Urteil des SozG Düsseldorf vom 04.04.2011

SozG Düsseldorf: rente, staatliches handeln, verwaltungsakt, rechtssicherheit, rücknahme, gleichbehandlung, erlass, sozialversicherungsrecht, nachzahlung, anerkennung

Sozialgericht Düsseldorf
Urteil vom 04.04.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Düsseldorf S 52 R 1944/10
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger die von der Beklagten bereits gewährte Regelaltersrente unter
Anerkennung von sog. Ghetto-Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus
Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) bereits rückwirkend ab 1. Juli 1997 zu zahlen ist oder erst ab 1. Januar
2005.
Der am 00. Mai 1918 geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und gemäß § 1 Abs. 1 des
Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung anerkannt. Er lebt in Israel und
besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 26. Juni 2003 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das ZRBG die Zahlung einer Regelaltersrente rückwirkend
ab dem 1. Juli 1997 für seine Tätigkeiten im Ghetto Ostrowiecz in der Zeit von April 1941 bis Januar 1943.
Mit Bescheid vom 24. November 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen
aus, dass sie nach den eigenen Angaben des Klägers davon ausgehe, dass er im Ghetto Zwangsarbeit geleistet
habe, die nicht vom ZRBG erfasst werde.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 1. Dezember 2003 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der
Beklagten vom 9. März 2004 zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob der Kläger am 25. März 2004 Klage vor dem
Sozialgericht Düsseldorf zum Aktenzeichen S 15 RJ 108/04, die mit Urteil vom 27. Oktober 2005 abgewiesen wurde.
Das Urteil wurde rechtskräftig.
Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) am 2. und 3. Juni 2009 Grundsatzentscheidungen zum ZRBG getroffen
hatte, stellte der Kläger am 29. Dezember 2009 über seinen Bevollmächtigten einen Überprüfungsantrag nach § 44
SGB X. Zugleich leitete die Beklagte von Amts wegen ein Überprüfungsverfahren ein. Sie schrieb den Kläger
persönlich an sowie das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen.
Über seinen Bevollmächtigten überreichte der Kläger in der Folgezeit die von der Beklagten angeforderten Unterlagen
bzw. ausgefüllte Formulare.
Mit Rentenbescheid vom 25. Mai 2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger aufgrund eines seines Überprüfungsantrags
vom 29. Dezember 2009 eine monatliche Regelaltersrente in Höhe von 405,60 EUR. Den Rentenbeginn setzte die
Beklagte auf den 1. Januar 2005 fest. Für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2010 bezifferte die Beklagte die
Nachzahlung mit 28.637,13 EUR.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 7. Juni 2010 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen
angab, dass der Rentenbescheid eine Verletzung von Art. 3 GG i.V.m. § 3 ZRBG darstelle. Die Rente sei bereits ab
1. Juli 1997 zu gewähren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung
führte sie im Wesentlichen aus, dass § 44 Abs. 4 SGB X nur eine rückwirkende Zahlung von vier Jahren vorsehe. Die
Vorschrift sei auch verfassungsgemäß. Dies sei auch mehrfach durch das BSG so bestätigt worden. Auch der
sozialrechtliche Herstellungsanspruch verjähre innerhalb von vier Jahren. Dem ZRBG-Gesetzgeber sei die Vorschrift
des § 44 SGB X bekanntgewesen; er habe dennoch den Abs. 4 im Rahmen des Erlasses des ZRBG nicht
abbedungen, was ihm möglich gewesen sei. Im Übrigen sei der Rentenbeginn verschoben worden, so dass ein
erhöhter Zugangsfaktor berücksichtigt worden sei.
Der Kläger hat am 11. August 2010 Klage erhoben. Zur Begründung der Klage wiederholt und vertieft er sein
Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er vor: Die einschlägigen Kriterien des ZRBG seien früher von
nahezu allen Rentenversicherungsvertretern extrem eng und damit verfolgtenfeindlich ausgelegt worden. Die
Sozialgerichte hätten sich dieser Auslegung sowohl im ersten als auch im zweiten Rechtszug angeschlossen. Das
BSG habe schließlich den Verfolgten Recht gegeben. Vor dem Hintergrund dieses Geschehensablaufs könne es nicht
angehen, dass die Rentenansprüche nach § 44 Abs. 4 SGB X auf die Zeit ab 1. Januar 2005 begrenzt würden. § 3
ZRBG sei lex specialis zu § 44 Abs. 4 SGB X. Es müsse eine verfolgtenfreundliche Auslegung erfolgen. Sinn und
Zweck des ZRBG sei es doch gerade, den Verfolgten zu helfen, und nicht deren Ansprüche durch staatliches Handeln
zu beschneiden. Dies gelte erst recht, wenn sich im Nachhinein dieses Handeln als rechtswidrig herausstelle. Die
Verfahren von Verfolgten, die noch offen seien, würden Rentenleistungen rückwirkend ab 1. Juli 1997 erhalten; die
anderen erst ab 1. Januar 2005. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung sei nicht ersichtlich. Es
werde ausdrücklich ein Verstoß gegen Art. 3 GG gerügt. Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Rentenbescheides vom 25. Mai 2010 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2010 zu verurteilen, ihm rückwirkend ab dem 1. Juli 1997 bis 31. Dezember
2004 eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung der bereits anerkannten Beitragszeiten für die Tätigkeit im Ghetto
Ostrowiecz nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres klageabweisenden Antrages nimmt die Beklagte unter Vertiefung ihres Vorbringens auf die
angefochtenen Bescheide Bezug.
Das Gericht hat eine Probeberechnung angefordert, wie hoch die Rente bei einem Rentenbeginn ab 1. Juli 1997 wäre.
In diesem Fall würde die Rente ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Probeberechnung nur noch 327,12
EUR betragen; dafür würde sich eine weitere Nachzahlung von 28.134,71 EUR ergeben.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen, da die Beteiligten hierzu ihr
Einverständnis erklärt haben, § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2010 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2010 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2
SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Regelaltersrente rückwirkend für die Zeit vom 1. Juli 1997
bis 31. Dezember 2004.
Die Kammer nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst Bezug auf die Ausführungen der Beklagten
im angefochtenen Widerspruchsbescheid und den Schriftsätzen im vorliegenden Verfahren sowie den Ausführungen
des SG Lübeck in seinem Urteil vom 8. Oktober 2010 - S 15 R 188/10 -, denen die Kammer folgt, und sieht insoweit
von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, vgl. § 136 Abs. 3 SGG.
Die nachfolgenden Entscheidungsgründe sind im Wesentlichen an die o.g. Entscheidung des SG Lübeck angelehnt:
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das
Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und
soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. § 44 Abs. 1
SGB X dient dem Zweck, die Konfliktsituation zwischen der wegen der Bestandskraft des rechtswidrigen
Verwaltungsaktes eingetretenen Rechtssicherheit und der materiellen Gerechtigkeit aufzulösen (BSG, Urteil vom
11.08.1983 – 1 RA 53/82, BSGE 55, 220, 223; BSG, Urteil vom 18.03.1998 – B 6 KA 16/97 R, BSGE 82, 50, 53;
BSG, Urteil vom 11.11.2003 – B 2 U 32/02 R, NZS 2004, 660; Jung, SGb 2002, 1, 2; Rützel, SozVers 1999, 64;
Fichte, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann [Hrsg.], Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 48 SGB X Rdnr. 7). Der
Einzelfallgerechtigkeit wird im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ein höheres Gewicht beigemessen als der
Rechtssicherheit (vgl. BSG, Urteil vom 29.05.1991 – 9/9a RVs 11/89, BSGE 69, 14, 16 und 18). Dabei findet der § 44
SGB X entgegen der Ansicht des Klägers auch Anwendung bei von Amts wegen zurückgenommen Verwaltungsakten
(vgl. nur Steinwedel in Kasseler Kommentar zu § 44 SGB X, Rn. 24).
Die Kammer konnte es dahinstehen lassen, ob der Bescheid der Beklagten vom 24. November 2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2004 rechtswidrig war, denn jedenfalls hat der Kläger nach Auffassung der
Kammer unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf rückwirkende Rentenzahlung ab 1. Juli 1997.
Ist nach § 44 SGB X von der Behörde ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit - auch von Amts wegen -
zurückzunehmen, werden gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen
Teile des Sozialgesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Gemäß §
44 Abs. 4 Satz 2 SGB X wird dabei der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in welchem
der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Die Frist des § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X beginnt mit dem letzten Tag des
Vorjahres (§ 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) und endet nach vier
Jahren mit dem ersten Tag des Jahres (§ 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 188 Abs. 2 BGB). Erfolgt die
Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind,
gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X anstelle der Rücknahme der Antrag. § 44 Abs. 4 SGB X stellt sich nicht als
Verfahrensbestimmung, sondern als eine materiell-rechtliche Anspruchsbeschränkung dar (BSG, Urteil vom
23.07.1986 – 1 RA 31/85, BSGE 60, 158; Waschull, in: Diering/Timme/Waschull [Hrsg.], SGB X, 2. Aufl. 2007, § 44
Rdnr. 54; Hofe, SGb 1986, 11, 16). Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BSG, Urteil vom
23.07.1986 – 1 RA 31/85, BSGE 60, 158; Waschull, in: Diering/Timme/Waschull [Hrsg.], SGB X, 2. Aufl. 2007, § 44
Rdnr. 54).
§ 44 SGB X wird durch den mit Wirkung vom 1. Mai 2007 in das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung
eingefügten § 100 Abs. 4 SGB VI modifiziert. Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X genannten Voraussetzungen
für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm
beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in
ständiger Rechtsprechung anders als durch den Rentenversicherungsträger ausgelegt worden ist, so ist ein
Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 100 Abs. 4 SGB VI nur mit Wirkung für die Zeit ab dem
Beginn des Kalendermonats nach Wirksamwerden der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder dem
Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich hinsichtlich des
Zeitpunktes der Aufhebung um eine gegenüber § 44 SGB X spezielle Regelung (Göhde, SozSich 2007, 310, 311).
Erfasst werden ausdrücklich nur unanfechtbare Verwaltungsakte (§ 77 SGG). Ein Bescheid bleibt in diesem Sinne
auch dann unanfechtbar, wenn nach Eintritt der Bindungswirkung ein Überprüfungsverfahren anhängig ist (BSG, Urteil
vom 10.04.2003 – B 4 RA 56/02 R, SozR 4-1300 § 44 Nr. 3; Kreikebohm, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/ Udsching
[Hrsg.], BeckOK-SozR, § 100 SGB VI Rdnr. 8 [2010]). Die Norm ist jedoch nicht anwendbar auf Verwaltungsakte, die
aufgrund eines sich als unrichtig erweisenden Sachverhalts rechtswidrig sind. In diesen Fällen gilt weiterhin § 44 SGB
X (BT-Drucks. 16/3794, S. 37; Jörg, in: Kreikebohm [Hrsg.], SGB VI, 3. Aufl. 2008, § 100 Rdnr. 10; Kater, in:
Leitherer [Hrsg.], Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 100 SGB VI Rdnr. 20 [2009]; Brähler, in:
Ruland/Försterling [Hrsg.], SGB VI, § 100 Rdnr. 51 [2009]).
Nach Auffassung der Kammer kommt hier zunächst § 100 Abs. 4 SGB VI nicht zur Anwendung. Denn es fehlt an
einer ständigen einheitlichen Rechtsprechung des BSG zu den sog. ZRBG-Verfahren vor dem 2. bzw. 3. Juni 2009.
Eine ständige Rechtsprechung liegt erst dann vor, wenn eine Rechtsfrage als abschließend geklärt anzusehen ist.
Dies kann dann der Fall sein, wenn der einzig zuständige Senat eines obersten Gerichtshofes des Bundes wiederholt
im gleichen Sinn entschieden hat (BSG, Urteil vom 16.10.2003 – B 11 AL 20/03, SozR 4-4300 § 330 Nr. 1; Stock, in:
Reinhardt [Hrsg.], SGB VI, 2. Aufl. 2010, § 100 Rdnr. 20; vgl. BT-Drucks. 16/3794, S. 37), zwei unterschiedliche
Senate eines obersten Gerichtshofs des Bundes übereinstimmend entschieden haben (BSG, Urteil vom 25.11.1977 –
2 RU 93/76, juris), der Große Senat eines obersten Gerichtshofs des Bundes oder der Gemeinsame Senat der
Obersten Gerichtshöfe des Bundes entschieden hat (Kreikebohm, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann [Hrsg.],
Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 100 SGB VI Rdnr. 10; Brähler, in: Ruland/Försterling [Hrsg.], SGB VI, § 100
Rdnr. 52 [2009]; Fichte, NZS 1998, 1, 3 f.). Eine Einzelentscheidung eines Senats des Bundessozialgerichts
begründet noch keine ständige Rechtsprechung, es sei denn, diese Entscheidung wird von der Verwaltung
grundsätzlich befolgt und von den unteren Instanzen sowie vom Schrifttum geteilt (Brähler, in: Ruland/Försterling
[Hrsg.], SGB VI, § 100 Rdnr. 53 [2009]; Göhde, SozSich 2007, 310, 312 f.). Unter Beachtung dieser Grundsätze kann
hier eine ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Auslegung der Voraussetzungen für den Erhalt einer
Rente unter Berücksichtigung von sogenannten "Ghetto-Beitragszeiten" nach dem ZRBG frühestens ab dem 3. Juni
2009 angenommen werden. Zwar hat das Bundessozialgericht bereits mit Urteilen vom 18. Juni 1997 zu
Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung in einem Ghetto positiv Stellung bezogen. Diese Entscheidungen
enthalten indes keine Aussagen zum ZRBG. Vielmehr waren diese Entscheidungen erst der Wegbereiter für das
ZRBG. Bei der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R, BSGE 98, 48) handelt es
sich – obwohl ihr Ergebnis mit dem der Urteile vom 2. und 3. Juni 2009 weitgehend übereinstimmt – um eine
Einzelentscheidung, denn zu dieser Zeit existierten noch weitere mit dem Gesetz der gesetzlichen
Rentenversicherung befasste Senate beim Bundessozialgericht, die keine entsprechenden Entscheidungen erlassen
hatten. Dem Urteil wurde auch von Seiten der Verwaltung und der meisten unteren Instanzgerichte nicht entsprochen,
allerdings hatten sich die 52. und 53. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf der Rechtsprechung des 4. Senats des
BSG angeschlossen. Aber erst zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 2. und 3. Juni 2009
haben die zwei derzeit allein für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zuständigen Rentensenate des
Bundessozialgerichts übereinstimmend die Voraussetzungen der sogenannten "Ghetto-Beitragszeiten" nach dem
ZRBG abschließend dargelegt.
Mangels Anwendbarkeit des § 100 Abs. 4 SGB VI war die Regelaltersrente des Klägers nach Maßgabe des § 44 SGB
X festzusetzen. Die Beklagte hat den Rentenbeginn unter Berücksichtigung seines Überprüfungsantrags vom 29.
Dezember 2009 unter Beachtung der Bestimmung des § 44 Abs. 4 SGB X auf den 1. Januar 2005 festgelegt.
Auch aus § 48 Abs. 2 SGB X resultiert hier kein höherer Rentenzahlanspruch durch einen früheren Rentenbeginn.
Gemäß dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn
der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt
als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zu Gunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 SGB X
bleibt unberührt. Die Bestimmung des § 48 Abs. 2 SGB X setzt jedoch – soweit sie als unmittelbare Rechtsgrundlage
einer Aufhebung heranzuziehen wäre – einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung voraus. Ein die Rentengewährung
ablehnender Verwaltungsakt stellt indes keinen solchen Verwaltungsakt dar (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.1985 – 1 RJ
2/84, BSGE 58, 27).
Der Kläger kann einen früheren Rentenbeginn auch nicht auf § 3 Abs. 1 ZRBG stützen. Gemäß Satz 1 dieser
Vorschrift gilt ein bis zum 30. Juni 2003 gestellter Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als am
18. Juni 1997 gestellt.
Ausgangspunkt einer Gesetzesauslegung ist der Wortlaut einer Norm. Der im Wortlaut des § 3 Abs. 1 ZRBG
verwendete Begriff "Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung" ist für sich gesehen neutral. Hierunter
könnte jeder Antrag mit Bezug zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung verstanden werden, also nicht nur ein
Erst-, sondern auch ein Neufeststellungs- oder Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X, insbesondere, wenn die
Gewährung einer Rente zuvor gänzlich von der Verwaltung abgelehnt wurde. Die Gesetzgebungsmaterialien verhalten
sich nicht dazu, ob § 3 Abs. 1 ZRBG nicht nur erstmalige Anträge auf Rente, sondern auch Neufeststellungs- oder
Überprüfungsanträge erfasst. Hauptabsicht des Gesetzgebers bei Schaffung des ZRBG war die Aufhebung der bis
dahin bestehenden Zahlungssperre und die Anerkennung rentenrechtlicher Zeiten (vgl. BT-Drucks. 14/8583, S. 5). Ob
und wie Überprüfungsanträge gemäß § 44 SGB X, insbesondere nach Ablauf der in § 3 Abs. 1 ZRBG genannten Frist,
zu behandeln sind, hat der Gesetzgeber nicht vorgegeben.
In systematischer Hinsicht legt der Wortlaut des § 3 Abs. 1 ZRBG es zunächst nahe, darin eine Sonderregelung allein
zu §§ 99, 115 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI zu sehen. Hierfür spricht, dass die Frage der Antragstellung strikt zu trennen ist
von der Frage, für welchen Zeitraum rückwirkend Leistungen zu gewähren sind. Wäre eine den § 44 SGB X und
insbesondere dessen Abs. 4 modifizierende Regelung vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, hätte es nahegelegen,
eine entsprechende Bestimmung zu normieren, wie dies zum Beispiel in § 330 Abs. 1 SGB III, § 100 Abs. 4 SGB VI
oder § 11 Abs. 4 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) geschehen ist. In allen diesen Normen wird konkret auf § 44 SGB
X Bezug genommen, in § 3 Abs. 1 ZRBG hingegen nicht. Zudem wurde § 100 Abs. 4 SGB VI nach Inkrafttreten des
ZRBG in das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung implementiert, ohne dass auch eine Änderung an § 3 Abs. 1
ZRBG dahingehend vorgenommen worden wäre, einen konkreten Bezug zu § 44 SGB X herzustellen. Dieser letzte
Umstand kann jedoch auch auf einen Willen des Gesetzgebers schließen lassen, auf entsprechende Modifikationen
des § 3 Abs. 1 ZRBG zu verzichten. Das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 03.05.2005 – B 13 RJ 34/04 R,
BSGE 94, 294) hat zwar für Neufeststellungsanträge nach § 48 SGB X ausgeführt, dass es sich bei § 3 Abs. 1 ZRBG
um eine gegenüber § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 44 Abs. 4 SGB X spezielle Regelung handele. Diese
Rechtsprechung kann jedoch nicht auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation übertragen werden. Denn das
Bundessozialgericht hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei welchem der Neufeststellungsantrag innerhalb
der von § 3 Abs. 1 ZRBG normierten Ausschlussfrist, nämlich am 11. Juli 2002, gestellt wurde. Die Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts ist für die dort behandelte Fallkonstellation konsequent und zwingend, um angesichts der
seinerzeitigen Neuheit des ZRBG für den gesamten von ihm erfassten Personenkreis einer Ungleichbehandlung zu
begegnen. Die sich hier ergebende Fallkonstellation ist jedoch eine andere: Das Überprüfungsverfahren wurde
außerhalb der in § 3 Abs. 1 ZRBG genannten Frist, nämlich im Dezember 2009, eingeleitet.
Für die Frage, für welchen Zeitraum rückwirkend Leistungen zu gewähren sind, ist auf den konkreten Antrag, der zur
Rentengewährung führt, abzustellen – hier also den Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X. So ist es in § 44 Abs. 4
Satz 3 SGB X vorgesehen. Es ist nicht ersichtlich, dass durch § 3 Abs. 1 ZRBG von diesem Prinzip abgerückt
werden sollte. Ein nach Ablauf der großzügigen (so BSG, Urteil vom 03.05.2005 – B 13 RJ 34/04 R, BSGE 94, 294)
Antragsfrist des § 3 Abs. 1 ZRBG gestellter Überprüfungsantrag kann, insbesondere nach zunächst bestandskräftiger
Ablehnung des ursprünglichen Rentenantrags, nicht so behandelt werden, als sei es der ursprüngliche Rentenantrag,
mag dieser auch innerhalb der in § 3 Abs. 1 ZRBG genannten Frist gestellt worden sein. Denn mit einer solchen
Argumentation würde der Überprüfungsantrag in den ursprünglichen Rentenantrag "verwandelt". Bei dem
ursprünglichen Rentenantrag und dem Überprüfungsantrag handelt sich jedoch um zwei verschiedene Anträge mit
unterschiedlicher Funktion, die nicht nach Belieben gegeneinander ausgetauscht werden können. Der ursprüngliche
Rentenantrag hat die Funktion, überhaupt eine Rentengewährung zu ermöglichen, da unter Geltung des
Antragsprinzips im System der gesetzlichen Rentenversicherung keine Rente ohne einen jemals gestellten Antrag
bewilligt werden dürfte. Hierin erschöpft sich jedoch dessen Funktion nach zunächst bestandskräftiger Ablehnung bei
anschließend erfolgender Überprüfung. Dagegen dient der Überprüfungsantrag gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X
dazu, die Verwaltung zu einer erneuten Ingangsetzung eines Verfahrens zu veranlassen und so gegebenenfalls die
Bestandskraft früherer Bescheide zu durchbrechen. Er determiniert den Zeitraum, für welchen rückwirkend Leistungen
zu gewähren sind. Gegen einen "Austausch" der Anträge spricht auch, dass, folgte man der Auffassung der Klägerin,
die in § 3 Abs. 1 ZRBG vorgesehene Stichtagsregelung praktisch ausgehebelt würde. Denn dann könnte jederzeit und
unbegrenzt ein Überprüfungsantrag mit der Folge einer auf den 1. Juli 1997 rückwirkenden Rentengewährung gestellt
werden. Dem Sinn der Stichtagsregelung liefe dies diametral zuwider, da sie gerade dazu dienen soll, hinsichtlich der
zu erwartenden Anträge und der damit verbundenen Kosten Rechtssicherheit für die Verwaltung zu schaffen.
Vergleicht man dann noch zudem die Kläger in sozialgerichtlichen Verfahren mit denen in verwaltungsgerichtlichen
Verfahren, wo es keine dem § 44 SGB X entsprechende Vorschrift gibt, so sieht man, dass bereits allgemein die
Kläger sozialgerichtlicher Verfahren deutlich bevorzugt werden im Verhältnis zu Klägern verwaltungsgerichtlicher
Verfahren. Diese haben keine dem § 44 SGB X entsprechende Möglichkeit, gegen bestandskräftige Verwaltungakte
oder rechtskräftige Urteile noch im Nachhinein vorzugehen und rückwirkend für vier Jahre entgegen anders lautender
Verwaltungs- bzw. Gerichtsentscheidungen noch Zahlungen zu erhalten. Eine weitere Privilegierung sozialgerichtlicher
Kläger über die Vorschrift des § 44 SGB X ist nach Auffassung der Kammer daher nicht angezeigt.
Der Kläger kann sein Begehren auch nicht mit Erfolg auf den sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
stützen. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut setzt voraus, dass ein Sozialleistungsträger
rechtswidrig Pflichten aus einem Sozialleistungsverhältnis verletzt und dadurch einen Schaden verursacht hat,
welchen er durch eine gesetzlich zulässige Amtshandlung ausgleichen kann (vgl. BSG, Urteil vom 18.08.1983 – 11
RA 60/82, BSGE 55, 261; BSG, Urteil vom 05.04.2000 – B 5 RJ 50/98 R, SozR 3-1200 § 14 Nr. 29; BSG, Urteil vom
06.05.2010 – B 13 R 44/09 R, juris; Mönch-Kalina, in: Schlegel/Voelzke [Hrsg.], SGB I, 2005, § 14 Rdnr. 38 ff.).
Liegen neben den Voraussetzungen des § 44 SGB X die Voraussetzungen des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs vor, so geht § 44 SGB X als die gesetzliche Sonderregelung dem richterrechtlich entwickelten
Rechtsinstitut vor (BSG, Urteil vom 23.07.1986 – 1 RA 31/85, BSGE 60, 158, 164; Waschull, in:
Diering/Timme/Waschull [Hrsg.], SGB X, 2. Aufl. 2007, § 44 Rdnr. 56; vgl. Steinwedel, in: Leitherer [Hrsg.], Kasseler
Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X Rdnr. 16 [2009]).
Es kann hier dahinstehen, ob der Beklagten eine Pflichtverletzung – etwa wegen unzureichender
Sachverhaltsaufklärung (vgl. § 20 SGB X) – vorgeworfen werden könnte, da die sich aus dem sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch ergebenden Rechtsfolgen zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen würden. Denn
aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs können keine Leistungen gewährt werden, die länger als vier
Jahre zurückwirken. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen wird die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X
analog auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch angewendet (BSG, Urteil vom 14.02.2001 – B 9 V 9/00 R,
BSGE 87, 280; BSG, Urteil vom 27.03.2007 – B 13 R 58/06 R, BSGE 98, 162; vgl. Ladage, Der sozialrechtliche
Herstellungsanspruch, 1990, S. 118). Dies ist auch hier zu beachten. Selbst wenn im hier zu beurteilenden Fall dem
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch neben § 44 SGB X ein eigenständiger Anwendungsbereich zugestanden
würde, könnte aufgrund der analogen Anwendung der Bestimmung des § 44 Abs. 4 SGB X auch hier kein früherer
Rentenbeginn bzw. eine länger zurückwirkende Rentengewährung aus diesem Anspruch abgeleitet werden.
Ein Verstoß gegen die Verfassung ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere besteht kein Anlass, den Kläger aus
Gründen der Gleichbehandlung so zu stellen, als sei das Überprüfungsverfahren bis zum 30. Juni 2003 eingeleitet
worden. Art. 3 Grundgesetz (GG) gebietet die Gleichbehandlung im Wesentlichen gleicher Sachverhalte vor dem
Gesetz. Nach der sogenannten "Neuen Formel" ist Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von
Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ungleich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen
keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen
könnten (st. Rspr., vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980 – 1 BvR 240/79 u. a., BVerfGE 55, 72, 88;
BVerfG, Urteil vom 14.03.2000 – 1 BvR 284/96, BVerfGE 102, 41, 54; Kannengießer, in: Schmidt-
Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf [Hrsg.] Grundgesetz, 11. Aufl. 2008, Art. 3 Rdnr. 17). Eine Ungleichbehandlung, für die
kein erhebliches und sachgerechtes Unterscheidungskriterium vorläge, ist hier jedoch nicht gegeben. Zwar ist die
Personengruppe der Antragsteller, die eine Rente unter Berücksichtigung des ZRBG begehrt, im Wesentlichen
insoweit vergleichbar, dass sie ein im Kern vergleichbares Verfolgungsschicksal unter dem Regime des
nationalsozialistischen Unrechtsstaates erleben musste. Es ließe sich vertreten, dass eine pauschalierende
Gleichbehandlung des betroffenen Personenkreises im ZRBG von Beginn an angelegt und beabsichtigt war. Ein
wesentlicher Unterschied besteht jedoch zwischen denjenigen, die ihr Recht nach fristgerecht gestelltem Antrag und
anschließend erfolgter Ablehnung der Rente durch die Verwaltung weiter verfolgt haben und solchen, die dies nicht
getan haben. Eine Gleichbehandlung aller Betroffenen dahingehend, ihnen allen die Rente rückwirkend ab dem 1. Juli
1997 zu gewähren, kollidiert mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Das Prinzip der Rechtssicherheit ist
ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (BVerfG, Urteil vom 01.07.1953 – 1 BvL 23/51, BVerfGE 2,
381, 403; st. Rspr.). Hieraus folgt die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit rechtskräftiger Entscheidungen.
Vergleichbares gilt für die Bestandskraft von Verwaltungsakten (BVerfG, Beschluss vom 20.04.1982 – 2 BvL 26/81,
BVerfGE 60, 253, 270). Der Gesichtspunkt der entschiedenen Sache rechtfertigt es, rechtskräftige Entscheidungen
unberührt zu lassen bzw. eine Durchbrechung der Bestandskraft nur im Rahmen des geltenden Rechts – wie zum
Beispiel gemäß § 44 SGB X – zuzulassen. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist hierin nicht zu sehen (Hofmann,
in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf [Hrsg.], Grundgesetz, 11. Aufl. 2008, Art. 20 Rdnr. 89). Auch
Stichtagsregelungen dienen der Rechtssicherheit. Eine Ungleichbehandlung ist umso weniger erkennbar, als es in das
Belieben des Einzelnen gestellt ist, durch eigenes Verhalten die Ungleichbehandlung zu steuern (Kannengießer, in:
Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf [Hrsg.], Grundgesetz, 11. Aufl. 2008, Art. 3 Rdnr. 18).
Zwar ist zutreffend, dass der Kläger seinen ersten Antrag auf Regelaltersrente innerhalb der Frist des § 3 Abs. 1
ZRBG, d.h. bis zum 30. Juni 2003, gestellt hat. Er hat aber den Anspruch auf Regelaltersrente nach Erlass des
ablehnenden erstinstanzlichen Urteils indes nicht weiterverfolgt. Dieses ist rechtskräftig geworden. Es hätte dem
Kläger aber offen gestanden, eine (gerichtskostenfreie) Berufung beim Landessozialgericht NRW zu erheben. Diesen
Weg hat er jedoch nicht eingeschlagen. Insofern kann er auch nicht von einer für ihn günstigeren Entscheidung
profitieren, die diejenigen erlangen konnten und können, die das sie betreffende (Klage-)Verfahren offengehalten haben
bzw. gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vor Gericht durch alle Instanzen bis zum BSG gezogen sind.
Der Zeitraum, für welchen Sozialleistungen rückwirkend gewährt werden können, wird insoweit ohne eine Verletzung
des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes unter Beachtung des Rechtsstaatsprinzips durch § 44 Abs. 4 SGB X
abschließend determiniert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Sprungrevision war hier gemäß § 161 SGG zuzulassen. Das Rechtsmittel der Sprungrevision soll den Beteiligten
– auch im öffentlichen Interesse an der Klärung von Rechtsfragen – zu einer schnellen Entscheidung unter Abkürzung
des Instanzenzuges verhelfen und damit gleichzeitig Kosten sparen helfen (Berchtold, in: Berchtold/Richter [Hrsg.],
Prozesse in Sozialsachen, 2009, § 7 Rdnr. 159; Dahm, SozVers 1998, 261). Mit Blick auf das vorgerückte Alter des
betroffenen Personenkreises ist es angezeigt, den Instanzenzug zwecks Zeitersparnis abzukürzen.
Die Kammer hat - wie in drei anderen Entscheidungen vom heutigen Tag auch - die Sprungrevision nach § 161 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 SGG in Verbindung mit § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
zugelassen. Die Rechtsprechung nimmt dabei einen Fall der grundsätzlichen Bedeutung dann an, wenn sich eine
Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder
Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich und deren Klärung auch durch das Revisionsgericht zu
erwarten ist (Leitherer in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer in Kommentar zum SGG, 9. Auflage, München 2008, § 160
SGG, Rn. 6 ff. m.w.N.). Bislang gibt es keine einheitliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die Rente in den sog.
Überprüfungsverfahren rückwirkend ab 1. Juli 1997 oder erst ab 1. Januar 2005 zu zahlen ist. Die 26. Kammer des
Sozialgerichts Düsseldorf hat mit mehreren Entscheidungen vom 24. März 2011 - vgl. nur z.B. S 26 R 1789/10 - den
Klagen der Kläger stattgegeben; die Entscheidungsgründe liegen derzeit noch nicht vor.
Die Rechtsfrage hat vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Kammerrechtsprechungen des Sozialgerichts
Düsseldorf, wegen des vorgerückten Alters des betroffenen Personenkreises und der Vielzahl der anhängigen
Klageverfahren zu dieser Rechtsfrage - derzeit sind bei dem Sozialgericht Düsseldorf zu dieser Rechtsfrage bereits
ungefähr 300 solcher Verfahren anhängig - besondere grundsätzliche Bedeutung, zumal täglich neue Klagen zur
vorliegenden Problematik eingehen. Es ist zu erwarten, dass ausschließlich das Bundessozialgericht eine
abschließende Klärung dieser Rechtsfrage herbeiführen kann. Zur Abkürzung des Instanzenzugs zwecks
Zeitersparnis war wegen des vorgerückten Alters der Kläger die Sprungrevision zuzulassen.