Urteil des SozG Düsseldorf vom 12.11.2010

SozG Düsseldorf: besuch, behinderung, hotel, programm, gesellschaft, kreis, zuschuss, behinderter, kontaktaufnahme, flugzeug

Sozialgericht Düsseldorf
Urteil vom 12.11.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Düsseldorf S 17 SO 109/09
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine Urlaubsreise im Wege der Eingliederungshilfe.
Mit Schreiben vom 19.01.2009, bei dem Beklagten am 21.01.2009 eingegangen, beantragte die Betreuerin des
Klägers die Übernahme der Kosten für eine Ferienmaßnahme. Der 1977 geborene Kläger ist behindert und wohnt in
einem "Betreuten Wohnen" der Lebenshilfe. Dem Antrag lag die Kopie eines Prospektauszugs über die Reise vom
12.10.2009 bis 19.10.2009 nach Cala Millor (Mallorca) für 918,- Euro bei. Die Reise wurde von der Lebenshilfe W, dem
Anbieter des Betreuten Wohnens, angeboten.
Mit Bescheid vom 13.07.2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme der Ferienfahrt nach Cala Millor
ab. Zur Begründung führte er aus, dass Reisen zu den Bedürfnissen der allgemeinen Lebensführung zählten, für deren
Kosten nicht die Eingliederungshilfe vorgesehen sei. Bei der angebotenen Fahrt handele es sich um eine Erholungs-
und nicht um eine Eingliederungsmaßnahme.
Mit Schreiben vom 08.08.2009, bei dem Beklagten am 11.08.2009 eingegangen, erhob der Kläger durch seine
Betreuerin Widerspruch und wies auf die Kostenübernahme in den letzten Jahren hin. Zur Begründung wurde des
weiteren eine Stellungnahme der Lebenshilfe zur Urlaubsmaßnahme nach Mallorca vom 12.-19.10.2009 vorgelegt.
Darin wird ausgeführt, dass die angebotene Reise eine Maßnahme zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach §
55 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 7 SGB IX in Verbindung mit § 53 Abs. 3 Nr. 1, 2 SGB XII sei. Die Ferienmaßnahme diene
dazu, den Teilnehmern Kontakt zu nicht behinderten Menschen untereinander zu ermöglichen, um so ihre soziale
Kompetenz zu steigern. Die Teilnehmer würden Umgang mit ihren Betreuern, anderen Hotelgästen und ausreichend
Urlaubern, auf Mallorca gebe es bekannterweise viele deutschsprachige Urlauber, haben, nicht zuletzt weil der
Reisezeitraum noch in die Herbstferien vieler deutscher Bundesländer falle. Auch diene die Maßnahme dem Erwerb
praktischer Kenntisse und Fähigkeiten sowie der Teilnahme am kulturellen Leben. Die Nutzung des Reisemittels
Flugzeug sowie von öffentlichen Verkehrsmitteln mache die Teilnehmer unabhängiger und stärke ihre Kenntnisse und
Vertrauen in diesem Bereich erheblich. Das kulturelle Angebot der Insel sei immens, so dass den Anforderungen auf
jeden Fall genüge getan werde. Auch würden weitere praktische Fähigkeiten im Umgang mit Geld gefördert z. B.
durch das Bezahlen von Eintritten oder Mahlzeiten in Restaurants. Zudem diene diese Urlaubsmaßnahme unter
anderem dazu, dass die Teilnehmer lernten, sich in fremder Umgebung zurecht zu finden und zu üben, wie man mit
fremden Menschen in Kontakt tritt, um nach dem Weg zu fragen oder um Hilfe zu bitten. Auch gemeinsame Ausflüge
zur Erkundigung und der Besuch von kulturellen Veranstaltungen gehörten zum Inhalt der Reise.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2009 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Bei der Reise handele es sich um eine Ferienfahrt, die zu den Bedürfnissen der allgemeinen Lebensführung gehöre,
aber nicht Eingliederungshilfeleistung sei. Sozialpädagogische Reisen könnten für behinderte volljährige Menschen,
die zum Personenkreis des § 53 SGB XII gehörten, bezuschusst werden. Voraussetzung sei jedoch auch hier eine
Prüfung der Angemessenheit und Notwendigkeit. Im Rahmen der Ermessensausübung komme er zu der
Entscheidung, dass eine Reise in ein 4-Sterne-Hotel auf Mallorca nicht notwendig sei, um die Ziele der
Eingliederungshilfe zu erreichen. Um den behinderten Teilnehmern Kontakt mit anderen Menschen zu ermöglichen,
sei es wesentlich erfolgversprechender, eine Maßnahme in Deutschland durchzuführen, da dort ohne
Fremdsprachenkenntnisse Kontakte hergestellt werden könnten. Auch wenn anerkannt werde, dass gerade auf
Mallorca viele deutschsprachige Urlauber anzutreffen seien, treffe diese auf jeden Urlaubsort in Deutschland um ein
vielfaches mehr zu. Auch wenn es um den Erwerb praktischer Fähigkeiten gehe, sei das Bestellen und Bezahlen von
Mahlzeiten im Restaurant in Deutschland mit deutschsprachigem Personal erfolgversprechender, als dies im Ausland
mit Kellnern, die nicht unbedingt einen akzentfreies Deutsch sprechen, der Fall sei. Die Nutzung des Reisemittels
Flugzeug spreche ebenfalls nicht für die Erforderlichkeit der Reise. Denn dieser Personenkreis werde auch in Zukunft
nicht in der Lage sein, alleine mit dem Flugzeug zu verreisen. Dies seien also Fähigkeiten, die nicht vordergründig
eingeübt werden müssten. Erfolgversprechender wäre es zum Beispiel, einen Bus-Fahrplan in Deutschland lesen zu
lernen, da dies Fähigkeiten seien, die auch im Alltag Verwendung finden könnten.
Der Beklagte führt weiter aus, dass er in der angebotenen Fahrt keine sozialpädago-gische Reise erkennen könne.
Sozialpädagogische Reisen könnten durchaus in einem Umkreis von ca. 300 km vom Kreis W entfernt angeboten
werden. Dann dürfte sich auch der Reisepreis erheblich reduzieren, da gerade bei Flugreisen der Anteil der Flugkosten
sehr hoch sei. Die Gewährung von Eingliederungshilfe für eine Urlaubsfahrt nach Mallorca komme somit nicht in
Betracht.
Der Kläger hat am 05.11.2009 Klage erhoben und verfolgt nunmehr, da er die Reise vom 12.10.2009 bis 19.10.2009
durchgeführt hat, das Ziel, dass der Beklagte für die Reise einen angemessenen Zuschuss gewährt. § 58 Neuntes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), der über den Verweis in § 53 Abs. 4 Satz 1 SGB XII gelte, bestimme, dass Hilfe
zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben vor allem Hilfen zur Forderung der Begegnung und des
Umgangs mit nicht behinderten Menschen umfassten. Diesem Zweck habe die Reise gedient. Für Menschen wie er,
die in einer stationären Wohneinrichtung lebten, biete eine solche Reise in einen anderen Kulturkreis zahlreiche
Abwechslungen und Anregungen, die ihm die Erfahrungen ermöglichten, sich besser in der Welt der nicht behinderten
Menschen zu bewegen. Derartige Anregungen seien notwendig, damit der behinderte Mensch am Leben in der
Gemeinschaft teilhaben könne. Dies habe zuletzt auch das Verwaltungsgericht Potsdam im Urteil vom 28.03.2008 (11
K 2698/04) entschieden. Ausflüge in den Nahbereich der Wohneinrichtung des Klägers könnten als Ersatz für eine
Urlaubsreise nicht in gleicher Weise die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllen. Auch der von dem Beklagten
geforderte sozialpädagogische Zweck einer Reise werde hier erfüllt, gerade weil die Reise unter anderem der
Begegnung von behinderten und nicht behinderten Menschen gedient habe. Von daher sei auch die weitere
Voraussetzung der Eingliederungshilfe, dass durch die konkrete Hilfe die Folgen der Behinderung gemildert werden
könnten, erfüllt. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass bereits unter der Geltung der verwaltungsrechtlichen
Rechtsprechung entschieden worden sei, dass auch Reisen ins Ausland zuschussfähig seien. Auch Reisen innerhalb
Deutschlands könnten über dem von dem Beklagten angesetzten angemessenen Betrag liegen. Da aber der Beklagte
Reisen ohnehin mit einem Betrag von maximal 300,- Euro bezuschusse, sei das Reiseziel doch gleichgültig.
Außerdem sei bei Auswahl des Reiseziels das Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB XII zu berücksichtigen. Auf
Nachfrage des Gerichts hat der Kläger eine Stellungnahme der Lebenshilfe zu Programm und Ablauf der Reise
vorgelegt. Die sah wie folgt aus:
12.10.2009: Flug nach Mallorca Ankunft Hotel Erkunden von Unterkunft + Strandspaziergang
13.10.2009: Erkunden von Umgebung Besuch der Hotelbar
14.10.2009: Teilung der Gruppe auf Wunsch der Teilnehmer 1. Gruppe: Piratentour mit dem Schiff 2. Gruppe:
Volleyball spielen und schwimmen
15.10.2009: Boccia spielen am Strand mit anderen Urlaubern Fahrradtour incl. Besuch eines Restaurants Besuch der
Hoteldisco
16.10.2009: Besuch eines Bauernmarkes Stadtbummel Bingoturnier im Hotel
17.10.2009: Strandbesuch und Stadtbummel Dart- und Tischtennis spielen Besuch eines Flamencoabend
18.10.2009: Besuch des Hallenbades Film über die Insel geschaut Gem. Abendessen im Restaurant Besuch der
Hotelbar
19.10.2009: Rückflug
Die Lebenshilfe hat ferner darauf hingewiesen, dass vor Ort in erster Linie die Förderung des Kontakts zwischen
Menschen mit und ohne Behinderung durch den Umgang mit den Betreuern, anderen Hotelgästen und ausreichend
Urlaubern wichtig gewesen sei. Daher sei bewusst ein Hotel ausgesucht worden, dass nicht nur für behinderte
Menschen offen sei sondern auf nicht behinderte Menschen seinen Schwerpunkt setze. Es handele sich um ein
üblicherweise über Pauschalanbieter buchbares Hotel. Zusätzlich sei Kontakt zu anderen Touristen ohne
Behinderungen besonders bei gemeinsamen Strandspielen oder bei den Animationsabenden im Hotel aufgebaut
worden. Auch bei Ausflügen, wie der Piratenfahrt oder den Marktbesuchen habe es immer wieder Gelegenheiten
gegeben, sich mit anderen Touristen auszutauschen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 13.07.2009 und des Widerspruchsbescheides
vom 07.10.2009 einen angemessenen Zuschuss für die Reise des Klägers vom 12.10.2009 - 19.10.2009 nach
Mallorca zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat grundlegend ausgeführt, dass zwar auch Ferienfahrten den Zweck der Eingliederungshilfe erfüllen
könnten, von daher habe man in der Vergangenheit Ferienfahrten für behinderte Menschen mit 300,- Euro
bezuschusst, ohne den Zweck der Fahrt genauer zu prüfen. Diese Auffassung habe der Kreis aufgegeben und andere
Förderungsrichtlinien erarbeitet. Es werde nunmehr unterschieden zwischen Ferienfahrten/Urlaubsreisen einerseits
und sozialpädagogischen Reisen/betreute Ferienangebote andererseits. Ferienmaßnahmen seien in der Regel nicht
Teil einer komplexen Behandlung. Zwar könnten auch diese Fahrten den Teilnehmern dazu dienen, Kontakt zu nicht
behinderten Menschen und untereinander zu bekommen, um so ihre soziale Kompetenz zu steigern und damit auch
der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dienen zu können. Solche Reisen zählten allerdings zu den Bedürfnissen
der allgemeinen Lebensführung, für die Kosten nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen würden. Den
behinderungsbedingten Defiziten an sozialen Kontakten, Anregungen und Erfahrungen seien durch andere
Maßnahmen entgegen zu wirken.
Anders stelle sich der Sachverhalt bei sozialpädagogischen Reisen und betreuten Ferienangeboten dar. § 58 Nr. 1
SGB IX sehe Hilfen zur Förderung des Umgangs mit nicht behinderten Menschen vor. Dazu gehörten nicht nur
Alltagskontakte sondern alle Kontakte, die auch sonst für die persönliche Entwicklung als üblich und sinnvoll
angesehen würden. Einzubeziehen sei insoweit auch die Förderung der Binnenbeziehung einer Gruppe, das heiße die
Förderung persönlicher Kontakte und des Gemeinschaftsgefühls. § 58 SGB IX sei eine sehr offene und weite
Vorschrift. Sie habe zum Ziel, die Defizite auszugleichen, die sich im Umgang mit dem Umfeld durch die Behinderung
ergäben. Keinesfalls dürften Aktivitäten von der Förderung ausgeschlossen werden, die im normalen Leben üblich
seien oder als Teil des üblichen Erfahrungsfeldes angesehen würden und dazu gehöre auch der Wechsel des
Lebensumfeldes, um neue Eindrücke zu gewinnen. Der behinderte Mensch solle möglichst weitgehend die
Kommunikationsmöglichkeiten haben wie ein nicht behinderter Mensch. Dazu gehöre auch ein vorübergehender
Wechsel des Umfeldes in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern einer (Wohn) Gemeinschaft. Um diesen rechtlichen
Anforderungen gerecht zu werden, könne eine sozialpädagogisch betreute Reise bezahlt werden, wenn die
nachfolgend zitierten Kriterien vorlägen:
Die Reise werde von einem Träger der freien Wohlfahrtspflege oder von einem öffentlichen Träger veranstaltet; die
Reise werde als Gruppenveranstaltung durchgeführt; die behinderten Menschen werden während der Reise von
geeigneten Personen betreut; es liege ein der sozialpädagogischen Zielsetzung im Rahmen der Eingliederungs-hilfe
für behinderte Menschen entsprechendes Konzept der Reise vor; das Reiseziel liege nach Möglichkeit nicht weiter als
300 km vom Kreis W entfernt, soweit durch diese Begrenzung keine höheren Kosten verursacht würden.
Die Entscheidung, ob eine Reise diese Voraussetzung erfülle, treffe der Beklagte durch das Kreis Sozialamt. Dabei
würden die Kosten für die Reise jeweils auf ihre Angemessenheit geprüft. In der Regel dürfte ein Reisepreis in Höhe
von ca. 300,- Euro angemessen sein. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien werde die durchgeführte Reise lediglich
als Ferienfahrt angesehen. Das vorgelegte Programm und die Schilderung über den Ablauf der Reise belege noch
nicht eine sozialpädagogische Zielsetzung, da sie insbesondere nicht die Alltagsfähigkeiten der reisenden Behinderten
positiv beeinflussen könnten.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, des
Landschaftsverbandes Rheinland und der Gerichtsakte Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG), da dieser rechtmäßig ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für
die Reise vom 12.10.2009 - 19.10.2009 nach Mallorca sowie keinen Anspruch auf Leistung eines Zuschusses zu
dieser Reise durch den Beklagten. Denn die Voraussetzungen nach §§ 53 Abs. 1, 3, 4, 54 Abs. 1 SGB XII, 55 Abs. 1,
2 Nr. 7, 58 Nr. 1 SGB IX liegen nicht vor.
Leistungen für eine Urlaubsfahrt als Eingliederungshilfe erhalten nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die
durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, am Leben in der
Gesellschaft teil zu haben, eingeschränkt oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, wenn die Aussicht
besteht, dass hierdurch die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Eine solche Behinderung ist hier
insbesondere unter Hinweis auf die beigezogenen Akten (Hilfeplan) des Landschaftsverbandes Rheinland als Träger
der Kosten des ambulanten betreuten Wohnens anzunehmen. Allerdings erfordert in dem vorliegenden Fall auch unter
Berücksichtigung sämtlicher Umstände die Verwirklichung des Teilhabegedankens nicht die konkret durchgeführte
Reise.
Gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 SGB XII gelten für die Leistungen zur Teilhabe die Vorschriften des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch, soweit sich aus dem SGB XII und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen
nichts Abweichendes ergibt. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
ermöglichen oder sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege machen oder nach dem Kapiteln 4 bis 6
nicht erbracht werden. Gemäß § 55 Abs. 2 sind Leistungen nach Abs. 1 insbesondere Hilfen zur Teilhabe am
gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (§ 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX). Gemäß § 58 SGB IX umfassen die Hilfen zur
Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben vor allem
1.Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umfangs mit nicht behinderten Menschen, 2.Hilfen zum Besuch von
Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen, 3 ...
Zweifellos können Urlaubsreisen oder Ferienfahrten den Zweck zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit
nicht behinderten Menschen erfüllen. Dies bedeutet aber auch nicht, dass jede Urlaubsreise damit bereits den
Teilhabegedanken verwirklicht und damit auch vom Sozialhilfeträger zu erbringen wäre. Denn bei jeder einzelnen
Maßnahme muss die Grundvoraussetzung nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erfüllt sein, dass nach der Besonderheit
des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, die Aussicht besteht, dass die Aufgabe der
Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Dies setzt folglich voraus, dass die konkrete Ferienmaßnahme dazu beiträgt,
den Betroffenen in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere die Begegnung mit nicht Behinderten zu
fördern.
Allerdings reichen zur Anspruchsverneinung nicht die neuen Richtlinien aus, die der Beklagte zur Forderung von
Urlaubsreisen entwickelt hat. Die Kammer verweist darauf, dass nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII über Art und Maß
der Leistungserbringung nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden ist, sobald das Ermessen nicht
ausgeschlossen wird. Zwar ist die Eingliederungshilfeleistung, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind,
im Konkreten keine Ermessensleistung, gleichwohl ist der Sozialhilfeträger nicht gehindert, Richtlinien zu entwickeln,
die die Einordnung und Bewertung des konkreten Leistungsbegehrens erleichtern sollen. Allerdings erfüllen die im
Verfahren geltend gemachten Kriterien diesen Zweck nicht. Denn hinsichtlich des entscheidenden Kriteriums der
"sozialpädagogischen Zielsetzung" zur Abgrenzung der sozialpädagogischen Reise (betreutes Ferienangebot) von der
aus Sicht des Beklagten nicht förderungswürdigen Ferienfahrt fehlt es an einer hinreichenden Konkretisierung, was
damit gemeint sein soll. Da hilft auch die Unterscheidung von "Sozialpädagogik" als "Teilgebiet der sozialen Arbeit",
die agieren, anbieten und initiieren soll, nicht weiter. Zwar wird allgemein darauf verwiesen, dass durch
sozialpädagogische Leistung die Autonomiebestrebungen des behinderten Menschen gestärkt, unterstützt und
begleitet werden soll, wodurch die Eigenverantwortung des behinderten Menschen und damit sein selbstständiger
Umgang mit allgemeinen Lebenslagen in der Gesellschaft gefördert werden solle. Ferner sollten die Ressourcen des
behinderten Menschen erschlossen und seine Handlungskompetenzen durch Trainingsmaßnahmen erhöht werden,
wofür auch eine andere, als die gewohnte Umgebung hilfreich sein könne. Diese Grundsätze entsprechen zwar in ihrer
Allgemeinheit den Grundsätzen der Eingliederungshilfe. Leider ermöglichen sie aber wegen ihrer Allgemeinheit eine
saubere Abgrenzung zur einfachen Urlaubsreise im konkreten Sachverhalt nicht.
Nach Auffassung der Kammer reicht es nicht aus, den Teilhabegedanken als verwirklicht anzusehen, wenn eine
Urlaubsreise lediglich zu Kontakt mit nicht behinderten Menschen führt. Denn abgesehen von einem Sachverhalt, der
der Entscheidung des Landessozialgerichts NRW im Urteil vom 17.06.2010 (L 9 SO 163/10) zu Grunde lag und in der
die angebotene Ferienfreizeit vom Programm her allein auf das Zusammensein behinderter Menschen in ihrer
Gemeinschaft gerichtet war und eine Kontaktaufnahme mit nicht behinderten Menschen nicht möglich erscheinen ließ,
führt jede Urlaubsreise in irgendeiner Form zum Zusammentreffen von behinderten und nicht behinderten Menschen,
sei es durch die Wahl der konkreten Wohnform, bei der sowohl durch die anderen Urlaubsgäste als auch das
beschäftigte Personal bereits ein Kontakt ermöglicht wird, durch die Wahl der Verkehrsmittel oder im Rahmen von
Ausflügen usw. Ein einfaches Aufeinandertreffen bzw. Zusammentreffen im täglich Miteinander reicht jedoch zur
Erfüllung des Eingliederungszweckes nicht aus. Schließlich sieht auch § 58 Nr. 1 SGB IX vor, dass die Hilfe zur
Förderung der Begegnung und des Umfangs mit nicht behinderten Menschen geeignet sein muss. Die konkrete
Maßnahme muss darauf gerichtet sein, dass es zu Begegnung und Umgang mit nicht behinderten Menschen kommt.
Sie muss ferner darauf gerichtet sein, dass diese Kontaktaufnahme und Umgangspflege Auswirkungen auch für das
zukünftige Verhalten des Behinderten haben kann. Insofern ist die Forderung des Beklagten richtig, dass in dem
Konzept der begehrten Reise sozialpädagogische Ziele und Zwecke enthalten sein müssen. Es darf an dieser Stelle
nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei der begehrten Eingliederungshilfe gleichwohl um eine
Sozialhilfemaßnahme handelt, dass Sozialhilfe nachrangig ist und dass der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt
werden muss. Bislang sehen die gesetzlichen Regelungen eben keinen Urlaubsanspruch eines Behinderten pro Jahr
oder in einem größeren zeitlichen Intervall vor. Es besteht lediglich Einigkeit, dass bei Verwirklichung des besonderen
Teilhabeformen, die in § 55 - 58 SGB IX beschrieben sind, die Eingliederungshilfe nicht daran scheitert, dass diese
besonderen Ziele der Eingliederungshilfe in Form einer Urlaubsreise erbracht werden.
Das Teilhabeerfordernis des § 58 SGB IX ist hier jedoch nicht ausreichend erfüllt. Urlaub auf Mallorca bleibt eine
besondere Lebenssituation, bei der zweifelhaft ist, ob hierdurch Auswirkungen auf den alltäglichen Bereich verbleiben.
Das fängt bereits mit der Wahl des Verkehrsmittels an. Der Beklagte verweist zu Recht darauf, dass nicht
anzunehmen ist, dass der Kläger durch die konkrete Maßnahme in die Lage versetzt werden wird, einen Flug alleine
durchzuführen. Das Gericht stellt nicht in Abrede, dass ein Flug eine großartige Erfahrung sein kann. Aber wenn damit
nicht auch die Erwartung der Stärkung der Kompetenzen des Behinderten einhergeht, ist der Zweck der
Eingliederungshilfe nicht erfüllt.
Auch dass es im Rahmen eines Badeurlaubs auf einer Urlaubsinsel wie Mallorca zu Kontakten mit nicht Behinderten
kommt, ist anzunehmen. Darin ist aber nicht ohne weiteres eine Förderung der Begegnung und des Umgangs mit
nicht behinderten Menschen zu sehen. Soweit hierfür in der Reisebeschreibung Animationen wie "Boccia spielen am
Strand mit anderen Urlaubern" genannt werden, reicht dies nicht aus. Denn es lässt sich von vornherein nicht sicher
planen, ob es dazu überhaupt kommen wird. Auch stellen die Gegebenheiten während eines sonnigen
Strandaufenthaltes nicht nur für die behinderten Urlauber sondern auch für die nicht behinderten Urlauber eine
besondere Lebenssituation dar. Dabei mag es durchaus sein, dass diese besonderen Umstände die Kontaktaufnahme
zwischen Behinderten und nicht Behinderten erleichtern; das bedeutet aber nicht, dass dadurch nachhaltige Erfolge im
alltäglichen Leben in Deutschland zu erwarten wären. Der Teilhabeaspekt des § 58 Nr. 1 SGB IX hat aber vor allem
die Zielsetzung, dass eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft für behinderte Menschen insbesondere im
täglichen Umgang mit nicht behinderten Menschen besteht. Wo solche Kontakte nicht bestehen, soll die Hilfe daraus
ausgerichtet sein, sie herzustellen (auf diesen Teilhabeaspekt weist auch das Verwaltungsgericht Potsdam in seinem
Urteil vom 28.03.2008, 11 K 2698/04 ausdrücklich hin). Diese Voraussetzung ist nach Auffassung der Kammer in
Anbetracht der konkreten Urlaubsreise nach Mallorca und in Anbetracht der Behinderung des Klägers nicht erfüllt.
Letztlich ist auch bislang nicht bekannt, ob die Reise für den Kläger eine integrative Wirkung gezeigt hat, indem sich
in irgendeiner Art und Weise danach gezeigt hätte, dass aufgrund der Reise zumindest eine Milderung der
vorliegenden behinderungsbedingten Beeinträchtigungen eingetreten wäre.
Das weitere Programm der Reise hat ein übliches Programm vieler Urlaubsreisen zum Gegenstand: sportliche
Aktivitäten, Besichtigungen, Restaurant- und Barbesuche, Strandaufenthalte usw. Davon sind einige von der
Zielrichtung durchaus geeignet, den Teilhabegedanken des § 58 Nr. 2 SGB IX (Hilfen zum Besuch von
Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen) zu
verwirklichen (bspw. Besuch eines Flamencoabends). Allerdings setzt die Verwirklichung dieses Teilhabezwecks
nicht die Durchführung einer vergleichsweisen teuren Reise für fast 1.000,00 EUR voraus. Es ist zwar zutreffend,
dass § 58 Nr. 2 SGB IX nicht regelt und auch nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass nur Unternehmungen
im Nahbereich gefördert werden können (siehe auch VG Potsdam, Urt. v. 28.03.2008, 11 K 2698/04). Im
Umkehrschluss bedeutet es aber auch nicht, dass über § 58 Nr 2 SGB IX der Besuch jeder kulturellen Veranstaltung
den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertige. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Eingliederungshilfe als
Sozialhilfe das Notwendige gewährleisten soll, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Ein Standard, der deutlich über
das hinaus geht, was sich üblicherweise ein Empfänger von Grundsicherungsleistungen oder auch ein Erwerbstätiger
im unteren Einkommensbereich leisten kann, soll damit nicht garantiert sein. Von daher kann die Kammer bei der
Beurteilung der Eingliederungshilfefähigkeit der Urlaubsfahrt die Kosten der Reise nicht außer Acht lassen. Eine
Urlaubsreise von einer Woche für 918,00 EUR ist keine einfache, d.h. kostengünstige Reise. Dabei spielt es keine
Rolle, ob der Preis beispielsweise für das Reiseziel Mallorca noch vergleichsweise günstig wäre. Die Gewährung von
Leistungen in diesem Umfang käme nur dann in Betracht, wenn die Teilhabeaspekte der § 58 Nr. 1 und 2 SGB IX
durch keine andere kostengünstigere Maßnahme zu verwirklichen wäre. Das kann hier aber nicht erkannt werden.
Abgesehen von den regionalen Besonderheiten des Urlaubsziels können die im Programm aufgeführten Punkte auch
an jedem anderen Urlaubsort verwirklicht werden. Insofern ist der Hinweis des Beklagten auf die von ihm angesetzte
Angemessenheitsgrenze von 300,00 EUR nachvollziehbar. Solange Gruppenreisen von behinderten Menschen im
Rahmen dieser Grenze durchgeführt werden können, ist sie beachtlich. Der Umstand, dass dadurch bestimmte
Ferienziele nie erschlossen werden können, weil dort ein Urlaub für 300,00 EUR nicht möglich ist, ist hinzunehmen
und stellt keine Benachteiligung behinderter Menschen dar: Derselben Situation sehen sich nicht behinderte
Menschen mit geringem Einkommen auch ausgesetzt.
Die Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass der Beklagte verpflichtet wäre, wenn schon nicht die Kosten der
gesamten Reise zu übernehmen, dann doch zumindest einen Zuschuss im Rahmen des als angemessenen
erachteten Rahmens zu gewähren (hier: 300,00 EUR). Denn die Frage, ob eine Maßnahme
Eingliederungshilfemaßnahme ist, ist anhand der gesamten Maßnahme zu beurteilen (zumal es sich hier nicht um
eine Ermessensleistung handelt). Der Anspruch auf Förderung einer konkreten Maßnahme besteht oder er besteht
nicht. Wenn eine Fahrt als Eingliederungshilfemaßnahme anzusehen ist, besteht Anspruch auf Übernahme sämtlicher
Kosten der Maßnahme. Eine Teilbarkeit der Maßnahme ist jedenfalls bei einer Urlaubsreise nicht möglich. Da hier die
konkrete Reise nicht die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe erfüllt, war die Beklagte auch nicht verpflichtet,
einen Zuschuss in Höhe ihres im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung üblicherweise Gewährten zu leisten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.