Urteil des SozG Duisburg vom 09.05.2008

SozG Duisburg: soziale sicherheit, unvollständige angabe, altersrente, auszahlung, ruhe, rentenanspruch, verrechnung, einkommenssteuer, rechtswidrigkeit, begriff

Sozialgericht Duisburg, S 29 R 33/07
Datum:
09.05.2008
Gericht:
Sozialgericht Duisburg
Spruchkörper:
29. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 29 R 33/07
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Anrechnung einer polnischen Altersrente auf
eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
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Die am 02.10.19xx geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Am 14.08.1996
reiste sie als Spätaussiedlerin in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte
am 27.08.1996 eine Regelaltersrente bei der Beklagten.
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Mit Bescheid vom 14.05.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente ab
dem 14.08.1996 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1.101,32 DM (563,09 EUR).
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Mit Bescheid vom 26.05.1998 regelte die Beklagte sodann die Weiterleitung der an sie
gezahlten polnischen Altersrente an die Klägerin. Die deutsche Rente ruhe in Höhe der
polnischen Rente. Die deutsche Rente werde dennoch in voller Höhe an die Klägerin
ausgekehrt. Die entstehende Überzahlung werde mit der von dem polnischen
Versicherungsträger überwiesenen Rente verrechnet.
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Mit Bescheid vom 13.09.2005 berechnete die Beklagte die Altersrente der Klägerin neu
und wies ab dem 01.11.2005 einen Zahlbetrag von 333,16 EUR aus. In demselben
Bescheid hob die Beklagte den Bescheid vom 26.05.1998 über die Modalitäten der
Weiterleitung der polnischen Rente auf. Nunmehr werde die deutsche Rente nur noch in
der Höhe geleistet, in der sie tatsächlich nicht aufgrund des polnischen Rentenbezuges
ruhe.
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Die Beklagte begründete diese Entscheidung damit, dass der polnische
Rentenversicherungsträger nunmehr in Anwendung des deutsch-polnischen
Doppelbesteuerungsabkommens zunächst die auf die Rente zu leistende
Einkommenssteuer abziehe und sodann nur den Nettobetrag an die Beklagte
überweise. Dieser Betrag reiche nicht mehr aus, um den durch die tatsächliche
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Auszahlung der deutschen Rente in voller Höhe entstehenden Überzahlungsbetrag
durch Verrechnung auszugleichen. Zudem sei die Beklagte verpflichtet, dem deutschen
Finanzamt die tatsächliche Anspruchshöhe der deutschen Rente mitzuteilen. Diese
Angabe werde durch das bisherige Verrechnungsmodell verfälscht.
Schließlich wies die Beklagte die Klägerin in diesem Bescheid darauf hin, dass sie
Änderungen der polnischen Rentenhöhe mitzuteilen habe. Ansonsten müssten
gegebenenfalls eintretende Überzahlungen erstattet werden.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin keinen Widerspruch.
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Mit Bescheid vom 06.07.2006 berechnete die Beklagte nachfolgend die Rente ab dem
01.07.2004 unter Berücksichtigung krankenversicherungsrechtlicher Änderungen neu.
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Mit Bescheid vom 30.08.2006 erfolgte sodann eine weitere Neuberechnung ab dem
01.10.2006 wegen einer Erhöhung der polnischen Rente ab dem 01.03.2006. Seit dem
01.03.2006 betrug die polnische Bruttorente 317,90 EUR (statt bisher 286,74 EUR). Der
Zahlbetrag der deutschen Rente wurde nunmehr mit 304,16 EUR ausgewiesen.
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Mit diesem Bescheid hob die Beklagte zugleich den Bescheid vom 06.07.2006 nach §
48 SGB X ab dem 01.10.2006 teilweise auf und hörte zugleich die Klägerin hinsichtlich
der Aufhebung für die Vergangenheit ab der Erhöhung der polnischen Rente an. Die
Klägerin habe durch die fehlende Mitteilung der Erhöhung der polnischen Rente ihre
Mitteilungspflichten verletzt.
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Gegen diesen Bescheid erhob nunmehr die Klägerin am 20.09.2006 Widerspruch.
Maßgeblich für die Anrechnung der polnischen Rente auf die deutsche Rente sei der
polnische Nettorentenbetrag, also der Auszahlungsbetrag nach Abzug der
Einkommensteuer. Zu berücksichtigen seien auch Wechselkursschwankungen.
Schließlich habe sie ihre Mitwirkunspflicht nicht grob fahrlässig verletzt.
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Mit Bescheid vom 26.09.2006 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin
wiederum neu, hob den Bescheid vom 06.07.2006 mit Wirkung ab dem 01.03.2006 für
die Vergangenheit nach § 48 SGB X auf und forderte eine Erstattung des überzahlten
Betrages von 197,95 EUR.
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Die Klägerin machte nunmehr wegen der Kürzung des bisherigen Zahlbetrages der
Rente Hilfe zum Lebensunterhalt gegenüber der Stadt Essen geltend. Diese bewilligte
einen Betrag von 29,51 EUR monatlich und machte einen Erstattungsanspruch auf den
von der Klägerin begehrten Rentenmehrbetrag geltend.
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Mit Bescheid vom 17.11.2006 verzichtete die Beklagte sodann auf die Rückforderung
der 197,95 EUR.
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Mit Bescheid vom 12.12.2006 hob die Beklagte die nach § 48 SGB X erteilten
Bescheide vom 30.08.2006 und 26.09.2006 auf und nahm statt dessen den Bescheid
vom 05.07.2006 hinsichtlich der Höhe der deutschen Rente ab Erhöhung der
polnischen Rente (01.03.2006) nach § 45 SGB X zurück. Gleichzeitig verfügte sie, dass
die entstandene Überzahlung von 197,95 aus Ermessensgründen nicht zu erstatten sei.
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Mit Bescheid vom 19.01.2007 wies die Beklagte sodann den Widerspruch der Klägerin
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im übrigen zurück. Angegriffen sei der Bescheid vom 30.08.2006 in Fassung der
Bescheide vom 26.09.2006 und 12.12.2006, soweit nicht mit den Bescheiden vom
17.11.2006 und 12.12.2006 dem Widerspruch teilweise abgeholfen worden sei. Die
Neuberechnung sei im übrigen nicht zu beanstanden. Die Anrechnung lediglich der
polnischen Nettorente sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die maßgebliche Vorschrift des
§ 31 Fremdrentengesetz (FRG) sehe die Anrechnung der ausländischen Rente vor,
soweit diese ausgezahlt werde. Dies solle lediglich ausschließen, dass eine Rente
angerechnet werde, die ruhe. Nicht aber sollten individuell durch den Versicherten zu
leistende Abgaben die Anrechnungshöhe schmälern. Die Beklagte habe im übrigen die
Wechselkursbestimmungen zutreffend angewandt. Soweit die polnische Rente einen
sogenannten Pflegezuschlag enthalte, werde dieser nicht zur Anrechnung gebracht.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.02.2007 Klage erhoben. Sie ist nach wie vor der
Ansicht, dass die polnische Rente lediglich mit ihrem Nettobetrag angerechnet werden
könne. Eine andere Auslegung des § 31 FRG verstoße gegen die Grenzen des
Wortlautes dieser Vorschrift. Gegen die Bestimmung des maßgeblichen Wechselkurses
wendet sich die Klägerin nicht mehr.
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Mit Bescheid 21.06.2007 hat die Beklagte die Rente ab 01.07.2007 erneut - wiederum
unter Zugrundelegung des polnischen steuerlichen Bruttorentenbetrages - neu
berechnet. Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid vom 30.08.2006 in der Fassung des Bescheides vom 26.09.2006 und des
Bescheides vom 12.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2007
aufzuheben, soweit die Beklagte im Rahmen der Neuberechnung der Rente
Steueranteile, die vom polnischen Rentenversicherungsträger zu Lasten der Klägerin
einbehalten werden, im vollen Umfang anrechnet.
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Die Klägerin beantragt weiter,
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die Sprungrevision zuzulassen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte beantragt ebenfalls,
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die Sprungrevision zuzulassen.
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Sie hält ebenfalls an ihrer Rechtsansicht fest.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Streitgegenständlich ist die mit den angegriffenen Bescheiden getroffene Verfügung der
Beklagten, die ursprünglich mit Bescheid vom 06.07.2006 bestimmte Höhe der
auszuzahlenden deutschen Rente ab dem 01.03.2006 zu reduzieren.
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Dass durch die Erhöhung der polnischen Rente ab dem 01.03.2006 die deutsche Rente
mit einem höheren Betrag nach § 31 FRG ruht, ist dem Grunde nach zwischen den
Beteiligten nicht streitig. Streitig ist lediglich, ob sich die Beklagte im Rahmen der
Rücknahme des ursprünglichen Neuberechnungsbescheides vom 06.07.2006 bei der
Bestimmung der zutreffenden geringeren Rentenhöhe entgegenhalten lassen muss,
dass tatsächlich aus einem anderen Grunde ein höherer Rentenanspruch besteht. Mit
diesem Einwand kann die Klägerin bis zur ursprünglich im Bescheid vom 06.07.2006
ausgewiesenen Rentenhöhe durchdringen; darüber hinaus steht die Bestandskraft
dieses Bescheides entgegen.
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Dies zugrunde gelegt ist die Klägerin durch die angegriffenen Bescheide nicht
beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da sich diese sich als rechtmäßig erweisen.
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Die Beklagte hat zu Recht den Bescheid vom 06.07.2006 mit Bescheid vom 12.12.2006
nach § 45 SGB X der Höhe nach teilweise aufgehoben.
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Dies setzt nach § 45 Abs. 1 SGB X zunächst voraus, dass der aufgehobene Bescheid
anfänglich rechtswidrig gewesen ist.
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Dies ist der Fall, da die Beklagte in diesem Bescheid die polnische Rente nur mit einem
Betrag von 286,74 EUR statt der tatsächlich bereits ab dem 01.03.2006 vor Steuern
gewährten 317,90 EUR berechnet hatte.
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Die Klägerin kann dieser Feststellung nicht entgegenhalten, dass tatsächlich lediglich
ein geringerer polnischer Altersrentenbetrag - nämlich nur der steuerliche Nettobetrag -
zu berücksichtigen war.
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Denn die Beklagte hat bei der Anrechnung der polnischen Rente zu Recht den
Bruttorentenbetrag vor Abzug der Einkommenssteuer berücksichtigt.
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Dies ergibt sich aus den Bestimmungen des Fremdrentenrechtes.
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Das Fremdrentengesetz ist anwendbar. Die Klägerin zählt als Spätaussiedlerin zum
anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 FRG. Die Anwendbarkeit des
FRG folgt aus § 2 Satz 2 FRG i.V.m Art 11 Abs. 3 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die soziale Sicherheit vom
08.12.1990 (DPSVA 1990), welches insoweit auch nach dem Beitritt Polens zur
Europäischen Union gemäß Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 i.V.m Anlage III
fortgilt. Aus diesem Grund erhält die Klägerin eine deutsche Rente unter
Zugrundelegung der ausschließlich in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten.
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Wird nun dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung außerhalb der
Bundesrepublik Deutschland für denselben Versicherungsfall eine Rente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung gewährt, so ruht die deutsche Rente nach § 31 Abs. 1
Satz 1 FRG in Höhe des in Euro umgerechneten Betrages, der als Leistung des Trägers
der Sozialversicherung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird.
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Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die polnische Rente ist im Falle der
Klägerin zu 100 % anzurechnen, da die deutsche Rente ausschließlich auf polnischen
Versicherungszeiten beruht.
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Bei der Anrechnung ist auf den Bruttorentenbetrag der polnischen Rente der Klägerin
abzustellen. Denn dieser Betrag wird "ausgezahlt" im Sinne des § 31 FRG. Dass die
Klägerin tatsächlich nur den um die Steuervorauszahlung verminderten Betrag
überwiesen bekommt, steht dem nicht entgegen.
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Grundsätzlich setzt die Anrechnung der polnischen Rente neben dem Rentenanspruch
auch einen tatsächlichen Transfer dieser Leistung an den Berechtigten voraus. Sie hat
daher insoweit zu unterbleiben, als die Leistung nicht tatsächlich nach Deutschland
gelangt (vergl. Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, Loseblatt
(Stand: 01.01.1998), § 31 FRG Anmerkungen 5.7 und 6).
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Zweck der Vorschrift ist, Doppelleistungen vermeiden (vgl. die Begründung zu §§ 11, 31
FRG, Bundestagsdrucksache 3/1109 Seite 38, 46; BSG Urteil vom 22.04.1992, SozR 3-
5050 § 31 Nr 1). Zu Doppelleistungen kann es grundsätzlich nur dann kommen, wenn
der Berechtigte die Leistungen des ausländischen Sozialversicherungsträgers auch
tatsächlich erhält. Würde demgegenüber bereits auf das Bestehen des Anspruchs
abgestellt, könnte dies eine Kürzung der deutschen Rente zur Folge haben, obwohl der
Berechtigte über die ausländische Rentenleistung - mangels entsprechender
Überweisung - tatsächlich nicht verfügen kann. Vor dem Beitritt Polens zur
Europäischen Union konnten solche Fälle u.a. eintreten, wenn das DPSVA 1990 einen
Transfer der Leistungen nicht vorsah und der Versicherte nach der Ausreise nicht (mehr)
die Möglichkeit hatte, ein Bankkonto auf polnischem Staatsgebiet einzurichten.
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Diese Erwägungen sind jedoch auf Steuerbeträge, die auf die ausländische
Rentenleistung im Ausland entfallen und damit den Betrag der tatsächlich transferierten
Geldleistung vermindern, nicht anzuwenden. Denn der in Polen geleistete Steuerbetrag
fließt im Ergebnis dem Versicherten zu.
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Der Begriff der Auszahlung ist dahingehend auszulegen. Er ist dem Wortlaut des § 31
FRG nach nicht darauf beschränkt, dass eine Auszahlung nur dann schädlich ist, wenn
sie direkt an den Berechtigten erfolgt. Auszahlung ist vielmehr jede tatsächliche
Leistung, die dem Versicherten zufließt. Ein Zufluss kann direkt erfolgen, aber auch
dadurch, dass eine Schuld des Versicherten gegenüber Dritten getilgt wird. Dies ist
unabhängig davon, ob die Tilgungsbestimmung durch den Versicherten erfolgt, oder
kraft zulässiger gesetzlicher Bestimmung angeordnet wird. Auch in anderen Fällen,
beispielsweise der Verrechnung nach § 52 SGB I, fließt dem Versicherten der
wirtschaftliche Wert seines vollen Rentenanspruchs zu, wenngleich ein Teil des
Zahlbetrages infolge der Verrechungserklärung tatsächlich nicht an ihn ausgekehrt wird.
Der Zufluss wird in diesem Falle durch den wirtschaftlichen Vorteil des Untergangs der
gegen ihn gerichteten Verrechungsforderung herbeigeführt.
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In vorliegendem Fall erfüllt der polnische Rentenversicherungsträger - aufgrund
gesetzlicher Anordnung - die persönliche Steuerschuld der Klägerin.
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Es kann aus Sicht der Kammer keinen Unterschied machen, ob die Klägerin zunächst
den vollen polnischen Rentenbetrag ausgezahlt erhält und von diesem Einkommen
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sodann gegenüber dem polnischen Fiskus im Rahmen einer Steuererklärung die
Steuerschuld nachträglich begleichen muss, oder ob der polnische Staat den direkten
Abzug der Steuerschuld anordnet. In beiden Fällen ist die Anrechnung des polnischen
Bruttorentenbetrages sachgerecht. Denn andernfalls träfe die Steuerlast im Ausland im
Ergebnis die deutsche Versichertengemeinschaft (SG Duisburg, Urt.v. 16.05.2007, Az S
4 KN 10/06 U).
Zudem ist unter systematischen Gesichtspunkten zu berücksichtigen, dass auch im
übrigen das Ruhen von Ansprüchen im deutschen Sozialversicherungsrecht auf
Bruttobeträge abstellt, soweit Renten auf andere Sozialleistungen angerechnet werden
(SG Dortmund, Urt.v. 29.10.2007, Az S 23 KN 41/06 U).
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Auch die übrigen Voraussetzungen der Aufhebung nach § 45 SGB X liegen vor.
Insbesondere kann die Klägerin sich nicht darauf berufen, auf den Bestand des
Bescheides vom 06.07.2006 vertraut zu haben.
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Auf ein solches Vertrauen kann sich ein Begünstigter gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2
SGB X dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der
Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder
unvollständig gemacht hat. Bereits im Bescheid vom 13.09.2005 hatte die Beklagte die
Klägerin darauf hingewiesen, dass sie Veränderungen der polnischen Rentenhöhe
(nunmehr) mitzuteilen habe. Obwohl sie vom polnischen Rentenversicherungsträger mit
Bescheid vom 01.04.2006 über die geänderte Rentenhöhe informiert worden war,
machte die Klägerin hiervon der Beklagten keine Mitteilung, so dass diese den
Bescheid vom 06.07.2006 noch unter Zugrundelegung der alten polnischen
Rentenhöhe setzte. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin
klargestellt, dass ihr bewusst war, dass die Erhöhung der polnischen Rente Einfluss auf
die Höhe der deutschen Rente hatte.
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Dass sie dennoch keine Mitteilung machte, stellt eine im Sinne der Regelung
unvollständige Angabe dar. Die Information über die Höhe der Rente ist auch
wesentlich für den Leistungsanspruch der Klägerin. Dies erachtet die Kammer als
besonders schwere Verletzung der von der Klägerin subjektiv abverlangbaren Sorgfalt
und ist mithin als zumindest grob fahrlässig zu bewerten.
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Aus dem gleichen Grunde geht die Kammer davon aus, dass der Klägerin die
Rechtswidrigkeit des Bescheides zumindest in grob fahrlässiger Weise unbekannt war,
so dass sie sich auch gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X nicht auf schutzwürdiges
Vertrauen berufen kann.
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Die Rücknahmefristen des § 45 SGB X sind eingehalten.
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Die unzutreffend nach § 48 SGB X gesetzten Bescheide vom 30.08.2006 und
26.09.2006 hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 12.12.2006 aufgehoben. Sie
beschweren die Klägerin nicht mehr.
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Da damit streitentscheidend die Rechtsfrage ist, ob die Ruhensbestimmung des § 31
FRG auf den steuerlichen Bruttobetrag der ausländischen Rente abstellt und diese
Frage nach Kenntnis der Kammer Gegenstand zahlreicher weiterer Verfahren ist, hat sie
auf Antrag der Beteiligten die Sprungrevision zur Klärung dieser grundlegenden Frage
zugelassen, §§ 161 Abs. 1 und 2, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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