Urteil des SozG Dortmund vom 24.09.2010

SozG Dortmund (kläger, gegenstand des verfahrens, tätigkeit, grund, eingliederung, sgg, teilnahme, betrieb, ausbildung, vertragserfüllung)

Sozialgericht Dortmund, S 34 R 40/09
Datum:
24.09.2010
Gericht:
Sozialgericht Dortmund
Spruchkörper:
34. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 34 R 40/09
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 07.03.2008 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 12.01.2009 und der Bescheid vom
13.09.2010 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der
Beigeladene in seiner Tätigkeit als Ringer und Werbepartner bei dem
Kläger vom 01.08.2007 bis 31.12.2008 nicht auf Grund einer
abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig war. Die
Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf
5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Ringer und
Werbepartner bei dem Kläger auf Grund einer abhängigen Beschäftigung
sozialversicherungspflichtig war.
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Der Beigeladene absolviert in xxx eine Ausbildung zum Feuerwehrmann. In einem
Werbevertrag vom 24.05.2007 vereinbarten der Beigeladene und der Kläger die
Teilnahme des Beigeladenen an Bundesliga-Ringkämpfen und Werbemaßnahmen. In
einem Rahmenvertrag vom 15.05.2008 wurden die Übernahme von Einzelaufträgen für
Bundesligakämpfe und Werbemaßnahmen geregelt.
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Am 26.09.2007 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des
sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen. Der Beigeladene gab an,
neben einer parallel betriebenen Online-Ausbildung zum Bürokaufmann seit dem
01.10.2007 die Ausbildung zum Feuerwehrmann zu absolvieren. Er trainiere
regelmäßig im Olympiastützpunkt xxx und unterliege den Richtlinien des dortigen
Trainers. Es bestehe keine Verpflichtung, an bestimmten Bundesligaspielen für den
Kläger teilzunehmen. Der Trainer des Klägers erteile ihm keine Weisungen. Es obliege
ihm selbst, wie er sich auf die Kämpfe vorbereite. Das Honorar sei frei verhandelt.
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Mit Bescheid vom 07.03.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
12.01.2009 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene bei dem Kläger seit dem
29.09.2007 abhängig beschäftigt sei. Der Beigeladene unterliege insbesondere im
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Rahmen der Werbeaktivitäten für den Kläger einer erheblichen Weisungsgebundenheit.
Während der Wettkampftage sei er an die Weisungen des Trainers des Klägers
gebunden, der über die Aufstellung der Mannschaften entscheide. Hinsichtlich des
Trainings sei der Beigeladene indirekt verpflichtet, sich auf die Wettkämpfe intensiv
vorzubereiten. Angesichts fester Honorare pro Kampfeinsatz trage der Beigeladene kein
Unternehmerrisiko.
Hiergegen richtet sich die am 12.02.2009 erhobene Klage. Zur Begründung macht der
Kläger geltend, dass der Beigeladene nur in einem Teilbereich seiner sportlichen
Aktivitäten für ihn tätig geworden sei. So habe der Beigeladene auch an
Einzelmeisterschaften teilgenommen, im nationalen und internationalen Bereich
Prämien erzielt und zusätzliche Werbeverträge abschließen können. Eine persönliche
Abhängigkeit zum Kläger habe nicht bestanden. Der Beigeladene habe nicht am
Vereinstraining und an vorgegebenen Kämpfen teilnehmen müssen. Gezahlt worden
seien Kampf- und Siegprämien nur im Rahmen tatsächlich absolvierter Kämpfe, so dass
auch ein Unternehmerrisiko vorgelegen habe. Für Anfahrt und Auslagen während der
Wettkämpfe habe der Beigeladene selbst aufkommen müssen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 07.03.2008 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 12.01.2009 und den Bescheid vom 13.09.2010
aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Ringer und
Werbepartner bei dem Kläger vom 01.08.2007 bis 31.12.2008 nicht auf Grund einer
abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig war.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat mit dem gemäß § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens
gewordenen Bescheid vom 13.09.2010 den angefochtenen Ausgangsbescheid
dahingehend abgeändert, dass der Beigeladene in der vom 01.08.2007 bis 28.02.2008
ausgeübten Beschäftigung als Ringer und Werbepartner bei dem Kläger der
Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlegen habe.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass sich der Beigeladene durch die Verpflichtung zur
Teilnahme an Bundesligaringkämpfen für den Kläger in dessen Betrieb eingegliedert
habe. Die Anordnungen des Vereinstrainers und das Tragen von Trikots und
Trainingsanzügen mit Sponsorenausdrucken während der Wettkämpfe reichten aus, um
von der Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation auszugehen.
Darüber hinaus unterliege der Beigeladene den Vorgaben des Deutschen
Ringerbundes für die Durchführung der Bundesliga-Wettkämpfe.
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Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er führt aus: Die Bundesligakämpfe hätten
Samstags um 19.30 Uhr begonnen und 5 x 2 Minuten gedauert. Er habe sich auf die
Kämpfe nicht gesondert vorbereitet. Sein Hauptaugenmerk habe auf der Vorbereitung
der Olympischen Spiele gelegen. Er habe auch nicht in xxx, sondern an seinem
Ausbildungsort in xxx trainiert. Es sei möglich gewesen, Bundesligakämpfe für den
Verein zu absolvieren und gleichzeitig Einzelauftritte zu haben. So habe er neben
seiner Tätigkeit für den Kläger auf eigene Rechnung Werbe- und Sponsorenauftritte
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gehabt. Die Sponsorenverträge habe er sich ohne Vermittlung des Klägers selbst
besorgt, sie hätten sich auf seine gesamte sportlerische Betätigung bezogen. Die
Bundesligatermine seien im Grunde vorgegeben gewesen. Er habe jedoch seine
Teilnahme in Einzelfällen absagen können, z.B. am 11.10.2008 das Bundesligaspiel in
xxx, weil er an diesem Tag an einer Olympia-Gala habe teilnehmen wollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte
und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben
vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig und
begründet.
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Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind aufzuheben, weil sie rechtswidrig
sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen.
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Der Beigeladene war in seiner Tätigkeit als Ringer und Werbepartner bei dem Kläger
vom 01.08.2007 bis 31.12.2008 nicht auf Grund einer abhängigen Beschäftigung
sozialversicherungspflichtig.
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Nach § 7a Abs. 2 SGB IV entscheidet die Beklagte im Rahmen des Anfrageverfahrens
auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine
Beschäftigung vorliegt. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom
11.03.2009, Az.: B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2) findet hierbei keine isolierte
Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung, sondern zugleich eine
Entscheidung über die Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung
statt.
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Gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte sind versicherungspflichtig in der
Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Pflegeversicherung nach § 20
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI
und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III.
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Dabei ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV unter Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit,
insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, zu verstehen. Anhaltspunkte für eine
Beschäftigung sind die Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die
Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die Beschäftigung
setzt voraus, dass der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, in
den Betrieb eingegliedert wird und einem – ggfs. nach den Erfordernissen des
konkreten Tätigkeitsfeldes eingeschränkten – umfassenden Weisungsrecht des
Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich
durch eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft, das eigene Unternehmerrisiko und die im Wesentlichen frei gestaltete
Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder
selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG SozR 3 – 2400 § 7
Nr. 13 m.w.Nw.).
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Nach diesen Maßstäben lag bei dem Beigeladenen in seiner Tätigkeit für den Kläger
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keine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vor. Vielmehr erfolgten die
Bundesligakämpfe und begleitende Werbemaßnahmen im Rahmen einer Tätigkeit als
freiberufliche Honorarkraft für den Kläger.
Die Kammer wertet es als maßgebliches Indiz für eine Selbständigkeit, dass der
Beigeladene - abgesehen von seiner vollzeitigen Berufsausbildung an einem vom Sitz
des Klägers weit entfernten Ort – in seiner sportlichen Betätigung nicht nur für den
Kläger, sondern auch für andere Auftraggeber tätig seien konnte. Die Möglichkeit, trotz
der vertraglichen Bindung an den Kläger weitere, von diesem unabhängige Wettkämpfe,
Werbe- und Sponsorenauftritte zu absolvieren, spricht gegen eine Eingliederung in den
klägerischen Verein und für eine Selbstbestimmtheit der sportlichen Betätigung des
Beigeladenen. Eine Pflicht zur Annahme einzelner Aufträge bestand nicht.
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Gegen die für eine Beschäftigung erforderliche Eingliederung in den (Vereins-) Betrieb
des Klägers spricht darüber hinaus die Ausgestaltung des Trainings. So hatte der
Beigeladene eigenverantwortlich dafür zu sorgen, dass durch geeignete
Gesundheitsvorsorge und Trainingsmaßnahmen die Voraussetzungen für den
jeweiligen Bundesligaeinsatz hergestellt wurden. Ein Weisungsrecht des
Vereinstrainers bestand insoweit gerade nicht. Konkret erfolgte das für die
Vertragserfüllung elementare Training außerhalb des Einflussbereichs des Klägers in
einem entfernten Olympiastützpunkt. Damit konnte der Beigeladene einen auch
quantitativ wesentlichen Teil der Vertragserfüllung nach Inhalt, Umfang und zeitlicher
Lage frei gestalten.
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Die von der Beklagten zur Begründung einer betrieblichen Eingliederung angeführten
Vorgaben in der Gestaltung der einzelnen Wettkämpfe treten in ihrer Bedeutung
demgegenüber zurück. So erscheint es für die Statusbeurteilung als unerheblich, dass
wie bei jedem Sportturnier Spielzeiten, Trikots und Trainerweisungen vorgegeben
worden sind. Auch die Bindung der Teilnehmer an organisatorische Vorgaben des
Veranstalters von Sportturnieren, hier des Deutschen Ringerbundes, erscheint als
Selbstverständlichkeit, die keinen Anhaltspunkt für die sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung bietet.
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Als weiteres Indiz für die Selbständigkeit ist das unternehmerische Handeln des
Beigeladenen anzusehen. So hat er seine sportlerischen Fähigkeiten umfassend
vermarktet. Ein unternehmerisches Risiko für den Beigeladenen lag darin, dass sich der
Kläger nicht verpflichtete, den Beigeladenen auch tatsächlich in einem bestimmten
Umfang einzusetzen und das Honorar in Gestalt einer neben der Kampfprämie
gezahlten Siegprämie zum Teil erfolgsabhängig war.
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Nach alledem ergibt sich in der Gesamtwürdigung aller Umstände, dass vorliegend die
Merkmale einer selbständigen Tätigkeit überwiegen. Von daher kann offenbleiben, ob
der Bescheid der Beklagten vom 13.09.2010 den Anforderungen des BSG im Urteil vom
11.03.2009 (a.a.O.) an die versicherungsrechtliche Konkretisierung der
Statusentscheidung Rechnung trägt und ob diese im laufenden Verfahren unter den
Voraussetzungen des § 96 SGG nachgeschoben werden kann.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG.
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