Urteil des SozG Dortmund vom 21.07.2009

SozG Dortmund: verschlechterung des gesundheitszustandes, stadt, psychiatrie, anwendungsbereich, gebäude, krankenversicherung, klinik, vergütung, entlassung, krankenkasse

Sozialgericht Dortmund, S 8 KR 89/08
Datum:
21.07.2009
Gericht:
Sozialgericht Dortmund
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 8 KR 89/08
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die
Klägerin.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Krankentransportfahrten.
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Die Klägerin ist Trägerin des xxxHospitals in xxx. Dieses besteht aus drei Gebäuden,
und zwar der Psychiatrischen Klinik an xxxStraße, der Klinik xxxstraße sowie dem
Operativen Zentrum an der xxxStraße. Das xxxHospital ist als ein Krankenhaus im
Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen, und zwar mit zwei
Betriebsstellen: Der Betriebsstelle xxx (Betriebsstelle M) und der Betriebsstelle xxx
(Betriebsstelle K), die auch die im Gebäude an der xxxStraße befindliche Psychiatrie
umfasst.
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Der am xxx geborene, bei der Beklagten versicherte xxx, wurde am 03.01.2007 in die
Klinik für Psychiatrie des Hospitals wegen einer deliranten Symptomatik bei Demenz mit
Wahnideen verlegt. Aufgrund einer Zustandsverschlechterung mit unklaren
Obdominalbeschwerden und Verdacht auf Sepsis (Blutvergiftung) wurde der Versicherte
am 06.01.2007 um 4.37 Uhr mit einem Rettungswagen der Stadt xxx auf die
Medizinische Intensivstation im Gebäude xxxstraße verlegt. Nach
Zustandsverbesserung wurde er mit einem Krankentransportwagen der Stadt xxx am
gleichen Tag um 16.16 Uhr zurück in das Gebäude an der xxxStraße befördert.
Aufgrund erneuter Verschlechterung des Gesundheitszustandes wurde der Versicherte
dann am 29.01.2007 um 12.02 Uhr wiederum unter Inanspruchnahme eines
Rettungswagens der Stadt xxx von dem Gebäude xxxStraße in dasjenige an der
xxxstraße gebracht. Von dort wurde er weiter in die Chirurgische Abteilung an der
xxxStraße befördert. Nach operativer Behandlung wurde er am 30.01.2007 zurück zur
internistischen Behandlung in den Klinikteil xxxstraße verlegt. Dort vestarb der
Versicherte am 31.01.2007.
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Die Stadt xxx stelle der Klägerin die insgesamt fünf Verlegungsfahrten in Rechnung, u.a.
für die Fahrt am 06.01.2007 morgens mit Gebührenrechnung vom 19.02.2007 324,75
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EUR, für die Fahrt am 06.01.2007 nachmittags mit Gebührenrechnung vom 26.02.2007
68,00 EUR und für die Fahrt am 29.01.2007 mit Gebührenrechnung vom 12.03.2007
394,75 EUR. Die Klägerin beglich die Rechnungen und machte sodann für die
Verlegungsfahrten zwischen xxxStraße und xxxstraße Kostenerstattung bei der
Beklagten in Höhe der an die Stadt xxx gezahlten Beträge geltend. Die Beklagte lehnte
eine Kostenerstattung ab.
Mit Schriftsatz vom 15.04.2008, eingegangen bei Gericht am 16.04.2008, hat die
Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass es sich bei den
verschiedenen Betriebsstellen an der xxxStraße und der xxxstraße jeweils für sich um
Krankenhäuser im Sinne von § 107 SGB V handele. In jedem Betriebsteil werde
Krankenhausbehandlung durchgeführt. Jeder Betriebsteil stelle fachlich unter ständiger
ärztlicher Leitung und es würden entsprechend dem Versorgungsauftrag diagnostische
und therapeutische Möglichkeiten angeboten sowie nach anerkannten
wissenschaftlichen Methoden gearbeitet. Daher handele es sich auch um zwei
verschiedene Krankenhäuser im Sinne von § 60 SGB V. Mit den Transporten sei der
Versicherte jeweils aus der vorherigen Krankenhausbehandlung entlassen und jeweils
in ein anderes Krankenhaus aufgenommen worden. Auch habe der
Feststellungsbescheid nach dem KHG keine Tatbestandswirkung für das SGB V,
andernfalls wäre die Legaldefinition des § 107 SGB V überflüssig. Zudem würden die
Behandlungsfälle der Psychiatrischen Klinik in den Anwendungsbereich der
Bundespflegesatzverordnung fallen, während die summatrischen Behandlungsfälle in
den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes fielen. Daher lägen
abrechnungstechnisch zwei unterschiedliche Fälle vor. Weiter verweist sie auf § 3 Abs.
5 der Fallpauschalenvereinbarung 2007 (FPV 2007).
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 857,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass Fahrtkosten bei Verlegungen von
einer Funktionseinheit des Krankenhauses zur nächsten im selben Krankenhaus nicht
von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen seien. Nach dem Gesetz löse
schon nicht jede Verlegungsfahrt zwischen Krankenhäusern eine Leistungspflicht der
gesetzlichen Krankenversicherung aus, dann könne erst recht nicht bei Transporten
innerhalb eines Krankenhauses eine Leistungspflicht der GKV bestehen. Zudem sei das
xxxKrankenhaus ein Plankrankenhaus im Sinne von § 108 SGB V. Es bestehe ein
einheitlicher Versorgungsvertrag und nicht einzelne Versorgungsverträge mit den
einzelnen Betriebsstellen. Die Transporte zwischen den Funktionseinheiten eines
Krankenhauses seien allgemeine Krankenhausleistungen im Sine von § 2 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz, auch wenn sie als Leistungen Dritter zugekauft
würden. Sie seien durch die Fallpauschalen- bzw. Pflegesätze abgegolten. Dies werde
auch dadurch bestätigt, dass sie Klägerin die Fahrten zwischen xxxstraße und
xxxStraße am 29.01. und 30.01.2007 selbst getragen habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
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sowie die Patientenakte, die der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegen haben,
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist als echte Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG zulässig aber
unbegründet. Ein Vergütungsanspruch für die zwischen den Betriebsstätten erfolgten
Krankentransporte steht der Klägerin nicht zu.
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Die Voraussetzungen des einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 60
Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – (SGB V) sind nicht erfüllt.
Danach hat die Krankenkasse die Fahrtkosten im Fall einer Verlegung in ein anderes
Krankenhaus zu übernehmen, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen
Gründen erforderlich ist oder die Krankenkasse der Verlegung in ein wohnortnahes
Krankenhaus zugestimmt hat.
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Hier ist keine Verlegung in ein anderes Krankenhaus erfolgt. Es handelt sich vielmehr
um Verlegungen innerhalb eines Krankenhauses. Das xxxxHospital ist ein
Krankenhaus im Sinne von § 60 SGB V.
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Nach § 107 Abs. 1 SGB V sind Krankenhäuser im Sinne des SGB V Einrichtungen, die
1.der Krankenbehandlung oder Geburtshilfe dienen, 2.fachlich- medizinisch unter
ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende
diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich
anerkannten Methoden arbeiten, 3.mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem,
Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind,
vorwiegend durch ärztliche und Pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu
erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu
lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen 4.die Patienten untergebracht und
verpflegt werden können.
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Das xxxHospital in seiner Gesamtheit mit allen Betriebsstätten erfüllt diese
Voraussetzungen.
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Die Psychiatrie und der Klinikteil in der xxxstraße erfüllen für sich jeweils allein jedoch
nicht den Krankenhausbegriff. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass diese
Abteilungen für sich allein keinen in § 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V vorausgesetzten
Versorgungsauftrag haben. Nach § 8 Abs. 1 KHEntgG, § 4
Bundespflegesatzverordnung ergibt sich bei Plankrankenhäusern wie demjenigen der
Klägerin (für die Zwecke der Krankenhausvergütung) der Versorgungsauftrag des aus
den Festlegungen des Krankenhausplans i.V.m. den Bescheiden zu seiner
Durchführung sowie ergänzenden Vereinbarungen nach § 109 Abs. 1 S. 4 SGB V. Ein
Versorgungsauftrag besteht damit nur für das xxxHospital als ganzes, nicht für die
einzelnen Abteilungen wie bspw. die Psychiatrie. Auch würde die Interpretation der
Klägerin von § 107 SGB V zu dem Ergebnis führen, dass entgegen dem allgemein unter
dem Begriff "Krankenhaus" verstandenen Sinn jede Abteilung eines Krankenhauses als
eigenständiges Krankenhaus zu bewerten wäre.
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Zudem ist das xxxHospital als ganzes in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-
Westfalen aufgenommen. Es handelt sich um ein Plankrankenhaus im Sinne von § 108
Nr. 2 SGB V. Wenn es sich aber im Sinne von § 108 SGB V um ein Krankenhaus
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handelt, können nicht zwei Krankenhäuser im Sinne von § 107 SGB V vorliegen. Dem
SGB V liegt vielmehr ein einheitlicher Krankenhausbegriff zugrunde. Insofern kommt
dem Landesrecht eine Bindungswirkung für das SGB V zu. Der Wortlaut des § 108 SGB
V, nach dem die dort in Nr. 1 und 2 genannten Krankenhäuser
Krankenhausbehandlungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen
dürfen, weist darauf hin, dass die landesrechtliche Gestaltung die
Versorgungsberechtigung im Rahmen des SGB V präjudizieren soll. Divergierende
Statusentscheidungen über dieselbe stationäre Einrichtung auf Landes- und
Bundesebene sollen hierdurch vermieden werden (so auch BSG Urteil vom 28.01.2009,
Az. B 6 KA 61/07 R). Wenn aber schon der Status auf Landes- und Bundesebene
einheitlich zu bewerten ist, dass erst recht innerhalb der Ebene des SGB V. Liegt aber
nur ein Krankenhaus im Sinne von § 108 SGB V vor, kann auch nur ein Krankenhaus im
Sinne von § 107 SGB V und im Sinne von § 60 SGB V vorliegen.
Nichts anderes kann sich daraus ergeben, dass die psychiatrischen Behandlungsfälle in
den Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung und die somatischen
Behandlungsfälle in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes
(KHEntgG) fallen und damit abrechnungstechnisch bei einer Verlegung zwischen den
Abteilungen eine Entlassung aus dem einen Bereich und eine Aufnahme in dem
anderen Bereich erforderlich sind. Die abrechnungstechnisch erforderlichen Buchungen
können nicht dazu führen, dass aus einem Krankenhaus zwei verschiedene
Krankenhäuser werden. Andernfalls könnte es die in § 118 Abs. 2 SGB V vorgesehenen
Allgemeinkrankenhäuser mit psychiatrischer Abteilung nicht geben. Denn bei jedem
Allgemeinkrankenhaus mit psychiatrischer Abteilung stellen sich die vorerwähnten
Abrechnungsfragen. Das Gesetz geht dennoch vom Vorliegen eines Krankenhauses
aus. Im übrigen handelt es sich auch abrechnungstechnisch wohl um die Entlassung
und Aufnahme in (verschiedene Abteilungen) ein und desselben Krankenhauses. § 60
SGB V setzt aber nicht nur die Verlegung in ein Krankenhaus, sondern in ein anderes
Krankenhaus voraus.
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Zu keinem abweichenden Ergebnis führt die Regelung in § 3 Abs. 4 FPV 2007. Danach
sind verschiedene Entgeltbereiche im Fall von internen Verlegungen wie selbständige
Krankenhäuser zu behandeln. Die vertragliche Vereinbarung, die sich allein auf die
Vergütung nach KHEntgG bezieht, kann schon von ihrem Regelungsbereich her nicht
die Vergütung von Krankentransporten modifizieren, da sich diese gerade nicht nach
dem KHEntgG richtet sondern nach § 60 SGB V.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154
Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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