Urteil des SozG Düsseldorf vom 08.02.2007

SozG Düsseldorf: vorbehalt des gesetzes, anerkennung, altersrente, befreiung, gerichtsakte, beitragszeit, stadt, danzig, aufenthalt, rechtskraft

Sozialgericht Düsseldorf, S 26 R 440/05
Datum:
08.02.2007
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 26 R 440/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 4 R 45/07
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu
erstatten.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt die rentensteigernde Neufeststellung seiner Rente, unter
Anerkennung von weitergehenden Entgeltpunkten (bzw. früher Werteinheiten) für eine
Beitragszeit im Ghetto Lodz; die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Grund für eine
Neufeststellung der dem Grunde nach unstreitigen Beitragszeiten für das Ghetto Lodz
nicht bestehe.
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Der am 00.00.1923 in M geborene Kläger ist Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes. Er
arbeitete vom Januar 1940 bis einschließlich Juni 1944 im Ghetto von Lodz als Arbeiter.
Danach war er in Konzentrations- bzw. Zwangsarbeitslagern bis zu seiner Befreiung in
1945. Später kam er in das DP-Lager Landsberg und später Feldafing nach seinen
Angaben (Bl. 50 der Verwaltungsakte der Beklagten) und wanderte 1948 nach Israel
aus.
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Auf seinen Rentenantrag vom 30.12.1990 hin erhält der Kläger von der Beklagten mit
dem Rentenbescheid vom 07.01.1998 in der Gestalt des abändernden
Rentenbescheides vom 08.07.1998 (Bl. 131 ff, 163 ff der Verwaltungsakte)
Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung (in der Fassung
bis 31.12.1991), aufgrund eines Versicherungsfalles vom 10.12.1988. Die Rente
begann dem Grunde nach am 01.01.1989, mit Zahlungsanspruch aus nachentrichteten
Beiträgen erst ab dem 01.01.1991 (Bl. 163 der Verwaltungsakte). Bei der Berechnung
der Rente hat die Beklagte für die glaubhaft gemachte Arbeitszeit im Ghetto Lodz
Rentenversicherungspflichtbeiträge im Zeitraum vom 01.01.1940 bis 30.06.1944
berücksichtigt, und zwar zu 5/6, und dafür entsprechende Werteinheiten nach den
Vorschriften der RVO ermittelt, sowohl in dem ursprünglichen Rentenbescheid vom
07.01.1998 wie auch in dem weiteren Rentenbescheid vom 08.07.1998.
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07.01.1998 wie auch in dem weiteren Rentenbescheid vom 08.07.1998.
Am 28.06.2003 beantragte der Kläger durch seine Bevollmächtigte die Überprüfung der
bisherigen Rentenzahlung bzw. Rentenbescheide.
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Soweit es das hiesige Klageverfahren angeht (der Streit um Überprüfung auch von
weitergehenden Ersatzzeiten vor Dezember 1939 ist von der Kammer inzwischen mit
Beschluss vom 04.02.2005 abgetrennt worden, Bl. 19 f der Gerichtsakte), trug der Kläger
vor, die Entgeltpunkte für Ghetto-Beitragszeiten seien in vollem Umfang zu
berücksichtigen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.01.2004 lehnte die Beklagte
die Neufeststellung der bisherigen Rente ab, auch in Bezug auf die Werte für die Ghetto-
Zeiten. Gründe für eine Neufeststellung nach § 44 SGB X lägen nicht vor. Im Einzelnen
führte sie aus, das ZRBG selbst treffe keine Regelung über die Neufeststellung einer
bereits gezahlten Rente. Deshalb würden die allgemeinen Grundsätze des § 306 Abs. 1
SGB VI gelten. Nach dieser Vorschrift werde aus Anlass der Rechtsänderung eine
Rente nicht neu festgestellt, wenn der Anspruch auf Leistung bereits vor dem Zeitpunkt
der Rechtsänderung bestanden habe. Der Kläger erhalte bereits ein Altersruhegeld mit
Rentenbeginn dem Grunde nach ab 01.01.1989. Da der Rentenbeginn vor Inkrafttreten
des ZRBG liege, sei die eingetretene Rechtsänderung kein Grund für die
Neuberechnung der Rente. Eine Anrechnung der Ghetto-Arbeitszeiten in vollem
Umfang könne nicht erfolge, weil der Rentenbeginn vor dem 01.01.1992 gelegen haben.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 06.02.2004 Widerspruch ein. Er
begründete ihn damit, dass die Beklagte sich zur Ablehnung weitergehender Bewertung
der Ghettozeiten nicht auf § 306 SGB VI berufen könne. Das ZRBG verbiete nicht die
Neufeststellung einer bisherigen Rente. Er vertiefte seine Argumente mit Schriftsatz
seiner Bevollmächtigten vom 17.05.2004, auf den Bezug genommen wird.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück
und blieb bei ihrer Auffassung, die sie noch ausführlicher begründete. Auf den Inhalt des
Widerspruchsbescheides wird gemäß § 136 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
Bezug genommen.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 22.07.2004 Klage zum Sozialgericht
Düsseldorf erhoben.
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Er hat die sich auf die Ghettozeiten beziehende Klage unter Vertiefung seines
bisherigen Vorbringens zunächst damit begründet, dass die Beklagte sich zur
Ablehnung einer günstigeren Bewertung der Ghetto-Beitragszeiten nicht auf § 306 SGB
VI berufen könne.
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Das Verfahren hat zunächst geruht, um Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu §
306 SGB VI abzuwarten.
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Die Beklagte macht nun, nachdem diese Entscheidungen des Bundessozialgerichts
vom 03.05.2005 (B 13 RJ 34/04 R u. a.) vorliegen, geltend, sie ändere zwar teilweise
ihre Rechtsauffassung zu § 306 SGB VI und sehe in bestimmten Fällen dem Grunde
nach auch ein potenziellen Neufeststellungsgrund in der Geltendmachung von
Beitragszeiten in einem Ghetto bzw. nach dem ZRBG. Gleichwohl komme es hier nicht
zu einer dem Kläger günstigeren Bewertung seiner Rentenleistungen. Denn sie habe
schon mit den ursprünglichen Rentenbescheiden Pflichtbeitragszeiten im Ghetto Lodz
auch mit Werteinheiten berücksichtigt, und diese auch nach Maßgabe der gesetzlichen
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Bestimmungen in die Rentenberechnung einfließen lassen. Die Beiträge seien zwar nur
zu 5/6 berücksichtigt worden, doch habe dies den damals anzuwendenden gesetzlichen
Vorschriften entsprochen und das ZRBG treffe keine Regelung, dass schon früher
anerkannte und auch bewertete Ghetto-Beitragszeiten nun erstmals oder rückwirkend in
vollem Umfang (also zu 6/6) bei der Ermittlung von Werteinheiten oder von
Entgeltpunkten zu berücksichtigen seien. Eine Rentensteigerung ergebe sich daher
nicht, der Kläger sei nicht beschwert.
Der Kläger begründet die Klage nun ergänzend damit, dass das ZRBG keine zeitliche
Begrenzung seiner Wirkung kenne. Auch die Entscheidungen des Bundessozialgerichts
vom 03.05.2005 ließen nicht erkennen, dass Altfälle nochmals durch einen zeitlichen
Schnitt (31.12.1991/01.01.1992) zu unterteilen wären. Die Beklagte verkenne, dass hier
nicht um eine Neuberechnung über § 44 SGB X gestritten werde, sondern um eine
Berechnung nach dem ZRBG, das erst nach 1991 in Kraft getreten sei, so dass die
Neuberechnung nach diesem Gesetz zu erfolgen habe und nicht nach dem Recht, dass
dem Erstbescheid folge. Die Neuberechnung der Rente werde nicht über § 44 SGB X
verlangt, sondern über § 48 SGB X, und zwar aufgrund veränderter Rechtslage durch
das ZRBG. Infolge dessen finde auch § 44 Abs. 4 SGB X keine Anwendung mit der
Folge, dass die neu festzustellende Rente bereits ab dem 01.07.1997 zu beginnen
habe.
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Der Kläger beantragt mit Schriftsatz vom 02.01.2007,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.01.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24.06.2004 zu verurteilen, den Rentenbescheid vom
07.01.1998 in der Gestalt des Rentenbescheides vom 08.07.1998 nach § 48 SGB X
dahingehend abzuändern, dass die Beitragszeit vom 01.01.1940 bis 30.06.1944 unter
Berücksichtigung des ZRBG zu 6/6 angerechnet und bewertet wird, und die Beklagte
dementsprechend eine erhöhte Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen
ab dem 01.01.1997 zu zahlen hat.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Schriftsätze seit dem 28.11.2005. Insbesondere
macht sie geltend, hier würden keine anderen Beitragszeiten zur Anerkennung begehrt
als die schon anerkannten Beitragszeiten im Ghetto Lodz. Da im Falle einer
Neufeststellung der Rente des Klägers das vor 1992 geltende Recht der
Reichsversicherungsordnung zur Anwendung käme, könnten glaubhaft gemachte
Zeiten lediglich zu 5/6 berücksichtigt werden wie bereits anerkannt. Das gelte
unabhängig davon, ob die Zeiten nach dem ZRBG oder nach dem FRG bzw. nach
reichsgesetzlichen Vorschriften angerechnet würden. Entgegen der Auffassung des
Klägers sehe das ZRBG keine 6/6-Anrechnung vor, sondern regele lediglich die
Anrechnung der Zeiten nach dem ZRBG wie Beitragszeiten außerhalb der heutigen
Bundesrepublik. Solche Zeiten seien nach den früheren Vorschriften - sofern sie wie
auch hier vorliegend nur glaubhaft gemacht wurden - nach § 13 WGSVG in Verbindung
mit § 22 FRG in den alten Fassungen lediglich zu 5/6 zu berücksichtigen. Selbst wenn
man der Auffassung des Klägers folgen wolle, dass § 2 ZRBG eine
Anspruchsgrundlage für die Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten darstelle, enthalte
diese Vorschrift aber keinerlei Aussage zum Umfang der Anrechnung, so dass auch
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nach § 2 ZRBG keine Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten zu 6/6 möglich wäre.
Deshalb komme es hier auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen des
Bundessozialgerichts vom 03.05.2005 nicht zu einer Neufeststellung, ein
Neuberechnungsgrund ergebe sich auch unter Berücksichtigung dieser
Entscheidungen hier nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den
Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
war Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Kammer konnte in Abwesenheit der Bevollmächtigten des Klägers in der
mündlichen Verhandlung entscheiden, weil diese in der Terminsmitteilung, die durch
Zustellung ordnungsgemäß am 04.01.2007 bewirkt wurde, auf diese
Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127
des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
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Zu entscheiden hatte die Kammer hier nur über die Frage, ob die bisherige Rente des
Klägers wegen der Ghetto-Beitragszeiten höher zu bewerten bzw. neu festzustellen ist,
da der Rechtsstreit wegen Anerkennung weiterer Ersatzzeiten vor Dezember 1939 mit
dem bindenden Beschluss vom 04.02.2005 abgetrennt worden ist; mit der Abtrennung
hat sich der Kläger auch einverstanden erklärt mit Schriftsatz vom 12.01.2005. Die
abgetrennte Klage hat das Sozialgericht Düsseldorf inzwischen mit Gerichtsbescheid
vom 12.05.2005 (S 00 R 00/00) abgewiesen; dagegen ist zur Zeit noch ein
Berufungsverfahren beim Landessozialgericht NRW (L 00 R 000/00) anhängig.
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Die Klage - bezüglich der hier streitigen weitergehenden Bewertung von Ghetto-
Beitragszeiten - ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht
erhoben.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der
Beklagten, nämlich der Bescheid vom 21.01.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24.06.2004, sind nicht rechtswidrig und beschweren den
Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu
Recht die Neufeststellung der bisherigen Rentenleistungen des Klägers wegen seiner
Ghetto-Beitragszeiten abgelehnt hat und es zu Recht abgelehnt hat, den
Rentenbescheid vom 07.01.1998 in der Gestalt des Rentenbescheides vom 08.07.1998
nach § 44 SGB X oder nach § 48 SGB X abzuändern bzw. aufzuheben. Der
dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit
nicht zu entsprechen.
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Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass die ihm bereits zufließende
Leistung aus der Rentenversicherung in Bezug auf Ghetto-Beitragszeiten neu
festgestellt bzw. abgeändert wird. Es kann dahin stehen, ob zur Geltendmachung des
streitbefangenen Anspruchs § 48 SGB X wegen veränderter rechtlicher Verhältnisse -
wie von der Bevollmächtigten des Klägers geltend gemacht - herangezogen wird oder §
44 SGB X, wie die Beklagte bisher angenommen hat. Denn einer Neufeststellung steht
hier in jedem Fall § 306 Abs. 1 SGB VI - welche spezialgesetzliche Norm zu prüfen ist,
wenn eine Rente nach neueren Rechtsvorschriften neu festgestellt werden soll -
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entgegen. Danach gilt nämlich: "Bestand Anspruch auf Leistung einer Rente vor dem
Zeitpunkt einer Änderung rentenrechtlicher Vorschriften, werden aus Anlass der
Rechtsänderung die einer Rente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte nicht
neu bestimmt, soweit nicht in den folgenden Vorschriften etwas anderes bestimmt ist".
Zur Neufeststellung beruft sich der Kläger auf Vorschriften des ZRBG bzw. auf
Rechtsänderungen, die erst durch das ZRBG nach Rentenbeginn ausgelöst werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich hier auch unter Berücksichtigung der
Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 03.05.2005 (B 13 RJ 34/04 R - B 13 RJ
35/04 R - und B 13 RJ 43/04 R) kein Neufeststellungsgrund, weil das hier zu
beurteilende Verfahren anders gelagert ist als die vom Bundessozialgericht oben
genannten entschiedenen Verfahren. Dort kam es nämlich nach Auffassung des
Bundessozialgerichts nur deshalb nicht zur Anwendung von § 306 Abs. 1 SGB VI, weil
das Bundessozialgericht es als unbillig und benachteiligend empfand, dass
"Vorkämpfer" für die Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten bisher nur ganz
geringfügige "Mini-Renten" bekamen; Mini-Renten deshalb, weil die Ghetto-Zeiten für
die Berechnung der Auslandsrente wertmäßig praktisch nicht herangezogen wurden,
weil es sich nicht im Geltungsbereich der RVO zurückgelegte Beitragszeiten handelte.
Nach damaligem Recht waren diese Zeiten für ins Ausland zu zahlende Renten nicht
berücksichtigungsfähig, so das Bundessozialgericht in den oben genannten
Entscheidungen. Infolgedessen erhielten diese Kläger Renten von zunächst nur etwa
3,90 DM pro Monat und höhere Renten erst nach Nachentrichtung von Beiträgen. Im
Falle des Klägers liegt es jedoch anders, wie sich aus den Bescheiden der Beklagten
vom 07.01.1998 und 08.07.1998 ergibt. Danach wurden nämlich schon im Erstbescheid
vom 07.01.1998 die Ghetto-Zeiten mit entsprechenden Werteinheiten nach den
damaligen Vorschriften der RVO berücksichtigt, also auch wertmäßig. Beispielsweise
sollte schon nach diesem ersten Rentenbescheid für Juli 1995 ein Betrag von 246,43
DM zur Auszahlung kommen (Bl. 133 Rückseite der Verwaltungsakte), also keine "Mini-
Rente". Zwar steigerte sich durch die Nachentrichtung der Beiträge mit dem zweiten
Rentenbescheid die für Juli 1995 zustehende Rente auf 2.133, 90 DM (Bl. 167 der
Verwaltungsakte), doch ändert dies nichts daran, dass schon die ursprünglich
vorgesehene Rente auch ohne Nachentrichtung von Beiträgen nicht nur geringfügiger
Art war. Offenbar anders als bei den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen hat
nämlich hier sich zu Gunsten des Klägers § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 WGSVG
ausgewirkt. Danach können Verfolgte die Rente erhalten wie die Verfolgten, die einen
gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, und gleichgestellt
sind nach § 18 Abs. 2 WGSVG Verfolgte, die nach dem 08. Mai 1945 und vor dem
01.Januar 1950 das Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31.12.1937
oder das Gebiet der Freien Stadt Danzig verlassen haben. Wie sich aus dem Inhalt der
Verwaltungsakte der Beklagten ergibt, z. B. Blatt 50, hielt der Kläger sich nach seiner
Befreiung bis zu einem nicht mehr geklärten Zeitpunkt in 1948 in DP-Lagern in
Landsberg und Feldafing auf, also in einem deutschen Gebiet, das unter § 18 Abs. 2
WGSVG fällt. Infolgedessen war es hier für den Kläger schon mit dem ersten
Rentenbescheid möglich, für Ghetto-Arbeits-Zeiten Beiträge wie bei einer Inlands-Rente
anzuerkennen, und dementsprechend ist die Beklagte wohl auch mit dem Bescheid vom
07.01.1998 verfahren bei Zuerkennung von Werteinheiten. Damit wurden aber anders
als in den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen die Ghetto-Zeiten schon für
die Berechnung der Rente des Klägers herangezogen; mit der Folge, dass die
Erwägungen des Bundessozialgerichts zu den "Mini-Rentnern" zur Nichtanwendung
von § 306 Abs. 1 SGB VI im Fall des Klägers nicht verfangen können.
Im übrigen erweist sich - auch unter Heranziehung von § 44 SGB X - die bisherige
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Feststellung der Altersrente bzw. des Altersruhegeldes des Klägers als richtig, soweit es
um die Bewertung seiner Ghetto-Beitragszeiten geht. Ausgehend davon, dass die
Zeiten im Ghetto Lodz hier glaubhaft gemacht waren, aber nicht in vollem Umfang
nachgewiesen waren (etwas anderes ist nicht geltend gemacht), kam für die Altersrente
bzw. das Altersruhegeld des Klägers nur eine Anerkennung der Zeiten im Umfang von
5/6 in Betracht. Nach § 19 Abs. 2 FRG in der bis 30.06.1990 maßgeblichen gültigen
Fassung wurden nämlich für das einzelne Jahr nicht nachgewiesener Zeiten 5/6 als
Beitrags- oder Beschäftigungszeit angerechnet; nur die Zeit eines ununterbrochenem
Beschäftigungsverhältnisses von mindestens 10jähriger Dauer bei dem selben
Arbeitgeber wurde in vollem Umfang angerechnet. Weder das ZRBG noch das
Fremdrentengesetz (FRG) regeln nun eine rückwirkende andere Bewertung schon
früher anerkannter Ghetto-Beitragszeiten, so dass dem Kläger keine geeignete
Anspruchsgrundlage zur Seite steht, um seine bisherige Rente unter Berücksichtigung
der Ghetto-Zeiten anders zu bewerten. Es gilt damit § 31 SGB I (Vorbehalt des
Gesetzes), wonach Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses
Gesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen,
soweit ein Gesetz es (ausdrücklich) vorschreibt oder zulässt. Wie bereits ausgeführt und
von der Beklagten geltend gemacht, trifft auch § 2 ZRBG keine ausdrückliche Regelung,
wie anzuerkennende Zeiten im Einzelnen nun wertmäßig zu berücksichtigen sind.
Damit scheidet eine Neufeststellung der Rente unter anderer Bewertung der bisherigen
Ghetto-Zeiten aus, gleich ob sie auf § 48 oder § 44 SGB X gestützt wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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