Urteil des SozG Duisburg vom 14.04.2010

SozG Duisburg (kläger, wohnung, höhe, heizung, stadt, wert, monat, zustimmung, betrag, bezug)

Sozialgericht Duisburg, S 31 AS 490/08
Datum:
14.04.2010
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
31. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 31 AS 490/08
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 05.09.2008
und 22.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
19.11.2008 sowie der Bescheide vom 20.11.2008 und 16.12.2008
verurteilt, dem Kläger für Oktober bis Dezember 2008 weitere
Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 40,82
EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der
Beklagte trägt die Kosten zu 1/6. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig sind Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Sozialgesetzbuch (SGB)
Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - für den Zeitraum 01.09.2008 bis
31.01.2009.
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Der am 03.05.1956 geborene Kläger ist gelernter Landwirt. Er hat neben mittlerweile
volljährigen Kindern aus früheren Ehen zwei 2003 geborene Söhne (M. und J.) aus
einer langjährigen Beziehung mit Frau M. G ... Mit dieser, den gemeinsamen Kindern
sowie weiteren Kindern der Frau G. lebte er bis Mitte 2008 auf dem Pastor-Smits-Weg
27 in Kalkar. Bereits dort wurden SGB II-Leistungen bezogen.
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Mitte 2008 zerbrach die Beziehung zwischen dem Kläger und Frau G ... Am 09.07.2008
erklärte der Kläger gegenüber der Stadt Kalkar, er sei auf Wohnungssuche. Im Juli 2008
übernachtete er verschiedentlich bei Verwandten. Nachdem er Ende Juli 2008 durch die
Polizei der gemeinsamen Wohnung mit Frau Gellert verwiesen worden war, mietete er
mit Zustimmung der Stadt Kalkar für August 2008 eine Ferienwohnung an.
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Am 13.08.2008 teilte der Kläger der Stadt Kalkar mit, er wolle die Wohnung
Dederichstraße 1 in Emmerich anmieten. Die Wohnung ist laut Bescheinigung des
Vermieters 51,2 qm groß. Sie kostet 295,00 EUR nettokalt im Monat. Hinzu kommt eine
Nebenkostenvorauszahlung von 60,00 EUR. Laut Vermerk vom gleichen Tage wurde
nach Rücksprache mit dem Beklagten die Zustimmung zum Umzug abgelehnt, da die
Kosten der Wohnung unangemessen seien. Der Kläger sei hierüber und über die
Konsequenzen einer gleichwohl erfolgenden Anmietung aufgeklärt worden. Am
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15.08.2008 unterschrieb der Kläger den Mietvertrag für diese Wohnung. Mietbeginn war
der 01.09.2008. Erstmalig zum 01.10.2008 war direkt an den Versorger ein monatlicher
Abschlag von 65,00 EUR für Heizkosten zu zahlen.
Mit Bescheiden vom 05.09.2008 und 22.09.2008 wurden dem Kläger durch den
Beklagten für den Zeitraum 18.08.2008 bis 31.01.2009 SGB II-Leistungen unter
Berücksichtigung von Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich
277,40 EUR gewährt. In diesem Betrag war ein Nebenkostenanteil von 60,00 EUR und
ein Heizkostenanteil von 54,45 EUR abzüglich 6,63 EUR wegen Warmwasser
enthalten. Hiergegen legte der Kläger am 02.10.2008 Widerspruch ein, den der Landrat
des Kreises Kleve mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 zurückwies. Leistungen
für Unterkunft und Heizung könnten nur in angemessener Höhe gewährt werden.
Leistungen in Höhe der tatsächlichen Kosten seien nicht möglich, da keine Zustimmung
zum Bezug der nunmehr bewohnten Wohnung erteilt worden sei.
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Hiergegen richtet sich die am 15.12.2008 erhobene Klage.
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Mit Änderungsbescheid vom 16.12.2008 hat der Beklagte dem Kläger für Januar 2009
Leistungen für Unterkunft ohne Leistungen für Heizung gewährt, da in diesem Monat
keine Vorauszahlung angefallen ist. Unter dem 15.01.2009 hat der Versorger im
Rahmen einer Jahresabrechnung für Strom und Erdgas insgesamt 312,50 EUR
nachgefordert, wovon der Beklagte 271,68 EUR für Heizkosten übernommen hat.
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Der Kläger trägt vor, ihm habe Obdachlosigkeit gedroht, nachdem sich seine damalige
Lebensgefährtin von ihm getrennt habe. Er habe im Juli 2008 mit der Suche nach einer
neuen Wohnung begonnen, letztlich aber nur die Wohnung in Emmerich gefunden. Er
habe selber intensiv gesucht, insbesondere über Zeitungen. Außerdem habe er die Hilfe
der Caritas in Kleve in Anspruch genommen und sich bei
Wohnungsverwaltungsgesellschaften bzw. Baugenossenschaften erkundigt. Er sei zur
damaligen Zeit außerdem schwer depressiv gewesen. Das Sorgerecht für die beiden
Kinder M. und J. übe er gemeinsam mit Frau G. aus. Die beiden Kinder seien von
September 2008 an zweimal monatlich jeweils zwei Tage einschließlich einer
Übernachtung bei ihm gewesen. Ab 2010 komme nur noch ein Kind in diesem
Rhythmus sowie die halben Ferien, das andere Kind komme nur noch einmal im Monat.
Nach seinen eigenen Messungen sei die Wohnung nur 49 qm groß. Insgesamt lebten
sechs Parteien in dem Haus. Drei Wohnungen hätten eine Wohnfläche von ca. 65qm,
die drei weiteren von ca. 50qm. Der Streit werde auf den Zeitraum September 2008 bis
Januar 2009 beschränkt.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 05.09.2008 und 22.09.2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2008 sowie der Bescheide vom
20.11.2008 und 16.12.2008 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum 01.09.2008 bis
31.01.2009 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 416,00 EUR monatlich
zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, der Kläger habe den Mietvertrag am 15.08.2008 und damit vor
seiner erstmaligen persönlichen Vorsprache in Emmerich abgeschlossen. In Emmerich
seien auch zum damaligen Zeitpunkt ausreichend kleine Wohnungen vorhanden
gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei der angemessene Quadratmeterpreis in Höhe
des Mittelwerts des betreffenden Baujahres im Mietspiegel angesetzt worden, wobei nur
Wohnungen bis Baujahr 1980 berücksichtigt worden seien.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der
Allgemeinmedizinerin Frau Dr. A., des praktischen Arztes Dr. van der B. sowie der
Neurologin und Psychiaterin Frau Dr. B ... Das Gericht hat außerdem Beweis erhoben
durch Vernehmung der Zeugin H. vom Caritas-Verband Kleve. Wegen der Einzelheiten
der Beweisaufnahme wird auf die vorgenannten Befundberichte sowie das
Sitzungsprotokoll vom 14.04.2010 Bezug genommen.
15
Frau G. hat in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt, das Sorgerecht für die beiden
gemeinsamen Kinder stehe ihr zu. Bis Mai 2009 seien M. und J. alle vierzehn Tage
samstags beim Kläger gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogene Leistungsakte Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher
Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der
Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide in ebendiesem Umfang im Sinne von §
54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - beschwert, da die Bescheide insofern
rechtswidrig sind. Dem Kläger stehen für die Monate Oktober bis Dezember 2008
monatlich weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 40,82 EUR zu. Im
Übrigen ist die Klage dagegen unbegründet.
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Streitgegenstand sind die Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum
September 2008 bis Januar 2009.
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Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
Gemäß § 22 Abs. 2 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines
Vertrags über die neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung
bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue
Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn
der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen
sind; der für den Ort der neuen Unterkunft örtlich zuständige kommunale Träger ist zu
beteiligen.
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1. Die Angemessenheit der Aufwendungen ist nach der so genannten Produkttheorie zu
bestimmen (vgl. bereits Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS
18/06 R; zuletzt etwa BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R). Die beiden
Faktoren dieses Produktes sind die dem Hilfebedürftigen zustehenden Quadratmeter
einerseits und der im maßgeblichen Vergleichsraum als angemessen anzusehende
Quadratmeterpreis andererseits.
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a. Jedenfalls bis zum 31.12.2009 waren in Nordrhein-Westfalen gemäß Ziffer 5.71 der
Verwaltungsvorschrift zum Wohnungsbindungsgesetz für einen Alleinstehenden 45 qm
als angemessen anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, Rdnr.
16). Ein höherer qm-Wert ergibt sich für den Kläger auch nicht unter Berücksichtigung
der Tatsache, dass sich die beiden 2003 geborenen Kinder des Klägers von Beginn an
regelmäßig bei ihm aufgehalten haben. Zwar kann ein regelmäßiger Aufenthalt von
Kindern zur Ausübung des Sorge- bzw. Umgangsrechts einen Anspruch auf weitere qm
begründen. Dies setzt aber eine gewisse zeitliche Erheblichkeit des Aufenthalts voraus,
der an den Umfang des Aufenthalts einer weiteren Person über einen ganzen Monat
heranreichen muss (vgl. bereits Sozialgericht – SG – Aachen, Urteil vom 19.11.2007, S
14 AS 80/07). Selbst wenn hier der Vortrag des Klägers als wahr unterstellt wird, ergibt
sich danach kein weiterer Anspruch. Denn auch wenn sich beide Kinder zweimal
monatlich zwei Tage bei ihm aufgehalten haben, so entspricht dies gerade dem
Aufenthalt einer Person an acht Tagen des Monats.
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b. Für die Bestimmung des als angemessen anzusehenden Quadratmeterpreises ist als
Vergleichsraum das Stadtgebiet von Emmerich anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom
07.11.2006, B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 20: Maßstab des Wohnorts).
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c. Der Beklagte hat den angemessenen Quadratmeterpreis aus dem örtlichen
Mietspiegel abgeleitet und dabei den jeweiligen Durchschnittswert für das betreffende
Baualter bis zu Häusern von 1980 zugrunde gelegt. Diese Methode stellt aus Sicht der
Kammer kein "schlüssiges Konzept" im Sinne der Rechtsprechung des BSG dar (vgl.
insbesondere BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R). Problematisch ist aus Sicht
der Kammer dabei jedoch nicht der Rückgriff auf den örtlichen Mietspiegel, sondern die
Maßgeblichkeit von Durchschnittswerten in der jeweiligen Baualtersklasse beschränkt
bis zum Jahr 1980.
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d. Der Mietspiegel der Stadt Emmerich ist als solcher eine hinreichende
Datengrundlage im Sinne eines "schlüssigen Konzepts" (vgl. hierzu BSG, Urteil vom
17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, Rdnr. 27). Er wird alle 2 Jahre unter Beteiligung des Haus-
und Grundbesitzervereins, des Mieterschutzvereins sowie des Gutachterausschusses
für Grundstückswerte im Kreis Kleve sowie der Stadt Emmerich erstellt und enthält
detaillierte und differenzierte Angaben. Der vom BSG für den Fall eines fehlenden
"schlüssigen Konzepts" in Erwägung gezogene Rückgriff auf die Tabellenwerte zu § 8
des Wohngeldgesetzes mit ihrer geringen regionalen Differenzierung (lediglich sechs
Stufen) kommt angesichts des vorliegenden Mietspiegels nicht in Betracht.
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e. Der Rechtsprechung des BSG zur Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des
§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann bisher allerdings lediglich entnommen werden, dass
solche Wohnungen als angemessen anzusehen sind, die nach Ausstattung, Lage und
Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen
gehobenen Wohnstandard aufweisen (vgl. BSG, a.a.O., Rdn. 15). Für die Kammer ist
bei der Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs von Bedeutung, dass bei der
Berechnung der Regelsätze nach § 20 SBG II die untersten 20 % der nach ihrem
Nettoeinkommen geschichteten Ein-Personen-Haushalte der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe 2003 nach Herausnahme der Sozialhilfeempfänger zugrunde
gelegt wurden (vgl. Unterrichtung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
vom 15.06.2006 über die Auswertung der EVS 2003, BT-Ausschuss-Drucks 16 (11)
286). Die Kammer sieht sich allerdings nicht in der Lage, entsprechende Werte für die
Leistungen für Unterkunft und Heizung zu ermitteln. Der bei der Ermittlung der
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Regelleistung berücksichtigte Maßstab kann aber eine Orientierungshilfe bei der
Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten sein. In eine ähnliche Richtung geht
eine Studie der Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen über den
Wohnungsmarkt für Hartz IV-Haushalte, in der das untere Preissegment bei den unteren
25 % der verfügbaren Wohnungen angesetzt wird. Der 1. Senat des
Landessozialgerichts - LSG - Nordrhein-Westfalen stellt in einem Beschluss vom
30.03.2009 (L 1 B 37/08 AS) auf das "untere Drittel" des Wohnungsmarkts ab. Diese
Definition findet sich auch in der Arbeitshilfe "Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß
§ 22 SGB II" des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und
Soziales (vgl. Seite 20 der ab 2010 gültigen Fassung). Die Kammer hält vor diesem
Hintergrund das untere Drittel des Wohnungsmarkts für maßgeblich.
f. Angesichts der Bedürfnisse einer Massenverwaltung einerseits und der
grundsätzlichen Akzeptanz von Mietspiegeln als Erkenntnisquelle durch das BSG
andererseits hält es die Kammer für vertretbar zu unterstellen, dass die Werte des
Mietspiegels nicht nur Preisspannen für bestimmte Wohnungen ausweisen, sondern
zugleich den tatsächlichen Wohnungsmarkt abbilden. Demnach ist in der nach der
jeweiligen Wohnungsgröße zu bestimmenden Spalte des Mietspiegels das untere
Drittel der Spanne zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Wert in dieser Spalte
maßgeblich. Im vorliegenden Fall des Mietspiegels für Emmerich mit Stand 01.05.2007
beläuft sich dieser Wert auf: 3,40 EUR + ((6,48 EUR - 3,40 EUR = 3,08 EUR): 3 = 1,03
EUR) = 4,43 EUR. 4,43 EUR multipliziert mit 45 Quadratmetern ergibt eine
angemessene monatliche Nettokaltmiete von 199,35 EUR.
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g. Dieser Wert ist nicht nur "abstrakt", sondern auch "konkret" als angemessen
anzusehen. Nach Auffassung der Kammer war es dem Kläger im damaligen Zeitraum
möglich, zu diesem Preis eine Wohnung in Emmerich anzumieten. Die Beklagte hatte
bereits im Verwaltungsverfahren zeitnah Wohnungsangebote recherchiert. Sie konnte
außerdem im Klageverfahren Nachweise über entsprechenden Wohnraum vorlegen.
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Zwar hat der Kläger durch Vorlage diverser Unterlagen glaubhaft gemacht, dass er sich
selbst durchaus intensiv um günstigeren Wohnraum bemüht hat. Es gelingt ihm
gleichwohl nicht, die durch die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen begründete
Vermutung des Vorhandenseins ausreichend angemessenen Wohnraums zu entkräften,
da sich die von ihm nachgewiesenen Bemühungen nur auf ein enges Zeitfenster (Ende
Juli bis Mitte August 2008) beschränken. Nur für diesen Zeitraum hat er konkret von ihm
recherchierte Angebote vorgelegt, bei denen nach seinen Angaben ein Mietvertrag nicht
zustande kam. Dem steht auch nicht die Aussage der Zeugin H. entgegen. Zwar ergibt
sich aus deren Aussage, dass das Auffinden einer Wohnung zu einem angemessenen
Preis Mitte 2008 schwierig war. Die Zeugin selber hatte den Kläger aber nur im Juli
2008 betreut. Soweit sie darüber hinaus aussagt, dass es generell schwierig sei, in
Kleve und Umgebung angemessenen Wohnraum insbesondere für alleinstehende
Personen zu finden, so mag dies zutreffen, ist in dieser Allgemeinheit aber nicht
geeignet, die Vermutung des Vorhandenseins angemessenen Wohnraums speziell in
Emmerich zu entkräften.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass dem Kläger eine längere Suche nicht zuzumuten
gewesen wäre. Zwar sieht die Kammer durchaus, dass seine persönliche Situation
angesichts der konfliktreichen Trennung von der ehemaligen Lebensgefährtin sehr
schwierig war. Die Anmietung einer neuen Wohnung in Emmerich bereits Mitte August
2008 war gleichwohl nicht erforderlich. Leistungen für die Ferienwohnung in Kalkar
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waren dem Kläger immerhin bis Ende August 2008 gewährt worden. Es ist weder
vorgetragen noch ersichtlich, dass auch ein weiterer Verbleib in der Ferienwohnung
nicht möglich gewesen sein sollte. Der Kläger hätte demnach seine Suche ohne
Weiteres auf einen längeren Zeitraum ausdehnen können. Zwar hat der Kläger
ausgeführt, dass er auch nach Bezug der neuen Wohnung weiter gesucht habe.
Konkrete Nachweise hierzu liegen aber nicht vor.
h. Die vorübergehende Übernahme der Kosten für die neue Wohnung in voller Höhe
kommt auch nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Frage. Denn die Stadt Kalkar hatte
dem Kläger ausweislich des Aktenvermerks vom 13.08.2008 ausdrücklich die
Zustimmung zur Anmietung dieser Wohnung verweigert und ihn über die
Konsequenzen aufgeklärt. Gilt die Übergangsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ohnehin
im Wesentlichen für solche Personen, die erstmalig hilfebedürftig im Sinne des SGB II
werden und in einer unangemessen teuren Wohnung leben, so kommt die Übernahme
tatsächlicher (unangemessener) Kosten bei einem Wohnungswechsel während des
laufenden Leistungsbezugs jedenfalls nicht ohne Zustimmung im Sinne von § 22 Abs. 2
SGB II in Betracht (vgl. zum Verhältnis von § 22 Abs. 2 SGB II zu § 22 Abs. 1 Satz 3
SGB II Berlit, in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rdnr. 79).
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Angesichts der tatsächlich erfolgten Suchbemühungen ist auch nicht ersichtlich, dass
der Kläger aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen sein sollte, eine
Wohnung zu einem angemessenen Preis zu finden. Die gegenteilige Erklärung von
Frau Dr. B. in ihrem Befundbericht führt zu keinem anderen Ergebnis. Frau Dr. B.
behandelte den Kläger erst ab Januar 2009. Eine Aussage über seinen Zustand Mitte
2008 ist ihr damit kaum möglich. Eine nachvollziehbare Begründung wird ebenfalls nicht
gegeben. Zu beachten ist auch, dass in den damaligen Kontakten mit der Stadt Kalkar
sowie mit dem Beklagten vom Kläger selbst eine entsprechende gesundheitliche
Einschränkung nie vorgetragen wurde.
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2. Die Nebenkosten sind in Höhe der tatsächlichen Kosten von 60,00 EUR zu
berücksichtigen. Auch wenn die tatsächliche Wohnungsgröße leicht über dem als
angemessen anzusehenden Wert von 45 qm lag – unabhängig davon, ob sie nun 49
oder 51 qm betrug -, so ist die Nebenkostenpauschale nicht anteilig zu kürzen, da
ausweislich Blatt 3 des Mietvertrags sämtliche in die Nebenkostenpauschale
eingeflossenen Positionen nicht nach Quadratmetern berechnet wurden.
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3. Die Heizkosten sind in den Monaten, in denen sie angefallen sind, also Oktober bis
Dezember 2008, in tatsächlicher Höhe abzüglich eines Anteils für die
Warmwasseraufbereitung nach den Vorgaben des Urteils des Bundessozialgerichts
vom 27.02.2008 (B 14/11b AS 15/07 R) zu berechnen: 65,00 EUR - 6,33 EUR = 58,87
EUR. Einer weiteren Kürzung steht das Urteil des BSG vom 02.07.2009 (B 14 AS 36/08
R) entgegen. Bei Fehlen eines örtlichen Heizkostenspiegels ist danach als angemessen
anzusehen der obere Grenzwert in der jeweiligen Kategorie des Heizkostenspiegels
des Bundes. Hier ist der Heizkostenspiegel des Bundes von 2007 und dort die Tabelle
für das Heizmittel Gas heranzuziehen. Im Falle einer insgesamt beheizten Wohnfläche
von bis zu 250 qm beträgt der Grenzwert in Euro pro Quadratmeter und Jahr 16,70, bei
Häusern bis 500 qm Wohnfläche 15,70 (und das Haus, in dem sich die Wohnung des
Klägers befindet, hat jedenfalls keine größere beheizbare Wohnfläche als 500qm). Dies
bedeutet einen monatlichen Wert pro Quadratmeter von 1,39 EUR bzw. 1,31 EUR und
bei 45 qm einen Grenzwert von 62,55 EUR bzw. 58,95 EUR. Beide Werte liegen über
den zuvor ermittelten reinen Heizkosten im vorliegenden Fall.
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4. In den Monaten Oktober 2008 bis Dezember 2008 ergeben sich mithin angemessene
Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 318,22 EUR (199,35 EUR + 60,00 EUR
+ 58,87 EUR). Da in diesen Monaten tatsächlich von der Beklagten lediglich 277,40
EUR an Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt wurden, ergibt sich ein weiterer
monatlicher Anspruch von 40,82 EUR.
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Für September 2008 ergibt sich dagegen kein weiterer Anspruch, da der Beklagte hier
ebenfalls 277,40 EUR gewährte, obwohl in diesem Monat gar keine
Heizkostenvorauszahlung beim Kläger anfiel und sein Bedarf sich daher unter
Berücksichtigung des oben Gesagten auf lediglich 259,35 EUR belief.
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Im Januar 2009 gewährte der Beklagte zwar nur noch Leistungen für Unterkunft ohne
Leistungen für Heizung in Höhe von 229,58 EUR und damit eigentlich 29,77 EUR zu
wenig. Gleichzeitig wurden dem Kläger aber aufgrund der Jahresabrechnung von Mitte
Januar 2009 271,68 EUR nachgezahlt, obwohl nur ein deutlich geringerer Betrag
tatsächlich hätte nachgezahlt werden müssen, so dass im Ergebnis keine weiteren
Leistungen zu erbringen sind.
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Dass ein deutlich zu hoher Betrag aus der Rechnung der Stadtwerke von Mitte Januar
übernommen wurde, ergibt sich aus Folgendem: Der Rechnungsbetrag für den Zeitraum
01.09.2008 bis 31.12.2008 und damit für vier Monate belief sich auf 451,68 EUR. Unter
Berücksichtigung des Heizspiegels des Bundes wären höchstens (4 x 62,55 EUR =)
250,20 EUR zu übernehmen gewesen. Nach Abzug der bereits für September bis
Dezember 2008 gewährten Abschläge in Höhe von (4 x 47,82 EUR =) 191,28 EUR
hätte demnach lediglich ein Betrag von 58,92 EUR aus der Heizkostenabrechnung
übernommen werden müssen. Tatsächlich wurden aber eben 271,68 EUR
übernommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Begehrt wurden 4 x (416,00 EUR
- 277,40 EUR = 138,60 EUR) = 554,60 EUR + (416,00 EUR - 229,58 EUR = 186,42
EUR) = 740,82 EUR. Demgegenüber war der Kläger in Höhe von 3 x 40,82 EUR =
122,46 EUR erfolgreich, was ungefähr einem Sechstel entspricht.
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Rechtsmittelbelehrung:
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