Urteil des SozG Düsseldorf vom 22.03.2005

SozG Düsseldorf: krankenversicherung, ärztliche behandlung, öffentlich, leistungserbringer, vertragsarzt, zahlungsaufforderung, verwaltungsakt, mahngebühr, einzug, rechtsgrundlage

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Sozialgericht Düsseldorf, S 34 KR 269/04
22.03.2005
Sozialgericht Düsseldorf
34. Kammer
Urteil
S 34 KR 269/04
Krankenversicherung
rechtskräftig
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10 Euro zu zahlen. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt 1/5 der
außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Im Übrigen sind
außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung der sogenannten Praxisgebühr streitig.
Der 1956 geborene Beklagte ist bei der Beigeladenen, einer Betriebskrankenkasse, mit
Anspruch auf Sach- oder Dienstleistungen krankenversichert. Am 02.04.2004 nahm er
erstmals in diesem Quartal einen an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden
Arzt in Anspruch, indem er sich beraten und behandeln ließ, ohne eine Zuzahlung zu
leisten. Zu diesem Zeitpunkt war die Belastungsgrenze gemäß § 62 Buch V des
Sozialgesetzbuches - SGB - V nicht erreicht. Die Leistungen des Arztes wurden auf der
Grundlage der Gesamtverträge nach den §§ 82, 83 SGB V erbracht. Dem Beklagten wurde
nach erfolgloser Aufforderung zur Zahlung der Zuzahlung in Höhe von 10 Euro am
gleichen Tag in der Praxis des Arztes eine schriftliche Zahlungsaufforderung übergeben,
mit der Bitte, seiner (gesetzlichen) Zahlungsverpflichtung in Höhe von 10 Euro bis zum
13.04.2004 nachzukommen. Mit Schreiben vom 06.07.2004 teilte die Klägerin, eine
Kassenärztliche Vereinigung, deren Mitglied der behandelnde Arzt ist, dem Beklagten mit,
dass das Recht zum Zahlungseinzug auf sie übergegangen wäre. Sie machte die
Praxisgebühr in Höhe von 10 Euro zuzüglich 2 Euro Mahngebühr und 1,10 Euro
Portokosten gegenüber dem Beklagten geltend und forderte ihn auf, den Betrag in Höhe
von 13,10 Euro innerhalb von 2 Wochen auf ein angegebenes Konto zu überweisen. Da
der Beklagte dieser Zahlungsaufforderung nicht Folge leistete, hat die Klägerin am
09.08.2004 Klage erhoben. Die Klägerin ist der Meinung, dass der Beklagte gemäß § 28
Abs. 4 SGB V zur Zahlung der Zuzahlung in Höhe von 10 Euro verpflichtet ist und dass sie
berechtigt ist, die Forderung geltend zu machen. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass ihr
gemäß § 18 Abs. 4, 5 des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) analog bzw. nach
allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen ein Anspruch auf Zahlung der geltend
gemachten Mahngebühr und Portokosten zusteht.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 12,55 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, dass er nicht in der Lage sei, die streitige Forderung zu
zahlen. Er trägt vor, über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.000,- Euro zu
verfügen.
Die Beigeladene schließt sich der Auffassung der Klägerin an.
Entscheidungsgründe:
Obgleich für den Beklagten niemand erschienen ist, konnte die Kammer verhandeln und
entscheiden, denn den Beteiligten ist unter Hinweis auf diese Möglichkeit der Termin zur
mündlichen Verhandlung am 22.03.2005 mitgeteilt worden (vgl. §§ 110 Abs. 1, 126
Sozialgerichtsgesetz - SGG - ).
Die Klage ist zulässig.
Der Sozialrechtsweg ist gegeben. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2. 1.Halbsatz 1. Alternative SGG
entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Streitig ist, ob der Kläger als
Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zur Zahlung der Zuzahlung gemäß § 28
Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 61 Satz 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung
der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (GKV-Modernisierungsgesetz-
GMG BGBl 2003 I, 2190) verpflichtet ist. Das GKV-Modernisierungsgesetz-GMG hat ab
2004 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherten die sogenannte Praxisgebühr
eingeführt. Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 61 Satz 2 SGB V hat jeder Versicherte,
soweit er das 18. Lebensjahr vollendet hat, je Kalendervierteljahr für jede erste
Inanspruchnahme eines Vertrags(zahn)arztes oder Vertragspsychotherapeuten - soweit sie
nicht einer vertragsärztlichen Überweisung aus demselben Quartal folgt - eine Zuzahlung
von 10 Euro an den Leistungserbringer zu zahlen. Insofern ist die Natur des
Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, öffentlich-rechtlicher
Natur (vgl. BSG SozR 3-4100 § 155 Seite 5 f; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7.
Auflage 2002, § 51 RdNr. 40 f). Die dem Beklagten vom Gesetzgeber auferlegte
Verpflichtung gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V gehört zu den Rechtsvorschriften des
Sozialversicherungsrechts, der Beklagte ist mithin einer öffentlich-rechtlichen Forderung
ausgesetzt (vgl. BSG SozR 1500 § 149 Nr. 11 Seite 13). Durch die Schaffung einer
Rechtsgrundlage für die Erhebung einer sogenannten Praxisgebühr beabsichtigte der
Gesetzgeber, dass die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung einen
zusätzlichen Beitrag zur Konsolidierung der Finanzen der gesetzlichen
Krankenversicherung leisten (vgl. Begründung des Gemeinsamen Entwurfs zum GMG, BT-
Drucks 15/1525 Seite 83 zu Nr. 15 zu Buchstabe b). Mithin liegt auch eine hoheitlich
auferlegte öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Versicherten vor. Der öffentlich-rechtlichen
Natur dieser Verpflichtung steht nicht entgegen, dass die Praxisgebühr gemäß § 43 b Abs.
2 Satz 1 1. Halbsatz SGB V vom Leistungserbringer (Vertragsarzt) einzubehalten ist. Denn
hierdurch werden keine privat-rechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen Versichertem
und Vertragsarzt begründet (vgl. KassKomm Höfler § 43 b SGB V RdNr. 11). Gemäß § 43 b
Abs. 2 Satz 1 2.Halbsatz SGB V verringert sich entsprechend dem Zuzahlungsbetrag der
Vergütungsanspruch des Vertragsarztes gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung.
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Damit kommt das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Verfahren faktisch einem
Honorarvorschuss gleich (Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.03.2004 - S 19 KA 5/04 -;
vgl. Schmidt in: Peters SGB V § 43 b RdNr. 58). Weil der Arzt, der im Rahmen von
Gesamtverträgen (§§ 82 f SGB V) tätig wird, gegenüber der Krankenkasse keinen direkten
Vergütungsanspruch hat, wird in diesem Fall die Pflicht der Krankenkasse zur Einziehung
der Praxisgebühr gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 3 SGB V ausgeschlossen (vgl. BT-Drucks
15/1525 Seite 91 zu Nr. 34). Dabei handelt der die Praxisgebühr einziehende Arzt insoweit
im Interesse und zugunsten der Krankenkasse (Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 08.06.2004 - L 11 KR 1224/04).
Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Sie ist berechtigt, die Zahlung der streitigen
Forderung an sich zu verlangen. Diese Berechtigung ergibt sich aus § 43 b Abs. 2 Satz 4
SGB V i.V.m. § 18 Abs. 5 BMV-Ä. Gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 1 1.Halbsatz SGB V hat der
Leistungserbringer Zahlungen einzubehalten, die Versicherte nach § 28 Abs. 4 SGB V zu
entrichten haben. Gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 4 SGB V ist das Nähere zum Verfahren in den
Bundesmantelverträgen, deren Inhalt Bestandteil der Gesamtverträge ist (§ 82 Abs. 1 Satz
2 SGB V), zu vereinbaren. Hierzu haben die Vertragsparteien des BMV-Ä, zu denen u.a.
der Bundesverband der Beigeladenen gehört, in § 18 Abs. 4 und 5 Folgendes vereinbart:
Soweit die Zuzahlung gemäß Abs. 3 nicht vor der Behandlung entrichtet wurde, zieht der
Vertragsarzt diesen Betrag nachträglich ein und quittiert die geleisteten Zahlungen. Der
Versicherte ist verpflichtet, die Zuzahlung unverzüglich, spätestens innerhalb von 10
Tagen, zu entrichten. Die ggfs. entstehenden Portokosten für eine schriftliche
Zahlungsaufforderung stellt der Vertragsarzt dem Versicherten in Rechnung (§ 18 Abs. 4
BMV-Ä). Leistet der Versicherte trotz einer schriftlichen Zahlungsaufforderung innerhalb der
vom Arzt gesetzten Frist nicht, übernimmt die für den Arzt zuständige Kassenärztliche
Vereinigung für den Vertragsarzt und die Krankenkassen den weiteren Zahlungseinzug.
Die Kassenärztliche Vereinigung fordert den Versicherten schriftlich mit Fristsetzung erneut
zur Zahlung auf. Zahlt der Versicherte wiederum nicht, führt die Kassenärztliche
Vereinigung Vollstreckungsmaßnahmen durch. Bleibt die Vollstreckungsmaßnahme
erfolglos, entfällt die Verrechnung dieser Zuzahlung mit der Gesamtvergütung. Die
Krankenkasse erstattet in diesem Fall der Kassenärztlichen Vereinigung die
nachgewiesenen Gerichtskosten zuzüglich einer Pauschale von 4 Euro (§ 18 Abs. 5 BMV-
Ä).
Indem der Gesetzgeber die Partner der Bundesmantelverträge gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 4
SGB V ermächtigt hat, dass Nähere zum Verfahren des Einzugs der Praxisgebühr in den
Bundesmantelverträgen zu vereinbaren, waren diese auch ermächtigt, eine Regelung
dahingehend zu treffen, dass bei einer Verweigerung der Zahlung der Praxisgebühr durch
den Versicherten an den Leistungserbringer weitere Eintreibungs- bzw.
Vollstreckungsmaßnahmen durch die Kassenärztliche Vereinigung durchzuführen sind. Im
Übrigen hat der Gesetzgeber einen Zahlungseinzug durch die Krankenkassen im Fall der
Leistungserbringung und Abrechnung im Rahmen von Gesamtverträgen nach den §§ 82
und 83 SGB V ausdrücklich ausgeschlossen (§ 43 b Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2
SGB V). Indem die Klägerin durch § 18 Abs. 5 Satz 3 BMV-Ä, also aufgrund eines
Normenvertrages ermächtigt war, nach erfolgloser Zahlungsaufforderungen mit
Fristsetzungen durch den behandelnden Arzt und sie selbst Vollstreckungsmaßnahmen
durchzuführen, ist sie damit auch berechtigt, die Praxisgebühr im Klageweg geltend zu
machen. Damit ist die Klägerin insoweit auch prozessführungsbefugt (vgl. BSGE 10, 131,
133 f.). Da die Einziehung der Praxisgebühr im Interesse und zugunsten der Beigeladenen
erfolgt und die eingezogenen Beträge wirtschaftlich weder dem behandelnden Arzt noch ihr
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selbst zugute kommen, kann die Klägerin die Klageforderung im Wege der gesetzlichen
Prozessstandschaft geltend machen (vgl. BSGE 10, 131, 133 f.).
Die Klägerin darf die Forderung auch im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend
machen. Nach § 54 Abs. 5 SGG kann bei Bestehen eines Rechtsanspruchs Verurteilung zu
einer Leistung auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen
hatte. Zwar fehlt einer Leistungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, wenn das
Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt geregelt werden kann, weil die Regelung durch
Verwaltungsakt der Verwaltung in der Regel einen einfacheren, schnelleren und billigeren
Weg bietet, ihre Vorstellungen durchzusetzen (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 22; SozR 1300 §
50 Nr. 17 Seite 39; BSGE 3, 135, 140 f; BSGE 6, 97, 98 f). Die Klägerin ist jedoch nicht
berechtigt, ihre Forderung gegenüber dem Beklagten durch Verwaltungsakt geltend zu
machen. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 43 b Abs. 2 Satz 1 1.Halbsatz SGB V die
Einbehaltungsverpflichtung als Einzugsermächtigung des Leistungserbringers
(Vertragsarzt) begründet (vgl. BT-Drucks 15/1525 Seite 91 zu Nr. 34; KassKomm-Höfler
a.a.O. § 43 b RdNr. 11; Schmidt in: Peters a.a.O. § 43 b RdNr. 45); diese Rechtsposition
geht nach erfolgloser Zahlungsaufforderung nach Ablauf einer Zahlungsfrist gemäß § 18
Abs. 5 BMV-Ä auf die Kassenärztliche Vereinigung über. Mit der Verpflichtung zum Einzug
der Praxisgebühr ist dem Leistungserbringer jedoch nicht gemäß § 43 a Abs. 2 Satz 1
1.Halbsatz SGB V die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gegenüber dem Versicherten
im Rahmen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses übertragen worden (vgl. BSG
SozR 4100 § 145 Nr. 1). Der Gesetzgeber hat vielmehr lediglich die "Obliegenheit" des
Leistungserbringers zum Zahlungseinzug begründet (KassKomm-Höfler a.a.O.; vgl.
Schmidt a.a.O.). Zwar wird hinsichtlich der Entscheidung über die konkrete ärztliche
Behandlung, der Festlegung zukünftiger Behandlungsschritte sowie der Verordnung von
Arznei-, Heil-, und Hilfsmitteln davon ausgegangen, dass der Vertragsarzt das
Rahmenrecht des einzelnen Versicherten als ein mit öffentlich-rechtlicher Rechtsmacht
"beliehener" Verwaltungsträger anstelle der Krankenkasse konkretisiert (BSG 73, 271, 278
ff.; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 12 Seite 59). Eine derartig umfassende Befugnis wird jedoch
mit der Verpflichtung zum Einzug der Praxisgebühr nicht begründet, sodass der
Leistungserbringer insbesondere nicht ermächtigt wurde, diese Zuzahlung durch
Verwaltungsakt (§ 31 BSG X) gegenüber dem Versicherten geltend zu machen. Dabei ist in
diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Entscheidungskompetenz über die
Verpflichtung zur Zuzahlung des Versicherten dem Grunde nach (z.B. bei einem Antrag auf
Befreiung) weiterhin bei der Krankenkasse verbleibt (vgl. Urteil des LSG Baden-
Württemberg a.a.O.). Da die Kassenärztliche Vereinigung nach erfolgloser
Zahlungsaufforderung durch den Leistungserbringer dessen gesetzlich geregelte
Verpflichtung zum Zahlungseinzug entsprechend den Regelungen des § 18 Abs. 5 BMV-Ä
übernimmt, war auch die Klägerin nicht berechtigt, die streitige Forderung durch
Verwaltungsakt gegenüber dem Beklagten festzusetzen.
Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
Der Beklagte ist verpflichtet, die Zuzahlung gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V i.V.m. § 61
Satz 2 SGB V in Höhe von 10 Euro zu leisten. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 SGB
V liegen unstreitig vor. Der Beklagte, der älter als 18 Jahre ist, hat am 02.04.2004 ärztliche
Leistungen in Anspruch genommen, ohne für diese erste Inanspruchnahme im zweiten
Quartal 2004 eine Zuzahlung geleistet zu haben. Dieser Verpflichtung steht nicht entgegen,
dass der Beklagte trotz eines verfügbaren monatlichen Nettoeinkommens in Höhe von ca.
1.000 Euro andere Zahlungsverpflichtungen bzw. das Bestreiten seines Lebensunterhaltes
für vorrangig hält. Insbesondere bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken
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gegen die vom Gesetzgeber begründete Pflicht zur Zahlung der Praxisgebühr (vgl. Linke,
NZS 2004, 186, 187). Insoweit wird auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung
davon ausgegangen, dass selbst von Sozialhilfeempfängern, die Mitglieder der
gesetzlichen Krankenversicherung sind, die Zuzahlungen zur gesetzlichen
Krankenversicherung nach den Neuregelungen des GMG ab 01.04.2004 aus dem ihnen
gewährten Regelsatz bis zu der gesetzlichen festgelegten Belastungsgrenze zu leisten
waren, ohne dass insoweit ein Anspruch auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe aus
Sozialhilfemitteln bestand (vgl. Beschlüsse des Hess. VGH ZFSH/SGB 2004, 487 und des
Oberverwaltungsgerichts Lüneburg NJW 2004, 1817). Da der Beklagte schriftlichen
Zahlungsaufforderungen mit Fristsetzungen des behandelnden Arztes und der Klägerin
nicht nachkam, war die Klägerin gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 4 SGB V i.V.m. § 18 Abs. 5
BMV-Ä berechtigt, die Zuzahlungsforderung gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.
Im Übrigen war die Klage insoweit als unbegründet abzuweisen, als die Klägerin
gegenüber dem Beklagten eine Mahngebühr in Höhe von 2 Euro sowie Portokosten in
Höhe von 0,55 Euro geltend gemacht hat.
Gemäß § 31 SGB I dürfen Rechte und Pflichten in Sozialleistungsbereichen dieses
Gesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein
Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Insoweit sehen weder das SGB IV noch das SGB V
Ansprüche gegenüber Versicherten auf Kosten- bzw. Schadensersatz vor. Allein in § 24
SGB IV ist eine Rechtsgrundlage für einen standardisierten Mindestschadensausgleich bei
einem Verzug des Versicherten mit Beitragszahlungen geschaffen worden. Ein derartiger
Anspruch kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus allgemeinen
zivilrechtlichen Bestimmungen (z.B. gemäß § 280 Abs. 1, 2 i.V.m. § 286 Bürgerliches
Gesetzbuch - BGB) - hergeleitet werden. Denn für die Begründung von Pflichten der
gesetzlich Krankenversicherten sind allein die Regelungen des SGB maßgeblich. So hat
der Gesetzgeber mit den Regelungen der §§ 69 Satz 3 SGB V, 61 Satz 2 SGB X
klargestellt, dass eine ergänzende Anwendung des BGB nur in den dort aufgeführten
Fallkonstellationen (Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern,
öffentlich-rechtlicher Vertrag) in Betracht kommt. Der Gesetzgeber hat mit § 69 SGB V
klarstellen wollen, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den
Leistungserbringern ausschließlich dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind und die
ergänzende Heranziehung der Vorschriften des BGB voraussetzt, dass dies mit den
Vorgaben des SGB V vereinbar ist (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom
04.11.2004 - L 5 KR 161/03 unter Verweis auf BT-Drucks 14/1245, Seite 68). Im Übrigen
schließen Sinn und Zweck dieser Regelung eine generelle Anwendung der Regeln des
BSG in allen Fällen aus, in denen das SGB V keine ausdrückliche (andere) Regelung trifft
(Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Schließlich ergibt sich der Anspruch auf
Zahlung von einer Mahngebühr und den Ersatz von Portokosten nicht aus § 18 BMV-Ä. Im
Übrigen wären die Vertragspartner des BMV-Ä auch zur Begründung eines derartigen
Anspruchs nicht ermächtigt, da gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 4 SGB V nur die Einzelheiten
des Verfahrens zum Einzug der Praxisgebühr vereinbart werden sollten. Dies schließt aber
die Ermächtigung zur Begründung weiterer über die Praxisgebühr hinausgehender
Zahlungsansprüche aus. Schließlich regelt § 64 Abs. 1 SGB X, dass für Verfahren bei den
Behörden nach diesem Gesetzbuch keine Gebühren und Auslagen erhoben werden. Auch
hieraus ergibt sich die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, dass sowohl das
Verwaltungs- als auch das Widerspruchsverfahren für den Versicherten kostenfrei sein
sollen, er mithin auch nicht in pauschalierter Form an den Kosten der Tätigkeit einer
Behörde beteiligt werden soll. Gleiches gilt gemäß §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 4 SGG für das
sozialgerichtliche Verfahren. Nichts anderes kann für die Tätigkeit des Leistungserbringers
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bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Geltendmachung der Praxisgebühr zu
Gunsten der Krankenkasse ausserhalb eines förmlichen Vollstreckungsverfahrens gelten
(vgl. insoweit §§ 3 Abs. 3, 19 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.