Urteil des SozG Duisburg vom 14.09.2010

SozG Duisburg (antragsteller, essen, stadt berlin, elterliche sorge, abgrenzung zu, berlin, antrag, unionsbürger, brandenburg, stadt)

Sozialgericht Duisburg, S 31 AS 2611/10 ER
Datum:
14.09.2010
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
31. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 31 AS 2611/10 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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I. Streitig ist, ob die Antragsteller nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB)
Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende – von SGB II-Leistungen
ausgeschlossen sind.
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Die am 14.11.1973 geborene Antragstellerin zu 1) ist polnische Staatsangehörige. Am
29.08.2007 reiste sie zusammen mit den zwischen 2002 und 2007 geborenen
Antragstellern zu 2) bis 4) in die Bundesrepublik ein. Die Stadt Berlin erteilte ihr am
22.05.2008 eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Nach Angaben der Antragsteller
wurde der Lebensunterhalt zunächst vom Kindesvater und damaligen Lebensgefährten
der Antragstellerin zu 1), Herrn R. O., sichergestellt, der ebenfalls polnischer
Staatsangehöriger ist.
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Zum 01.07.2008 verzogen die Antragsteller und Herr O. in die gegenwärtig bewohnte
Wohnung in Essen (Warmmiete: 680,00 EUR), wo die Antragsteller zu 2) und 3) auch
zur (Grund-) Schule gehen. Am 10.02.2009 lehnte die Bundesagentur für Arbeit (AA
Essen) einen Antrag der Antragstellerin zu 1) vom 06.01.2009 auf Erteilung einer EU-
Arbeitserlaubnis als Reinigungskraft beim Betrieb Karsten Gröll, Altbausanierung
(Essen) ab. Am 16.06.2009 meldete die Antragstellerin zu 1) ab dem 01.07.2008 ein
Gewerbe für "Reinigungsarbeiten, Altenpflege, Kinderbetreuung, Kurierdienst" an.
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Erstmals Mitte 2009 beantragten die Antragsteller SGB II-Leistungen. Herr O. sei durch
die Polizei der Wohnung verwiesen worden und nach Polen zurückgekehrt. Bis
September 2009 wurde die Miete bar durch Herrn O. bezahlt. Ende Dezember 2009
wurde das Mietverhältnis fristlos gekündigt, mittlerweile wurde auch Räumungsklage
erhoben. Am 26.01.2010 erteilte die Stadt Essen der Antragstellerin zu 1) eine
Freizügigkeitsbescheinigung.
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Am 03.02.2010 beantragten die Antragsteller erneut bei der Antragsgegnerin SGB II-
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Leistungen, wobei die Antragstellerin zu 1) eine selbständige Tätigkeit als
Reinigungskraft angab. Dem Antrag waren Rechnungen der Antragstellerin zu 1)
gegenüber einer Hausverwaltung K. G. in Höhe von 300,00 EUR für Reinigungsarbeiten
ab September 2009 beigefügt. Am 30.04.2010 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag
ab, da die Antragstellerin zu 1) nicht erwerbsfähig sei. Hiergegen legte die
Antragstellerin zu 1) am 14.05.2010 Widerspruch ein. Am 17.05.2010 lehnte die
Bundesagentur für Arbeit (AA Essen) erneut die Erteilung einer EU-Arbeitserlaubnis für
den bereits damals angegebenen Betrieb ab.
Am 05.07.2010 haben die Antragsteller den vorliegenden Eilantrag gestellt, in dem
zunächst sowohl die Verpflichtung der Stadt Essen als Trägerin der Leistungen nach
dem SGB XII, als auch die Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt worden ist. Die
für Angelegenheiten des SGB XII zuständige Kammer hat die Sache sowohl als SGB XII
(S 16 SO 214/10 ER), als auch als SGB II-Sache eintragen lassen. Das SO-Verfahren
hat sich durch Antragsrücknahme am 22.07.2010 erledigt.
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Die Antragsteller tragen vor, sie lebten allein von Unterhaltsvorschuss- und
Kindergeldleistungen. Die Antragstellerin zu 1) sei selbständig tätig. Zur
Glaubhaftmachung hat sie weitere Rechnungen an die Hausverwaltung K. G. mit
monatlich gleichbleibenden Rechnungsbeträgen von 300,00 EUR vorgelegt. Sie sei
nicht in dessen Betriebshierarchie eingebunden und könne auch Aufträge Dritter
annehmen, worum sie sich gegenwärtig bemühe. Bis zum Auszug des Herrn O. sei der
Lebensunterhalt durch diesen sichergestellt worden. Herr O. habe einen KfZ-Handel
betrieben und immer über erhebliche Barmittel verfügt, über deren Ursprung er die
Antragstellerin zu 1) jedoch in Unkenntnis gelassen habe. Herr O. lebe möglicherweise
noch in Deutschland, vielleicht sogar in Essen. Ein Kontakt sei von Seiten der
Antragstellerin zu 1) aber aus Sorge um ihre Kinder nicht gewünscht.
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Die Antragsteller beantragen schriftlich sinngemäß,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ab
Stellung des Eilantrags SGB II-Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu gewähren.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragsgegnerin trägt vor, Leistungen seien nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II
ausgeschlossen, da sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) allein aus dem
Zweck der Arbeitsuche ableite. Im Übrigen habe die Antragstellerin zu 1) gegenüber
dem Ausländeramt am 17.06.2010 widersprüchliche Angaben gemacht. Insbesondere
sei eine Übernahme der Unterkunftskosten durch Herrn O. angekündigt worden, dessen
Aufenthaltsort die Antragstellerin zu 1) nunmehr nicht kennen wolle.
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Das Ausländeramt der Stadt Essen hat mitgeteilt, es werde gegenwärtig der Entzug der
Freizügigkeitsbescheinigung der Antragstellerin zu 1) geprüft. Auch aus § 3 Abs. 4
FreizügG/EU ergebe sich kein Freizügigkeitsrecht.
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Die Hausverwaltung K. G. hat mitgeteilt, die Antragstellerin zu 1) sei selbständig tätig
und habe im ersten Halbjahr 2010 1.800,00 EUR erhalten.
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Das Ordnungsamt Berlin hat mitgeteilt, dass auf Herrn O. vom 01.09.2007 - 16.02.2009
ein Gewerbe angemeldet gewesen sei (PKW-Zulassungsdienst, Autovermittlung,
Autoreinigung). Das Gewerbeaufsichtsamt Essen hat mitgeteilt, ein Gewerbe eines
Herrn O. sei nicht bekannt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.
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II. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Nach § 86 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine
einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt
voraus, dass das geltend gemachte Begehren im Rahmen der beim einstweiligen
Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung begründet
erscheint (Anordnungsanspruch) und erfordert zusätzlich die besondere Eilbedürftigkeit
der Durchsetzung des Begehrens (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und
Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen.
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Hier ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
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Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II ist Voraussetzung für den Bezug von SGB II-
Leistungen die "Erwerbsfähigkeit". Gemäß § 8 Abs. 2 SGB II können Ausländer nur
erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt
werden könnte. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind von SGB II-Leistungen
solche Ausländer ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck
der Arbeitsuche ergibt. Gemäß § 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FreizügG/EU sind
gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer,
zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen sowie Unionsbürger,
wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind
(niedergelassene selbständige Erwerbstätige). Gemäß § 3 Abs. 4 FreizügG/EU
behalten die Kinder eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers und der Elternteil,
der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich ausübt, auch nach dem Tod oder
Wegzug des Unionsbürgers, von dem sie ihr Aufenthaltsrecht ableiten, bis zum
Abschluss einer Ausbildung ihr Aufenthaltsrecht, wenn sich die Kinder im Bundesgebiet
aufhalten und eine Ausbildungseinrichtung besuchen.
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Nach diesen Grundsätzen stehen den Antragstellern keine SGB II-Leistungen zu. Denn
es ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragstellerin zu 1) ein anderes
Aufenthaltsrecht außer § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative FreizügG/EU zusteht, von dem
sich dann auch das Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 2) - 4) ableitet.
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1. Dass der Antragstellerin zu 1) eine Freizügigkeitsbescheinigung erteilt worden ist, ist
dabei unerheblich, da diese Bescheinigung nur deklaratorisch ist (vgl. bspw. LSG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.03.2010, L 29 AS 2128/09 B ER m.w.N.).
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2. Die Antragstellerin zu 1) ist nicht freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2
FreizügG/EU. Zwar geben Sie und ihr vermeintlicher Auftraggeber Herr G.
übereinstimmend an, sie sei selbständig tätig. Sie hat auch ein entsprechendes
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Gewerbe angemeldet. Gleichwohl ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen,
dass die Antragstellerin zu 1) nach den zu § 7 Abs. 1 SGB IV entwickelten Maßstäben
tatsächlich nicht selbständig, sondern abhängig beschäftigt ist. Denn sie ist nach den
von ihr vorgelegten Unterlagen ausschließlich für die Hausverwaltung G. tätig. Der
Rechnungsbetrag beträgt konstant 300,00 EUR monatlich und zwar im gesamten
nachgewiesenen Zeitraum von nahezu einem Jahr. Auffällig ist insbesondere, dass die
vermeintlichen Geschäftsbeziehungen der Antragstellerin zu 1) ausschließlich zu Herrn
G. und damit zum Inhaber derjenigen Firma bestehen, im Hinblick auf die sowohl
Anfang 2009 als auch zuletzt ein Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU gestellt
wurde (vgl. zu einem vergleichbaren Sachverhalt Hessisches LSG, Beschluss vom
13.09.2007, L 9 AS 44/07 ER, juris, Rdnr. 41). Im Übrigen haben weder die
Antragstellerin zu 1) noch Herr G. irgendwelche Unterlagen mit Ausnahme der offenbar
als Rechnungen und Quittungen zugleich gedachten und allein von der Antragstellerin
zu 1) unterzeichneten Belege vorgelegt.
3. Ob die Antragstellerin zu 1) angesichts dieser fehlenden Belege überhaupt eine
Beschäftigung ausübt, kann dahinstehen. Denn selbst wenn dies im vorgetragenen
Umfang der Fall sein sollte, so stünde zwar nicht die Geringfügigkeit des Arbeitsentgelts
entgegen (vgl. hierzu Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rdnr.
16; LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.11.2007, L 20 B 184/07 AS ER m.w.N.). Die
Antragstellerin zu 1) wäre ggf. aber bereits auf einer vorgelagerten Stufe als nicht
erwerbsfähig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; 8 Abs. 2 SGB II anzusehen. Denn gerade
dann, wenn sie tatsächlich angestellt als Raumpflegerin tätig ist, geht sie einer
Beschäftigung nach, für die eine Arbeitserlaubnis ausdrücklich und offenbar
bestandskräftig abgelehnt wurde. Eine bloß abstrakt-generelle Erlaubnismöglichkeit
reicht nicht (vgl. Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 8 Rdnr. 64 ff.
m.w.N.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.10.2006, L 3 ER 175/06 AS; LSG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.12.2005, L 25 B 1281/05 AS-ER; a.A. bspw.
Hackethal, in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 8 Rdnr. 34).
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4. Ein Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 4 FreizügG/EU ist nach summarischer Prüfung
auch dann nicht gegeben wenn unterstellt wird, dass Herr O. tatsächlich dauerhaft
weggezogen ist. Denn es ist nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten unklar
geblieben, ob bzw. inwiefern Herr O. zum Zeitpunkt des Wegzugs
freizügigkeitsberechtigt war.
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a. Eine gewerbliche Tätigkeit konnte durch das Gericht lediglich bis zum 16.02.2009
ermittelt werden (vgl. zu den Anforderungen an den Nachweis einer selbständigen
Tätigkeit LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.11.2008, L 5 B 1425/08 AS ER,
juris, OS 1). Im Rahmen von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II darf aber nicht nur auf den
erstmaligen Zeitpunkt der Einreise abgestellt werden (vgl. Spellbrink, in:
Eicher/Spelbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 19, str.). Die Antragsteller haben hierzu
nichts Näheres vorgetragen; nicht einmal eine Betriebsstätte wurde angegeben. Im
Übrigen bestehen angesichts fehlender amtlicher Unterlagen, einem aktenkundigen
Schreiben der Staatsanwaltschaft, wonach Herr O. wegen Diebstahls gesucht werde
und den Angaben der Antragsteller Zweifel daran, dass die mutmaßliche selbständige
Tätigkeit des Herrn O. legal war, was aber Voraussetzung für ein Aufenthaltsrecht wäre
(vgl. Hessiches LSG, a.a.O., Rdnr. 41).
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b. Der Vortrag, Herr O. habe immer über erhebliche Barmittel verfügt, reicht allein nicht
zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen von § 4 FreizügG/EU. Auch hier sind die
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Zweifel an der Legalität seines Handelns von Belang. Schließlich ist fraglich, ob diese
Norm überhaupt in Betracht kommt, wenn gerade eine Erwerbstätigkeit geltend gemacht
wird.
c. Mit letztgenannter Erwägung ließe sich auch § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative
FreizügG/EU verneinen.
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Selbst wenn § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative FreizügG/EU - gleichsam als Auffangnorm -
in Betracht kommen sollte, so dürfte § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erweiternd auch auf
den Fall anzuwenden sein, dass die in § 3 Abs. 4 FreizügG/EU genannten Personen ihr
Aufenthaltsrecht von einem Unionsbürger ableiten, der zuvor (bzw. zuletzt) selbst nur
nach § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt war.
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Raum für eine solche erweiternde Auslegung ergibt sich dadurch, dass der SGB II-
Gesetzgeber offensichtlich nur die Tatbestände des § 2 FreizügG/EU vor Augen hatte. In
der Begründung zu § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab dem 01.04.2006 gültigen Fassung
heißt es, der Leistungsausschluss gelte nur, wenn sich die Freizügigkeitsberechtigung
aus der Arbeitsuche ergebe. Nicht ausgeschlossen seien Unionsbürger, bei denen ein
anderer Grund "nach § 2 FreizügG/EU" greife (vgl. BT-Drs. 16/688, Seite 13, rechte
Spalte). Das Vorliegen eines Rechts nach § 3 FreizügG/EU wurde offenbar nicht
bedacht.
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Die Ausdehnung des Leistungsausschlusses ergibt sich aus Sinn und Zweck von § 7
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Danach sollen arbeitsuchende Ausländer von SGB II-
Leistungen ausgeschlossen sein. Sie werden auf die sozialen Sicherungssysteme ihres
Herkunftslands verwiesen (vgl. hierzu Hessisches LSG, a.a.O., Rdnr. 50; LSG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 25.11.2008, L 5 B 1425/08 AS ER, juris, Rdnr. 27). Diese
Wertentscheidung muss auch für Familien gelten, wenn sich der bzw. ein
arbeitsuchender Elternteil von der Familie trennt. Andernfalls bestünden
Missbrauchsmöglichkeiten. Der SGB II-Gesetzgeber wollte ausweislich der bereits
zitierten Begründung ausdrücklich Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 lit. b der
Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38 EG vom 29.04.2004) umsetzen. Dort wird die
Möglichkeit eröffnet, Sozialhilfe anderen Personen als "Arbeitnehmern, Selbständigen
und Personen, denen dieser Status erhalten bleibt" vorzuenthalten, wobei die
letztgenannte Gruppe nicht den in § 3 Abs. 4 FreizügG/EU, sondern den in § 2 Abs. 3
FreizügG/EU angesprochenen Personenkreis betrifft (vgl. auch den Verweis auf Art. 24
Abs. 2 RL 2004/38 EG in der Kommentierung zu § 3 Abs. 4 FreizügG/EU bei Huber,
AufenthG, 2010, § 3 FreizügG/EU Rdnr. 23). Art. 24 der Richtlinie findet sich dabei in
deren fünftem Kapitel, das "Gemeinsame Bestimmungen über das Aufenthaltsrecht und
das Recht auf Daueraufenthalt" enthält. Als solche allgemeine Bestimmung geht Art. 24
dem als Grundlage für § 3 Abs. 4 FreizügG/EU dienenden und im dritten Kapitel der
Richtlinie geregelten Art. 12 Abs. 3 vor.
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§ 3 Abs. 4 FreizügG/EU dürfte der Regelfall zugrunde liegen, dass ein
freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger in der Bundesrepublik zusammen mit seiner
Familie - auch wirtschaftlich - Fuß fasst. In der ausländerrechtlichen Kommentierung
heißt es zu § 3 FreizügG/EU beispielsweise, diese Vorschrift regele – in Abgrenzung zu
§ 4 FreizügG/EU - das Einreise- und Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen
"Erwerbstätiger im weiteren Sinne" (Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 3
FreizügG/EU Rdnr. 2). In einem solchen Fall dürfte das Vertrauen der
Familienangehörigen in den Fortbestand des Aufenthalts, das sich unter anderem in
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einem Schulbesuch der Kinder spiegelt, auch aus Sicht des SGB II schützenswert sein.
Das gilt indes nicht, wenn die Familie - was bei Rückgriff auf § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2.
Alternative FreizügG/EU zu unterstellen wäre - zuletzt über keine hinreichenden Mittel
verfügte und vom Bezug von Transferleistungen ausgeschlossen war.
5. Eine Freizügigkeitsberechtigung der Antragsteller nach § 4 FreizügG/EU scheitert
jedenfalls an den fehlenden existenzsichernden Mitteln, ein Daueraufenthaltsrecht nach
§ 4a FreizügG/EU an einem mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt.
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6. Zweifel an der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 SGB II bestehen bei vorläufiger Prüfung nicht (vgl. bereits den Beschluss
der erkennenden Kammer vom 19.11.2009, S 31 AS 414/09 ER, juris, Rdnr. 26; LSG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.11.2008, L 5 B 1425/08 AS ER, juris, Rdnr. 23 ff.
und Beschluss vom 08.06.2009, L 34 AS 790/09 B ER; a.A. etwa Spellbrink, a.a.O.,
Rdnr. 18 und zuletzt LSG Baden-Würrtemberg, Beschluss vom 25.08.2010, L 7 AS
3769/10 ER-B, juris).
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7. Leistungen nach dem SGB XII, die ohnehin ausgeschlossen sind (vgl. Spellbrink,
a.a.O., Rdnr. 14 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung), waren Gegenstand des
parallelen Eilverfahrens.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG analog.
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