Urteil des SozG Düsseldorf vom 15.03.2006

SozG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, berufliche tätigkeit, stadt, wohnkosten, zwangsgeld, anfechtungsklage, vollziehung, auszahlung, hauptsache, verdacht

Sozialgericht Düsseldorf, S 35 SO 8/06 ER
Datum:
15.03.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
35. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 35 SO 8/06 ER
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers vom
23.02.2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.02.2006
aufschiebende Wirkung hat. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an
den Antragsteller​ unter dem Vorbehalt der Rückforderung ​ für den Monat
März 2006 anteilige Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von 500
Euro zu gewähren. Der weitergehende Antrag wird abgelehnt. Die
Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten
des Antragstellers zu 3/4.
Gründe:
1
I. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller- zuletzt mit Bescheid vom 02.02.2006 -
Leistungen nach dem SGB XII für den Zeitraum von Juli 2005 bis Juni 2006 in Höhe von
645,00 Euro monatlich bewilligt.
2
Unter dem 26.Januar 2006 teilte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und
Steuerfahndung X der Antragsgegnerin mit, sie führe ein Ermittlungsverfahren gegen
den Antragsteller wegen Verdachts der Steuerhinterziehung. Im Rahmen dieses
Verfahrens sei festgestellt worden, dass der Antragsteller seit Mitte 2003 Leistungen von
der Antragsgegnerin beziehe. Der Antragsteller habe im Jahr 2000 seine berufliche
Tätigkeit abgemeldet und sei seit dem steuerlich nicht mehr geführt worden. Gleichwohl
habe er die Tätigkeit bis heute weiter geführt und nicht unerhebliche Einnahmen erzielt.
Dem Schreiben war eine Aufstellung über Bewegungen auf dem Konto des
Antragstellers in den Jahren 2003 bis 2005 beigefügt.
3
Mit Bescheid vom 20.02.2006 stellte die Antragsgegnerin die Leistungen an den
Antragsteller mit Ablauf des 28.Februar 2006 ein. Zur Begründung führte sie aus, ihre
Feststellungen hätten ergeben, dass der Antragsteller Einkommen erzielen würde. Die
vom Antragsteller zwischenzeitlich gemachten Einwendungen hierzu reichte nicht aus,
diesen Verdacht hinreichend zu entkräften.
4
Gegen den Bescheid legte der Antragsteller unter dem 23.Februar 2006 Widerspruch
ein und führte im Wesentlichen aus, er habe zwar in den Jahren 2003 bis 2005
5
verschiedene Einnahmen erzielt aber Ausgaben in praktisch gleicher Höhe gehabt. Er
sei derzeit bedürftig und dringend auf weitere Leistungen nach dem SGB XII
angewiesen.
Unter dem 24.02.2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Düsseldorf einen
Eilantrag gestellt mit dem er beantragt,
6
1. Umgehend mindestens 70 v.H. des Grundsicherungsbetrages von 345,00 Euro,
demnach mindestens einen Betrag von 241,50 Euro nach dem SGB XII bis zur
Erledigung der Hauptsache zu zahlen, und zwar monatlich zum 1. eines Monats,
beginnend mit dem 01.03.2006,
7
2. die Übernahme von Wohnkosten mit üblichen Preis je qm für den Bereich der Stadt
M, und zwar für eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm zu genehmigen bis spätestens
zum 31.03.2006,
8
3. bei antragsgemäßer Entscheidung zu 1) eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen
und bei antragsgemäßer Entscheidung zu 2) bei Nichthandlung ein Zwangsgeld
anzudrohen.
9
Die Antragsgegnerin beantragt,
10
den Antrag abzulehnen.
11
Sie ist der Auffassung, dass der Antragsteller Einnahmen erzielt und deswegen keinen
Anspruch auf weitere Leistungen hat.
12
Wegen der weiter Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den
Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
13
II.
14
Die Anträge des Antragstellers sind sinnvoll auszulegen. Der Antragsteller begehrt im
Ergebnis die Weiterzahlung seiner bisherigen Leistungen. Mit dem
Bewilligungsbescheid sind dem Antragsteller Leistungen für einen Zeitraum bis
einschließlich Juni 2006 bewilligt worden. Die Einstellung dieser bewilligten Leistung
kann der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit der Anfechtungsklage
angreifen. Es reicht daher aus, wenn der Rechtsbehelf des Antragstellers dazu führt,
dass der Aufhebungsbescheid zunächst keine Rechtswirkung entfaltet.
15
Dieser Tatbestand ist bereits eingetreten, denn nach §86 a Abs. 1 Satz 1 SGG hat der
Widerspruch des Antragstellers aufschiebende Wirkung.
16
Da die Antragsgegnerin dies offenbar missachtet, hat das Gericht die im Gesetz
vorgesehene Rechtswirkung im Tenor festgestellt.
17
Um dem Antragsteller eine Vollstreckungsmöglichkeit zu eröffnen, hat das Gericht im
Übrigen die Auszahlung eines Teilbetrages für den Monat März (Leistungen bis zum
24.03.) angeordnet. Eine weitergehende Anordnung erscheint vorliegend nicht geboten,
da die Antragsgegnerin grundsätzlich noch die Möglichkeit hat, die sofortige
Vollziehung ihres angefochtenen Bescheides anzuordnen. Sollte dies nicht beabsichtigt
18
sein, wird die Antragsgegnerin – zur Vermeidung einer weiteren einstweiligen
Anordnung - gebeten, die Leistungen in Gänze so lange auszuzahlen, bis ihr
Einstellungsbescheid bestandskräftig ist. Allerdings wird die Antragsgegnerin schon
jetzt auf die Gründe aus dem übersandten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 12.05.2006 hingewiesen. Danach kann eine Leistung nicht wegen "unklarer
Vermögensverhältnisse" eingestellt werden und die Einstellung darf mit Vorkommnissen
aus der Vergangenheit begründet werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 SGG
19