Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 20.02.2007

SozG Frankfurt: unterkunftskosten, angemessenheit der kosten, hauptsache, sozialhilfe, baujahr, bürgschaft, glaubhaftmachung, erlass, mietwohnung, unangemessenheit

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Gericht:
SG Frankfurt 56.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 56 SO 15/07 ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 29 Abs 1 S 1 SGB 12, § 29
Abs 1 S 2 SGB 12, § 29 Abs 1
S 3 SGB 12, Art 1 Abs 1 GG
Sozialhilfe - Unangemessenheit der Unterkunftskosten -
Kostensenkung durch Zahlung des Differenzbetrages
durch Dritten
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, den
Antragsgegner zu verpflichten, ab Januar 2007 von den Unterkunftskosten 440,00
€ zu übernehmen.
Durch Bescheid vom 20. Juni 2006 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zwölften Buch des
Sozialgesetzbuchs (SGB XII) unter Anrechnung der von der Antragstellerin seit 1.
Juli 2006 in Höhe von 377,96 € bezogenen Altersrente für Frauen in Höhe eines
Leistungs-Betrages von 535,38 €. Dabei berücksichtigte der Antragsgegner die
Unterkunftskosten der Antragstellerin in Höhe von 571,76 € in tatsächlicher Höhe
und lediglich abzüglich des Warmwasseranteils an den Heizkosten in Höhe von
3,42 €.
In der dem genannten Bescheid beigefügt gewesenen Anlage heißt es hierzu, die
Unterkunftskosten seien in dieser Höhe im Sinne des § 29 SGB XII unangemessen
hoch. Vielmehr belaufe sich die angemessene Miete für eine Person nach
Mietstufe 5 der Wohngeldtabelle für N auf insgesamt 428,65 € (Grundmiete:
385,00 €; Heizkosten pauschale 43,65 €). Somit liege die Miete der Antragstellerin
mit 143,11 € über dem angemessenen Satz. Der Antragstellerin werde
Gelegenheit gegeben, sich um eine kostengünstigere Wohnung zu bemühen. Die
tatsächliche Miete werde der Antragsgegner noch für einen Zeitraum von drei
Monaten, also längstens bis zum 30. September 2006 anerkennen. Ab 1. Oktober
2006 würden dann gemäß § 29 SGB XII keine Mietkosten übernommen werden.
Die Antragstellerin werde schließlich gebeten, ihre Bemühungen um eine kleinere
und kostengünstigere Wohnung nachzuweisen.
Dagegen legte die Antragstellerin am 26. Juni 2006 Widerspruch ein und teilte dem
Antragsgegner mit, die Differenz zwischen ihren tatsächlichen Mietkosten (571,76
€) und dem vom Antragsgegner für angemessen gehaltenen Betrag (428,65 €) in
Höhe von 143,11 € werde monatlich von ihrer Tochter, Frau L. L.-Z. übernommen.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2006 gab die Tochter der Antragstellerin dem
Antragsgegner gegenüber an, sie würde sich nochmals dafür verbürgen, die
Differenz der monatlichen Mietkosten von 143,11 € dauerhaft zu übernehmen.
Insoweit könne sie ihrer Bank einen Dauerauftrag erteilen und dem Antragsgegner
dann eine Kopie übersenden.
Daraufhin teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom 31. Juli
2006 mit, es sei nicht sichergestellt, dass die Tochter der Antragstellerin die
Differenz von 143,11 € dauerhaft tragen könne, da diese eine eigene Familie mit
kleinen Kindern habe. Der Antragstellerin könne nur insoweit entgegengekommen
werden, als bei Vorlage entsprechender Nachweise die in dem Bescheid vom 20.
Juni 2006 genannte Frist um drei Monate verlängert würde.
Durch Bescheid vom 26. September 2006 führte der Antragsgegner aus, die der
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Durch Bescheid vom 26. September 2006 führte der Antragsgegner aus, die der
Antragstellerin durch Bescheid vom 20. Juni 2006 genannte angemessene Miete
werde als Bedarf für weitere drei Monate anerkannt. Weiter heißt es in dem
Bescheid, die Richtlinien zur Ermittlung der angemessenen Miete im Kreis O.
hätten sich ab 1. Oktober 2006 geändert. So betrage die angemessene
Gesamtmiete für Wohnungen in N. vor Baujahr 1992 367,00 € und für solche ab
Baujahr 1992 440,00 €.
Durch Bescheid vom 9. November 2006 änderte der Antragsgegner den Bescheid
vom 26. September 2006 insoweit ab als er nunmehr die tatsächlichen Kosten der
Unterkunft der Antragstellerin bis 31. Dezember 2006 anerkannte. Insoweit
verzichte er auf den Anteil der Tochter der Antragstellerin. Zudem ergebe sich aus
den schon durch Bescheid vom 26. September 2006 mitgeteilten neuen
Angemessenheitsrichtlinien, dass die Mietwohnung der Antragstellerin nun sogar
um 204,76 € zu teuer sei. Deshalb werde die Antragstellerin darauf aufmerksam
gemacht, dass ab 1. Januar 2007 keinerlei Kosten der Unterkunft mehr als Bedarf
anerkannt werden könnten, sofern die Antragstellerin der Aufforderung, die
Unterkunftskosten auf nunmehr 367,00 € insgesamt zu senken, nicht Folge leiste.
Mit der beim hiesigen Sozialgericht am 10. Januar 2007 eingegangenen
Antragsschrift verfolgt die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners auf
Übernahme von monatlichen Unterkunftskosten in Höhe von 440,00 € ab Januar
2007.
Zum einen habe der Vermieter der von ihr innegehaltenen Wohnung umfangreiche
Renovierungsmaßnahmen durchgeführt, so dass bei der Beurteilung der
Angemessenheit der Kosten von einer Baualterklasse "nach 1992" auszugehen
sei. Ferner habe sie Anspruch auf 50 m² Wohnfläche. Außerdem sei bei der
Miethöhe ihrer Wohnung die zusätzliche Teilmöblierung der Küche in Abzug zu
bringen. Zum anderen erkläre sich ihre Tochter nach wie vor bereit, den nach dem
Bescheid vom 20. Juni 2006 offenen Differenzbetrag in Höhe von 143,11 € zu
übernehmen.
Schließlich habe sie die Wohnungsangebote in N. kontinuierlich ausgewertet und
sämtliche Angebote, die im Angemessenheitsbereich seien, abgeklopft. Es sei
jedoch keine einzige Wohnung dabei gewesen, die als Alternativwohnung in
Betracht gekommen sei. Auch habe sie sich beim Wohnungsamt der Stadt N. als
wohnungssuchend gemeldet. Insoweit sei sie bei ihrer Wohnungssuche aber nicht
auf das gesamte Kreisgebiet zu verweisen, sondern es gelte der Wohnungsmarkt
ihrer Wohngemeinde.
Mit der Rechtslage nicht vereinbar sei schließlich, dass ab Januar 2007 vom
Antragsgegner überhaupt keine Unterkunftskosten mehr übernommen würden. In
Fällen der vorliegenden Art würde von den Trägern der Grundsicherung regelmäßig
zumindest der Betrag der angemessenen Unterkunftskosten übernommen.
Die Antragstellerin legt eine schriftliche Erklärung ihrer Tochter vom 29. Januar
2007 vor.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bei der
Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII ab Januar 2007 Unterkunftskosten
von monatlich 440,00 € zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor, er habe die Antragstellerin bereits mit Bescheid vom 26. September
2006 darauf hingewiesen, dass sich die Richtlinien zur Angemessenheit von
Unterkunftskosten ab 1. Oktober 2006 geändert hätten und habe die für vor und
nach 1992 gebaute Wohnungen maßgeblichen Beträge genannt. Zu dem
Zeitpunkt als die Antragstellerin auf diese neuen Richtlinien hingewiesen worden
sei, habe diese sich weder um neuen Wohnraum ausreichend bemüht noch einen
solchen angemessener Art gefunden. Sie könne sich daher nicht dahingehend auf
Vertrauensschutz berufen, dass wegen des Bescheides vom 20. Juni 2006 als
angemessene Miete ein Betrag von 428,65 € maßgebend sei. Zudem sei bei der
Beurteilung der angemessenen Kosten der von der Antragstellerin derzeit
bewohnten Wohnung hinsichtlich des Baujahres auf die für Zeiträume vor 1992
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bewohnten Wohnung hinsichtlich des Baujahres auf die für Zeiträume vor 1992
maßgeblichen Wert abzustellen. Zwar möge die Mietwohnung der Antragstellerin
(Baujahr 1910) seit deren Einzug aufwändig renoviert worden sein. Die dabei
durchgeführten Maßnahmen seien jedoch nicht als Modernisierung oder
Grunderneuerung anzusehen. Bei Zugrundelegung der neuen Richtlinien seien
Unterkunftskosten deshalb nur noch in Höhe von 367,00 € als angemessen
anzusehen, so dass unter Berücksichtigung des von der Tochter der
Antragstellerin übernommenen Betrages von 143,11 € nunmehr im Hinblick auf
die tatsächlichen Kosten in Höhe von 571,76 € ungedeckter Unterkunftsbedarf von
61,65 € bestehe. Dieser nicht gedeckte Bedarf würde unweigerlich dazu führen,
dass die Antragstellerin ihre Wohnung verlöre. Wegen des allerdings im
Sozialhilferecht bestehenden Bedarfsdeckungsgrundsatzes dürfe bei den
Unterkunftskosten aber kein ungedeckter Bedarfsrest übrig bleiben, so dass auch
die Übernahme der Kosten in lediglich angemessener Höhe abzulehnen sei.
Aber selbst wenn sich die Tochter der Antragstellerin bereiterklären sollte,
nunmehr die Differenz zwischen dem Betrag der angemessenen
Unterkunftskosten (367,00 €) und den tatsächlichen Mietkosten (571,76 €) zu
übernehmen, so wäre ein solches Anerkenntnis durch eine Bürgschaft zu sichern,
wobei sich die Übernahmeverpflichtung auch auf verbrauchsabhängige
Jahresabrechnungen für Heizkosten zu erstrecken hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Leistungsakte
des Antragsgegners, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Wesentlichen
auch begründet.
Die Antragstellerin hat ab Eingang des Antrags auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes beim hiesigen Gericht am 10. Januar 2007 einen Anspruch auf
Übernahme von Unterkunftskosten durch den Antragsgegner in Höhe von 428,65
€ glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs 2 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht auf
Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen,
wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder
wesentlich erschwert werden könnte.
Nach S 2 der vorgenannten Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem
Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen
Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich
einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch stehen insoweit in Wechselbeziehung
zueinander als die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Hauptsache (dem
Anordnungsanspruch) mit zunehmender Eilbedürftigkeit und Schwere des
drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) sinken und umgekehrt.
Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so
ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den
Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht
vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich
begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der
Regel ist daher dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs
2 der Zivilprozessordnung - ZPO - in Verbindung mit § 86 b Abs 2 S 4 SGG). Dabei
sind, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die
Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch,
sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.:
1BvR 569/05). Nach dieser Rechtsprechung müssen sich die Gerichte im Übrigen
stets schützend und fördernd vor die Grundrechte des einzelnen stellen.
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Die im vorliegenden Fall beantragte Regelungsanordnung war in dem sich aus dem
Tenor ergebenden Umfang zu erlassen, denn eine Anfechtungsklage gegen den
Bescheid vom 20. Juni 2006 in Gestalt der Bescheide vom 26. September 2006
und 9. November 2006 wäre im Hinblick auf die Höhe der von dem Antragsgegner
dabei berücksichtigten Unterkunftskosten offensichtlich begründet. Damit
vermindern sich zugleich die Anforderungen, die an die Glaubhaftmachung des
Anordnungsgrundes seitens der Antragstellerin zu stellen sind (s.o.)
Leistungen für Unterkunft werden nach § 29 Abs 1 S 1 des Zwölften Buches des
Sozialgesetzbuchs (SGB XII) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht.
Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des
Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als Bedarf der Personen,
deren Einkommen und Vermögen nach § 19 Abs 1 SGB XII zu berücksichtigen sind,
anzuerkennen (S 2). S 2 gilt solange als es diesen Personen nicht möglich oder
nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf
andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für
sechs Monate.
Leistungen für die Unterkunft sind nach § 29 Abs 1 S 1 SGB XII allerdings auch in
der Sozialhilfe nunmehr selbst dann stets in angemessener Höhe zu erbringen,
wenn die Aufwendungen den angemessenen Umfang übersteigen. Denn die
Regelungen zur Berücksichtigung den angemessenen Umfang übersteigender
Unterkunftskosten nach Satz 2 und 3 des § 29 Abs 1 SGB XII beziehen sich allein
auf den Teil der Unterkunftskosten, der den im Einzelfall angemessenen Umfang
übersteigt, wie die Wendung "insoweit" in § 29 Abs 1 S 2 SGB XII deutlich macht
(vgl. Berlit in LPK- SGB XII § 29 Rdnr. 43).
Der Gesetzgeber hat durch § 29 Abs 1 S 1 und 2 SGB XII das Prinzip, dass bei
Anmietung oder Beibehaltung einer kostenunangemessenen Unterkunft
Leistungen stets in Höhe der angemessenen Aufwendungen zu gewähren sind,
klarstellend, jedenfalls aber gegenüber der früheren Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) konstitutiv bestätigt (Berlit a.a.O. § 29 Rdnr.
44). Nicht übertragbar ist deshalb auch die zu § 3 Abs 1 S 1 und 2 Regelsatz-VO
ergangene Rechtsprechung des BVerwG, nach der hinsichtlich der
Unterkunftskosten kein ungedeckter Bedarfsrest übrig bleiben dürfe (Berlit a.a.O.).
Bei unangemessen hohen Unterkunftskosten klärungsbedürftig ist damit allein,
unter welchen Voraussetzungen sie übergangsweise hinzunehmen sind.
Die in der Regel auf längstens sechs Monate befristete Übernahme
unangemessener Aufwendungen und die Obliegenheit zu deren Senkung (Abs 1 S
2) bezieht sich mithin allein auf den Teil der Unterkunftskosten, der den im
Einzelfall angemessenen Umfang überschreitet. Eine befristete
Bestandsschutzregelung gilt demnach grundsätzlich zumindest für
Leistungsberechtigte, die schon bei Leistungsbeginn in einer Unterkunft gelebt
haben, die der SGB XII-Träger als unangemessen teuer bewertet (vgl. zum
Vorstehenden Berlit a.a.O. Rdnr. 46).
In die Zumutbarkeitsbetrachtung auch hinsichtlich der
Kostensenkungsbemühungen eines Hilfebedürftigen ist eine nur geringfügige
Überschreitung der Angemessenheitsgrenze ebenso einzubeziehen wie ein
Missverhältnis zwischen zu übernehmenden Transaktionskosten und
Unterkunftsmehrkosten. Letzteres kann sogar eine Überschreitung der
gesetzlichen Regelhöchstdauer rechtfertigen (Berlit a.a.O. Rdnr. 47).
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze stellen sich die den
Bescheid vom 20. Juni 2006 abändernden Bescheide des Antragsgegners vom 26.
September 2006 und 9. November 2006 als klar rechtswidrig dar.
Dies gilt zur Überzeugung des Gerichts zunächst insoweit als der Antragsgegner
mit beiden Abänderungsbescheiden davon ausgeht, die Antragstellerin habe ihre
Unterkunftskosten auf den Bescheid vom 20. Juni 2006 hin nicht gesenkt. Dies trifft
indes nicht zu. Vielmehr hat die Antragstellerin entsprechend den Vorgaben des
Bescheides vom 20. Juni 2006 die von ihr zu entrichtenden Unterkunftskosten auf
das Niveau von 428,65 € gesenkt. So hat die Antragstellerin bereits mit Schreiben
vom 22. Juni 2006 darauf hingewiesen, dass ihre Tochter den zum Gesamtbetrag
von 571,76 € fehlenden Differenzbetrag von 143,11 Euro monatlich zu
übernehmen bereit sei. Dies hat Frau L. L.-Z. mit Schreiben vom 23. Juli 2006
unmissverständlich bestätigt, indem sie dabei zum Ausdruck brachte, sich für den
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unmissverständlich bestätigt, indem sie dabei zum Ausdruck brachte, sich für den
übersteigenden Betrag zu "verbürgen" und diesen "dauerhaft" übernehmen zu
wollen.
Die erfolgte Kostensenkung hat der Antragsgegner gleichwohl nicht als solche
anerkannt wie sein Schreiben vom 31. Juli 2006 sowie der Bescheid vom 26.
September 2006 zeigen. Diese Verfahrensweise ist als rechtswidrig einzustufen.
Denn die im vorliegenden Fall wahrgenommene Kostensenkungsmöglichkeit ist
freilich schon nach dem Wortlaut des § 29 Abs 1 S 3 SGB XII zulässig. Danach
kommen nämlich für eine Kostenreduzierung nicht nur Wohnungswechsel oder
Untervermietung in Betracht, sondern jede rechtlich zulässige Form, durch die die
Unterkunftskosten "auf andere Weise" gesenkt werden. Diesem
Tatbestandsmerkmal unterfällt somit selbstverständlich auch die Übernahme von
Differenzkosten durch die Tochter der Antragstellerin.
Zur Überzeugung des Gerichts ist deren schriftliche Erklärung und das Angebot,
insoweit einen Dauerauftrag bei einem Geldinstitut zu erteilen, auch ausreichend.
Das Verlangen des Antragsgegners nach Abgabe einer Bürgschaft selbst für Fälle
künftiger Nebenkostenerhöhungen überdehnt die Obliegenheitsverpflichtungen der
Antragstellerin im Zusammenhang mit einer Mietkostensenkung deutlich. Denn
auch die anderen, gängigeren Formen der Kostenreduktion bieten keine
dauerhafte Fixierung der Unterkunftskosten auf einen bestimmten Betrag. So ist
nach einem Wohnungswechsel ebenso mit einer Mieterhöhung zu rechnen wie mit
dem plötzlichen Auszug eines Untermieters. Auch bei diesen Formen der
Kostensenkung vermag der Hilfebedürftige dem Kostenträger somit keine
Garantie für den dauerhaften Fortbestand des gefundenen Kostensenkungsweges
zu geben.
Der von der Antragstellerin vorgenommenen Kostenreduktion hat der
Antragsgegner folglich pflichtwidrig die Anerkennung versagt. Dies hat er durch
Bescheid vom 26. September 2006 sogar mit dem Vorwurf verknüpft, die von der
Antragstellerin entfalteten Kostensenkungsbemühungen seien nicht ausreichend
gewesen. Schließlich geht der Antragsgegner mit Bescheid vom 9. November
2006 sogar soweit, der Antragstellerin anzudrohen, ab 1. Januar 2007 überhaupt
keine Unterkunftskosten zu übernehmen. Zur Übernahme des Betrages der
angemessenen Kosten ist der Antragsgegner aber dagegen sogar grundsätzlich
verpflichtet wie die oben zitierten Kommentierungen von Berlit belegen. Dieser
Grundsatz muss aber erst recht dann gelten, wenn der Hilfebedürftige seine
Unterkunftskosten entsprechend der ihm durch einen Bescheid gemachten
Vorgaben gesenkt hat wie dies im vorliegenden Fall durch Bescheid vom 20. Juni
2006 und die Erklärung zur Übernahme des Differenzbetrages seitens der Tochter
der Antragstellerin geschehen ist.
Aus alledem folgt schließlich, dass der Antragstellerin im Hinblick darauf, dass sie
der ursprünglichen Kostensenkungsaufforderung nachgekommen war, zumindest
die befristete Bestandsschutzregelung des § 29 Abs 1 S 3 SGB XII zu Gute
zukommen hat. Das gilt erst recht, wenn der Kostenträger - wie im vorliegenden
Fall - die durch einen Bescheid festgelegten Vorgaben binnen weniger Monate
abgeändert und dem Hilfebedürftigen nach erfolgreicher Kostensenkung vorhält,
die Unterkunftskosten lägen nach Maßgabe neuer Richtlinien erneut oder sogar
noch deutlicher über dem "angemessenen Satz".
Denn neben der Gewährung des soziokulturellen Existenzminimums ist unter dem
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt der Menschenwürde im vorstehenden
Zusammenhang zu bedenken, dass im Rahmen der Leistungen für eine
Unterkunft der Hilfebedürftige Anspruch auf ein Mindestmaß an Rechts- und
Planungssicherheit sowie auf einen Bestandsschutz in begrenztem Umfang hat.
Dies schließt nach Auffassung des Gerichts mit ein, dass der Hilfebedürftige nicht
kurzfristig wiederholt mit Kostensenkungsaufforderungen konfrontiert wird,
nachdem er die Kosten bereits gesenkt hatte.
Im vorliegenden Fall ist indes in der Folge des Bescheides vom 20. Juni 2006 nicht
einmal eine solche Kostensenkungsaufforderung erfolgt. Denn der
Änderungsbescheid vom 26. September 2006 enthält eine solche gar nicht. Der
Bescheid vom 9. November 2006 enthält dagegen keine zulässige Aufforderung
dieser Art. Dabei kann dahinstehen, ob die in dem letztgenannten Bescheid mit
367,00 € angegebenen Gesamtkosten das im Falle der Antragstellerin
angemessene Niveau darstellen.
Denn der Bescheid vom 9. November 2006 fordert in Verkennung der Rechtslage
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Denn der Bescheid vom 9. November 2006 fordert in Verkennung der Rechtslage
(s.o.) die Antragstellerin auf, ihre Unterkunftskosten binnen weniger Wochen auf
367,00 Euro zu senken und droht damit, dass anderenfalls keinerlei Leistungen für
Unterkunft - auch nicht in angemessener Höhe - erbracht werden würden.
Dies ist sowohl im Hinblick auf die Dauer der gewährten Frist als auch im Hinblick
auf das Ausmaß der angedrohten Rechtsfolgen als rechtswidrig zu qualifizieren wie
sich aus den oben zitierten Kommentierungen von Berlit ergibt.
Der Antragsgegner ist deshalb gehalten - will er die Antragstellerin erneut zu einer
Kostensenkung auffordern - dieser einen entsprechenden neuen Bescheid nach
Maßgabe des § 29 Abs 1 Sätze 2 und 3 SGB XII zu erteilen.
Bis dahin ist er auf der Grundlage des Bescheides vom 20. Juni 2006 i.V.m. der von
der Antragstellerin gefundenen Kostensenkungsform verpflichtet, deren
Unterkunftskosten in Höhe von 428,65 € zu übernehmen.
Diese Verpflichtung war im Tenor wegen der Regelhöchstdauer des § 29 SGB XII
entsprechend zu begrenzen.
In Anbetracht der Erfolgsaussichten einer Klage in der Hauptsache sind die
Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes dagegen im
vorliegenden Fall gering und bereits im Hinblick auf die Tatsache erfüllt, dass der
Antragsgegner durch Bescheid vom 9. November 2006 der Antragstellerin
angedroht hat , ab 1. Januar 2007 keinerlei Unterkunftskosten mehr zu
übernehmen.
Insoweit die Antragstellerin nur unwesentlich, nämlich in Höhe der Differenz
zwischen der beantragten Leistung (440,00 €) und den ihr zugesprochene Betrag
(428,65 €), unterlegen ist, hatte dies keine Auswirkung auf die Kostenentscheidung
gemäß § 193 SGG. Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII
dürfen freilich durch Entscheidungen in Verfahren der vorliegenden Art nicht für
vergangene Zeiträume zugesprochen werden, sondern erst ab Antragseingang
(vgl. hierzu grundlegend Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 24. April
2006, Az.: L 9 AS 39/06 ER).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.