Urteil des SozG Düsseldorf vom 22.06.2006

SozG Düsseldorf: eidesstattliche erklärung, form, verpflegung, brot, zwangsarbeit, taschengeld, arbeitskraft, bauarbeiten, entgeltlichkeit, gesundheit

Sozialgericht Düsseldorf, S 26 R 373/05
Datum:
22.06.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 26 R 373/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 14 R 249/06
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1.)Die Klage wird abgewiesen. 2.) Außergerichtliche Kosten haben die
Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur
Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
2
Der am 00.00.1933 in K1 im Bezirk M1 in Polen geborene Kläger ist Jude und Verfolgter
des Nazi-Regimes und lebt seit März 1947 in Palästina bzw jetzt Israel mit der dortigen
Staatsangehörigkeit.
3
Er beantragte am 22.01.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen
Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Der Kläger
gab dabei an, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört zu haben; er habe von
Juli 1941 bis Mai 1943 während seines Aufenthaltes im Ghetto von Lemberg (Lwow)
außerhalb Tätigkeiten als Bauarbeiter und Straßenreiniger verrichtet. Die Arbeit sei
durch die deutschen Behörden vermittelt worden. Bekommen habe dafür täglich Brot
und etwas Geld von den Deutschen. Danach sei er nach Bergen-Belsen in das
Konzentrationslager gekommen. Anfang Mai 1945 sei er von den Amerikanern befreit
worden, und dort zunächst geblieben, bis er im März 1947 nach Palästina ausgewandert
sei. Seit dem 30.05.1947 lebe er in Palästina bzw Israel.
4
Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG der
Wiedergutmachungsbehörde in Hannover bei. Dort hatte der Kläger 1955 angegeben:
"Ich habe zur Zeit des Kriegsausbruchs bei meinen Eltern in M2 gewohnt und wurde am
20.08.1941 in das von den Deutschen in Lemberg errichtete Ghetto gebracht, wo ich bei
Bauarbeiten zwangsweise beschäftigt wurde. In diesem Ghetto verblieb ich bis zum
22.05.1943 und flüchtete zu dieser Zeit ...". Ein Zeuge H1 gab damals an: " ... während
der Sohn E bei Bauarbeiten Zwangsarbeit leisten musste". Der Kläger hatte unter dem
20.01.1962 noch erklärt: "Ich war zur Zeit als ich in das Ghetto Lemberg kam ein Kind
5
von 8 Jahren. In meiner Kindheit war ich immer ein gesunder, kräftiger Junge, lebte aber
gerade in den Jahren des Wachstums und der Entwicklung, die in die Verfolgungs- und
Leidenszeit fielen, unter so elenden Bedingungen, dass meine Gesundheit sehr
angegriffen wurde". Herr H1 erklärte erneut als Zeuge unter dem 20.12.1962: "Während
seines fast 2jährigen Aufenthaltes im Ghetto Lemberg ... hatte E, der damals noch ein
Kind von 8 Jahren war und normalerweise in diesem Alter hätte besonders gepflegt und
behütet werden müssen, sämtliche Entbehrungen die den Insassen des Ghettos
auferlegt waren zu erleiden, was auf seine noch unvollkommene Entwicklung einen
sehr schlechten Einfluss hatte. Als ich ihn im Konzentrationslager Bergen-Belsen
wiedertraf, war er nur noch ein scheuer, verängstigter, schwacher Junge". Ein Zeuge K2
erklärte unter dem 20.12.1962: "Während seines Aufenthaltes im Ghetto Lemberg hatte
E, noch ein Kind von kaum 8 Jahren, Entbehrungen, Ängste und Leiden
durchzumachen, die sich auf seinen noch unentwickelten Organismus sehr schlecht
auswirkten ..." (Bl 36, 39, 47, 48 und 49 der Verwaltungsakte der Beklagten).
Mit Bescheid vom 18.11.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur
Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer
entgeltlichen aus eigenen Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen
Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche
Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr sei nach den eigenen
Schilderungen des Klägers von seinen Arbeitseinsätzen dies jeweils als Zwangsarbeit
anzusehen gewesen, die nach dem ZRBG nicht anerkannt werden könne. Allein die
Angabe des Klägers im Rentenverfahren, dass er "etwas Geld erhalten habe", sei für die
erforderliche Entgeltlichkeit nicht ausreichend. Es müsse vielmehr angenommen
werden, dass es sich in der Höhe von Taschengeld allenfalls bewegte, welches aber
kein Entgelt im Sinne des ZRBG sei. Damit komme für die Zeit des Ghettoaufenthaltes
bis Mai 1943 die Anerkennung von Beitragszeiten nicht in Betracht.
6
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 20.12.2004 Widerspruch ein. Zur
Begründung trug er im wesentlichen vor, die von ihm nachgereichte eidesstattliche
Erklärung vom 06.01.2005 bestätige, dass er als Bauhilfsarbeiter eine entlohnte
Beschäftigung im Sinne des ZRBG ausgeübt habe. In dieser eidesstattlichen Erklärung
heißt es u. a. "Am 20.08.1941 wurden wir in dieses Ghetto interniert. Wir lebten in
diesem Ghetto unter unmenschlichen Bedingungen und nur durch ein Wunder überlebte
ich. Dort waren die Umstände unsagbar unerträglich. Menschen starben von Hunger,
Krankheiten und Kälte. Es mangelte an Medikamenten und ärztlicher Hilfe. Menschen
starben auf der Straße von Hunger. Während diesen Zeiten im Ghetto habe auch ich
schwer an Hunger gelitten. Ich habe mich freiwillig, obwohl ich erst im kindlichen Alter
von kaum 9 Jahren war, zur Arbeit gemeldet. Ich wurde zugeteilt zur Arbeit bei den
Bauhilfarbeiten, und zwar waren diese Arbeiten außerhalb des Ghettos. Damit wir nicht
flüchten konnten, wurden wir auf dem Weg zur Arbeit und von der Arbeit von den
deutschen Soldaten begleitet, dass heißt nur im Zusammenhang mit der Arbeit
außerhalb des Ghettos, sonst bewegten wir uns zur Arbeit und bei der Arbeit frei. Für die
Arbeit habe ich ein halbes Brot, eine Wassersuppe und Ghettogeld, das fast keinen Wert
hatte, bekommen. Nur durch ein Wunder bin ich Dank meiner Arbeit am Leben
geblieben. Dies dauerte ununterbrochen an bis zum 29.05.1943, als es mir gelungen ist,
aus dem Ghetto nach Lodz zu flüchten ...".
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück
und blieb bei ihrer Ablehnung. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung
wieder und vertiefte diese. Im übrigen gehe die Beklagte davon aus, dass für die
8
Tätigkeit im Ghetto allenfalls geringfügiges Entgelt gewährt worden sei in Form von
Essen, nicht aber Zahlung eines ausreichenden Entgelts im eigentlichen Sinne.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 05.08.2005 Klage zum Sozialgericht
Düsseldorf erhoben.
9
Zur Begründung nimmt der Kläger sinngemäß Bezug auf sein bisheriges Vorbringen
und vertieft dieses und überreicht eine weitere eidesstattliche Erklärung von ihm selbst
vom 22.08.2005, und eine weitere eidesstattliche Erklärung des Zeugen H, der schon im
BEG-Verfahren Erklärungen abgegeben hatte. In dessen Erklärung vom 05.09.2005
heißt es u. a.: "Wir lebten in diesem Ghetto unter unerträglichen Bedingungen und nur
durch ein Wunder überlegten wir ... Menschen starben auf der Straße von Hunger.
Während diesen Zeiten im Ghetto haben auch wir Kinder schwer an Hunger gelitten.
Daher haben sich T und H2 eine Arbeit freiwillig angestrebt, obwohl sie erst im
kindlichen Alter waren, und Arbeit verlangt ...H2 hat Arbeit bei den Bauhilfarbeiten
erhalten ...für die Arbeit haben sie Lohn bekommen. Für dieses wenige Geld konnten sie
sich einiges kaufen. Darüber hinaus haben sie täglich Verpflegung bekommen und ein
halbes Brot täglich und hin und wieder Gemüse ... Dies dauerte ununterbrochen bis
Ende Mai 1943 an ...". Damit lägen, so der Kläger, die Voraussetzungen für eine nach
dem ZRBG anzuerkennende Beitragszeit seiner Auffassung nach vor.
10
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
11
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28.07.2005 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung
von Beitragszeiten nach dem ZRBG -für die von ihm anlässlich des Aufenthalts im
Ghetto Lemberg verrichteten Arbeiten von Juli 1941 bis Mai 1943 zurückgelegten Zeiten
einer Beschäftigung- und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung
anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger
Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu
zahlen.
12
Die Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Ergänzend macht sie geltend, der Kläger mache offenbar ausschließlich Tätigkeiten
außerhalb des Ghettos geltend, so dass davon auszugehen sei, dass der Kläger für den
gesamten Zeitraum sowohl auf dem Wege von und zur Arbeit und wie auch während der
Arbeit bewacht worden sei. Unter solchen Umständen sei auch von den Sozialgerichten
dies schon allein als ein Zeichen von Zwangsarbeit gewertet worden, die nicht dem
ZRBG unterfalle. Nach einer Entscheidung der 50. Kammer des Sozialgerichts
Düsseldorf könne von einer Angemessenheit von Entgelt ohnehin nicht mehr
ausgegangen werden, wenn die gewährten Sachbezüge nicht einmal zur Stillung des
Hungers ausgereicht hätten. Damit sei unter Berücksichtigung des Urteils des 13.
Senats des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 hier von einem schon nicht
ausreichendem "Entgelt" im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw ein solches Entgelt
auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den
16
Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den
Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
17
Die Kammer konnte in Abwesenheit des Bevollmächtigten des Klägers in der
mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser in der Terminsmitteilung, die durch
Zustellung ordnungsgemäß am 22.05.2006 bewirkt wurde, auf diese
Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs 1, 126 und 127
des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
18
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
19
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der
Beklagten, nämlich der Bescheid vom 18.11.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28.07.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren den
Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu
Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten
Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil
Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw nicht ausreichend glaubhaft
gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen
Rentenanspruch zu begründen.
20
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß §
136 Abs 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen
Bescheiden, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem Bescheid vom
18.11.2004 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs 1 ZRBG mit den
dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben und weshalb hier nicht von
freiwilliger und auch entgeltlicher Beschäftigung im Sinne des ZRBG ausgegangen
werden kann.
21
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Voraussetzung für die Gewährung
einer Regelaltersrente ist nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der
Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Darauf
anrechenbare Zeiten im Sinne von §§ 50 ff SGB VI hat der Kläger aber nicht; die
Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu seinen Gunsten zur
Begründung von Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung und zur
Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland, scheitert hier schon daran, dass er keine
Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 ZRBG nachgewiesen
bzw ausreichend glaubhaft gemacht hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung aus
"eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wäre.
22
I. Es fehlt schon an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen -
auch entgeltlichen- Tätigkeit, für die sogar ein Entgelt oberhalb der
Geringfügigkeitsgrenze vorgelegen haben müsste, um rentenrechtlich relevant zu sein
(§ 1227 der 1941-1943 geltenden Reichsversicherungsordnung). Gerade angesichts der
Angaben des Klägers bzw seiner damaligen Zeugen im Entschädigungsverfahren nach
dem BEG, die der Kläger bzw die Zeugen damals 1955 und 1962 wesentlich zeitnäher
machten, erscheint die Annahme einer "entgeltlichen" Beschäftigung selbst unter
23
Berücksichtigung der nachgereichten Erklärungen des Klägers und des Zeugen H1
(vom 22.08. und 05.09.2005) nicht schlüssig bzw nicht glaubhaft. Geschildert wurde
vielmehr schon im Entschädigungsverfahren ein Überlebenskampf unter elenden
Bedingungen, wobei der Kläger hungern musste und durch die Arbeit auch in seiner
Gesundheit sehr angegriffen wurde. Selbst unter Berücksichtigung der Erklärung des
Klägers im Rentenfragebogen und seiner später nachgereichten eidesstattlichen
Erklärungen kann allenfalls davon ausgegangen werden, dass der Kläger für
Tätigkeiten im Ghetto allenfalls Nahrungsmittel im Umfang von etwas Brot und einer
Wassersuppe erhielt, die gerade noch zum Überleben ausreichten. Der Kläger selbst
hat in seiner Erklärung vom 06.01.2005 eingeräumt, dass das Ghettogeld, das er
bekommen habe, "fast keinen Wert" gehabt habe. Auch in seiner Erklärung vom
22.08.2005 hat er betont, dass er nur durch ein Wunder überhaupt am Leben geblieben
sei. Angesichts der Schilderung all dieser Umstände der Verfolgung des Klägers und
der Ausnutzung seiner Arbeitskraft kann hier nicht einmal davon ausgegangen werden,
dass der Kläger "gute Verpflegung" erhielt, die nach der Entscheidung des
Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) nicht einmal ausreichen
würde, um Entgeltlichkeit im Sinne des ZRBG und im Sinne der RVO zu erfüllen. Denn
nach dem zum Zeitpunkt der Ghetto-Tätigkeiten gültigen § 1227 RVO galt: "Eine
Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wird, ist versicherungsfrei".
So wurde 1938 sogar eine monatliche Barvergütung bis zu 15 Reichsmark, die neben
freier Wohnung und Verpflegung z. B. Krankenschwestern gezahlt wurde, nur als nicht
versicherungspflichtiges Taschengeld angesehen (vgl: das
Angestelltenversicherungsgesetz, Kommentar von Koch/Hartmann, 2. Auflage 1973, Bd
I, S 154b). Es reichen also nicht einmal geringe Entlohnung und im Einzelfall sogar
"gute Verpflegung" die nur gerade zur Überlebenssicherung geeignet waren. Alle
geschilderten Umstände, auch die in der Entschädigungsakte, sprechen hier also
dagegen, dass der Kläger im Alter von ca 8 Jahren schwere und harte
Bauarbeitertätigkeiten wirklich aus freien Stücken aufnahm, und dass er mehr als nur
das gerade Allernotwendigste zum Überleben bekam; als dies spricht für Ausnutzung
der Arbeitskraft durch das nationalsozialistische Regime, das es sich zum Ziel gesetzt
hatte, "die Juden durch Arbeit zu vernichten". Dass der Kläger schwer an Hunger litt,
wurde vom Kläger und dem Zeugen H1 auch noch zuletzt in den Erklärungen vom
22.08. und 05.09.2005 eingeräumt. Die dem Kläger frei gewährte Unterkunft im Ghetto
kann auch nicht als Entgeltbestandteil angesehen werden, denn die Unterbringung im
Ghetto war schon Teil der Verfolgung, und es wurden auch Juden im Ghetto
untergebracht, die nicht arbeiteten. Die Zuweisung von Wohnraum im Ghetto kann damit
nicht als besondere Form einer Entgelterbringung angesehen werden. Was den vom
Kläger behaupteten Erhalt auch von Geld angeht, so kann er diesbezüglich schon selbst
keine näheren Angaben mehr machen zur Höhe; außerdem wurde schon in der
Erklärung vom 06.01.2005 eingeräumt, dass dieses Ghettogeld ohnehin fast keinen
Wert gehabt habe, der Erhalt von fast wertlosem Geld ist also kein "Entgelt" im Sinne
des ZRBG bzw der Rentenversicherung.
II. Im übrigen wird klägerischerseits offenbar verkannt, dass das ZRBG oder auch
"Ghetto-Gesetz" in der vorliegenden, so von der Bundesregierung 2002 initiierten und
vom Bundestag verabschiedeten Form, von vornherein nicht geeignet ist, Ansprüche für
einen wirklich größeren Personenkreis zu begründen und die von den meisten heute
noch lebenden Ghetto-Insassen gehegten Erwartungen zu erfüllen. Denn nach dem
Wortlaut des Gesetzes reicht nicht jede Art von Tätigkeit anlässlich eines Aufenthaltes in
einem Ghetto aus, um ins Ausland zahlbare Rentenansprüche nach dem ZRBG zu
begründen (vgl BSG Urteil vom 07.10.2004 wie bereits oben zitiert; LSG NRW Urteile
24
vom 03.06.2005 -L 4 R 3/05 und vom 18.07.2005 -L 3 RJ 101/04 und vom 13.01.2006 -L
4 RJ 113/04). Von dem Kläger wurde nichts vorgetragen, was im Lichte dieser
vorgenannten Entscheidungen und dem dort abgesteckten Rahmen zu den
Anforderungen an eine Ghetto-Tätigkeit hier die Ghetto-Tätigkeiten des Klägers anders
bewerten könnte. Eine Abgeltung bzw Entschädigung in Form einer Rente für die vom
Kläger von 1941 bis 1943 in Lemberg verrichteten Arbeiten wäre nur durch eine
Abänderung bzw Korrektur der gesetzlichen Vorschriften des ZRBG möglich, nicht aber
im Klagewege mit dem derzeitigen Wortlaut des ZRBG. Denn nach den vom
Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht NRW oben genannten
Entscheidungen und dem dort abgesteckten Rahmen können Ansprüche nach dem
ZRBG gar nicht erst entstehen, wenn -wie hier- allenfalls Tätigkeiten angenommen
werden können ohne nennenswertes tatsächlich auch angemessenes Entgelt für
geleistete Arbeit, das nicht über die Lebenssicherung auch hinaus ging. Die Kammer
verkennt nicht das Verfolgungsschicksal des Klägers, sieht aber nach Lage der
gesetzlichen Vorschriften und der zuletzt vom Bundessozialgericht und dem
Landessozialgericht NRW aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit, dem
geltend gemachten Anspruch des Klägers zu entsprechen. Das ZRBG gibt solches nicht
her.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1, 4 SGG.
25