Urteil des SozG Dresden vom 14.02.2008

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Sozialgericht Dresden
Urteil vom 14.02.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 35 AL 1480/02
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 18.12.2003 verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.09.2001 bis 19.11.2001 in gesetzlicher
Höhe zu gewähren. II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Insolvenzgeld streitig.
Der 1966 geborene Kläger beantragte am 15.04.2002 die Bewilligung von Insolvenzgeld. Er gab hierzu an, bei dem
Arbeitgeber "Spedition W. in S." beschäftigt gewesen zu sein und zum 22.11.2001 gekündigt zu haben. Das
Bruttoarbeitsentgelt sei für die Zeiträume vom 01.09.2001 bis 19.11.2001 nur teilweise gezahlt worden. Der Kläger
machte mit seinem Antrag geltend: Für September 2001 2.900,00 DM brutto zzgl. 920,00 DM Auslöse; für Oktober
2001 2.900,00 DM brutto zzgl. 1.058,00 DM Auslöse; für den Zeitraum vom 01.- 19.11.2001 2.030,00 DM brutto zzgl.
552,00 DM Auslöse; Urlaubsabgeltung in Höhe von 725,20 DM. Bereits gezahlt seien einmalig 500,00 DM netto. Dem
Antrag vorangegangen war ein Arbeitsgerichtsprozess bei dem Arbeitsgericht Dresden (Az.: 4 Ca 8206/01). Dort
wurde der Arbeitgeber Detlef W., Inhaber des Speditionsbetriebs W., mit Urteil vom 14.12.2001 im Wege des Teil-
Versäumnisurteils verurteilt, an den Kläger ausstehende Vergütung für die Monate September, Oktober und November
2001 in Höhe von 7.830,00 DM brutto abzüglich bereits gezahlter 500,00 DM netto nebst Zinsen, sowie Auslöse in
Höhe von 2.530,00 DM nebst Zinsen sowie Urlaubsabgeltung für 5 Urlaubstage in Höhe von 725,20 DM brutto nebst
Zinsen verurteilt. Das Teil-Versäumnisurteil wurde rechtskräftig. Der Kläger veranlasste die Vollstreckung des Urteils.
Der Arbeitgeber gab daraufhin am 24.01.2002 die eidesstattliche Versicherung gem. § 807/903 ZPO ab. Auf den
neuen Zwangsvollstreckungsantrag des Klägers vom 08.03.2002 teilte die Gerichtsvollzieherin mit
Unpfändbarkeitsbescheinigung gem. § 63 GVGA vom 13.03.2002 mit, dass die Mobiliarvollstreckung erfolglos
verlaufen sei.
Die Beklagte führte im Rahmen der Prüfung des Insolvenzgeldantrags verschiedene Ermittlungen durch. Der
angeschriebene Arbeitgeber gab zunächst mit Schreiben vom 29.04.2002 an, der 30.06.2002 sei der letzte Tag der
Betriebstätigkeit gewesen. Am 11.07.2002 gab der Arbeitgeber an, der Tag der letzten Betriebstätigkeit sei ihm nicht
bekannt. Die Beklagte zog weiter die Gewerbeanmeldung über den Speditions- und Fuhrbetrieb vom 02.11.1993 sowie
die Abmeldung vom 18.03.1996, bezogen auf die Anschrift der Betriebsstätte "L- Str., in W.", bei.
Am 28.10.2002 erhob der Kläger Untätigkeitsklage und führte zur Begründung zunächst aus, er sei ab dem
01.09.2001 bei der Fa. Detlef W. beschäftigt gewesen und habe mit Schreiben vom 19.11.2001 das Arbeitsverhältnis
außerordentlich und fristlos wegen ausstehender Lohnzahlungen gekündigt. Die Beklagte trug im Rahmen der
Untätigkeitsklage zunächst vor, sie habe Zweifel an der Arbeitnehmerstellung des Klägers, der im streitigen Zeitraum
arbeitslos gemeldet war und Arbeitslosenhilfe bezogen habe. Auch habe der Arbeitgeber widersprüchliche Angaben
zum Insolvenzereignis gemacht. Die Beklagte verwies darauf, dass durch Beschluss des Amtsgerichts vom
08.12.2000 (Az.: 531 IN 753/00) das gegen Detlef W. eingeleitete Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt
worden sei. Zweifelhaft sei weiter ein Insolvenzereignis, da eine Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit nicht erkennbar
sei.
Darauf erwiderte der Kläger, dass er die im Zeitraum 01.09.2001 bis 19.11.2001 erhaltenen Leistungen der Beklagten
zurückgezahlt habe. Er habe nicht mit Kenntnis vom Insolvenzereignis bei dem Arbeitgeber gearbeitet, sondern
hiervon erstmals anlässlich der Vollstreckung des Arbeitsgerichtsurteils durch das Protokoll der Gerichtsvollzieherin
vom 13.03.2002 erfahren. Der Kläger verweist darauf, dass er die Stelle bei der Spedition Detlef W. im Computer der
Arbeitsagentur gefunden habe. Es könne nicht angehen, dass die Beklagte insolvente Arbeitgeber vermittle und sich
später darauf berufe, dass bei einem neuen Insolvenzereignis kein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe. Der Kläger
legt zum Nachweis der Beschäftigung Kopien der Fahrtenschreiberblätter zu dem LKW mit dem Kennzeichen ( ) vor.
Die Beklagte ging weiter davon aus, dass ein Insolvenzereignis fehle. Die Insolvenzeröffnung sei mit Beschluss vom
08.12.2000 mangels Masse abgelehnt worden. Hat ein Arbeitgeber den Betrieb danach fortgeführt oder wieder
aufgenommen, so könne ein weiteres Insolvenzereignis nur zu einem neuen Insolvenzgeldanspruch führen, wenn der
Arbeitgeber die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, bevor erneut Zahlungsunfähigkeit eintritt. Die Beklagte lehnt
deshalb den Anspruch auf Insolvenzgeld mit Bescheid vom 22.10.2003 ab. Der hiergegen mit Schreiben vom
30.10.2003 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2003 zurückgewiesen. Zur
Begründung führte die Beklagte aus: Habe ein Arbeitgeber nach Insolvenzabweisung mangels Masse den Betrieb
wieder aufgenommen, ohne die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt zu haben, könne ein erneutes Insolvenzereignis nicht
zu einem Insolvenzgeldanspruch führen.
Mit Schreiben vom 23.12.2003, eingegangen am 29.12.2003, änderte der Kläger die Klage ab und beantragte, die
Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide zu verurteilen, Insolvenzgeld zu zahlen. Zur weiteren
Begründung trug er vor, dass sich aus den beigezogenen Gutachten des Insolvenzverfahrens ergebe, dass das
Transportunternehmen des Detlef W. weiter aktiv gewesen sei. Der Kläger sei entgegen § 28a SGB IV nicht zur
Sozialversicherung angemeldet worden. Das Fehlverhalten des Arbeitgebers könne ihm nicht zur Last gelegt werden.
Er habe darauf vertraut, dass Vermittlungsangebote der Beklagten seriös sind, sowie darauf, dass der Arbeitgeber ihn
beim Arbeitsamt abmelden und ihn bei der Sozialversicherung anmelden würde. Im Rahmen der mündlichen
Verhandlung wurde für den Kläger weiter vorgetragen, dass das Arbeitsgericht von Amts wegen prüft, ob ein
Insolvenzverfahren anhängig ist. Hier sei kein Ruhen des Verfahrens erfolgt, so dass davon ausgegangen werden
könne, dass im damaligen Zeitpunkt kein Insolvenzverfahren anhängig war. Den Kläger treffe auch keine
Verpflichtung, wenn er sich ein Angebot im Computer der Arbeitsagentur holt, die Insolvenz des Arbeitgebers zu
überprüfen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 22.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2003 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.09.2001 bis 19.11.2001 in gesetzlicher Höhe zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass nach dem Insolvenzereignis (Beschluss des Amtsgerichts vom 08.12.2000) für einen
Insolvenzgeldanspruch der Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit und damit der Eintritt eines erneuten
Insolvenzereignisses Voraussetzung sei. Dagegen spreche die Gewerbeabmeldung am 01.08.2000 und die Auskunft
des Landratsamts R., wonach festgestellt worden sei, dass das Gewerbe nicht mehr ausgeübt wird. Die Beklagte
verweist auf die Rechtsprechung des BSG, wonach ein Anspruch auf Insolvenzgeld für die geltend gemachten
Monate nur bestehen könne, sofern ein neues Insolvenzereignis eingetreten sei. Dies gelte auch in Fällen des § 183
Abs. 2 SGB III. Die Arbeitnehmereigenschaft wurde von der Beklagten zuletzt nicht mehr angezweifelt. Auch die
Beklagte geht zuletzt davon aus, dass der Kläger im Zeitraum 01.09.2001 bis 19.11.2001 bei der Spedition Detlef W.
als Arbeitnehmer beschäftigt war.
Das Gericht hat u.a. die Amtsgerichtsakte zu dem Insolvenzverfahren Detlef W. (531 IN 753/00) beigezogen. Nach
dem Gutachten vom 21.11.2000 in dem Insolvenzverfahren erfolgte die Gewerbeabmeldung des Speditionsbetriebs
Detlef W. zum 01.08.2000, die Betriebsaufgabe per 31.07.2000. Es lagen Auszüge aus dem Vollstreckungsregister
des Amtsgerichts Riesa sowie eine Übersicht der Gesamtvollstreckungsaufträge des Gerichtsvollziehers vor. Das
Gericht hat Auskünfte des Gewerbeamts Riesa beigezogen. Danach erfolgte die letzte Abmeldung am 27.07.2006
(von Amts wegen). Die eingeholte Auskunft der zuständigen Krankenkasse des Klägers ergab, dass der Kläger im
Zeitraum 01.09.2001 bis 22.11.2001 als arbeitslos gemeldet gewesen war. Eine Halterauskunft ergab, dass der
Wagen mit dem amtlichen Kennzeichen ( ) auf den Halter Detlef W. zugelassen war.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogenen Unterlagen, 2 Bände beigezogener
Verwaltungsakten sowie 2 Bände Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, im Sinne der Klageänderung als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage weiterverfolgte Klage, ist
begründet. Der Bescheid vom 22.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2003 verletzt den
Kläger rechtswidrig in seinen Rechten i.S.v. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat einen Anspruch
auf Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.09.2001 bis 19.11.2001 in gesetzlicher Höhe.
Anspruchsgrundlage hierfür ist § 183 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung
des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10. Dezember 2001
(BGBl. I S. 3443). Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im
Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2.
Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der
Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein
Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die
vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Dabei war zunächst zweifelhaft, ob der Kläger Arbeitsentgeltansprüche im Sinne dieser Vorschrift gegen den
Arbeitgeber Detlef W. hatte. Insbesondere ergeben sich die Arbeitsentgeltansprüche nicht zwingend aus dem Teil-
Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 14.12.2001 (Az.: 4 Ca 8206/01). Daran ist die Beklagte nicht
gebunden. Im Rahmen eines Versäumnisurteils prüft das Arbeitsgericht auf der Grundlage des klägerischen
Vorbringens lediglich die Schlüssigkeit des Anspruchs, wobei es keiner weitergehenden Feststellungen zur
Wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses bedarf. Demgegenüber gilt im sozialgerichtlichen Verfahren der
Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) der bei Vorliegen nahe liegender und zugänglicher Erkenntnisquellen
weitergehende Feststellungen erfordert (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.07.2007, L 3 AL 54/06 unter
Bezugnahme auf BSG, SozR 1500 § 141 Nr. 9). Die Kammer geht, wie nunmehr auch die Beklagte, aufgrund der
vorliegenden Fahrtenschreiberblätter davon aus, dass der Kläger bei Detlef W. abhängig beschäftigt wurde. Nach den
Fahrtenschreiberblättern war der Kläger als Kraftfahrer mit einem Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen ( ) unterwegs.
Dieser Wagen war auf Detlef W. zugelassen. Damit sind etwaige Zweifel dahingehend, ob der Kläger möglicherweise
bei dem Sohn Sven W., der auf demselben Betriebsgelände ein Unternehmen betreibt, gearbeitet hat, hinreichend
widerlegt. Die Fahrtenschreiberblätter belegen auch, dass der Kläger durchgängig vom 01.09.2001 bis 19.11.2001
beschäftigt war. Da der Arbeitgeber bis auf eine Einmalzahlung von 500 DM netto nicht gezahlt hat, hat der Kläger
auch offene Arbeitsentgeltansprüche, für die Insolvenzgeld beansprucht werden kann.
Der Kläger hat in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses die Arbeit aufgenommen i.S.v. § 183 Abs. 2 SGB III. Hat
danach ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen,
besteht der Anspruch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses.
Maßgebliches Insolvenzereignis ist hier der Beschluss des Amtsgerichts vom 08.12.2000, mit welchem der Antrag
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde (Az.: 531 IN 753/00). Entscheidend ist dabei
nicht, wie die Beklagte annimmt, dass nach diesem Insolvenzereignis erneut Zahlungsfähigkeit eingetreten sein
muss, an die sich ein weiteres Insolvenzereignis anschließt. Diese, in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
entwickelten Grundsätze (z.B. BSG, SozR 4100 § 141b Nr. 6; § 141 Nr. 43; zuletzt: Urteil vom 21.11.2002, B 11 AL
35/02 R), zielen auf den Anspruch auf Insolvenzgeld nach § 183 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB III in der direkten Anwendung
ab. Ein erneutes Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 SGB III ist nur dann für die Gewährung des
Insolvenzgeldes maßgebend, wenn sich nach dem ersten Insolvenzereignis die wirtschaftlichen Verhältnisse des
Arbeitgebers wieder so weit gebessert haben, dass die damals vorliegende Insolvenz beseitigt war und diese erst
durch spätere Ereignisse erneut herbeigeführt wurde (BSG SozR 4100 § 141 b Nr. 6). Dabei ist von einem
Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit nicht bereits dann auszugehen, wenn die Betriebstätigkeit für mehrere Monate
wieder aufgenommen wird und der Arbeitgeber seiner Lohnzahlungspflicht wieder nachkommt (BSG SozR 4100 § 141
Nr. 43). Im vorliegenden Fall lag tatsächlich nach dem 08.12.2000 kein späteres Insolvenzereignis (bspw. durch
Betriebsstilllegung) vor, da nicht ersichtlich ist, dass der Arbeitgeber Detlef W. bis zur Einstellung des Klägers am
01.09.2001 jemals erneut die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat.
Allerdings ist damit der Anspruch nach § 183 Abs. 2 SGB III nicht ausgeschlossen. Durch § 183 Abs. 2 SGB III
werden Arbeitnehmer geschützt, die in Unkenntnis des Insolvenzereignisses die Arbeit aufgenommen haben. Die
Vorschrift bezieht sich (im Gegensatz zu § 141b Abs. 4 AFG in der bis 31.12.1992 geltenden Fassung) auf sämtliche
Insolvenzereignisse, die den Anspruch auf Insolvenzgeld begründen. Unerheblich ist, ob nach dem Insolvenzereignis
(Beschluss des AG Dresden vom 08.12.2000) Zahlungsfähigkeit wieder erlangt wurde. Hierzu wird auf die
Entscheidung des BSG vom 27.08.1998 (B 10 AL 7/97 R in SozR 3-4100 § 141e Nr. 3) verwiesen. In der zu § 141b
Abs. 4 AFG (i.d.F. Gesetzes vom 18.12.1992, BGBl. I S. 2044) ergangenen Entscheidung wurde die Eröffnung des
Konkursverfahrens mangels Masse durch Beschluss vom 5.12.1991 abgelehnt und die anspruchstellende Klägerin
zum 01.12.1992 eingestellt, ohne dass festgestellt werden konnte, dass der Arbeitgeber bis zum erneuten
Konkursverfahren (1994) wieder Zahlungsfähigkeit erlangt hat. § 141b Abs. 4 AFG wurde durch das FördvÄndG vom
18.12.1992 neu gefasst um den Schutz der Insolvenzgeldversicherung auf die Arbeitnehmer auszudehnen, die in
Unkenntnis des Abweisungsbeschlusses die Arbeit bei einem insolventen Arbeitgeber aufgenommen haben. § 183
Abs. 2 SGB III entspricht in Wortlaut und Zielsetzung § 141b Abs. 4 AFG (i.d.F. ab 1993). Wenn der Gesetzgeber in §
183 Abs. 2 SGB III die "gutgläubige" Weiterarbeit über den Insolvenzzeitpunkt hinaus anspruchsbegründend sein
lässt, muss auch das "gutgläubig" begründete Arbeitsverhältnis als anspruchsbegründend ausreichen, ohne dass zu
klären ist, ob der Arbeitgeber Zahlungsfähigkeit nach dem Insolvenzereignis wieder erlangt hat.
Hier hat der Kläger in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses die Arbeit aufgenommen. Dabei ist von einer Unkenntnis
des Arbeitnehmers auszugehen, solange kein ausreichender Anhaltspunkt vorhanden ist, dass er Kenntnis hatte. Nur
die positive Kenntnis vom Insolvenzereignis führt zum Anspruchsausschluss. Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang, dass der Kläger evtl. aufgrund eines Arbeitsangebots der Beklagten den Arbeitsplatz erhalten hat.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsverwaltung in besonderem Maße geeignet
ist, bei dem Arbeitnehmer unrichtige Vorstellungen über die Zahlungsfähigkeit des Unternehmers hervorzurufen,
kommt es darauf bei neu eingegangenen Arbeitsverhältnissen nach einem Insolvenzereignis nicht an (vgl. BSG SozR
4100 § 141b Nr. 45). Hier jedenfalls hatte die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in Kenntnis der
Insolvenz des Arbeitgebers die Arbeit aufgenommen hat. Insbesondere ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, vor
Beginn der Tätigkeit die Zahlungsfähigkeit seines Arbeitgebers, z.B. durch Einblick in das Register des zuständigen
Amtsgerichts, zu überprüfen.
Danach liegen die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld dem Grunde nach vor.
Nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem
Insolvenzereignis zu beantragen. Hat der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat,
so wird Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes
gestellt wird (§ 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Für den Beginn der Frist ist der Eintritt des jeweiligen Insolvenzfalls
maßgebend, wobei im Falle der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
(Insolvenzereignis im Sinne des § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III) auf den Tag des entsprechenden Beschlusses des
Amtsgerichts Dresden vom 08.12.2000 abzustellen ist. In diesem Fall beginnt die Frist ohne Rücksicht auf die
Zustellung dieses Beschlusses oder die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers vom Eintritt eines Insolvenzereignisses
(BSG, Urteil vom 30. April 1996 – 10 RAr 8/94).
Der Kläger hat die 2-monatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III versäumt, da er erst Monate nach
Ablauf der Frist das Arbeitsverhältnis aufgenommen hat. Dem Kläger ist jedoch eine Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz
2 SGB III einzuräumen. Eine Nachfrist nach dieser Vorschrift ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer die Frist aus
Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, und der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des
Hinderungsgrundes gestellt wird. Der Arbeitnehmer hat die Versäumung der Frist zu vertreten, wenn er sich nicht mit
der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat (§ 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III). Die
unverschuldete Unkenntnis von einem Insolvenzereignis führt mithin dann zur Eröffnung einer weiteren Antragsfrist,
wenn sich der Arbeitnehmer um die Durchsetzung seiner rückständigen Lohnansprüche bemüht hat.
Das ist hier der Fall. Der Kläger hat sich zunächst bei dem Arbeitsgericht um die Durchsetzung seiner
Arbeitsentgeltansprüche bemüht und das Teil-Versäumnisurteil vom 14.12.2001 (Az.: 4 Ca 8206/01) erwirkt. Es
folgten unverzügliche Vollstreckungsversuche beim Arbeitgeber, die u.a. zur eidesstattlichen Versicherung vom
24.01.2002 führten. Kenntnis von der fehlgeschlagenen Vollstreckung hatte der Bevollmächtigte des Klägers nach
Eingang des Schreibens der Gerichtsvollzieherin vom 13.03.2002 (Unpfändbarkeitsbescheinigung gem. § 63 GVGA).
Der Insolvenzgeldantrag vom 15.04.2002 wahrt die 2-Monatsfrist nach Wegfall des Hinderungsgrundes, so dass der
Insolvenzgeldantrag fristgerecht gestellt wurde.
Die Beklagte war somit unter Aufhebung des Bescheides vom 22.10.2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 18.12.2003 zu verurteilen, dem Kläger Insolvenzgeld zu zahlen. Dabei ist
ausgefallenes Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Ausgefallen ist Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, wenn es beim
Eintritt des Insolvenzereignisses rückständig und durchsetzbar war, was durch das Teil-Versäumnisurteil vom
14.12.2001 belegt ist. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem
Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III). Danach sind alle Zahlungen des Arbeitgebers abzugelten, die im
weitesten Sinne eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung oder Zurverfügungstellung der Arbeitsleistung darstellen,
also auch Auslösungen und Urlaubsabgeltungen.
Danach war wie festgestellt zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass die Klage im vollen
Umfang erfolgreich war.
Die Berufung ist kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).