Urteil des SozG Duisburg vom 07.10.2010

SozG Duisburg (umzug, wohnung, anordnung, vorläufiger rechtsschutz, antrag, familie, erlass, zusicherung, räumung, www)

Sozialgericht Duisburg, S 5 AS 3308/10 ER
Datum:
07.10.2010
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 5 AS 3308/10 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin zur Bestreitung
ihres Umzuges in die Raffelbergerstr. in E. vorläufig bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens ein Darlehen in
Höhe von EUR 998,41 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der
Antragstellerin.
Gründe:
1
I.
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Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Umzugskosten.
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Die 42jährige Antragstellerin lebt mit ihrer 15jährigen Tochter und ihrem 2jährigen Sohn
in einer Wohnung in der Sälzerstr. in E ... Die Bedarfsgemeinschaft steht fortlaufend im
Bezug von Grunsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB
II). Die Warmmiete für die Wohnung in der Sälzerstr. beträgt EUR 528,20 (Grundmiete:
EUR 330; Heizkosten: EUR 88,20; Nebenkosten: EUR 110,00). Der Ehemann der
Antragstellerin und Vater des jüngsten Sohnes, bei dem infolge Drogenmissbrauchs
eine Hepatitis C diagnostiziert wurde, lebt seit dem 1.7.2010 von der Familie getrennt.
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Die Antragstellerin hat drei weitere erwachsene Kinder von unterschiedlichen Vätern,
die nicht mehr in ihrem Haushalt wohnen.
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Unter dem 15.6.2010 kündigte der Vermieter der Antragstellerin das Mietverhältnis zum
30.9.2010 wegen Eigenbedarfes.
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Am 25.6.2010 sprach die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin vor. Sie reichte ein
Mietangebot vom 22.6.2010 über eine 73,56 qm große, unrenovierte Wohnung in der
Raffelbergerstr. 41 in E. zu den Akten mit einer Grundmiete von EUR 348,00 und
Betriebskosten in Höhe von EUR 110,00 monatlich.
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Ausweislich der Verhandlungsniederschrift vom selben Tage stimmte die
Antragsgegnerin dem Umzug zu und bestätigte die Angemessenheit der neuen Miete.
Die Antragstellerin beantragte die Übernahme der Umzugskosten, sie verfüge weder
über einen Führerschein noch über private Helfer.
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Mit Schreiben vom 25.6.2010, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, teilte
die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass eine Übernahme der Kosten für ein
Umzugsunternehmen nicht in Betracht komme, da sie die Voraussetzungen hierfür nicht
erfülle. Sie möge drei Kostenvoranschläge von Autoverleihfirmen beibringen. Zudem
könnten vier Umzugshelfer für eine Verköstigungspauschale von EUR 20,00 engagiert
werden.
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Unter dem 30.6.2010 unterzeichnete die Antragstellerin den Mietvertrag über die
Wohnung in der Raffelbergerstr. 41 in E. mit Mietbeginn zum 1.9.2010.
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Mit Schreiben vom 6.7.2010 bestätigte der Vermieter der Antragstellerin auf Anfrage,
dass sie das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bereits zum 1.9.2010
beenden könne.
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Unter dem 11.7.2010 legte die Antragstellerin gegen das Schreiben der
Antragsgegnerin vom 25.6.2010 "Beschwerde" ein. Sie habe keine privaten
Umzugshelfer. Der Behörde sei die Drogen- und Gefängnisvergangenheit ihres
Ehemannes bekannt. Zugleich legte sie drei Kostenvoranschläge für den geplanten
Umzug über EUR 1.190,00, EUR 998,41 und EUR 1.000,00 vor (Bl. 971 ff. Bd. III LA).
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Mit Bescheid vom 21.7.2010 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für
das Umzugsunternehmen ab. Die Antragstellerin sei nicht anspruchsberechtigt, da sie
nicht älter als 65 sei, einen Grad der Behinderung von 50 bzw. einen Pflegebedarf der
Pflegestufe 1 habe oder aber ein privatärztliches Attest vorlegen könnte und zusätzlich
nachgewiesen habe, dass sie nicht über Helfer im Familien- und Freundeskreis verfüge.
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Ebenfalls mit Bescheid vom 21.7.2010 gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin
ein Darlehen für die Mietkaution in Höhe von EUR 1.044,00.
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Gegen den die Übernahme der Umzugskosten für ein Umzugsunternehmen
ablehnenden Bescheid legte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom
27.7.2010 Widerspruch ein.
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Mit ihrem unter dem 19.8.2010 bei Gericht eingegangen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung begehrt die Antragstellerin weiterhin die Übernahme der
Kosten für ein Umzugsunternehmen. Zur Glaubhaftmachung hat sie ein Attest ihres
behandelnden Allgemeinmediziners, Dr. K., vom 10.8.2010 vorgelegt, das ihr unter
anderem Tachykardie (beschleunigter Puls/"Herzrasen") und Schmerzen im rechten
Knie bescheinigt. Mit einem ergänzenden Attest vom 30.8.2010 bestätigt der Mediziner,
dass die Antragstellerin an einen Orthopäden überwiesen worden sei. Sie könne derzeit
keine schweren Lasten tragen oder heben. Zugleich hat die Antragstellerin eidesstattlich
versichert, dass sie zu den Kindsvätern keinen Kontakt habe und auch innerhalb der
Familie oder im Bekanntenkreis niemand zur Verfügung stünde, der ihr helfen könnte.
Sie sei nicht in der Lage, den anstehenden Umzug alleine zu bewältigen.
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Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten
für die Durchführung ihres Umzuges in die Raffelbergerstr. 41 in E. zu übernehmen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
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Zur Begründung führt sie aus, es könnten regelmäßig nur die Kosten für einen Umzug in
Eigenregie übernommen werden. Diese beliefen sich auf insgesamt EUR 160,00 (EUR
80,00 für ein Mietfahrzeug und EUR 80,00 Verpflegungspauschale für die privaten
Umzugshelfer). Insoweit gelte der Vorrang der Selbsthilfe. Es sei nicht lebensnah, dass
die Antragstellerin über keine privaten Helfer verfüge. Auch die angegebenen eher
diffusen Schmerzen würden die Durchführung des kostenintensiven Umzuges durch ein
Unternehmen nicht zwingend erforderlich machen, wie es die kommunalen Weisungen
jedoch verlangten.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Befundberichtes bei dem
Allgemeinmediziner Dr. K ... Auf den Befundbericht vom 17.9.2010 wird Bezug
genommen.
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Das Gericht hat ferner Beweis erhoben durch Einholen eines Befundberichtes bei der
orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dr. C. und Dr. S ... Auf den Befundbericht vom
7.10.2010 wird Bezug genommen.
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Die Antragstellerin ist nicht wie geplant zum 1.9.2010 umgezogen, sondern hat die
hiesige gerichtliche Entscheidung abgewartet. Sie hat eidesstattlich unter dem 1.1.2010
versichert, dass der Vermieter der Wohnung in der Sälzerstr. ihr mittlerweile mit
Räumung der Wohnung gedroht habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den der beigezogenen Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
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II.
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1. Die Antragstellerin, die zugleich gesetzliche Vertreterin der beiden mit ihr in
Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder ist, konnte den Antrag auf einstweilige
Anordnung zunächst wirksam nur im eigenen Namen erheben. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes müssen bei zusätzlichen Leistungen nur
dann alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft klagen, wenn dem einzelnen
Hilfebedürftigen weitergehende Ansprüche zustehen können als der
Bedarfsgemeinschaft (vgl. BSG, Urteil v. 23.3.2010 - B 14 AS 81/08 R Rn. 12 m.w.N.
unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Dies ist bei Umzugskosten, die der gesamten
Bedarfsgemeinschaft nur einmal zustehen, nicht der Fall.
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2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet. Die
Antragsgegnerin war vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Hauptsacheverfahrens zur Übernahme der Kosten für das günstigste
Umzugsunternehmen in Höhe von EUR 998,41 als Darlehen zu verpflichten.
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Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 S. 2
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Sozialgerichtsgesetz - SGG - voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch
(vgl. hierzu unter b.), d.h. den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz
begehrt wird, und einen Anordnungsgrund (vgl. hierzu unter a.), d.h. die besondere
Dringlichkeit des Begehrens, die ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache
unzumutbar erscheinen lässt, glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht
isoliert nebeneinander stehen, sondern dass eine Wechselwirkung derart besteht, dass
die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw.
Schwere des drohenden Nachteiles (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und
umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres
funktionalen Zusammenhanges ein bewegliches System (vgl. Meyer-Ladewig,
Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 86 b Rn. 27 und 29 m.w.N). Ist die Klage bzw. der
Widerspruch in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der
Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund
grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die
Klage bzw. der Widerspruch in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so
vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem
Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem
Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach-
und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu
entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragsteller
umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1
BvR 569/05, zitiert nach juris).
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a. Ein Anordnungsgrund im oben beschriebenen Sinne ist glaubhaft gemacht. Die
derzeitige Wohnung der Antragstellerin und ihrer Kinder wurde zum 30.9.2010 wegen
Eigenbedarfes gekündigt, so dass die Antragstellerin zur Vermeidung einer Räumung
dringend auf die Klärung der Übernahmefähigkeit ihrer Umzugskosten angewiesen ist
(zum Eilbedürfnis bei drohender Räumung vgl. LSG NRW, Beschluss v. 16.3.2010 - L 6
AS 230/10 B ER und L 6 AS 231 10; Beschluss v. 10.2.2010 – L 7 B 469/09 AS ER;
Beschluss v. 9.9.2009 – L 12 B 62/09 AS ER; Beschluss v. 20.12.2007 - L 1 B 65/07 AS
ER; Beschluss v. 02.11.2006 - L 20 B 209/06 AS ER, jeweils abrufbar unter
www.sozialgerichtsbarkeit.de).
31
b. Nach summarischen Maßstäben ist auch ein Anordnungsanspruch im Gesetzessinne
glaubhaft gemacht.
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Ein vorläufiger Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten ergibt sich dem Grunde
nach aus § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II.
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Danach soll die Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten im Sinne von § 22 Abs.
3 S. 1 SGB II erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst
oder aus anderen Gründen notwendig ist und ohne die Zusicherung eine Unterkunft in
einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.
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Diese Voraussetzungen sind nach summarischer Prüfung erfüllt. Die Zusicherung zum
Umzug in die Wohnung in der Raffelbergerstr. ist im Sinne einer Ermessensreduzierung
auf Null zu erteilen.
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Die neue Wohnung ist für einen Drei-Personen-Haushalt mit einer Grundmiete von EUR
348,00 angemessen und erfüllt damit auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal
von § 22 Abs. 3 SGB II (vgl. hierzu Lang/Link in: Eicher/Spellbrink, 2. Aufl. 2008, § 22
SGB Rn. 82). Die Antragsgegnerin hat die Angemessenheit in der
Verhandlungsniederschrift vom 25.6.2010 selbst bestätigt.
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Der Umzug ist auch notwendig im Sinne von § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II. Durch die
Eigenbedarfskündigung des Vermieters (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss v. 3.9.2010 -
1085/10 B ER unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) haben die Antragstellerin und ihre
Familie keine Möglichkeit in ihrer bisherigen Wohnung dauerhaft zu verbleiben oder die
Zeit auf eine andere Wohnung zu warten.
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Letztlich hat die Antragstellerin auch die Notwendigkeit des Umzuges als solche in der
Verhandlungsniederschrift vom 25.6.2010 selbst zugestanden. Ergänzend wird auf den
internen Vermerk vom selben Tage auf Bl. 906 der Leistungsakte verwiesen, der die
Notwendigkeit des Umzuges ausdrücklich bestätigt.
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Vor diesem Hintergrund liegen die Voraussetzungen für die Zusicherung zum Umzug
der Antragstellerin im Sinne von § 22 Abs. 3 SGB II vor. Die Ablehnung der
Umzugskosten durch die Antragsgegnerin ist ermessensfehlerhaft.
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Dies ist letztlich widersprüchlich, weil die Voraussetzungen für die Übernahme der
Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II identisch sind mit den Voraussetzungen für die
von der Antragsgegnerin im Gegensatz dazu positiv beschiedene Übernahme der
Kosten für die Mietkaution.
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Ermessensfehlerhaft ist weiterhin, dass nicht einmal die Kostenübernahme für einen
selbst organisierten Umzug zugesagt wird. Hierzu verhält sich weder das "Schreiben"
vom 25.6.2010, noch der Bescheid vom 21.7.2010, obwohl die Antragstellerin die
Übernahme der Umzugskosten - und nicht ausschließlich die Kosten für ein
Umzugsunternehmen - beantragt hat (vgl. Verhandlungsniederschrift vom 25.6.2010).
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Folge der zu erteilenden Zusicherung ist nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II die Pflicht zur
Übernahme der Umzugskosten.
42
Nach summarischen Maßstäben ist darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass ein selbst
organisierter Umzug nicht möglich ist und insoweit ausnahmsweise die Kosten für ein
Umzugsunternehmen - jedenfalls vorläufig - zu übernehmen sind.
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Nach der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung geht die Antragsgegnerin zwar
zutreffend davon aus, dass aufgrund des Vorranges der Selbsthilfe (vgl. § 2 Abs. 1 SGB
II) regelmäßig nur die Kosten für einen selbstorganisierten Umzug zu übernehmen sind
(vgl. BSG, Urteil v. 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
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Allerdings können nach dieser Rechtsprechung auch ausnahmsweise die Übernahme
der Kosten für einen gewerblich organisierten Umzug angezeigt sein. Davon soll
auszugehen sein, wenn der Leistungsberechtigte den Umzug etwa wegen Alters,
Behinderung, körperlicher Konstitution oder wegen der Betreuung von Kleinstkindern
nicht selbst vornehmen oder durchführen kann. Insoweit hat der Leistungsträger zu
ermitteln (BSG, Urteil v. 6.5.2010 a.a.O.).
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Entsprechende Ermittlungen wurden von Seiten der Behörde im Vorfeld der
Entscheidung nicht unternommen.
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Allein unter dem Aspekt der fehlenden körperlichen Leistungsfähigkeit hält die Kammer
vorliegend die Kosten für ein Umzugsunternehmen nicht für übernahmefähig. Zwar hat
der behandelnde Allgemeinmediziner der Antragstellerin "Schmerzen im Knie" attestiert,
die ihr schweres Tragen und Heben unmöglich machen sollen. Allerdings konnte der
eingeholte orthopädische und damit fachärztliche Befundbericht diesen Vortrag nicht
bestätigen. Der attestierte leichte Bewegungsschmerz reicht nicht aus, um von einer
erheblichen Einschränkung der Umzugsfähigkeit auszugehen. Dies wäre ggf. über ein
Sachverständigengutachten in der Hauptsache zu prüfen.
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Was die Kammer hingegen vorliegend zur vorläufigen und darlehensweisen Zusprache
der Kosten für das Unternehmen bewogen hat, ist zum einen die Tatsache, dass die
Antragstellerin eidesstattlich versichert hat, dass ihr aus der Familie und dem
Freundeskreis niemand helfen kann bzw. würde. Die erwachsenen Kinder befänden
sich in Ausbildung bzw. hätten die Hilfe abgelehnt, der getrennt lebende Ehemann sei
körperlich nicht zur tatkräftigen Unterstützung in der Lage. Zu den übrigen Kindsvätern
bestünde kein Kontakt.
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Im Rahmen eines Eilverfahrens ist diese Versicherung ausreichend. Inwiefern die
Aussage auch der gerichtlichen Überprüfung - insbesondere durch
Zeugenvernehmungen - im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens standhalten wird, ist
dort zu klären.
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Zum anderen war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit dem zweijährigen
Sohn ein "Kleinstkind" im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung betreut. Selbst
wenn man davon ausginge, dass die 15jährige Tochter die Betreuung übernehmen
könnte, wäre die Antragstellerin doch nicht in der Lage alleine den Umzug der Familie
zu bewerkstelligen.
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Die Motivation, die den Gesetzgeber in § 21 Abs. 3 SGB II zur Anerkennung eines
Mehrbedarfes für Alleinerziehende bewogen hat, ist als Gedanke letztlich auch auf
einen Umzug zu übertragen. Auch hier ist die besondere Belastung des
Alleinerziehenden dadurch, dass Aufgaben nicht auf den Partner delegiert werden und
mit diesem geteilt werden können, im Rahmen des Ermessens zu würdigen.
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Auch ist die Antragstellerin bisher - trotz Verstreichens der Kündigungsfrist - nicht
ausgezogen, was zumindest auch ein Indiz dafür ist, dass ohne weiteres kein selbst
organisierter Umzug möglich ist.
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Würden die Umzugskosten verweigert, bestünde schließlich und vor allem anderen die
ernsthafte Gefahr der Räumung der Wohnung und damit der Obdachlosigkeit der
Bedarfsgemeinschaft.
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Die Folgenabwägung war nach alledem zu Gunsten der Antragstellerin und ihrer Kinder
zu treffen.
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Hinsichtlich der Kostenhöhe erscheint der günstigste der drei vorgelegten
Kostenvoranschläge über EUR 998,41 für den Umzug einer dreiköpfigen
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Bedarfsgemeinschaft angemessen. Da die Kostenvoranschläge letztlich im selben
Preisrahmen liegen, hatte die Kammer keine Anhaltspunkte, davon auszugehen, dass
die veranschlagten Kosten unbillig sein könnten.
Anders als in anderen Kommunen besteht in Essen derzeit keine Kooperation mit einem
sozialen Umzugsdienst (wie z.B. "Flickwerk" in Oberhausen oder "GfB" in Duisburg),
der den Umzug durch Vermittlung von Studenten oder Arbeitslosen unterhalb der
marktüblichen Preise sicherstellen könnte. Zur Kostenminimierung dürfte es sich
anbieten, über den künftigen Vorhalt einer solchen Lösung nachzudenken.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193
SGG.
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