Hilfe zum Lebensunterhalt oder
Grundsicherung für Arbeitsuchende andererseits auch dann zu leisten wäre, wenn man
annehmen würde, dass die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
zusätzlich zu den in § 42 SGB XII bezeichneten Leistungen auch den in § 35 Abs. 2 SGB
XII bezeichneten „weiteren notwendigen Lebensunterhalt“ umfasst.
Gegen die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die „sonstigen weiteren
Leistungen“ spricht, dass dann Hilfe zum Lebensunterhalt für einen Bedarf erbracht
würde, der grundsätzlich schon durch den bei der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung gewährten Regelsatz gedeckt ist. Es würde also eine Doppelleistung
erbracht, oder die Grundsicherung müsste entgegen § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bei der
Hilfe zum Lebensunterhalt als Einkommen berücksichtigt werden oder die
Grundsicherung müsste als anderweitige Bedarfsdeckung im Sinne von §§ 28 Abs. 1
Satz 2, 29 SGB XII verstanden werden. Zudem hätte § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII dann
keinen nachvollziehbaren Regelungsgehalt.
Der Annahme des Beklagten, dass die Grundsicherung dem in der Einrichtung
erbrachten notwendigen Lebensunterhalt entspräche, so dass der weitere notwendige
Lebensunterhalt als Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren wäre, steht insbesondere
entgegen, dass nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII der notwendige Lebensunterhalt (der
sich aus dem in der Einrichtung erbrachten notwendigen Lebensunterhalt und dem
weiteren Lebensunterhalt zusammensetzt) und nicht nur der in der Einrichtung
erbrachte notwendige Lebensunterhalt der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nr. 1 bis 3
SGB XII entspricht.
d)
zum Lebensunterhalt zu gewähren, sondern als Teil der Grundsicherung. Dies würde an
sich dazu führen, dass gegenüber dem angefochtenen Bescheid ein größerer Teil der
Heimkosten als Eingliederungshilfe statt als Grundsicherung zu gewähren wäre. Im
vorliegenden Fall wurde jedoch ohnehin der gewährte Betrag der Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung zu niedrig angesetzt, da der Beklagte als Regelsatz des
Klägers nur 80 % des Eckregelsatzes angesetzt hat, während nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19.05.2009, B 8 SO 8/08 R,
www.sozialgerichtsbarkeit.de) bei Personen, die nicht mit anderen Personen eine
Bedarfsgemeinschaft bilden, 100 % des Eckregelsatzes anzusetzen ist. Somit steht dem
Kläger in mindestens dem Umfang, der der Bekleidungsbeihilfe entspricht, höhere
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Kläger in mindestens dem Umfang, der der Bekleidungsbeihilfe entspricht, höhere
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu. Damit konnte der Kläger den
begehrten Austausch der Hilfeart verlangen. Ob der Kläger auch insgesamt höhere
Leistungen hätte erhalten können, obwohl die ihm entstehenden Kosten durch die Hilfe
gedeckt waren, kann dahinstehen, da das Gericht dem Kläger wegen § 123 SGG („ne
ultra petita“) nicht mehr zusprechen durfte, als er begehrt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des
Rechtsstreits.
Die Berufung war jedenfalls nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die
streitentscheidende Frage, wie bei Leistungen in stationären Einrichtungen
Grundsicherung für Arbeitsuchende, Hilfe zum Lebensunterhalt und Eingliederungshilfe
voneinander abzugrenzen sind, über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche
Bedeutung hat.
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