Urteil des SozG Düsseldorf vom 04.01.2011

SozG Düsseldorf (kläger, wohnung, höhe, gegenstand des verfahrens, unterkunftskosten, ermittlung, stadt, nebenkosten, heizung, konzept)

Sozialgericht Düsseldorf, S 25 AS 221/08
Datum:
04.01.2011
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 25 AS 221/08
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung.
2
Der Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er bewohnte eine Wohnung in der
C1 Tallee in E. Diese Wohnung verfügte über eine Wohnfläche von ca. 72 m². Die
Kosten für diese Wohnung betrugen monatlich 700,47 EUR (Kaltmiete 557,31 EUR,
Nebenkostenvorauszahlung 103,23 EUR, Heizkostenvorauszahlung 39,93 EUR). Nach
dem zu der Verwaltungsakte der Beklagten eingereichten Mietvertrag sind die Kosten
der Warmwasserversorgung in den Heizkosten enthalten.
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Die Beklagte teilte dem Kläger in einem Gespräch am 14.12.2006 mit, dass er eine zu
große Wohnung bewohne, die unangemessen hohe Mietkosten verursache.
Übernommen werden könnten lediglich Mietkosten in Höhe von insgesamt 363,43 EUR.
Die tatsächlichen Unterkunftskosten übernehme sie nur noch bis zum 31.05.2007. Sie
forderte den Kläger auf, seine Bemühungen, die Mietkosten zu senken, regelmäßig
jeden Monat ab Januar 2007 nachzuweisen. Für die Anmietung einer neuen Wohnung
wies sie den Kläger darauf hin, dass für ihn eine Wohnung mit einer Fläche bis zu 45 m²
angemessen sei. Hinsichtlich der Unterkunftskosten sei zurzeit ein durchschnittlicher
Quadratmeterpreis von 7,35 EUR (Miete inklusive Nebenkosten) zuzüglich Heizung als
angemessen anzusehen.
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Mit Schreiben vom 09.01.2007 reichte der Kläger einen Wohnungsberechtigungsschein
der Stadt Düsseldorf ein, der bis zum 31.08.2006 gültig war. Daraufhin forderte die
Beklagte ihn mit Schreiben vom 15.01.2007 auf, regelmäßig Nachweise über seine
Wohnungssuche einzureichen, die Aussagen über die Wohnungsgröße, Zimmeranzahl,
Mietpreis sowie darüber enthielten, mit wem und wann der Kläger über diese Wohnung
verhandelt und warum er die Wohnung nicht erhalten habe.
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Der Kläger teilte mit Schreiben vom 15.03.2007 - wie auch schon im Rahmen eines
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früheren Kostensenkungsverfahrens mit Schreiben vom 05.03.2006 - mit, er habe einen
Untermieter für seine Wohnung gefunden, der aber noch die gesetzliche Kündigungsfrist
für seine alte Wohnung einhalten müsse. Mit Schreiben vom 21.05.2007 teilte er mit, die
Untervermietung eines Zimmers seiner Wohnung sei noch ungeklärt. Der potentielle
Untermieter müsse noch diverse Fragen mit seinem bisherigen Vermieter klären. Er
werde alsbald einen Untermietvertrag vorliegen.
Mit Bescheid vom 25.06.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit
vom 01.06.2007 bis 30.11.2007 in Höhe von 796,43 EUR (Juni) sowie in Höhe von
monatlich 798,43 EUR (Juli bis November). In dem Bewilligungsbescheid teilte die
Beklagte dem Kläger mit, die Leistungen für Unterkunft und Heizung würden ab
01.06.2007 auf 451,43 EUR abgesenkt. Dieser Betrag enthielt 419,00 EUR für die
Kaltmiete sowie die Nebenkosten und 32,43 EUR für die Heizkosten. Hierbei zog die
Beklagte von den tatsächlichen Heizkosten einen Betrag von 7,50 EUR für die
Warmwasserbereitung ab. Zuzüglich zu diesen Leistungen gewährte die Beklagte dem
Kläger allmonatlich die für ihn jeweils geltende Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR
bzw. ab Juli 2007 347,00 EUR. Dieser Bescheid in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26.11.2007 ist Gegenstand des Verfahrens S 25 AS
205/07.
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Im Rahmen einer Prüfung durch den Außendienst der Beklagten im Zeitraum vom
26.07.2007 bis 06.08.2007 stellte dieser fest, dass die Klingel der vom Kläger
bewohnten Wohnung mit den Namen "C2 X/ S" beschriftet war. Hierzu erklärte der
Kläger am 16.08.2007, bei Frau S handele es sich um die von ihm bereits genannte
potentielle Untermieterin. Sie lebe derzeit im Sauerland und müsse gemäß ihrem
Mietvertrag einen Nachmieter stellen. Deshalb könne sie bisher ihre Wohnung nicht
kündigen. Er lebe derzeit allein in der Wohnung. Am selben Tag besichtigten Mitarbeiter
der Beklagten die Wohnung des Klägers und stellten fest, dass eine Untervermietung
grundsätzlich möglich sei. Praktisch gesehen sei diese jedoch vor allem deswegen
unmöglich, weil die Wohnung des Klägers mit Büchern so überfüllt sei, dass diese
teilweise schon auf dem Boden gestapelt seien. Es seien gerade eben noch
Durchgänge frei.
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Mit Bescheid vom 28.12.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit
vom 01.12.2007 bis 31.05.2008 in Höhe von monatlich 798,43 EUR (zur
Zusammensetzung dieses Betrages vgl. oben den Bescheid vom 25.06.2007 im
Zeitraum Juli bis November).
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Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 22.01.2008 Widerspruch.
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Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2008 als
unbegründet zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte auf den
Widerspruchsbescheid vom 26.11.2007. Es seien weiterhin keine Gründe ersichtlich,
die eine Senkung der Unterkunftskosten unzumutbar machen würden. Der Kläger habe
auch keine Bemühungen zur Kostensenkung nachgewiesen. Darüber hinaus seien dem
Kläger Leistungen für eine Bestandswohnung in Höhe von 419,00 EUR gewährt
worden, obwohl er nur Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Neuanmietung
einer Wohnung gehabt habe. Ein Rechtsanspruch auf fortgesetzte Gewährung dieser
erhöhten Unterkunftskosten ergebe sich weiterhin für den Kläger nicht, da lediglich
Leistungen in Höhe von 331,00 EUR zu gewähren seien.
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Mit seiner Klage vom 17.09.2008, beim Sozialgericht Düsseldorf am selben Tage zur
Geschäftsstelle erhoben, verfolgt der Kläger sein Begehren auf Übernahme der
Unterkunftskosten in voller Höhe weiter.
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Er nimmt Bezug auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren sowie in dem Verfahren
S 25 AS 205/07. Zudem weist er darauf hin, dass er umfangreiche Nachweise für
Bemühungen um eine preisangemessene Wohnung erbracht habe. Er werde nunmehr
auch versuchen, im Sauerland eine Wohnung zu finden.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13.08.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
Leistungen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie nimmt Bezug auf die Begründung des Widerspruchsbescheides sowie auf ihren
Vortrag in dem Verfahren S 25 AS 205/07.
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Auf Anforderung durch das Gericht übersandte die Beklagte die Vermieterumfragen für
das Jahr 2006 sowie das Jahr 2009 sowie Wohnungsangebote aus Düsseldorfer
Tageszeitungen seit Februar 2007. Die Stadt Düsseldorf führe für die Feststellung der
Angemessenheit der Miete für Leistungsempfänger nach dem SGB II sowie für die
Feststellung der zur Verfügung stehenden Wohnungen seit Jahren eigene Erhebungen
im Rahmen einer turnusmäßig wiederkehrenden Vermieterumfrage durch. Hierzu
befrage sie im Abstand von zwei bis drei Jahren Düsseldorfer Großvermieter. Der zu
Grunde liegende Fragebogen werde fortlaufend modifiziert. In der im März/April 2006
durchgeführten Umfrage seien z.B. erstmals Angaben zur Kaltmiete und den
Betriebskosten getrennt erhoben worden. Außerdem sei hierbei zwischen sozial- und
freifinanzierten Wohnungen differenziert worden, um das Wohnungsmarktgeschehen in
Düsseldorf besser abbilden zu können. Aufgrund der Vermieterumfragen aus den
Jahren 2006 und 2009 sei für den Zeitraum ab Mai 2006 ein Mietrichtwerte von 7,35
EUR (331,00 EUR) und für den Zeitraum ab Mai 2009 ein Mietrichtwerte von 7,70 EUR
(347,00 EUR) ermittelt worden, der jeweils die Kaltmiete und die Betriebskosten
umfasse. Zu diesen Mietrichtwerten seien auch Wohnungen in ausreichendem Umfang
in Düsseldorf vorhanden.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ein Teilanerkenntnisangebot dergestalt
abgegeben, dass sie von den tatsächlichen Heizkosten anstelle des Betrages von 7,50
EUR für die Warmwasserbereitung einen Betrag von 6,26 EUR abzieht, den
streitgegenständlichen Bescheid entsprechend abändert und den sich ergebenden
Nachzahlungsbetrag an den Kläger auszahlt. Der Kläger hat erklärt, sich zu diesem
Angebot der Beklagten nicht ohne Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt äußern zu
wollen.
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Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten lag vor. Hinsichtlich der
weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakte verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
22
Die Klage ist zulässig, aber nach Abgabe des Teilanerkenntnisangebotes der Beklagten
unbegründet.
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Gegenstand des Rechtsstreits ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.12.2007 bis 31.05.2008. Denn der Kläger hat in der
mündlichen Verhandlung erklärt, ohne Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt wolle er
die Klage nicht auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränken.
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Die Klage ist nach Abgabe des Teilanerkenntnisangebotes der Beklagten unbegründet.
Der Kläger ist nun nicht mehr beschwert, da der angefochtene Bescheid in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides rechtmäßig ist.
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Obwohl der Kläger den Streitgegenstand nicht auf die Leistungen für Unterkunft und
Heizung beschränkt hat, sind in der Sache zwischen den Beteiligten allein diese
Leistungen der Höhe nach streitig. Denn die Beklagte hat neben diesen Leistungen dem
Kläger die jeweils maßgebliche Regelleistung bewilligt, ohne hierauf Einkommen
anzurechnen. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger Anspruch
auf weitere Leistungen nach dem SGB II haben könnte.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme seiner
tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von monatlich 700,47 EUR. Die vom
Kläger zu zahlende Kaltmiete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung (660,54 EUR)
ist nicht angemessen, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, so dass die tatsächlichen Kosten durch
die Angemessenheitsgrenze beschränkt werden, § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II.
Angemessen war vielmehr der von der Beklagten insofern festgesetzte Betrag von
419,00 EUR. Die tatsächlichen Heizkosten übernimmt die Beklagte unter Abzug eines
Betrages für die Warmwasserbereitung in Höhe von 6,26 EUR. Dieses Vorgehen ist
rechtmäßig, da nach dem Mietvertrag die Kosten der Warmwasserversorgung
Bestandteil der Heizkosten sind. Die Kosten der Warmwasserversorgung sind jedoch
bereits mit der Regelleistung abgegolten, so dass diese Kosten von den tatsächlichen
Heizkosten abzuziehen sind, da sie dem Leistungsempfänger ansonsten doppelt
gewährt würden. Können die tatsächlichen Kosten der Warmwasserbereitung nicht
ermittelt werden, sind nach der Rechtsprechung des BSG die genannten Pauschalen
abzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008, B 14/11b AS 15/07 R; Urteil vom
22.09.2009, B 4 AS 8/09 R).
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Die nach § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmenden Unterkunftskosten sind die Summe aus
angemessener Kaltmiete, angemessenen Betriebs- und angemessenen Heizkosten. Bei
der Prüfung der Angemessenheit dieser einzelnen Positionen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB
II) sowie der Prüfung der Absenkung auf den angemessenen Umfang (§ 22 Abs. 1 Satz
3 SGB II) ist daher auch zwischen diesen einzelnen Positionen zu differenzieren (vgl.
LSG NRW, Beschluss vom 02.07.2008, L 7 B 149/08 AS ER).
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Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Leistungen für Unterkunft und
Heizung wird hinsichtlich der Kaltmiete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung durch
die Angemessenheitsgrenze von monatlich 419,00 EUR beschränkt, § 22 Abs. 1 Satz 1
und 3 SGB II. Die Beklagte hätte statt dieses Betrages insofern sogar - wie von ihr in
dem Gespräch am 14.12.2006 dem Kläger mitgeteilt - einen Betrag von 331,00 EUR
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gewähren können. Dies stellt zur Überzeugung der Kammer die für die Stadt Düsseldorf
geltende angemessene Referenzmiete für eine einzelne Person dar. Durch dieses
Vorgehen der Beklagten ist der Kläger aber nicht beschwert, da er sogar höhere
Unterkunftsleistungen als die ihm zustehenden erhalten hat.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in der
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit
die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls
angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden
Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem
allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht
zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise
die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22
Abs. 1 Satz 3 SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung).
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Zu den Kosten der Unterkunft gehören zunächst die (Kalt-)Mietkosten für den Wohnraum
sowie die nach dem Mietvertrag von dem Leistungsempfänger zu tragenden Betriebs-
bzw. Nebenkosten. Übernommen werden die angemessenen Wohnkosten. Bei der
Beurteilung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft ist im
Hinblick auf den Zweck der Leistungen nach dem SGB II, nur den notwendigen Bedarf
sicherzustellen, nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten
Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am
Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf
dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne zu ermitteln. Die angemessene
Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich als Produkt aus der für den Leistungsempfänger
abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen
angemessenen Mietzins/m² ("Produkttheorie"). Maßgebliche Kriterien für die
Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft sind die Wohnraumgröße,
der Wohnort und der Wohnungsstandard (BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R;
LSG NRW, Beschluss vom 17.04.2009, L 19 B 75/09 AS ER).
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a) Die Beklagte ist bei der Ermittlung der angemessenen Referenzmiete zutreffend von
einer angemessenen Wohnungsfläche von 45 m² ausgegangen. Für die Bestimmung
der angemessenen Wohnfläche i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf die
landesrechtlichen Regelungen zur Vergabe von Wohnungsberechtigungsscheinen zur
Belegung von nach dem Gesetz über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001
(WoFG) belegungsgebundenen Wohnungen abzustellen (LSG NRW, Urteil vom
16.02.2009, L 19 AS 62/08 m.w.N.). In dem Runderlass des Ministeriums für Städtebau
und Wohnen "Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum
Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG)" vom 08.03.2002, in der geänderten Fassung
vom 21.09.2006, ist für das Land Nordrhein-Westfalen bestimmt, dass in der Regel für
einen Haushalt mit einer haushaltsangehörigen Person ein Wohnraum bis zu 45 m²
Wohnfläche im Sinne von § 27 Abs. 4 WoFG angemessen ist (Ziffer 5.7).
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Damit überschreitet zwar bereits die Größe der Wohnung des Klägers (ca. 72 m²) den
als angemessen anzusetzenden Wert. Diese Überschreitung der angemessenen
Wohnungsgröße wäre aber nur dann grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das
Produkt aus Größe und Quadratmeterpreis, ausgedrückt in der Höhe des Mietzinses,
gleichwohl angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre, etwa, weil der
Standard der Wohnung nach unten abweicht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, denn
die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers (660,54 EUR) überschreiten die
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Referenzmiete bzw. die Angemessenheitsobergrenze im Vergleichsraum (331,00 EUR)
um monatlich 329,54 EUR.
b) Räumlicher Vergleichsmaßstab zur Ermittlung der angemessenen Aufwendungen für
eine Unterkunft ist hier das Stadtgebiet Düsseldorf. Der räumliche Vergleichsmaßstab
wird in erster Linie durch den Wohnort des Hilfebedürftigen bestimmt, der im Hinblick auf
dessen Größe durchaus unterschiedlich sein kann (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B
14/7b AS 44/06 R).
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Die Kammer legt das Gebiet der Stadt Düsseldorf in den
kommunalverfassungsrechtlichen Grenzen als räumlichen Vergleichsmaßstab zur
Ermittlung des abstrakt angemessenen Quadratmeterpreises zugrunde. Ausgehend von
einer Bevölkerungszahl von 586.217 (Stichtag 31.12.2009) sowie einer Fläche von
217,21 km² sieht die Kammer keine Anhaltspunkte, bei der Ermittlung des
angemessenen abstrakten Quadratmeterpreises auf ein kleineres Vergleichsgebiet
abstellen zu müssen, etwa das Stadtgebiet von Düsseldorf in mehrere kleinere
Vergleichsgebiete aufzuteilen. Bei der Festlegung des räumlichen Vergleichsmaßstabs
geht es um die Beschreibung ausreichend großer Räume der Wohnbebauung, die auf
Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und ihrer
verkehrstechnischen Verbindung einen homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden.
Eine solche Homogenität ist bei einer kreisfreien Stadt wie Düsseldorf insbesondere im
Hinblick auf die Ausgestaltung des öffentlichen Nahverkehrs, der auf die Erreichbarkeit
des Stadtkerns von allen Stadtteilen, auch solcher, die am Stadtrand gelegen sind,
ausgerichtet ist, im gesamten Stadtgebiet anzunehmen (vgl. zum Stadtgebiet Essen:
LSG NRW, Urteil vom 16.02.2009, L 19 AS 62/08 m.w.N.). Besonderheiten im Einzelfall
können bei der Bestimmung des zumutbaren Wohnbereichs im Rahmen der konkreten
Angemessenheitsprüfung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II berücksichtigt werden. Im
Hinblick auf das soziale Umfeld kann unter Umständen der zumutbare Wohnbereich
enger zu begrenzen sein als das Gebiet, das im Hinblick auf die Mietpreishöhe als
Vergleichsmaßstab herangezogen wird (BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R;
BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R; LSG NRW a.a.O.).
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c) Der angemessene Quadratmeterpreis (Kaltmiete sowie Nebenkosten) für einfache
Wohnungen mit einer Fläche bis zu 45 m² beträgt im unteren Segment des
Wohnungsmarktes von Düsseldorf 7,35 EUR.
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Nach der Feststellung der Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der
Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine
Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen
und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard
aufweist. Die Wohnung muss daher hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als
Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag
finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in
dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet (BSG, Urteil vom
19.02.2009, B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteile vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R und B 7b
AS 18/06 R). Bei der Ermittlung des angemessenen abstrakten Quadratmeterpreises ist
nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf
die im unteren (nicht im untersten) Bereich für alle vergleichbaren Wohnungen am
Wohnort des Hilfesuchenden marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen (vgl. LSG
NRW, Urteil vom 16.02.2009, L 19 AS 62/08). Dabei muss der Grundsicherungsträger
zur Feststellung der Beschaffenheit des Wohnungsmarkts nicht zwingend auf einen
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qualifizierten oder einfachen Mietspiegel i.S.d. §§ 558c und 558d BGB abstellen, soweit
ein solcher in der Kommune existiert. Die vom Grundsicherungsträger gewählte
Datengrundlage muss lediglich auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine
hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen
Wohnungsmarktes wiederzugeben (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R;
Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R). Nur unter den Voraussetzungen, dass der
Grundsicherungsträger ohne schlüssiges Konzept entschieden hat, alle
Erkenntnismöglichkeiten erschöpft sind und weitere lokale Erkenntnismöglichkeiten zur
Ermittlung der angemessenen Aufwendungen fehlen, kann auf die Tabellenwerte des §
8 WoGG - rechte Spalte plus Zuschlag - zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom
17.12.2009, B 4 AS 27/09 R).
Die Kammer ist im vorliegenden Fall zu der Überzeugung gelangt, dass der von der
Beklagten ermittelte Quadratmeterpreis von 7,35 EUR auf einem schlüssigen Konzept
beruht. Ein schlüssiges Konzept liegt nach der Rechtsprechung des BSG vor, wenn der
Ersteller planmäßig im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller,
wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie
für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall vorgegangen ist
(BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R; Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R).
Danach muss das Konzept folgende Schlüssigkeitsanforderungen erfüllen:
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Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über
den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), Es bedarf einer
nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von
Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete
(Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, Angaben über den
Beobachtungszeitraum, Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung
(Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel), Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen
Daten, Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer
Grundsätze der Datenauswertung und Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B.
Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
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Nach der Überzeugung der Kammer genügt die Vermieterumfrage aus dem Jahr 2006,
aus der der angemessene Quadratmeterpreis in Höhe von 7,35 EUR für Kaltmiete und
Nebenkosten ermittelt wurde, diesen Anforderungen. Die Erhebungen der Umfrage sind
in der Zeit vom 01.03.2006 bis 30.04.2006 bei Düsseldorfer Großvermietern über den
gesamten Vergleichsraum des Stadtgebietes erfolgt. Der Gegenstand der Befragung
waren Mietwohnungen einfachen Standards im Stadtgebiet Düsseldorf über sämtliche
Wohnungsgrößen von bis 45 m² bis über 105 m². Die Beklagte bzw. die Stadt
Düsseldorf als der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II zuständige kommunale Träger
hat die Vermieter ausdrücklich nach der Höhe der Kaltmiete sowie der Nebenkosten
befragt, die bei ihnen für Wohnungen einfachen Standards anfallen. Damit hat sie den
Gegenstand der Befragung explizit auf solche Wohnungen beschränkt. Es sind sowohl
die Netto-Kaltmieten als auch die Nebenkosten erhoben worden. Des Weiteren hat die
Stadt Düsseldorf bei der Befragung von vornherein die Kosten getrennt nach sozial- und
freifinanzierten Wohnungen abgefragt, sodann jeweils einen gewichteten Mittelwert
gebildet, um die bei den jeweiligen Vermietern zur Verfügung stehende Anzahl der
Wohnungen in die Ermittlung mit einfließen zu lassen, und schließlich aus den sich
ergebenden Gesamtmieten multipliziert mit der jeweiligen Wohnungsanzahl eine
gerundete Durchschnittsmiete gebildet. Die Kammer nimmt hierzu Bezug auf die
eingereichte Vermieterumfrage. Die Erhebung ist auch repräsentativ, da sie sich auf 12
40
bis 13 % des örtlichen Wohnungsmarktes erstreckt. Auch von der Validität der
Datenerhebung ist auszugehen. Die Auswertung des Datenmaterials ist aufgrund
objektiver statistischer Kriterien erfolgt. Die ermittelten Mietrichtwerte sind
Durchschnittswerte, die sich auf Wohnungen einfacher bis mittlerer Wohnlage beziehen.
Dazu fließt der Wohnstandard über die gestellten Fragen in die Errechnung der
Vergleichsmieten mit ein.
Auf Grund dessen ist es auch gerechtfertigt, von der Mietrichtwerttabelle für Düsseldorf
abzuweichen. Diese Frage ist stets und vorrangig zu klären, wenn für ein Gebiet bzw.
eine Stadt ein Mietspiegel oder eine sonstige Tabelle bereits von neutralen und
fachkundigen Institutionen erstellt worden ist. Die Mietrichtwerttabelle für Düsseldorf
wird alljährlich von Haus und Grund Düsseldorf und Umgebung e.V. sowie dem Mieter-
Verein Düsseldorf e.V. erstellt. Will der Grundsicherungsträger von dem in dem
jeweiligen Konzept/Mietspiegel niedergelegten Datenmaterial abweichen, z.B. indem er
nicht jeden Mietpreis aus einer darin aufgeführten Mietpreisspanne als angemessen
zugrunde legen will, bedarf es einer besonderen Rechtfertigung (vgl. LSG Baden-
Württemberg, Urteil vom 05.07.2010, L 1 AS 2852/09). Diese resultiert daraus, dass die
Vermieterumfrage der Stadt Düsseldorf nach der Ansicht der Kammer ein schlüssiges
Konzept zur Ermittlung des angemessenen abstrakten Quadratmeterpreises darstellt.
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Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist somit
festzustellen, dass die angemessene Kaltmiete inklusive der Nebenkosten für einen
Ein-Personen-Haushalt im Stadtgebiet Düsseldorf nach der "Produkttheorie" 331,00
EUR beträgt. Die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft übersteigen daher den
der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, so dass das
Kostensenkungsverfahren gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausgelöst wurde.
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d) Eine Senkung seiner Unterkunftskosten insbesondere durch Anmietung einer
anderen Unterkunft war dem Kläger möglich und zumutbar, so dass er sich nicht auf
Bestandsschutz nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II berufen kann und die Beklagte ab dem
01.06.2007 nur die angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen hat. Dem Kläger
war die angemessene Referenzmiete bekannt, da ihm die Beklagte in dem Gespräch
am 14.12.2006 diesen Betrag mitgeteilt hatte. Die sechsmonatige Bestandschutzfrist
war daher ab Juni 2007 abgelaufen. Des Weiteren sind im streitbefangenen Zeitraum
auf dem Wohnungsmarkt in Düsseldorf Wohnungen für eine Referenzmiete von 331,00
EUR konkret verfügbar gewesen. Auch aus anderen Gründen ergibt sich nicht die
Unmöglichkeit und/oder Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen.
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Für eine Referenzmiete von 331,00 EUR sind im streitbefangenen Zeitraum auf dem
Wohnungsmarkt in Düsseldorf Wohnungen konkret verfügbar gewesen. Dies belegen
nach der Überzeugung der Kammer die zur Gerichtsakte gereichten Nachweise der
Beklagten über verfügbare Wohnungen (insbesondere Bl. 22 ff. der Gerichtsakte). Diese
Wohnungsangebote beziehen sich zum einen auf das gesamte Düsseldorfer
Stadtgebiet und zum anderen auf den Zeitraum ab Februar 2007.
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Sonstige tatsächliche oder rechtliche Hinderungsgründe, die einer Kostensenkung
entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Da die Übernahme überhöhter
Unterkunftskosten angesichts der Rechtsfolgenanordnung in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II
exzeptionellen Charakter haben soll, sind im Rahmen der Bestimmung der Ausnahmen
vom Regelfall strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der
Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen zu stellen. Die
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Erstattung nicht angemessener Unterkunftskosten bleibt der durch sachliche Gründe
begründungspflichtige Ausnahmefall, und die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt
auch bei Unmöglichkeit oder subjektiver Unzumutbarkeit bestehen (vgl. BSG, Urteil vom
19.02.2009, B 4 AS 30/08 R).
Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass ihm ein Umzug in eine angemessene
Wohnung unmöglich war. Er beruft sich darauf, dass er in dem gesamten streitigen
Zeitraum intensiv günstigere Wohnungen gesucht, solche aber nicht gefunden habe.
Nachweise für solche erfolglose Bemühungen hat der Kläger aber nicht vorgelegt. Er
hat im Verwaltungs- und Vorverfahren sowie in dem Parallelverfahren S 25 AS 205/07
lediglich Kopien von Wohnungsanzeigen eingereicht, ohne dass sich aus diesen ergibt,
wann er sich bei den jeweiligen Vermietern vorgestellt hat und abgelehnt worden ist.
Lediglich bei einigen Anzeigen hat der Kläger das Datum und die Uhrzeit eines
Telefonats notiert, dies jedoch anscheinend nur zu dem Zweck, um die Höhe der
Nebenkosten zu erfragen. Dies stellt aber keinen ausreichenden Nachweis erfolgloser
Wohnungssuchbemühungen dar. Insofern schließt sich die Kammer den Ausführungen
der Beklagten an. Des Weiteren beziehen sich die eingereichten Anzeigen
ausnahmslos auf Wohnungen, die gerade nicht den Anforderungen angemessener
Unterkunftskosten entsprachen. Der Kläger hat also bereits in dem falschen, weil zu
teuren Wohnungsmarktsegment gesucht. Dass er hier nicht fündig geworden ist, führt
nicht dazu, dass seine unangemessene Wohnungsmiete übernommen werden kann.
Zudem sind - entgegen der Ansicht des Klägers - diese Anzeigen auch kein Beweis
dafür, dass es in Düsseldorf keine Wohnungen zu der angemessenen Referenzmiete
gäbe. Der Kläger hat lediglich vereinzelte Wohnungsanzeigen kopiert und eingereicht,
so dass er mit diesem Ausschnitt des Wohnungsmarkts nicht die umfassenden
Nachweise der Beklagten widerlegen kann.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des
Rechtsstreits.
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Die Berufung gegen dieses Urteil ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig.
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