Urteil des SozG Detmold vom 03.12.2008

SozG Detmold: krankenversicherung, versorgung, firma, haushalt, strichcode, datenbank, regal, behinderung, lebensmittel, sachleistung

Sozialgericht Detmold, S 5 KR 207/07
Datum:
03.12.2008
Gericht:
Sozialgericht Detmold
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 5 KR 207/07
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 21.02.2007 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2007 verurteilt, dem
Kläger einen EinkaufsFuchs der Firma T als Sachleistung zur Verfügung
zu stellen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des im Jugendalter erblindeten Klägers auf
Versorgung mit einem sog. EinkaufsFuchs.
2
Bei dem am 1971 geborenen und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten
Kläger besteht eine beidseitige Erblindung. Er ist gelernter Masseur und Bademeister,
zur Zeit jedoch ohne Anstellung. Er führt seinen Haushalt, in dem keine weiteren
Personen leben, selbstständig und erledigt die erforderlichen Einkäufe in der Regel
ohne fremde Hilfe.
3
Am 26.01.2007 verordnete ihm der Augenarzt Dr. L einen EinkaufsFuchs als Hilfsmittel.
Der Kläger reichte die Verordnung bei der Beklagten ein und fügte ein Angebot der
Firma T sowie den Bescheid der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 02.08.2006
über die Aufnahme des EinkaufsFuchses in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 128
Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V).
4
Bei dem EinkaufsFuchs handelt es sich um eine Einkaufshilfe mit digitaler
Sprachausgabe für blinde und stark sehbehinderte Menschen. Der EinkaufsFuchs
erkennt die Produkte durch Auswertung des Strichcodes, der auf den Verpackungen zu
finden ist. Die Datenbank des Gerätes enthält inzwischen über eine Million
verschiedener Artikel, wobei es sich um die wichtigsten Gebrauchsgüter im Haushalt
sowie im Lebensmittelbereich handelt. Ferner sind alle erhältlichen Musik-CD´s und
Kassetten enthalten. Die Erweiterung der Daten ist jederzeit möglich durch Austausch
der Speicherkarte. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, dass neue, noch nicht bekannte
Artikel von dem Nutzer selbst eingegeben werden. Zu diesem Zweck ist in das Gerät ein
Mikrophon integriert, so dass ein bestimmter Barcode akustisch gekennzeichnet werden
kann. Auf diese Weise kann der Nutzer Ordner oder Lernmaterialien kennzeichnen.
5
Nach den Angaben des Herstellers T misst das Basisgerät 15 x 8 x 4 cm und kann am
Gürtel oder in der Tasche getragen werden. Dazu gehört ein transportabler Scanner, der
- ähnlich wie man ihn von Supermarktkassen kennt - in alle Richtungen gehalten
werden kann, um den Strichcode auf den Gegenständen schnell zu finden. Das Gerät ist
im Hilfsmittelverzeichnis unter der Hilfsmittelnummer 07.09.03.0001 gelistet und kostet
ausweislich eines am 31.01.2007 bei der Beklagten eingegangenen Angebots inklusive
Zubehör und Mehrwertsteuer 3.094,00 EUR.
Die Beklagte ließ den Sachverhalt vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
Westfalen-Lippe beurteilen und erteilte daraufhin am 21.02.2007 den angefochtenen
Bescheid, mit dem der Antrag des Klägers abgelehnt wurde. Das Gerät zeige zunächst
nur Waren an, die in die Datenbank des Herstellers eingetragen sind. Einige
Handelsketten seien hieran nicht beteiligt, so dass diese nicht erkannt werden könnten.
Der gewünschte Warenbereich im Supermarkt müsse im übrigen zunächst erreicht
werden, um die Ware differenzieren zu können. Hierfür sei eine Assistenz notwendig, so
dass ein eigenständiges Auffinden der Waren mit dem Hilfsmittel nicht möglich sei.
Soweit der Kläger das Gerät zur Organisation des Ein-Personen-Haushaltes einsetzen
wolle, sei anzumerken, dass dieser Bereich nicht in die Leistungspflicht der
Gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Ein elementares Grundbedürfnis sei daher
nicht betroffen. Insbesondere sei der Kläger auf Leistungen nach § 55
Sozialgesetzbuch, 9. Buch (SGB IX) zu verweisen.
6
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung
aus, mit dem Gerät könne er in bestimmten Bereichen mehr Selbstständigkeit erlangen.
Es sei nicht richtig, dass ein Blinder Einkäufe nicht alleine tätigen kann, da häufig ein
Supermarkt aufgesucht werde, den man ohnehin kenne, so dass es kein Problem sei,
das entsprechende Regal zu finden. Das Problem fange vielmehr dann erst an, wenn
man vor dem Regal oder der Truhe stehe und nicht wisse, welchen Artikel man in der
Hand halte. Auch wenn man den EinkaufsFuchs nicht den ganzen Tag benötigt, sei er
für seine persönlichen Verhältnisse durchaus praktikabel.
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des
Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, das Gerät sei nicht geeignet, fehlende
Körperfunktionen vollumfänglich auszugleichen. Ein Ausgleich werde lediglich in
Teilbereichen der selbstständigen Lebensführung (Einkaufen, Nahrungszubereitung)
und auch dort nur unvollständig erreicht. Ein wesentlicher Ausgleich der Behinderung
sei damit nicht gegeben. Der EinkaufsFuchs diene nicht der medizinischen
Rehabilitation, die Verpflichtung zur Versorgung liege daher außerhalb des
Aufgabenbereiches der Gesetzlichen Krankenversicherung, so dass eine Übernahme
der Kosten durch die Kasse ausscheiden müsse. In diesem Zusammenhang sei bereits
auf die Möglichkeit der Antragstellung beim Träger der Sozialhilfe hingewiesen worden.
8
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 05.07.2007 erhobene Klage. Der Kläger
meint, er benötige das streitige Hilfsmittel, um seine unmittelbaren Grundbedürfnisse im
Rahmen eines selbstbestimmten Lebens zu verwirklichen. Dazu gehöre auch die
eigenständige Versorgung mit Lebensmitteln und den Gütern des täglichen Bedarfs. Zur
weiteren Begründung nimmt er Bezug auf seine Ausführungen im
Verwaltungsverfahren.
9
Der Kläger beantragt,
10
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.02.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.06.2007 zu verurteilen, ihm einen EinkaufsFuchs der
Firma T als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und
Rechtslage. Zur Begründung nimmt sie zunächst Bezug auf ihre Ausführungen im
Widerspruchsbescheid vom 19.06.2007. Ergänzend weist sie darauf hin, dass der
Kläger zur Sicherstellung der Grundbedürfnisse mit einem Blindenvorlesegerät, einer
Braillezeile, einem Blinden-Langstock, einem Farberkennungsgerät, einem Alu-
Telefaltstock sowie einem Blindenleitgerät mit einem Mowat-Sensor ausgestattet ist. Da
wichtige Daten in der Datenbank des Herstellers des streitigen Hilfsmittels wie z.B. die
Haltbarkeit oder ein Inhaltsstoffverzeichnis nicht enthalten sind, sei ein Einkaufen ohne
fremde Hilfe auch mit dem EinkaufsFuchs nicht möglich.
14
Der Kläger trägt hierzu vor, zwischenzeitlich habe die Firma T einen neuen Vertrag mit
einem Warenlogistikunternehmen abgeschlossen, so dass es in Zukunft auch
gewährleistet sei, bestimmte Inhaltsstoffe als Information über den Strichcode zu
erhalten. Der Beratungsbedarf eines Blinden werde durch den EinkaufsFuchs ganz
erheblich reduziert. Zu bedenken sei darüber hinaus, dass auch Sehende im Hinblick
auf die genaue Zusammensetzung eines Produktes noch Beratungsbedarf haben, der
mit den Informationen auf der Verpackung nicht vollständig befriedigt werden kann.
15
Das Gericht hat einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt und den
Kläger zu den Einsatzmöglichkeiten des EinkaufsFuchses befragt. Auf die
Sitzungsniederschrift vom 20.02.2008 wird insoweit Bezug genommen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug
auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der
Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
17
Entscheidungsgründe:
18
Die zulässige Klage ist begründet.
19
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 21.02.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.06.2007 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Bescheid ist rechtswidrig. Der Kläger hat
Anspruch auf Versorgung mit einem EinkaufsFuchs zu Lasten der Gesetzlichen
Krankenversicherung.
20
Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte
Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen
und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der
Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die
Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens
anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind.
21
Ein Ausschluss nach § 34 Abs. 4 SGB V existiert für den EinkaufsFuchs nicht. Dieses
Hilfsmittel stellt sich auch nicht als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar, da
der EinkaufsFuchs lediglich für die speziellen Bedürfnisse sehbehinderter Menschen
gedacht ist und nur von diesem Personenkreis genutzt wird.
22
Ein Ausschluss des EinkaufsFuchses aus der Leistungspflicht der Krankenkassen kann
sich vorliegend auch nicht aus den Bestimmungen des Hilfsmittelverzeichnisses
ergeben. Zum einen wurde das streitige Gerät mit Bescheid vom 02.08.2006 in das
Hilfsmittelverzeichnis durch die Spitzenverbände der Krankenkassen aufgenommen
und zum anderen beinhaltet das nach § 128 SGB V erstellte Hilfsmittelverzeichnis
lediglich eine für die Gerichte unverbindliche Auslegungshilfe (BSG, Urt. vom
23.08.1995, SozR 3-2500 § 33 Nr. 16), so dass auch nicht gelistete Gegenstände als
Hilfsmittel angesehen werden können.
23
Bezogen auf den individuellen Bedarf des Klägers ist der EinkaufsFuchs als Hilfsmittel
im Sinne der 2. Alternative des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V anzusehen. Er dient dem -
jedenfalls teilweise - ersetzenden Ausgleich der bei dem Kläger bestehenden
Sehunfähigkeit. Bereits mehrfach hat das Bundessozialgericht entschieden, dass solche
Geräte bei von Blindheit betroffenenen Versicherten als geeignetes Hilfsmittel
anzuerkennen sind (Optakon-Lesegerät: SozR 2200 § 182b Nr. 34, SozR 5420 § 16 Nr.
1, Farberkennungsgerät: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 18, elektronisches
Lesesprechgerät: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 16).
24
Der Einsatz des begehrten Hilfsmittels ist nach Auffassung der Kammer der alltäglichen
Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse eines Menschen
zuzuordnen. Nach ständiger Rechtsprechung fallen hierunter nicht nur die allgemeinen
Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören,
Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege und das selbstständige
Wohnen (BSG, Urt. vom 23.07.2002, SozR 3-2500 § 33 Nr. 46), sondern auch die
Schaffung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG SozR 3-2500 §
33 Nr. 7). Dazu gehört auch die Fähigkeit, sich selbstständig und möglichst ohne fremde
Hilfe im eigenen Umfeld zu orientieren, zurechtzufinden und bewegen zu können (BSG
SozR 3-2500 § 33 Nr. 18). Hierzu zählt nach Auffassung der Kammer ebenfalls die
eigenständige Beschaffung der für die Lebensführung notwendigen Nahrungsmittel und
der Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Ebenso fällt in diesen Grundbereich
der eigenständigen Orientierung die selbstständige Haushaltsführung. Das Erkennen
und Unterscheiden von Gegenständen ist im Rahmen dieser Lebensbereiche
wesentlich, um eine freie Willensbetätigung entfalten zu können. So ermöglicht der
EinkaufsFuchs dem Blinden auf akustische Weise das, was der Sehende auf einen
Blick erkennt. Im Rahmen der Haushaltsführung kann der Kläger auf diese Weise seine
Einkäufe gezielt sortieren und erhält eine Hilfe beim Wiederauffinden der Gegenstände.
25
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der EinkaufsFuchs als wirtschaftlich im
Sinne des § 12 SGB V anzusehen. Nach dieser Vorschrift müssen die Leistungen der
Gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein;
sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht
notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen
die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
26
Das Argument der Beklagten, das Hilfsmittel komme nur in geringen Teilbereichen des
täglichen Lebens zum Einsatz und sei damit weder praktikabel noch wirtschaftlich im
27
Sinne des § 12 SGB V, vermag die Kammer nicht zu teilen. Zwar ist richtig, dass der
EinkaufsFuchs erst dann zum Tragen kommen kann, wenn der sehunfähige Versicherte
einen Gegenstand in der Hand hält, den er nicht zuordnen kann. Dementsprechend
muss der Versicherte sich zunächst in den jeweiligen Gang des Supermarktes begeben,
in dem sich das gewünschte Lebensmittel bzw. der Gegenstand, den er erwerben
möchte, befindet. Erst wenn er unmittelbar vor dem Regal steht und einen Gegenstand
herausnimmt, kann das Gerät zum Einsatz kommen, so dass angesichts der Vielzahl der
angebotenen Artikel der Einsatz eines solchen EinkaufsFuchses im Bereich eines
Supermarktes einen höheren Zeitaufwand darstellen könnte als die Inanspruchnahme
einer Hilfsperson. Andererseits bietet das Gerät die Möglichkeit, im eigenen sowie auch
in fremden Haushalten Lebensmittel zu identifizieren, um auf diese Weise bei der
Zubereitung von Mahlzeiten die richtigen Zutaten heraussuchen zu können.
Aber auch in anderen Bereichen kann der EinkaufsFuchs zum Einsatz kommen. So ist
für die Kammer durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger zur Befriedigung seines
Informationsbedürfnisses mit Hilfe des EinkaufsFuchses Bücher oder CD´s identifizieren
kann, um auf diese Weise eine Vorauswahl zu treffen, welche dieser Medien er sich
anschaffen möchte. Schließlich bietet der EinkaufsFuchs über die Barcodeerkennung
auch die Möglichkeit, akustisch darzustellen, von welchem Interpreten eine bestimmte
CD ist und wie der Titel eines Buches lautet. Vor diesem Hintergrund sind sehr
vielfältige Einsatzmöglichkeiten denkbar, die viele Bereiche des täglichen Lebens
betreffen.
28
Ebenso wie das seit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.01.1996 (SozR 3-
2500 § 33 Nr. 18) allgemein als Hilfsmittel anerkannte Farberkennungsgerät bietet der
EinkaufsFuchs ebenfalls Einsatzmöglichkeiten in vielen Lebensbereichen. Im
Gegensatz zu dem Farberkennungsgerät, das der Kläger nach seinen eigenen Angaben
lediglich zur Sortierung seiner Wäsche einsetzt, fördert der EinkaufsFuchs die
Selbstständigkeit des blinden Versicherten und versetzt ihn zumindest ansatzweise in
die Lage, einen Gegenstand auf einen "Blick" mit dem Scanner zu identifizieren. Es ist
durchaus vorstellbar, dass das Gerät gewissermaßen als transportables
Lesesprechgerät für Gegenstände einge-setzt wird, deren Aufdruck von einem
Lesegerät in der Regel nicht eingescannt werden kann.
29
Da das System mit der Eigenanfertigung von Barcodes eine gute Sortierung seines
Haushalts ermöglicht, bietet der EinkaufsFuchs auch auf diese Weise eine zusätzliche
Erkennungshilfe, wenn die sonstigen Erkenntnismöglichkeiten versagen. So kann der
Kläger unterschiedliche Ordner, in denen sich persönliche Unterlagen befinden,
entsprechend kennzeichnen und schnell auffinden. Dosen oder Einmachgläser gleicher
Größe müssen auf diese Weise nicht mehr streng geordnet und verwahrt werden.
Bereits im Rahmen der Entscheidung über den Anspruch auf ein Farberkennungsgerät
hat das Bundessozialgericht darauf hingewiesen, dass auch der blinde Mensch trotz der
antrainierten strengen Ordnung in der Haushaltsführung, Erinnerungslücken haben
kann. So diene das Farberkennungsgerät der Stärkung des Selbstwertgefühls, wenn der
Blinde im Bedarfsfall auf technische Errungenschaften zurückgreifen kann, die ihm in
dieser Hinsicht das Leben erleichtern.
30
Ebenso wenig kann der Kläger auf die Unterstützung Angehöriger verwiesen werden.
Auch insoweit hat das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden, dass sich
innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung keine generelle vorrangige Selbsthilfe
bzw. Hilfe von Angehörigen gegenüber Versicherungsansprüchen begründen lässt
31
(BSG SozR 3 2500 § 33 Nr. 16). Auch wenn der Kläger wegen seines Funktionsdefizit
weiterhin in vielen Bereichen auf fremde Hilfe angewiesen ist, kann er nach Auffassung
der Kammer jedenfalls dann nicht auf die Unterstützung durch Dritte verwiesen werden,
wenn der technische Fortschritt Erkenntnismöglichkeiten mit sich bringt, die ihn
jedenfalls teilweise unabhängig von fremder Hilfe machen. Diese Sichtweise ist
insbesondere vor dem Hintergrund einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 33
SGB V geboten.
Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung war für die Kammer insbesondere
entscheidend, dass der Kläger seinen Haushalt eigenständig führt und in der Lage ist,
Einkäufe selbst zu tätigen. Darüber hinaus erleichtert ihm der EinkaufsFuchs die
Beschaffung von Kleidungsstücken, zumal der Strichcode regelmäßig die Angabe der
Farbe des Kleidungsstückes beinhaltet. Auf diese Weise geht die Funktion des Gerätes
über die eines Farberkennungsgerätes durch die Angabe zusätzlicher Informationen
hinaus.
32
Bereits diese Gesichtspunkte sprechen nach Auffassung der Kammer für die
Wirtschaftlichkeit des Hilfsmittels im Sinne einer vernünftigen Relation zwischen Kosten
und Gebrauchsvorteil. So erscheint ein Einsatz in einem zeitlichen Umfang von vier bis
fünf Stunden pro Woche durchaus nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass der Kläger
ca. zweimal wöchentlich einkaufen geht und er bei der täglichen Zubereitung der
Mahlzeiten das Gerät einsetzt.
33
Da die Kammer im Gegensatz zu der Beklagten ein im Rahmen des § 33 SGB V
geschütztes Grundbedürfnis als tangiert ansieht, kommt eine Leistungspflicht des
Sozialhilfeträgers gem. § 55 Sozialgesetzbuch, 9. Buch (SGB IX) nicht in Betracht, so
dass der Anregung zur Beiladung nicht Folge zu leisten war.
34
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
35