Urteil des SozG Düsseldorf vom 18.10.2006

SozG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, ermächtigung, versorgung, psychotherapeut, zustellung, abrechnung, psychotherapie, umwandlung, fachkunde, beendigung

Sozialgericht Düsseldorf, S 2 KA 164/05
Datum:
18.10.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 2 KA 164/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 11 KA 103/06
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08.09.2005 wird die Beklagte verurteilt,
die Abrechnung des Klägers für das Quartal 4/2004 bis zur Zustellung
des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 01.12.2004
vorzunehmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte
trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist die Durchführung einer Quartalsabrechnung.
2
Der Kläger ist Diplom-Psychologe und als Psychologischer Psychotherapeut approbiert.
Mit Beschluss vom 30.06.1999 ermächtigte ihn der Zulassungsausschuss für Ärzte E -
Bereich Psychotherapie - mit Wirkung vom selben Tage als Psychologischen
Psychotherapeuten bedarfsunabhängig zur Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung in S mit der Auflage, innerhalb von fünf Jahren seine Fachkunde im
Richtlinienverfahren der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie zu ergänzen.
Nachdem der Kläger unter dem 13.06.2004 einen Antrag auf Umwandlung der
Ermächtigung zur Nachqualifikation in eine Zulassung als Psychologischer
Psychotherapeut gestellt hatte, verfügte der Zulassungsausschuss mit weiterem
Beschluss vom 01.12.2004, ausgefertigt und versandt als Bescheid am 17.12.2004, das
Ende der Ermächtigung zur Nachqualifikation zum 30.06.2004. Er habe festgestellt,
dass die eingereichten Fachkundenachweise zur Fachkunde-Erfüllung nicht
ausreichend seien. Einen hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der
Berufungsausschuss für Ärzte - Psychotherapie - mit Beschluss vom 16.03.2005 als
unzulässig zurück. Mit Urteil vom 31.05.2006 - S 00 KA 00/00 - hat das Sozialgericht
Düsseldorf eine hiergegen erhobene Klage abgewiesen, über die Berufung des Klägers
gegen dieses Urteil (L 00 KA 00/00) ist gegenwärtig noch nicht entschieden.
3
Mit Bescheid vom 26.01.2005 lehnte die Beklagte die Durchführung der von dem Kläger
für das Quartal 4/2004 eingereichten Abrechnung ab und behielt das ausstehende
4
Honorar vollständig ein, da die Ermächtigung des Klägers zur Nachqualifikation zum
30.06.2004 geendet habe. Einen Widerspruch des Klägers wies sie mit
Widerspruchsbescheid vom 08.09.2005 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 06.10.2005 erhobene Klage.
5
Der Kläger ist der Ansicht, den erforderlichen Fachkundenachweis tatsächlich
vollumfänglich erbracht zu haben. Zudem sei seine Ermächtigung gemäß § 95 Abs. 11
Satz 5 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in jedem Fall bis
zur Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 01.12.2004 und mithin auch im
Quartal 4/2004 erhalten geblieben. Im Übrigen habe sein Widerspruch gegen den
Beschluss des Zulassungsausschusses aufschiebende Wirkung entfaltet, da die
Widerspruchsbehörde nicht die sofortige Vollziehung angeordnet habe.
6
Der Kläger beantragt,
7
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2005 die Abrechnung für das Quartal
4/2004 vorzunehmen.
8
Die Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Beide Beteiligten beantragen sicherheitshalber,
11
die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
12
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und ist der Ansicht, der
Kläger sei im streitbefangenen Quartal 4/2004 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung weder ermächtigt noch zugelassen gewesen. Seine Ermächtigung habe
mangels Nachweises des erfolgreichen Abschlusses der Nachqualifikation
entsprechend § 95 Abs. 11 SGB V fünf Jahre nach Erteilung der Ermächtigung geendet,
so dass der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 01.12.2004 lediglich
deklaratorischen Charakter habe; dementsprechend habe der hiergegen eingelegte
Widerspruch keine aufschiebende Wirkung. Soweit der Kläger geltend mache, durch die
von ihm eingereichten Unterlagen sei der Nachweis der Nachqualifikation erbracht
worden, sei dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
13
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie
der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
14
Entscheidungsgründe:
15
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf
Durchführung der Quartalsabrechnung 4/2004 bis zur Zustellung des Bescheides des
Zulassungsausschusses aus dessen Sitzung vom 01.12.2004. Soweit die
angefochtenen Bescheide dies ablehnen, sind sie rechtswidrig und beschweren den
Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
16
Der Kläger war bis zur Zustellung des o.g. Bescheides zur
vertragspsychotherapeutischen Versorgung ermächtigt. Aufgrund dieser Ermächtigung
steht ihm ein Anspruch auf Teilhabe an der Verteilung der Gesamtvergütung (§ 85 Abs.
4 SGB V) und damit auf Durchführung der Abrechnung zu.
17
Nach § 95 Abs. 11 Satz 5 SGB V erlischt die Ermächtigung des Psychotherapeuten bei
Beendigung der Nachqualifikation, spätestens fünf Jahre nach Erteilung der
Ermächtigung; sie bleibt jedoch bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses
erhalten, wenn der Antrag auf Umwandlung bis fünf Jahre nach Erteilung der
Ermächtigung gestellt wurde. Letztere Voraussetzungen sind hier gegeben.
18
Der Zulassungsausschuss hatte den Kläger durch Beschluss vom 30.06.1999 mit
Wirkung vom selben Tage als Psychologischen Psychotherapeuten zur Teilnahme an
der vertragsärztlichen Versorgung mit der Auflage ermächtigt, innerhalb von fünf Jahren
seine Fachkunde im Richtlinienverfahren der tiefenpsychologisch fundierten
Psychotherapie zu ergänzen. Nachdem der Kläger - nach Ansicht des
Zulassungsausschusses - eine erfolgreiche Nachqualifikation nicht hat nachweisen
können, endete seine Ermächtigung grundsätzlich am 30.06.2004.
19
Zutreffend weist die Beklagte hierbei darauf hin, dass der Nachweis der erfolgreichen
Nachqualifikation nicht im vorliegenden Abrechnungsstreit mit ihr geführt werden kann.
Zuständig für die Entscheidung, ob der erfolgreiche Abschluss einer Nachqualifikation
nachgewiesen ist, sind allein die Zulassungs- und Berufungsausschüsse als Gremien
der gemeinsamen Selbstverwaltung (§ 95 Abs. 11 Sätze 2 - 5 SGB V). Deren
Beschlüsse sind konstitutiver, statusbegründender Natur und entfalten verbindliche
Wirkung inter omnes (st. Rspr. des BSG; vgl. nur Urteil vom 28.01.1998 - B 6 KA 41/96 R
-), sodass sowohl der Kläger als auch die Beklagte daran gebunden sind.
20
Die grundsätzlich am 30.06.2004 endende Ermächtigung des Klägers blieb vorliegend
allerdings bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses aus dessen Sitzung vom
01.12.2004 erhalten. Denn der Kläger hatte unter dem 13.06.2004 und damit bis fünf
Jahre nach Erteilung seiner Ermächtigung einen Antrag auf Umwandlung seiner
Ermächtigung in eine Zulassung gestellt. Damit sind die Voraussetzungen des eindeutig
formulierten Gesetzeswortlautes des § 95 Abs. 11 Satz 5 SGB V erfüllt. Die
wortlautbezogene Auslegung dieser Vorschrift deckt sich auch mit dem Willen des
Gesetzgebers, wie er aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 95 SGB V (BT-
Drucksache 13/8035, S. 20) hervorgeht. Dort ist ausgeführt: "Spätestens nach fünf
Jahren erlischt die Möglichkeit, im Rahmen dieser Ermächtigung an der
vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Stellt er (der Psychotherapeut) den Antrag
auf Umwandlung der Ermächtigung in eine Zulassung allerdings vor Ablauf dieser Frist,
so bleibt die Ermächtigung bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses erhalten.
Damit wird den Fällen Rechnung getragen, in denen der Zulassungsausschuss trotz
rechtzeitiger Antragstellung vor Ablauf der Fünfjahresfrist nicht entschieden hat.". Zwar
löst diese Erwägung nicht das Problem, dass bei einer Antragstellung am letzten Tage
vor Ablauf der Fünfjahresfrist der Zulassungsausschuss schwerlich noch innerhalb der
Fünfjahresfrist eine Entscheidung wird herbeiführen können. Gleichwohl ist aber
erkennbar, dass der Zulassungsausschuss zu einer zeitnahen Entscheidung bewegt
und der Psychotherapeut, der von dem Ergebnis der Überprüfung seiner zum Nachweis
des erfolgreichen Abschlusses der Nachqualifikation eingereichten Unterlagen durch
den Zulassungsausschuss bis zu dessen Entscheidung naturgemäß keine Kenntnis hat,
bis dahin in seinem Status geschützt werden soll.
21
Einen weiteren Schutz darüber hinaus kann der Psychotherapeut dagegen nicht
beanspruchen. Insbesondere wird ein solcher nicht durch Rechtsmittel gegen die
Entscheidung des Zulassungsausschusses (Widerspruch, Klage, Berufung, Revision)
begründet.
22
Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Das gilt auch
bei feststellenden Verwaltungsakten (§ 86a Abs. 1 SGG). In diesem Sinne stellt der
Beschluss des Zulassungsausschusses vom 01.12.2004 deklaratorisch fest, dass die
Ermächtigung des Klägers zur Nachqualifikation zum 30.06.2005 geendet hatte. Die
aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen diesen Bescheid stellt indes
lediglich eine formale Position dar. Diese erstreckt sich nicht auf die durch § 95 Abs. 11
Satz 5 SGB V materiell-rechtlich angeordnete Rechtsfolge, nach der die Ermächtigung
spätestens mit der Entscheidung des Zulassungsausschusses endet. Vergleichbar mit
der materiellen Rechtslage zu § 95 Abs. 7 SGB V, nach der die Zulassung am Schluss
des Kalendervierteljahres endet, in dem das 68. Lebensjahr vollendet wird (zur
aufschiebenden Wirkung insofern LSG NRW, Beschluss vom 17.05.2005 - L 10 B 10/04
KA ER -), handelt es sich auch bei der Beendigung der Ermächtigung zur
Nachqualifikation um eine gesetzlich zwingend angeordnete Rechtsfolge, an der die
aufschiebende Wirkung nichts ändert. Mit der Zustellung des Beschlusses des
Zulassungsausschusses aus der Sitzung vom 01.12.2004, der als Bescheid am
17.12.2004 ausgefertigt und abgesandt wurde und gemäß § 37 Abs. 2
Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) als am 20.12.2004 bekannt gegeben
gilt, war die Ermächtigung des Klägers endgültig beendet. Nach diesem Zeitpunkt
scheidet eine Abrechnungspflicht der Beklagten somit aus.
23
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2
des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs.
1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da der Kläger nur hinsichtlich der
Abrechnung aus dem kurzen Zeitraum zwischen der Zustellung des Bescheides des
Zulassungsausschusses am 20.12.2004 und dem Quartalsende am 31.12.2004
unterlegen ist, waren der Beklagten die Verfahrenskosten ganz aufzuerlegen (§ 155
Abs. 1 Satz 3 VwGO).
24
Die Kammer hat vorsorglich die Berufung zugelassen, weil der Wert des
Beschwerdegegenstandes im Zeitpunkt der Entscheidung nicht sicher festzustellen war
und die Kammer der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Nr.
1 SGG).
25