Urteil des SozG Duisburg vom 25.10.2007

SozG Duisburg: stadt, angemessenheit der kosten, heizung, wohnraum, alleinstehende person, unbestimmter rechtsbegriff, unterkunftskosten, nebenkosten, wohnfläche, mittelwert

Sozialgericht Duisburg
Urteil vom 25.10.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Duisburg S 27 AS 240/06
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin zu bewilligenden Unterkunftskosten ab dem 01.01.2007
aufgrund einer Mieterhöhung.
Die am 24.11.1953 geborene Klägerin wohnt in der B.Straße 8 in W. in einer Wohnung im zweiten Stock ohne Aufzug.
Sie hat einen GdB von 80 ohne Merkzeichen. Die Wohnung der Klägerin wurde im April 1992 bezugsfertig und hat
eine Wohnfläche von 54,60 qm, die sich auf zwei Zimmer, Küche und Bad aufteilt. Die Klägerin bezog die Wohnung
zum 01.01.2005. Die Höhe der anfallenden Miete lag ohne Nebenkosten im Jahr 2005 bei 275 EUR monatlich. Die
Pauschale für Nebenkosten lag bei monatlich 76 EUR und die Pauschale für Heizkosten bei monatlich 34 EUR. Die
Vorauszahlungen für Neben- und Heizkosten änderten sich im Folgenden nicht.
Bis zum 12.04.2005 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld I nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - iHv 29
EUR täglich. Einen Erstantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch - SGB II - stellte sie am 21.03.2005. Bei der Antragstellung gab sie an, dass sie über kein
nennenswertes eigenes Einkommen oder Vermögen verfüge.
Die Beklagte bewilligte erstmalig mit Bescheid vom 26.04.2005 Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom
01.04.2005 bis zum 30.09.2005. Die Leistungshöhe lag ab Mai 2005 bei insgesamt 823 EUR. Hierin enthalten waren
neben der Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 345 EUR, der Zuschlag nach § 24 SGB II iHv 93 EUR und die
Kosten für Unterkunft und Heizung iHv 385 EUR, was den tatsächlich zu entrichtenden Kosten der Unterkunft
einschließlich Heizkosten- und Nebenkostenvorauszahlungspauschale entsprach. Dem Erstbewilligungsbescheid war
eine Anlage hinsichtlich der Übernahme von Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Zweites Sozialgesetzbuch – SGB II -
beigefügt. Danach lag die angemessene Miethöchstgrenze bei 239,40 EUR (45 qm angemessene Wohnungsgröße
multipliziert mit 5,32 EUR angemessener Grundmiete pro qm) für die Nettokaltmiete zuzüglich angemessener Neben-
und Heizkosten. Des weiteren heißt es in der Anlage wie folgt:
"Ich bitte Sie daher, sich unverzüglich und ernsthaft um preisgünstigeren Wohnraum zu bemühen bzw. die Kosten
ihrer Unterkunft durch Untervermietung oder auf andere Weise auf ein angemessenes Maß zu senken. Lassen Sie
sich z.B. in die Liste der Wohnungssuchenden beim Wohnungsamt und den Wohnungsbauunternehmungen eintragen,
melden Sie sich aufgrund von Zeitungsanzeigen usw. Es ist Ihnen durchaus zuzumuten, die Wohnungssuche nicht
nur auf die Nachbargemeinden im links- oder rechtsrheinischen Kreisgebiet, sondern auch darüber hinaus auf den
gesamten Geltungsbereich dieses Gesetzes auszudehnen."
Im Übrigen wird auf den Erstbewilligungsbescheid einschließlich der genannten Anlage Bezug genommen.
Auf die Fortzahlungsanträge der Klägerin, bei denen sie angab, Änderungen in den Einkommens- und
Vermögensverhältnissen seien nicht eingetreten, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 31.08.2005 Leistungen für
den Bewilligungszeitraum vom 01.10.2005 bis zum 31.03.2006. Für den Monat Oktober 2005 wurden noch die
tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 385 EUR gezahlt. Ab dem 01.11.2005 übernahm die
Beklagte nur noch anerkannte monatliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 349,40 EUR. Hierin
enthalten waren die von der Beklagten als angemessen anerkannten Kosten für Unterkunft in Höhe von 239,40 EUR
zuzüglich der tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 34 EUR sowie der tatsächlichen Nebenkosten in Höhe von 76
EUR. Der Bescheid, auf den Bezug genommen wird, wurde bestandskräftig. Mit Bewilligungsbescheid vom
23.03.2006 bewilligte die Beklagte Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.04.2006 bis zum 30.09.2006. Es
wurden wiederum nur die anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 349,40 EUR
bewilligt. Mit weiterem Bewilligungsbescheid vom 28.08.2006 bewilligte die Beklagte Leistungen für den
Bewilligungszeitraum vom 01.10.2006 bis zum 31.03.2007 in Höhe von insgesamt monatlich 741,40 EUR. Die
anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung lagen unverändert bei 349,40 EUR. Auch auf diesen
Bescheid wird Bezug genommen. Alle vorgenannten Bescheide, sowie die Änderungsbescheide vom 21.08.2006 und
27.06.2006, auf die jeweils Bezug genommen wird, wurden bestandskräftig.
Am 05.09.2006 sprach die Klägerin persönlich bei der Beklagten vor und teilte mit, dass sich ihre Kaltmiete zum
01.01.2007 auf 308 EUR monatlich bei im Übrigen unveränderten Neben- und Betriebskosten erhöhe. Die Klägerin
beantragte die Berücksichtigung der Mieterhöhung ab dem 01.01.2007. Sie legte ein entsprechendes Schreiben ihres
Vermieters vom 31.08.2006 vor. Darin heißt es: "Aufgrund der allgemeinen Miet-Steigerung ( ) erhöht sich die Miete
meiner Wohnung ( ) nach 2 Jahren Stillstand. ( ) zum 1.1.2007. ( ) Ich versichere Ihnen, dass es vor dem 01.01.2009
zu keiner weiteren Mieterhöhung kommt."
Mit Bescheid vom 07.09.2006, auf den Bezug genommen wird, lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme
weiterer Mietkosten ab und verwies auf ihren Bescheid vom 28.08.2006.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und bezog sich auf den aktualisierten Mietspiegel für die Stadt W. vom
01.01.2006. Es könne nicht sein, dass sich der Mietspiegel alle zwei Jahre ändere, die Leistungen der Beklagten
hingegen unverändert blieben. Die Angemessenheitsgrenzen der Beklagten lägen weit unterhalb der Mindestgrenze
des ortsüblichen Mietspiegels.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 als unbegründet zurück. Sie bezog
sich auf ihren Bescheid vom 26.04.2005, mit dem die Klägerin aufgefordert worden sei, sich um angemessenen
Wohnraum zu bemühen. Dieser Aufforderung sei die Klägerin nicht nachgekommen, so dass seit dem 01.11.2005
lediglich die angemessenen Kosten der Unterkunft übernommen würden. Daraus folge, dass Mieterhöhungen, die
letztlich die Unangemessenheit noch erhöhten, ebenfalls nicht berücksichtigt werden könnten. Eine Erhöhung komme
nur dann in Betracht, wenn sich die Angemessenheitskriterien änderten. Damit sei jedoch im Kreis W. nicht zu
rechnen, da das allgemeine Mietniveau rückläufig und genügend leer stehender angemessener Wohnraum vorhanden
sei.
Mit der hiergegen gerichteten Klage trägt die Klägerin vor, es sei unangemessen, dass sie ihre Wohnung verlassen
müsse, nur weil der Vermieter erneut die Miete erhöht habe. Auf dem örtlichen Wohnungsmarkt seien keine
Wohnungen in einer Größe von 45 qm zu der von der Beklagten anerkannten Angemessenheitsgrenze zu finden.
Auch der aktuelle Mietspiegel der Stadt Wesel sehe für eine bis zu 50 qm große Wohnung bei einer Wohnlage II einen
Quadratmeterzins von 7,32 EUR vor. Die von der Beklagten angenommene Miethöchstgrenze stehe in keinem
Verhältnis zum aktuellen Mietspiegel der Kommune. Nach Erhalt der Unterkunftskostensenkungsaufforderung habe
sie gedacht, sie könne die Differenz von 30 EUR monatlich tragen. Aus diesem Grunde habe sie die dem
Erstbewilligungsbescheid folgenden Bewilligungsbescheide nicht angegriffen. Dennoch habe sie sich nach anderen
Wohnungen umgeschaut, könne jedoch aufgrund ihrer Schwerbehinderung ohne Aufzug maximal in der zweiten Etage
leben, da sie nicht schwer tragen könne. Sie habe sich wiederholt auf Zeitungsannoncen gemeldet, die ihr interessant
und finanzierbar erschienen. Zudem sei sie beim Allgemeinen Spar- und Bauverein W. vorstellig geworden, um eine
Wohnung zu erhalten. Dieser Verein sei jedoch nicht bereit, ihr eine entsprechende Bescheinigung auszuhändigen.
Konkrete Wohnungen habe sie sich nicht nennen lassen, oft hätten die Lagen nicht ihren Wünschen entsprochen. Sie
habe nur eingeschränkte finanzielle Mittel, um sich auf Wohnungen zu bewerben. Zudem sei sie auf kostenlose
Informationen angewiesen, da sie keine eigene Lokalzeitung finanzieren könne. Einen Makler könne sie sich nicht
leisten.
Die Beklagte lege den Mietspiegel für das Jahr 2002 zu Grunde, der bis Ende 2005 gültig gewesen sei. Zutreffend sei
der aktuelle Mietspiegel vom 01.01.2006 anzuwenden. Soweit die Beklagte von den Mittelwerten der Gruppen 4 und 5
des Mietspiegels ausgehe, müsse sie sich hieran festhalten lassen, da sie sich insoweit selbst gebunden habe. Lege
man die von der Beklagten selbst zu Grunde gelegten Gruppen 4 und 5 des Mietspiegels und den Mietspiegel aus
dem Jahr 2006 zu Grunde, ergebe sich aus diesen Gruppen ein Quadratmeterpreis von 5,47 EUR bis 6,50 EUR. Dies
ergebe einen durchschnittlichen Betrag von 5,99 EUR. Multipliziert mit den der Klägerin zustehenden 45 qm ergebe
sich eine Kaltmiete von 269,55 EUR. Die Klägerin habe Anspruch zumindest auf Zahlung dieses Betrages.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28.09.2006 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 28.08.2006 zu verurteilen, ihr ab dem 01.01.2007 eine
Nettokaltmiete in Höhe von 308,- EUR zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Maßgeblich sei für die Klägerin eine Wohnfläche von bis zu 45 qm. Hinsichtlich der Höhe der angemessenen
Kaltmiete werde nach der damaligen Weisungslage des Kreises Wesel auf einen Mittelwert der Gruppen 4 und 5 des
Mietspiegels 2002, der bis Ende 2005 gültig gewesen sei, abgestellt. Zu diesen Konditionen habe bei entsprechenden
Bemühungen auch im streitgegenständlichen Zeitraum Wohnraum gefunden werden können. Nach der
Rechtsprechung des OVG NW vom 15.03.2004 (12 A 714/03) sei nicht ausschließlich auf den jeweils örtlichen
Rechtsprechung des OVG NW vom 15.03.2004 (12 A 714/03) sei nicht ausschließlich auf den jeweils örtlichen
Mietspiegel abzustellen, sondern auf die Beträge, die bei einfacher bzw. normaler Wohnlage für vergleichbare
Wohnungen am Wohnortmarkt üblich seien. In Wesel liege bei Wohnungen mit Heizung, Bad, WC und
Isolierverglasung und normaler Wohnlage der ortsübliche Mietpreis laut Mietspiegel 2002 in der Gruppe 4 zwischen
4,72 EUR und 4,97 EUR je Quadratmeter und in Gruppe 5 zwischen 5,64 EUR und 5,94 EUR. Der durchschnittliche
Preis liege somit bei 5,32 EUR pro Quadratmeter. Dieser Betrag stelle die angemessene Miethöchstgrenze in Wesel
dar. Bei einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm ergebe sich daraus die angemessene und daher bei der
Klägerin berücksichtigte Miethöchstgrenze für die Nettokaltmiete von 239,40 EUR monatlich. Es seien die Gruppen 4
und 5 und nicht die darunter liegenden Gruppen zu Grunde gelegt worden, weil der Kreis W. relativ komfortable und
bürgerfreundliche Grenzen habe aufstellen wollen. Zu diesem Preis sei im Bereich Wesel Wohnraum vorhanden, was
beispielhaft ein Auszug aus einer einzigen Ausgabe des kostenlosen Wochenblattes "W." vom 08.11.2006, auf den
Bezug genommen wird, belege. Danach seien für die Klägerin bereits sechs in Frage kommende Angebote vorhanden.
Wohnungen seien vielleicht nicht ganz leicht zu finden, bei entsprechenden Bemühungen sei es der Klägerin seit dem
26.04.2005 möglich gewesen, angemessenen Wohnraum zu finden.
Abgesehen davon habe der Kreis Wesel den übernahmefähigen Mietzins aufgrund des guten Wohnangebotes für
Neufälle zum 15.2.2007 auf einen Betrag von 6,09 EUR pro qm, jedoch inklusive Betriebskosten verändert, so dass
für die Neufälle bei 45 qm eine Kaltmiete einschließlich Nebenkosten in Höhe von 274,05 EUR angemessen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der
beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 07.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2006 und der
Bescheid vom 28.08.2006 sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz - SGG - in ihren Rechten.
Die grundsätzlich nach dem SGB II leistungsberechtigte Klägerin, die die Voraussetzungen nach § 7 Abs 1 SGB II
erfüllt, hat keinen Anspruch ab dem 01.01.2007 auf höhere Leistungen als die, die die Beklagte zuletzt mit Bescheid
vom 28.08.2006 insgesamt iHv monatlich 741,40 EUR, bestehend aus der Regelleistung iHv 345 EUR, dem
befristeten Zuschlag nach dem Bezug von Alg I iHv 47 EUR sowie den Kosten der Unterkunft - KdU - einschließlich
Heizkosten 349,40 EUR bewilligt hat. Dass die Beklagte den Betrag entgegen § 41 Abs 2 SGB II nicht abgerundet
hat, wirkt sich nicht zu Lasten der Klägerin aus.
Die Klägerin hat insbesondere keinen Anspruch auf höhere Unterkunftskosten unter Berücksichtigung einer
Nettokaltmiete für die Zeit ab der Mieterhöhung, dem 01.01.2007, iHv 308 EUR monatlich. Die entsprechenden
gesetzlichen Voraussetzungen nach § 22 SGB II liegen nicht vor.
Ein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten besteht, wenn entweder die tatsächlichen
Unterkunftskosten angemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind (dazu unter I.) oder ein Fall des § 22
Abs. 1 Satz 3 SGB II vorliegt (dazu unter II.) oder ein unter § 22 Abs. 2 SGB II zu subsumierender Sachverhalt
vorliegt; für die zuletzt genannte Alternative liegen keine Anhaltspunkte vor. Maßgebliche Rechtslage ist die zum
Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gültige, hier also die zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom
28.09.2006 gültige Fassung von § 22 SGB II.
I.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung
unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle.
Die Wohnung der Klägerin ist weder hinsichtlich der Größe noch hinsichtlich der Nettokaltmiete angemessen im Sinne
von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB. Sie liegt mit einer Größe von 54,60 m² über den der Klägerin maximal zustehenden 45
m² und mit der monatliche Grundmiete iHv 275 EUR bis Ende 2006 bzw. 308 EUR ab Anfang 2007 über dem von der
Beklagten zugrunde gelegten Betrag von 239,40 EUR, der unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts - BSG - nicht zu beanstanden ist.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.11.2006, B 7 b AS 7/07 R; Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 18/06 R;
Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 10/06 R, abrufbar jeweils unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) setzt die Prüfung der
Angemessenheit von Kosten für Unterkunft eine Einzelfallprüfung voraus:
Hierfür ist zunächst die maßgebliche - angemessene - Größe der Wohnung zu bestimmen, und zwar typisierend
anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus (dazu
unter 1.).
Sodann ist der Wohnstandard festzulegen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment
liegende Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht (BSG a. a. O.). Als Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am
Wohnort heranzuziehen. In Einzelfällen sind bei kleineren Gemeinden größere, bei Großstädten kleinere räumliche
Bereiche denkbar (BSG, aaO, mwN). Insoweit kommt es letztlich darauf an, ob das Produkt aus Wohnfläche und
Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht. Gibt es - insbesondere in
Kleinstgemeinden - keinen Wohnungsmarkt, so muss auf größere räumliche Bereiche abgestellt werden. Diese sind
so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem
sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (dazu unter 2.).
Nach Festlegung der abstrakten Angemessenheitsmaßstäbe muss im Rahmen einer konkreten
Angemessenheitsprüfung festgestellt werden, ob eine bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret
verfügbar und zugänglich war. Bei nicht angemessenen Unterkunftskosten ist in jedem Fall der Teil der
Unterkunftskosten zu zahlen, der im Rahmen der Angemessenheit liegt (BSG aaO, mwN) (dazu unter 3.).
1. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Wohnung der Klägerin bereits der Größe nach
unangemessen ist. Mit ihren 54,50 qm überschreitet die Wohnung den angemessenen Wohnraum um 9,6 qm. Für eine
alleinstehende Person ist unter Berücksichtigung der o. g. Grundsätze des BSG eine Wohnungsgröße von maximal
45 qm Wohnfläche angemessen. Dies folgt aus Ziffer 5.71 der Verwaltungsvorschriften zum
Wohnungsbindungsgesetz 1990 (Ministerialblatt für das Land NRW 1989, 1714, 1716). In Ziffer 2 der
Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz vom 05.07.2004 (Ministerialblatt für das Land NRW 2004,
660) ist geregelt, dass diese Verwaltungsvorschriften auch für die Zeit nach Aufhebung des
Wohnungsbindungsgesetzes und nach Inkrafttreten des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom
13.09.2001 (Bundesgesetzblatt I, 2376) weiterhin entsprechend anzuwenden sind.
2. Die Wohnung der Klägerin ist auch im Hinblick auf die Grundmiete von 275 EUR bzw. 308 EUR unangemessen. Bei
einer angemessenen Wohnfläche von maximal 45 qm ist für Alleinstehende jedenfalls kein Betrag über dem von der
Beklagten zugrunde gelegten iHv 5,32 EUR pro qm angemessen, so dass die Grundmiete ohne Nebenkosten maximal
239,40 EUR (45 qm x 5,32 EUR) betragen darf, um angemessen zu sein.
Die Beklagte hat den maximal zulässigen Quadratmeterpreis zunächst zu Recht dem Mietspiegel für die Stadt Wesel
entnommen. Nach der o. g. Rechtsprechung des BSG ist als Vergleichsmaßstab regelmäßig die Miete am Wohnort
heranzuziehen. Insoweit hält das Gericht es grundsätzlich für ausreichend, dass auf einen Mietspiegel entsprechend §
558 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - abgestellt wird. Ein solcher ist ein hinreichend repräsentativer
Vergleichsmaßstab am Wohnort. Abweichungen vom Mietspiegel zu Lasten der Leistungsempfänger müssen im
Einzelnen dargelegt und nachgewiesen werden. Wohnort in diesem Sinne ist nach Auffassung der erkennenden
Kammer die Kommune, in der der Betroffene wohnt, vorliegend W ... In der kreisangehörigen Stadt W. leben 61.432
Einwohnern (Stand: 31.12.2006). Es handelt sich danach nicht um eine Großstadt (Definition nach Meyers Lexikon:
ab 100.000 Einwohnern), die nach der Rechtsprechung des BSG in Einzelfällen ggf. auch in kleinere räumliche
Bereiche zu unterteilen sein kann. Zudem geht die erkennende Kammer davon aus, dass zumindest bei der
Festlegung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen, ein für das gesamte Stadtgebiet existierender Mietspiegel zu
Grunde zu legen ist, ohne dass die Grenzen bezogen auf Stadtteile zu ermitteln sind. Ausnahmen können allenfalls
bei isoliert liegenden Stadtbezirken oder Stadtteilen gelten, deren Charakter, geprägt durch die räumliche Lage, die
Bevölkerungsstruktur und die Art der Wohnbebauung, so sehr von dem Durchschnitt der Großstadt abweicht, dass
sich eine Einzelfallprüfung aufdrängt. Die üblichen Mietschwankungen zwischen weniger beliebten und beliebten
Wohnlagen und dadurch bedingte Härten können ggf. bei der konkreten Angemessenheitsprüfung ausgeglichen
werden. Hier ist dann zu prüfen, ob in dem räumlichen Umzugsbereich, der noch zu definieren wäre, konkrete
Wohnungen zu erlangen sind. Der Stadtteil Obrighoven, in dem die Klägerin wohnt, lässt innerhalb der Stadt W. weder
in demographischer noch in geographischer Hinsicht Besonderheiten erkennen, die Abweichungen vom W.
Mietspiegel rechtfertigen würden.
Des Weiteren geht die erkennende Kammer davon aus, dass es nur eine abstrakte Angemessenheitsgrenze für eine
Kommune (anders z.T. die erstinstanzliche Rspr.) gibt und sich die Grenze nicht individuell anhand der
Baualtersklasse und der zugehörigen Gruppe im Mietspiegel der tatsächlich bewohnten Wohnung bestimmt.
Der W. Mietspiegel weist in 6 Gruppen, jeweils differenziert nach dem Jahr der Bezugsfertigstellung und der
Wohnungsgröße, Quadratmeterpreise für ungünstige, normale und gute Wohnlagen aus. Angegeben ist jeweils für die
einzelnen Wohnlagen ein Minimal- und ein Maximalwert, sowie ein Mittelwert. Nach den Erläuterungen zum
Mietspiegel liegen die meisten Wohnungen innerhalb des Stadtgebietes in normalen Wohnlagen. Solche Wohngebiete
sind - so die Erläuterungen - zumeist dicht bebaut und weisen keine außergewöhnlichen Beeinträchtigungen durch
Lärm oder Geruch auf. Bei stärkerem Verkehrsaufkommen müssen genügend Freiräume vorhanden sein, die diesen
Nachteil ausgleichen. Nach dem Mietspiegel sind ungünstige Wohnlagen dagegen durch außergewöhnliche
Beeinträchtigungen, verursacht durch erheblichen Lärm, Abgase, Rauch und starke Mängel in Bezug auf
ausreichende Belichtung und Belüftung gekennzeichnet.
Die von der Beklagte zugrunde gelegten Vergleichsgruppen 4 und 5 des Mietspiegels von 2002 mit
Bezugsfertigstellung zwischen 1970 und 1987 sind nach Auffassung der erkennenden Kammer zugunsten von
Empfängern von Transferleistungen zu eng gefasst, da nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) ein Wohnstandard
im unteren Segment festzulegen ist, der auch ältere Wohnungen umfasst (vgl. auch Lang in: Eicher/Spellbrink, § 22
SGB II Rz 45 mwN). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Gericht nicht an die Vergleichsgruppen 4 und 5
des Mietspiegels gebunden, da die Angemessenheitsgrenzen der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Wieso
die Beklagte hingegen auf die qm-Richtwerte der bis 80 qm großen Wohnungen und auf einen nicht mehr aktuellen
Mietspiegel abstellt, ist nicht nachvollziehbar, da die Quadratmeterpreise in den Wohnungen bis 80 qm hinter den
Quadratmeterpreisen für Wohnungen bis 50 qm zurückbleiben und der Mietspiegel mit Stand 01.01.2006 entgegen der
Auffassung der Beklagten nicht zu geringeren Mieten geführt hat. Allein aus der Aktualisierung des Mietspiegels folgt,
dass eine Anpassung an die Marktentwicklung vorzunehmen war; eine entgegenstehende Weisungslage in der
Kommune ist insoweit nicht nachvollziehbar.
Nach Auffassung der Kammer steht der Klägerin auch unter Berücksichtigung des aktuellen Mietspiegels kein Betrag
für die Nettokaltmiete zu, der über dem von der Beklagten bewilligten liegt.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (aaO), nach der Empfängern von Transferleistungen ein
einfacher und im unteren Segment liegende Ausstattungsgrad einer Wohnung zusteht, hält das Gericht grundsätzlich
Neubauwohnungen bis zu einem Alter von maximal 20 Jahren für nicht angemessen. Abzustellen ist damit auf älteren
Baualtersgruppen eines Mietspiegels, hier die Gruppen 1 bis 5 mit einer Bezugsfertigstellung bis 1987. Unter
Anwendung des ab dem 01.01.2006 geltenden Mietspiegels und bei Addition der mittleren Quadratmeterpreise für
normalen Wohnlagen aus den Vergleichsgruppen 1 bis 5 (Bezugsfertigkeit zwischen 1948 bis 1987) bei den bis 50 qm
großen Wohnungen, ergibt sich daraus ein durchschnittlicher Wert von 5,05 EUR (3,66 EUR + 4,26 EUR + 4,97 EUR
+ 5,60 EUR + 6,77 EUR = 25,26 EUR: 5 Vergleichsgruppen = 5,05 EUR). Selbst unter Außerachtlassung Gruppe 1,
mit Wohnungen, die bis 1948 bezugsfertig wurden und unter Berücksichtigung jeweils des Maximalwerts der Gruppen
2 bis 5 in normaler Wohnlage ergibt sich noch ein Mittelwert von 5,25 EUR/m² (4,17 EUR + 4,85 EUR + 5,47 EUR +
6,50 EUR = 20,99 EUR: 4 = 5,25 EUR), der unter dem von der Beklagten berücksichtigten Betrag iHv 5,32 EUR/m²
liegt.
Der von der Klägerin geltend gemachte Quadratmeterpreis von 7,32 EUR ist hingegen der Mittelwert, der sich bei
ausschließlichem Abstellen auf die Gruppe 6 und damit auf die modernsten Wohnungen ergibt. Zwar mag die aktuelle
Wohnung der Klägerin, die 1992 bezugsfertig war, in Gruppe 6 einzuordnen sein, jedoch ist im Rahmen der vom BSG
geforderten Einzelprüfung im ersten Schritt nicht auf die konkrete Wohnung abzustellen, sondern auf eine abstrakt
angemessene Wohnung. Abstrakt angemessen für einen Empfänger von Grundsicherungsleistungen sind auch die
Gruppen 2 bis 5. Aus demselben Grunde ist auch der von der Klägerin hilfsweise geltend gemacht Quadratmeterpreis
von 5,99 EUR unangemessen hoch, da er sich als Durchschnittswert nur bei ausschließlicher Orientierung an den
Mittelwerten der Gruppen 4 und 5 ergibt.
Die Kammer verkennt nicht, dass der Mietspiegel an sich keine validen Aussagen zu der Frage zulässt, ob und in
welchem Umfang tatsächlich frei verfügbare Wohnungen auf dem Markt vorhanden sind und ob die Bildung eines
Mittelwerts aus den verschiedenen Vergleichsgruppen eines Mietspiegels tatsächlich den Mittelwert der Mieten in
einer Kommune wiederspiegelt, da der Mietspiegel keine Angaben dazu enthält, wie viele Wohnungen jeweils den
einzelnen Gruppen zuzuordnen sind. Dennoch hält es die Kammer zur Ermittlung der abstrakten
Angemessenheitsgrenzen für zulässig und ausreichend, entsprechende Mietspiegel wie vorstehend zu verwerten, da
Ermittlungsversuche der Kammer zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen in anderen Kommunen weitgehend
ergebnislos verlaufen sind. Durch die Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze bedingte Härten können -
soweit Anhaltspunkte bestehen - im Wege der konkreten Angemessenheitsprüfung ausgeglichen werden. Im Übrigen
hat das BSG (B 7b AS 18/06 R, Rz 23, aaO) die Bezugnahme auf örtliche Mietspiegel für zulässig erachtet, ohne
jedoch festzulegen, welche Wohnlagen und Altersklassen Berücksichtigung finden müssen.
Außerhalb des Verfahrens weist das Gericht darauf hin, dass die Klägerin im Übrigen auch unter Zugrundelegung der
neuen Angemessenheitsgrenzen des Kreises W., die nach Auskunft des Sitzungsvertreters im Termin zur mündlichen
Verhandlung ab Februar 2007 ausschließlich für Neufälle gelten, keinen Anspruch auf Übernahme höherer Kosten der
Unterkunft hätte. Insoweit wird nunmehr einheitlich im Gebiet des Kreises W. ein Betrag iHv 6,09 EUR/m² für die
Nettokaltmiete einschließlich Betriebskosten als maximal angemessener Betrag zugrunde gelegt. Das Gericht hat
erhebliche Bedenken, ob unabhängig von konkreten Mietspiegeln ein einheitlicher Betrag für das gesamte Kreisgebiet
festgelegt werden kann. Eine solche Vorgehensweise dürfte nur schwer mit den oben dargelegten Anforderungen des
BSG in Einklang zu bringen sein. Diese Frage kann jedoch dahin gestellt bleiben, da die Beklagte im Fall der Klägerin
weiterhin den Betrag iHv 5,32 EUR/m² zuzüglich Betriebskosten bewilligt. Ihr ist für die Nettokaltmiete ein Betrag iHv
239,40 EUR zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 76 EUR und damit insgesamt ein Betrag iHv 315,40 EUR bewilligt
worden. Dieser Betrag liegt um 41,35 EUR über dem, den vergleichbare Neufälle (45 m² x 6,09 EUR = 274,05 EUR)
derzeit erhalten.
3. Hinsichtlich der konkreten Angemessenheitsgrenzen hält es die erkennende Kammer für grundsätzlich
ausreichend, wenn nach summarischer Prüfung unter Zuhilfenahme frei verfügbarer Erkenntnisquellen (Internet,
Zeitungsinserate) Wohnungen zu den abstrakten Angemessenheitskriterien des Leistungsträgers grundsätzlich auf
dem Markt der entsprechenden Kommune bzw im zumutbaren Umzugsbereich (dazu unter a) angeboten werden (dazu
unter b). Soweit der Hilfesuchende substantiiert darlegt und nachweist, dass eine andere kostengünstigere und den
abstrakten Angemessenheitsgrenzen entsprechende Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen
Wohnungsmarkt im zumutbaren Umzugsbereich nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen
nicht auffindbar war, muss der Leistungsträger konkrete Unterkunftsalternativen benennen, die dem Hilfebedürftigen
im Bedarfszeitraum konkret zugänglich gewesen wären (dazu unter c).
ad a) Der zumutbare Umzugsbereich bzw der räumliche Vergleichmaßstab ist hier das Gebiet der Stadt - nicht des
Kreises - W ... Ob ein Umzug auch über die Stadtgrenzen hinaus verlangt werden kann, kann vorliegend dahingestellt
bleiben; die Kammer hat jedoch in einem anderen Verfahren (Urteil vom 20.09.2007, S 27 AS 357/05, abrufbar unter
www.sozialgerichtsbarkeit.de) entschieden, dass in der Regel auch ein Umzug innerhalb eines Radius von 5 km
zumutbar ist. Hinsichtlich des räumlichen Vergleichsmaßstabs, den die erkennende Kammer mit dem zumutbaren
Umzugsbereich gleich setzt, hat das BSG (B 7b AS 18/06 R, Rz 21, aaO) ausgeführt, dass in erster Linie der
Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend ist. Ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des
sozialen Umfeldes verbunden wäre, könne von ihm im Regelfall nicht verlangt werden. Dies bedeute jedoch nicht,
dass sich der räumliche Vergleichsmaßstab strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" nach
dem jeweiligen landesrechtlichen Kommunalrecht orientieren müsse. Bei der Bildung des räumlichen
Vergleichsmaßstabs könne es - insbesondere im ländlichen Raum - geboten sein, größere Gebiete als
Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere
kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbständigen Einheiten darstellten, geboten sein
kann. Für eine Stadt der Größenordnung von ca 75.000 Einwohner könne das Gebiet der Stadt insgesamt den
räumlichen Vergleichsmaßstab bilden.
In der Landesplanung ist die Hansestadt W. mit seinen rund 61.500 Einwohnern als Mittelzentrum eingestuft. Da die
Stadt eine Einwohnerzahl nur geringfügig unter der vom BSG genannten Grenze aufweist, hält das Gericht
grundsätzlich das Gebiet der Stadt - nicht des dazu gehörenden Kreises - für den zumutbaren Umzugsbereich bzw
den Vergleichsmaßstab. Ob geringfügige Überschreitungen der Stadtgrenzen zumutbar sind, ist vorliegend nicht zu
entscheiden, da bereits im Gebiet der Stadt W. Wohnungen vorhanden sind.
ad b) Innerhalb des Stadtbereichs werden grundsätzlich Wohnungen zu den Angemessenheitsgrenzen der Beklagten
angeboten, wie sich aus den von der Beklagten zu den Gerichtsakten überreichten Annoncen, auf die Bezug
genommen wird, der Kenntnis des Gerichts aus zahlreichen anderen Verfahren sowie einer vom Gericht
vorgenommenen Recherche unter www.immobilienscout24.de ergibt. Letztere hat am Tag vor dem der mündlichen
Verhandlung zwei Wohnungen zu 230 EUR bzw 230,10 EUR kalt in Wesel und weitere in Voerde ergeben. Zumindest
die in Wesel angebotenen Wohnungen waren der Klägerin grundsätzlich zumutbar.
ad c) Das Gericht hat sich nicht veranlasst gesehen, die Beklagte aufzufordern, der Klägerin eine konkrete und ihr
zugängliche Unterkunftsalternative zu benennen und von Amts wegen zu ermitteln, ob diese Alternative der Klägerin
konkret zur Verfügung gestanden hätte. Zwar hat das BSG (aaO) ausgeführt, dass zu überprüfen sei, ob nach der
Struktur des Wohnungsmarktes am Wohnort tatsächlich auch die konkrete Möglichkeit bestanden habe, eine abstrakt
als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können (vgl hierzu Berlit, aaO,
RdNr 31; zur sog Unterkunftsalternative vgl auch BVerwGE 97, 110, 115 ff; BVerwGE 101, 194, 198 ff). Bestehe eine
solche konkrete Unterkunftsalternative nicht, seien die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft als
konkret angemessen anzusehen (BVerwG, aaO).
Insoweit geht die erkennende Kammer aufgrund der obigen missverständlichen Formulierungen davon aus, dass bei
der konkreten Angemessenheitsprüfung eine wechselseitige Darlegungslast besteht (vgl. Fuchsloch, in: Sgb 9/07,
550, 551). Ein Hilfesuchender, der die Übernahme einer unangemessen hohen Miete für eine bereits bezogene
Wohnung begehrt, ist verpflichtet, substantiiert darzulegen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere
Unterkunft auf dem örtlichen Wohnungsmarkt trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht vorhanden war/ist (so
bereits BVerwG, Urteil vom 11.9.2000 – 5 C 9/00, NJW 2001, 386; Fuchsloch, in: Sgb 9/07, 550, 551).
Die Klägerin hat sich nach ihrem eigenen Vortrag nicht hinreichend in dem oben beschriebenen Umfang um eine
Unterkunftsalternative bemüht und konnte ihre Bemühungen auch nicht substantiiert darlegen. So hat sie selbst im
Termin zur mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie zunächst in der bisherigen Wohnung verbleiben wollte, da
die Mietdifferenz für sie tragbar erschien. Zudem hat sie sich nicht bei der kommunalen Wohnraumvermittlung bzw
den verschiedenen im Gebiet der Stadt W. tätigen Wohnungsbaugesellschaften um eine angemessene Wohnung
beworben, obwohl sie auf diese Möglichkeit von der Beklagten hingewiesen wurde. Die Klägerin hat die Kammer nicht
davon überzeugen können, dass es ihr unmöglich gewesen wäre, eine Unterkunft zu den Angemessenheitskriterien
der Beklagten zu finden. Eine intensive und kontinuierliche Suche nach Wohnraum lässt sich ihrem Vortrag nicht
entnehmen. Zwar ist die Klägerin infolge einer Schwerbehinderung nach eigenen Aussagen nur eine Wohnung im
zweiten Stock zumutbar. Dies schränkt die Wohnungssuche nach Auffassung der Kammer nicht erheblich ein, da im
ländlich geprägten Raum höhere Mehrfamilienhäuser die Ausnahme sind und auch Wohnungen über dem 2. Stock in
Frage kommen, sofern die Gebäude über einen Aufzug verfügen.
Auch die eingeschränkten finanziellen Mittel, die der Klägerin für eine Wohnungssuche zur Verfügung standen und
stehen, rechtfertigen keine andere Entscheidung, da die Klägerin nicht einmal die frei zugänglichen und kostenfreien
Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Hier kämen insbesondere die kommunale Wohnraumvermittlung,
Wohnungsbauunternehmen und kostenlos zugängliche Anzeigenblätter sowie das Internet in Betracht.
Das Gericht hat vor diesem Hintergrund auch keinen weiteren Ermittlungsbedarf gesehen. Anlass zu weiteren
Ermittlungen besteht aus Sicht des Gerichtes nur dann, wenn entweder keine Angebote vorhanden sind oder wenn
trotz konkreter Angebote angemessenen Wohnraums in den Tageszeitungen, im Internet und bei der kommunalen
Wohnraumvermittlung der Betroffene glaubhaft macht, dass es ihm nicht möglich war, kostenangemessenen
Wohnraum zu erhalten. Eine fiktive Amtsermittlung dahingehend, dass das Gericht in Betracht kommende Vermieter
anschreibt, um zu ermitteln, ob ein Mietvertrag mit der Klägerin abgeschlossen worden wäre, hält das Gericht
jedenfalls dann nicht für erforderlich, wenn keinerlei Anhaltspunkte für konkrete, ausreichende und gescheiterte
Bemühungen der Betroffenen zu erkennen sind und bei den Betroffenen keine Vermittlungshemmnisse vorliegen.
II. Eine Kostenübernahme lässt sich auch nicht auf § 22 Abs. 2 Satz 3 SGB II stützen. Danach sind Aufwendungen
für eine Unterkunft, soweit sie den wegen der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als
Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es dem
allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen
Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch
längstens für 6 Monate. Nach der Rechtsprechung (st. Rechtsprechung seit BVerwG, Urteil v. 21.1.1993, Az.: 5 C
3.91 – E 92,1) fallen zwar Personen, die bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit bereits in einer unangemessen Wohnung
leben, bzw. bei denen die Unterkunftskosten während des Leistungsbezuges - z. B. durch eine Mieterhöhung -
unangemessen werden, unter den Schutzbereich des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Hier ist der sechsmonatige Zeitraum
für die Übernahme der unangemessener Kosten bereits abgelaufen. Anhaltspunkte, den Zeitraum zu verlängern, sind
nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat die Klägerin bereits mit Schreiben vom 26.04.2005 aufgefordert, ihre Kosten auf ein angemessenes
Niveau zu reduzieren. Entsprechend konnte die Beklagte ab dem 01.11.2005 nur noch die angemessenen Kosten der
Unterkunft bewilligen.
Der Zeitraum verlängert sich auch nicht dadurch, dass die Beklagte die Klägerin unzureichend zur Kostensenkung
aufgefordert hat. Zwar führt die Beklagte in dem Schreiben vom 26.04.2005 aus, dass die Klägerin sich bundesweit
um eine angemessene Unterkunft bemühen müsse, was nach der Rspr des BSG (aaO) falsch ist. Dieser fehlerhafte
Teil der Unterkunftskostensenkungsaufforderung war jedoch nicht ursächlich dafür, dass die Klägerin keine geeignete
Unterkunft gefunden hat. Ursächlich waren vielmehr ihre fehlenden Bemühungen auch innerhalb der Stadt W ...
Zudem beinhaltet § 22 Abs. 1 S 3 SGB II keine gesteigerten formellen Voraussetzungen für eine
Unterkunftskostensenkungsaufforderung (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R Rz. 29, aaO; LSG NRW,
Beschluss vom 30.08.2007, L 9 B 136/07 AS ER; Berlit, NDV 2006, 5, 13; Rothkegel in: Gagel, SGB III mit SGB II, §
22 Rz. 34; anders: LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.09.2006, Az.: L 3 ER 161/06 AS; LSG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 04.10.2006 – L 3 ER 148/06 AS). Der Hinweis des Leistungsträgers hat vielmehr allein Aufklärungs-
und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Kosten
für die Unterkunft und ggf. Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage erhält. Diesbezüglich ist es ausreichend,
wenn der Leistungsempfänger weiß, dass er gewisse Angemessenheitsgrenzen einzuhalten hat (BSG a. a. O.).
Einzelfragen können im Rahmen von persönlichen Vorsprachen genauer geklärt werden (LSG NRW a. a. O.)
Diesen Minimalanforderungen genügt die Kostensenkungsaufforderung der Beklagten vom 26.04.2005. Sie enthält
nicht nur die Miethöchstgrenze (239,40 EUR), sondern auch die angemessene Wohnfläche (45 qm) und den
angemessenen Quadratmeterpreis (5,32 EUR).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
IV. Das Gericht hat die Berufung zugelassen weil der Frage, wie die Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs. 1 SGB
II zu konkretisieren sind, trotz der zwischenzeitlich vorliegenden Rechtsprechung des BSG grundsätzliche Bedeutung
zukommt.