Urteil des SozG Düsseldorf vom 18.06.2007

SozG Düsseldorf: tinnitus, unfallfolgen, rente, meinung, dozent, psychotherapie, psychiatrie, wahrscheinlichkeit, arbeitsunfall, psychiater

Sozialgericht Düsseldorf, S 16 U 72/05
Datum:
18.06.2007
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 16 U 72/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 4 U 48/07
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Bewilligung von Rente wegen der Folgen
eines Arbeitsunfalls.
2
Der 1961 geborene Kläger, der Verwalter eines Übergangswohnheimes ist, musste am
30.12.1998 eine durch Fehlalarm ausgelöste Sirene abstellen (Unfallanzeige vom
19.01.1999). Die den Kläger behandelnden HNO-Ärztin X berichtete dem Beklagten, der
Kläger sei schon seit November 1998 wegen eines Tinnitus in Behandlung, der durch
den Fehlalarm im Nahbereich der Sirene eine deutliche Verstärkung erfahren habe. Der
den Kläger behandelnde Neurologe und Psychiater T äußerte, beim Kläger stünde ein
neurasthenisches Syndrom mit leichter affektiver Spannung sowie eine Neigung zu
subdepressiven Verstimmungen und einer ängstlich-hyprochondrische Grundhaltung im
Vordergrund. Die behandelten Gesundheitsstörungen seien insgesamt unspezifischer
Natur und stünden in Zusammenhang mit konstitutionellen Persönlichkeitsstörungen,
könnten jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf ein einmaliges Unfallereignis
zurückgeführt werden, obwohl der Kläger die Meinung vertreten habe, seit einem
Arbeitsunfall seien seine Beschwerden verstärkt in Erscheinung getreten. Zur Klärung
etwaiger Zusammenhangsfragen hörte der Beklagte L1 und Q1. Diese berichteten unter
dem 02.12.2003, beim Kläger bestehe beidseitig eine geringgradige
Schallempfindungsschwerhörigkeit im Hochtonbereich, links ausgeprägter als rechts
sowie ein Tinnitus links. Die Gutachter vertraten die Meinung, unfallbedingt sei es zu
einer Verstärkung der Ohrgeräusche gekommen, der Sirenlarm sei durchaus geeignet
gewesen diesen Schaden zu verursachen. Die MdE sei mit 10 vom Hundert zu
bewerten. Nachdem der Beklagte das Geschehen vom 30.12.1998 nachgestellt und
Lämmessungen (im Abstand von 50 bzw. 30 cm Messwerte zwischen 104,5 bis 117,5
dB(A), bei Peak-Werten bis 120,8 dB(A) ermittelt hatte, kamen C und Q2 hno-
ärztlicherseits zu dem Ergebnis, durch das Unfallgeschehen sei ein anlagebedingtes
Leiden (Ohrgeräusch links) richtunggebend verschlimmert worden. Die dadurch
3
bedingte MdE sei auf weniger als 10 vom Hundert einzuschätzen. Unfallunabhängig
liege eine geringfügige beiderseitige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit sowie ein
bislang kompensiertes Ohrgeräusch auf dem linken Ohr vor. Auf dieser medizinischen
Grundlage erkannte der Beklagte als Unfallfolgen die Verstärkung eines
vorbestehenden Tinnitus auf dem linken Ohr an und lehnte die Bewilligung von Rente
wegen Fehlens einer rentenberechtigende MdE ab (Bescheid vom 20.09.2004). Nach
erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 16.03.2005) verfolgt der Kläger
sein Begehren weiter. Er bezieht sich insbesondere auf ein Schreiben der ihn
behandelnden Diplom-Psychologin L2, die von massiven Schlafstörungen, von
Niedergeschlagenheit einer depressiven Stimmungslage berichtet, die durch den
Tinnitus unter dem er, der Kläger, seit dem Arbeitsunfall leide hervorgerufen würden.
Außerdem hat der Kläger einen Bericht des ihn behandelnden Facharztes für
Psychiatrie und Psychotherapie A vorgelegt, indem von einer posttraumatischen
Belastungsstörung die Rede ist.
Der Kläger beantragt,
4
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 20.09.2004 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 16.03.2005 zu verurteilen, ihm Rente wegen des
Arbeitsunfalls vom 30.12.1998 zu gewähren.
5
Der Beklagte beantragt,
6
die Klage abzuweisen.
7
Das Gericht hat gemäß § 109 Privat-Dozent I gehört. Der Sachverständige ist zu dem
Ergebnis gekommen, beim Kläger bestehe unfallbedingt ein geringfügiger
Innenohrhochtonhörverlust links sowie ein Tinnitus aurium. Die dadurch bedingte MdE
sei auf höchstens 10 vom Hundert einzuschätzen. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme im Einzelnen sowie wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen
wird auf die Gerichtsakten und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
8
Entscheidungsgründe:
9
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 20.09.2004 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 16.03.2005 ist rechtmäßig. Die beim Kläger vorliegenden
Unfallfolgen bedingen keine rentenberechtigende MdE von mindestens 20 vom Hundert
(vgl. § 56 SGB VII). Mit dieser Auffassung schließt sich die Kammer den plausiblen
Feststellungen von C an. Danach ist es aufgrund der erheblichen Schallpegel, denen
der Kläger am 30.12.1998 ungefähr 10 bis 15 Minuten ausgesetzt gewesen war zu einer
Verschlimmerung des bereits vorbestehenden Ohrgeräuschs gekommen. Eine
nennenswerte Beeinträchtigung des Hörvermögens liegt darüber hinaus nicht vor. Ein
lärmbedingtes Ohrgeräusch nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten mit einer
MdE von maximal 10 vom Hundert berücksichtigt werden. Im Hinblick darauf, dass das
Ohrgeräusch durch den Unfall lediglich eine Verschlimmerung erfahren hat, ist es daher
nachvollziehbar, dass C die unfallbedingte MdE auf weniger als 10 vom Hundert
geschätzt hat. Die Kammer sieht keine Veranlassung die Richtigkeit dieser
Feststellungen anzuzweifeln, zumal der im Auftrag des Klägers gehörte
Sachverständige Privat-Dozent I diese Beurteilung im Wesentlichen bestätigt hat.
Darüber hinausgehende Unfallfolgen sind nicht nachweisbar. Zwar meint der den
Kläger behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie A, die beim Kläger
10
vorliegende depressive Episode sei als posttraumatische Belastungsstörung
anzusehen. Dieser Auffassung vermag die Kammer jedoch nicht zu teilen. Bereits der
den Kläger behandelnde Neurologe und Psychiater T hat auf die konstitutionellen
Persönlichkeitsstörungen des Klägers hingewiesen und ausgeführt, diese Störungen
könnten nicht mit Wahrscheinlichkeit auf ein Unfallereignis zurügeführt werden. Die
Kammer hält diese Auffassung für plausible, da nach der Definition der
posttraumatischen Belastungsstörungen (F 43.1 ICD 10) eine posttraumatische
Belastungsstörung belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer
Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei
fast jedem eine Tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, voraussetzt. Eine solche
Situation hat beim Kläger am 30.12.1998 nicht vorgelegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
11