Urteil des SozG Duisburg vom 29.07.2010

SozG Duisburg (kläger, essen, stadt, höhe, kag, bundesrepublik deutschland, besondere härte, angemessenheit, haushalt, eigentum)

Sozialgericht Duisburg, S 38 (17) AS 126/08
Datum:
29.07.2010
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
38. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 38 (17) AS 126/08
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1. In Abänderung des Bescheides vom 04.04.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29.05.2008 wird die Beklagte verurteilt,
an die Kläger 1.325,55 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt 2/5 der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Übernahme eines Straßenbaubeitrags in
Höhe von 3.434,39 EUR als Kosten der Unterkunft.
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Der am 27.09.1948 geborene Kläger zu 1.) und die am 18.11.1946 geborene Klägerin
zu 2.) beziehen bei der Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II -. Sie bewohnen ein im Eigentum
des Klägers zu 1.) stehendes Mehrfamilienhaus. Die von den Klägern selbst bewohnte
Wohnung befindet sich im Erdgeschoss und hat eine Größe von ca. 110 qm. Die
Wohnung im 1. Obergeschoss wird von der Mutter des Klägers zu 1.) bewohnt und hat
ebenfalls eine Größe von ca. 110 qm. Darüber hinaus verfügt das Haus über ein
Souterrain mit einer Größe von ca. 65 qm, das als Lager vermietet wird.
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Am 01.02.2008 erließ die Stadt Essen einen Bescheid über einen Straßenbaubeitrag in
Höhe von 3.434,39 EUR und machte dessen Zahlung gegenüber dem Kläger zu 1.)
geltend. Als Fälligkeitstag war der 01.04.2008 angegeben.
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Mit Schreiben vom 12.02.2008 beantragte der Kläger zu 1.) bei der Beklagten die
Übernahme des Straßenbaubeitrags in Höhe von 3.434,39 EUR.
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Am 05.03.2008 fragte die Beklagte bei der Stadt Essen telefonisch nach, ob auch
Empfänger von Leistungen nach dem SGB II zur Zahlung von Straßenbaubeiträgen
herangezogen werden könnten. Laut Gesprächsnotiz vom gleichen Tage teilte der
Mitarbeiter der Stadt Essen, Herr K., der Beklagten mit, dass die Möglichkeit bestehen
müsste bei der Finanzbuchhaltung der Stadt Essen beispielsweise eine befristete
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Niederschlagung der Forderung zu erwirken. Daraufhin bat die Beklagte den Kläger zu
1.) mit Schreiben vom 05.03.2008 um Mitteilung und Nachweis, ob er aufgrund seiner
aktuellen Einkommenssituation bereits an die Stadt Essen herangetreten sei und
beispielsweise nach der Möglichkeit einer befristeten Niederschlagung der Forderung
o.ä. gefragt habe.
Am 11.03.2008 sprach der Kläger zu 1.) bei der Stadt Essen vor und beantragte die
Stundung der Forderung. Sowohl mündlich als auch mit Schreiben vom gleichen Tage
lehnte die Stadt Essen diesen Antrag mit der Begründung ab, dass allein der Hinweis
auf den Bezug von Arbeitslosengeld II keine besondere Härte bedeute. Auch dann
bestehe die Möglichkeit, den Betrag in kleinen Raten zu zahlen.
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Mit Schreiben vom 15.03.2008 teilte der Kläger zu 1.) der Beklagten die Ablehnung
seines Stundungsantrags seitens der Stadt Essen mit und erklärte weiterhin, dass ihm
die Vereinbarung einer Ratenzahlung nicht möglich sei, da er nicht über die
entsprechenden Mittel verfüge.
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Mit Bescheid vom 04.04.2008 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für den
Straßenbaubeitrag mit der Begründung ab, dass es sich bei diesem nicht um eine
Leistung nach dem SGB II handele, da Straßenbaubeträge nicht originär dem Zweck der
Instandhaltung oder Instandsetzung des Wohneigentums dienten.
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Den hiergegen mit Schreiben vom 02.05.2008 eingelegten Widerspruch wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2008 als unbegründet zurück.
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Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Übernahme des
Straßenbaubeitrags weiter. Darüber hinaus haben sie ursprünglich auch die Zahlung
einer Instandhaltungspauschale sowie der Übernahme von Schuldzinsen in
angemessener Höhe geltend gemacht.
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Im Hinblick auf die Übernahme der Kosten für den Straßenbaubeitrag tragen die Kläger
vor, dass der Straßenbaubeitrag zu den Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II
gehöre, da bei selbst genutzten Eigenheimen zu den Kosten der Unterkunft alle
unmittelbar mit dem Wohneigentum verbundenen notwendigen Ausgaben und
Belastungen zählten. Anzusetzen seien auch Beträge, die bei der Berechnung der
Einkünfte bei Vermietung und Verpachtung gemäß § 7 Abs. 2 der Verordnung zur
Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – VO zu § 82 SGB XII –
abzusetzen seien. In § 7 Abs. 2 Nr. 2 VO zu § 82 SGB XII seien als solche Beiträge
sonstige öffentliche Abgaben genannt. Straßenbaubeiträge seien öffentliche Abgaben
gemäß § 8 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen – KAG – in
Verbindung mit der Beitragssatzung der Stadt Essen.
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Des Weiteren tragen die Kläger vor, dass die Stadt Essen aufgrund des Bescheides
vom 01.02.2008 über den Straßenbaubeitrag ein Zwangsversteigerungsverfahren
hinsichtlich der von den Klägern bewohnten Immobilie eingeleitet habe.
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In dem Erörterungstermin am 24.09.2009 haben die Beteiligten einen Prozessvergleich
geschlossen, in dem sich die Beklagte ua zur anteiligen (entsprechend dem Wohnanteil
der Kläger von 110 qm) Übernahme der Kosten für den Straßenbaubeitrag in Höhe von
1.325,67 EUR verpflichtete. Die vergleichsweise Regelung über die anteilige
Übernahme der Kosten für den Straßenbaubeitrag konnte von der Beklagten bis zum
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15.10.2009 schriftlich widerrufen werden. Im Übrigen erklärten die Beteiligten den
Rechtsstreit durch Abschluss des Prozessvergleichs für erledigt.
Mit Schreiben vom 08.10.2009 hat die Beklagte den Prozessvergleich hinsichtlich der
anteiligen Übernahme der Kosten für den Straßenbaubeitrag widerrufen.
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Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
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den Bescheid vom 04.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
29.05.2008 hinsichtlich der Übernahme von Straßenbaubeiträgen aufzuheben und an
die Kläger 3.434,39 EUR zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Auch die Beklagte verbleibt bei ihrer Auffassung und verweist auf ihre Ausführungen in
ihrem Widerspruchsbescheid.
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Ergänzend trägt sie vor, dass der Leistungsempfänger gemäß § 2 SGB II gehalten sei,
alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit
auszuschöpfen. Dazu gehöre auch, sich um eine Stundung oder Ratenzahlung zu
bemühen. Seitens der Stadt Essen sei ausdrücklich eine Ratenzahlung angeboten
worden, so dass der Hilfesuchende diese Kosten selbst tragen könne und diese nicht
durch die Allgemeinheit zu übernehmen seien.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie auf den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 04.04.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29.05.2008 ist rechtswidrig und beschwert die Kläger im
Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten soweit die Beklagte eine
Übernahme der Kosten für den Straßenbaubeitrag in Höhe von 1.325,55 EUR
abgelehnt hat.
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Die Kläger haben gemäß §§ 19 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II einen Anspruch auf
Zahlung der Kosten für den Straßenbaubeitrag in Höhe von 1.325,55 EUR.
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Die Kläger sind anspruchsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs.
3 SGB II. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB
II, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben
(Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind, sowie ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Leistungen erhalten auch
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Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben
(§ 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 SGB II die
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr. 1), die im Haushalt lebenden Eltern oder der im
Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das
25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt lebende Partner dieses
Elternteils (Nr. 2), als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der nicht dauernd
getrennt lebende Ehegatte (Nr. 3a) sowie die dem Haushalt angehörenden
unverheirateten Kinder der in den Nummer 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das
25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung
ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen
können (Nr. 4). Nach Aktenlage sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt, was
zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.
Bei dem Straßenbaubeitrag handelt es sich um Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB II.
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Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe
der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Dabei erfasst
§ 22 Abs. 1 SGB II nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und
Heizung (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R -; Urteil vom 16.12.2008 B 4 AS
49/07 R -; Urteil vom 19.09.2008 – B 14 AS 54/07 R -; Beschluss vom 16.05.2007 – B 7b
AS 40/06 R -). Soweit einzelne Kosten in einer Summe fällig werden, sind sie als
tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber
auf längere Zeiträume zu verteilen (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010 - B 4 AS 62/09 R -;
Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06 R -). Sie gehören als einmalig geschuldete
Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010 -
B 4 AS 62/09 R -; Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 36/08 R -; Urteil vom 16.05.2007 – B
7b AS 40/06 R -).
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Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke zählen dabei alle
notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung abzusetzen sind (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R -; Urteil
vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 34/06 R -; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl.
2008, § 22 Rn. 26). § 7 Abs. 2 der Verordnung zu § 82 SGB XII findet insoweit
entsprechende Anwendung (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R -; Urteil vom
15.04.2008 – B 14/7b AS 34/06 R -). Kosten, die ein Mehrfamilienhaus betreffen, das im
Eigentum des Hilfebedürftigen steht, sind nur seinem Wohnanteil entsprechend zu
berücksichtigen (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 26a zu
Instandhaltungskosten; Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rn. 25 ).
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Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 VO zu § 82 SGB XII ist als Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung der Überschuss der Einnahmen über die mit ihrer Erzielung verbundenen
notwendigen Ausgaben anzusetzen; zu den Ausgaben gehören
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1. Schuldzinsen und dauernde Lasten, 2. Steuern vom Grundbesitz, sonstige öffentliche
Abgaben und Versicherungsbeiträge, 3. Leistungen auf die Hypothekengewinnabgabe
und die Kreditgewinnabgabe, soweit es sich um Zinsen nach § 211 Abs. 1 Nr. 2 des
Lastenausgleichsgesetzes handelt, 4. der Erhaltungsaufwand, 5. sonstige
Aufwendungen zur Bewirtschaftung des Haus- und Grundbesitzes, ohne besonderen
Nachweis der Aufwendungen in Höhe von 1 vom Hundert der Jahresroheinnahmen. Bei
dem Straßenbaubeitrag handelt es sich um eine sonstige öffentliche Abgabe im Sinne
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von § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VO zu § 82 SGB XII (SG Altenburg, Urteil vom 29.09.2008 –
S 27 AS 3404/06 -; SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 10.07.2006 – S 34 AS 293/05 -).
Öffentliche Abgaben sind hoheitlich geltend gemachte öffentlich-rechtliche
Geldforderungen, die von allen erhoben werden, die einen normativen Tatbestand
erfüllen und zur Deckung des Finanzbedarfs des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner
öffentlichen Aufgaben dienen (SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 10.07.2006 – S 34
AS 293/05). Zu den öffentlichen Abgaben gehören gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KAG neben
den Steuern auch Beiträge und Gebühren. Beiträge sind Geldleistungen, die dem Ersatz
des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher
Einrichtungen und Anlagen im Sinne des § 4 Abs. 2 KAG, bei Straßen, Wegen und
Plätzen auch für deren Verbesserung, jedoch ohne die laufende Unterhaltung und
Instandsetzung, dienen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 KAG). Sie werden von den
Grundstückseigentümern als Gegenleistung dafür erhoben, dass ihnen durch die
Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche
Vorteile geboten werden (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KAG). Bei dem konkreten Straßenbaubeitrag
handelt es sich um einen Beitrag in diesem Sinne, da es sich bei der Erneuerung des
Entwässerungskanals und der Fahrbahn um eine Verbesserung im Sinne des § 8 Abs.
2 Satz 1 KAG handelt. Dementsprechend hat die Stadt Essen den Straßenbaubeitrag
gemäß § 8 KAG in Verbindung mit der Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach §
8 des KAG für straßenbauliche Maßnahmen im Gebiet der Stadt Essen vom 26.07.2001
mit Bescheid vom 01.02.2008 erhoben. Die Kosten für den Straßenbaubeitrag sind nur
dem Wohnanteil entsprechend zu berücksichtigen, da diese ein Mehrfamilienhaus
betreffen, das im Eigentum des Klägers zu 1.) steht. Von den Gesamtkosten in Höhe von
3.434,39 EUR ist lediglich ein Anteil in Höhe von 1.325,55 EUR zu berücksichtigen, da
das Mehrfamilienhaus eine Größe von insgesamt 285 qm hat und der von den Klägern
bewohnte Anteil 110 qm beträgt. Die tatsächlich anfallenden anteiligen Kosten für den
Straßenbaubeitrag in Höhe von 1.325,55 EUR bezogen auf 110 qm sind vorliegend
auch zu übernehmen. Zwar bestimmt § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, dass nur die
tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese angemessenen sind. Dabei
richtet sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten bei Mietern und
Hauseigentümern nach einheitlichen Kriterien. Die Angemessenheit des
Hausgrundstücks im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II indiziert nicht die
Angemessenheit der Unterkunftskosten für dieses Haus im Sinne des § 22 SGB II. § 12
Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist eine rein vermögensrechtliche Schutzvorschrift gegenüber
dem Verwertungsbegehren des Grundsicherungsträgers, wirkt sich aber nicht auf die
Höhe der nach § 22 SGB II zu übernehmenden Unterkunftskosten aus. § 22 Abs. 1 SGB
II sieht insofern ohne Differenzierung danach, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder
Miete gedeckt wird, Leistungen für Unterkunft und Heizung bis zur Grenze der
Angemessenheit vor. Aus diesem Grund sind auch nicht die für Hauseigentum, sondern
die für Mietwohnungen geltenden Wohnflächengrenzen bei der
Angemessenheitsprüfung im Rahmen des § 22 SGB II zu berücksichtigen. Ansonsten
ergäbe sich im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz
eine nicht gerechtfertigte Privilegierung von Haus- und Wohnungseigentümern
gegenüber Mietern (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R -; Urteil vom
02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R -; Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 54/07 R -).
Da die Frage der Angemessenheit für Mieter und Eigentümer nach einheitlichen
Kriterien zu beantworten ist, ist zur Bestimmung der heranzuziehenden Wohnungsgröße
auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau
abzustellen. Nach § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung – WoFG -
können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen
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festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Zur Bestimmung der in § 22
SGB II geforderten Angemessenheit ist auf die nach § 10 WoFG von den Ländern
festgesetzten Werte zurückzugreifen (BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R -;
Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R -; Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R -;
Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R -). Insofern bestimmt sich für die
streitgegenständliche Zeit in Nordrhein-Westfalen die angemessene Größe der
Wohnung eines Hilfebedürftigen nach dem SGB II nach Ziffer 5.7.1.b) der VV-WoBindG
(Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport,
Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 08.03.2002, 396, 400), wonach in
der Regel für einen Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen zwei
Wohnräume oder 60 qm angemessen sind (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09
R; LSG NRW, Urteil vom 29.04.2010 – L 9 AS 58/08 -).
Eine Berücksichtigung der Kosten für den Straßenbaubeitrag unter Zugrundelegung
eines Wohnanteils von lediglich 60 qm und nicht des tatsächlichen Wohnanteils von
110 qm kommt hier aber in Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht in Betracht.
§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II regelt, dass, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den
der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sie als Bedarf
des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu
berücksichtigen sind, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der
Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen
Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu
senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Vorliegend ist nicht ersichtlich,
wie es den Klägern möglich gewesen wäre, die Kosten für den von der Stadt Essen mit
Bescheid vom 01.02.2008 erhobenen Straßenbaubeitrag zu senken. Soweit die
Beklagte die Kläger auf eine Ratenzahlung verweist, greift dies nicht, da – wie bereits
oben ausgeführt - einzelne Kosten, die in einer Summe fällig werden, als tatsächlicher,
aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen und nicht auf längere
Zeiträume zu verteilen sind. Sie gehören als einmalig geschuldete Zahlungen zum
aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat. Fälligkeitsmonat war hier April 2008, so dass auch
in diesem Monat die Kosten zu übernehmen gewesen wären.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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