Urteil des SozG Düsseldorf vom 12.08.2008

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Sozialgericht Düsseldorf, S 16 U 124/06
Datum:
12.08.2008
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 16 U 124/06
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 4 U 109/08
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 15.02.2006 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2006 verurteilt,
eine Berufskrankheit nach Nummer 4103 der Anlage zur BKV
festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Kosten sind unter
den Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung und Entschädigung von
Berufskrankheiten nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten-
Verordnung (BKV).
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Der 1941 geborene Kläger war - eigenen Angaben zufolge - im damaligen Jugoslawien
von 1965 bis 1972 als Bauhilfsarbeiter, Zimmerer und Maurer tätig. Nach seinem 1972
erfolgten Zuzug in die Bundesrepublik war er bis Mai 2000 als Maurer, Zimmerer,
Montage- und Gießereiarbeiter beschäftigt. Nach den Feststellungen des Technischen
Aufsichtsdienstes der Beklagten war der Kläger in der Zeit von 1976 als Maurer
Asbestexponiert beim Abbruch von Asbestzementplatten und bei der Verarbeitung von
asbesthaltigen Brandschutzplatten tätig gewesen. Außerdem - so der Technische
Aufsichtsdienst - ist nicht auszuschließen, dass der Kläger in der Zeit von 1976 bis 1977
und von 1980 bis 1982 auch Formaldehyd als möglichem Bestandteil von Spanplatten
und Anthracen als Bestandteil von teerhaltigen Stoffen ausgesetzt war. Im Mai 2001
teilte der Kläger der Beklagten mit, sein Gesundheitszustand habe sich aufgrund
berufsbedingten Umgangs mit krebsverursachenden Materialien, wie Asbest und
Stahlwolle verschlechtert. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen holte die
Beklagte ein Zusammenhangsgutachten von U ein, der unter dem 21.06.2005 zu dem
Ergebnis kam, bereits 2001 sei computertomograpisch eine minimale Asbestose mit
kleinen asbestassoziierten Pleuraplaques nachgewiesen worden, wobei die MdE als
nicht messbar einzuschätzen sei. Eine beim Kläger vorliegende chronische Bronchitis
könne nicht auf den Umgang mit chemischen irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen
zurückgeführt werden, dazu sei die Belastung des Klägers mit Formaldehyd zu gering
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gewesen, im Übrigen fehlten lungenfunktionsanalytische Einschränkungen, so dass die
MdE insoweit ebenfalls als nicht messbar anzusehen sei. Nachdem der beratende Arzt
der Beklagten das Vorliegen einer pleuralen Asbestose in Frage gestellt hatte, lehnte
die Beklagte die Feststellung und Entschädigung von Berufskrankheit nach Nr. 4103
und 4302 der Anlage zur BKV ab (Bescheide vom 15.02.2006 und 19.04.2006 in der
Fassung der Widerspruchsbescheide vom 23.05.2006 und 27.06.2006). Mit seinen
dagegen gerichteten Klagen, die das Gericht zur gemeinsamen mündlichen
Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, verfolgt der Kläger sein Begehren unter
Bezug auf eine ärztliche Bescheinigung von L weiter.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15.02.2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 23.05.2006 und unter Änderung des Bescheides vom
19.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2006 zu
verurteilen, bei ihm Berufskrankheiten nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur
BKV festzustellen und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu
entschädigen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat einen Befundbericht von L1 eingeholt und zur Klärung der
Zusammenhangsfrage L2 gehört, der eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung
der Pleura festgestellt und mit einer MdE von 10 vom Hundert bewertet hat. Darüber
hinaus hat der Sachverständige eine obstruktive Ventilationsstörung nicht ermitteln
können und ausgeführt, ob beim Kläger dauerhaft ein hyperregagibles Bronchialsystem
vorliege, ließe sich zurzeit noch nicht klären.
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Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen sowie wegend es
sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Akten der Beklagten
und auf die Vorprozessakten S 30 Vs 12/92 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist in dem aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen
ist die Klage unbegründet. Beim Kläger liegt eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der
Anlage zur BKV in Form einer computertomographisch nachgewiesenen pleuralen
Asbestose vor. Pleurale Veränderungen bedingen jedoch keine rentenberechtigende
MdE von mindestens 20 vom Hundert (vgl. § 56 SGB VII). Die Annahme einer MdE setzt
eine Funktionseinbuße voraus. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass allein der
Röntgenbefund einer Asbestose ohne messbare Einschränkungen der Kardio-
pulmonalen Funktion keine messbare MdE bedingt (vgl. Mehrtens/Brandenburg,
Kommentar zur BKV, M 4103 Rn. 4). Ob die von L2 beschriebene geringgradige
Ventilationsstörung nachgewiesen ist und ob ein ursächlicher Zusammenhang mit den
beschriebenen Pleuraplaques besteht, kann dahingestellt bleiben, weil die dadurch
bedingte MdE 10 vom Hundert nicht übersteigt. Damit wird ein rentenberechtigendes
Ausmaß nicht erreicht, da ein Stütztatbestand im Sinne des § 56 SGB VII ausscheidet:
L2 hat ebenso wie U keine obstruktive Ventilationsstörung feststellen können, wobei
beide Gutachter auf die schlechte Mitarbeit des Klägers hingewiesen haben. Zwar hat
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L2 darüber hinaus von einem hochgradigen hyperregagiblen Bronchialsystem berichtet.
Im Hinblick auf das Fehlen vergleichbarer Vorbefunde hat er jedoch die Dauerhaftigkeit
dieser Störung in Frage gestellt. Damit bleibt offen, ob die beschriebene bronchiale
Hyperregabilität nicht beispielsweise infektbedingt vorübergehend bestanden hat. Im
Übrigen lässt sich diese Beeinträchtigung der Lunge schon deshalb nicht mit
Wahrscheinlichkeit auf den berufsbedingten Umgang mit atemegsreizenden Stoffen
zurückführen, weil nicht im Sinne des Vollbeweises eine entsprechende Belastung
oberhalb der MAK-Werte nachgewiesen ist und im Übrigen seit dem im Jahr 2000
erfolgten Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben erstmals 2008 von einem
hyperregabilen Bronchialsystem die Rede ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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