Urteil des SozG Detmold vom 30.05.2005

SozG Detmold: gewöhnlicher aufenthalt, duldung, auskunft, abschiebung, erwerbstätigkeit, ausländer, erlass, ausschluss, erwerbsfähigkeit, hauptsache

Sozialgericht Detmold, S 13 AS 13/05 ER
Datum:
30.05.2005
Gericht:
Sozialgericht Detmold
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 13 AS 13/05 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Eilwege zu verpflichten, dem
Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erbringen, wird abgelehnt. Kosten
sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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I.
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Der am 00.00.1984 in I geborene Antragsteller ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Er
war vom 24.01.2002 bis zum 16.07.2004 in der Justizvollzugsanstalt I in Haft und
entrichtete gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgesetzbuches, 3. Buch (SGB III) Beiträge
zur Arbeitslosenversicherung. Sodann bezog er vom 17.07.2004 an für 240 Tage
Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit. Nach den vorgelegten Unterlagen
und einer Auskunft der Landrätin des Kreises Herford ist der Antragsteller vollziehbar
zur Ausreise aus der Bundesrepublik verpflichtet. Er gehört jedoch zur
Minderheitengruppe der Ashkali, weshalb eine Abschiebung derzeit nicht möglich ist.
Der Antragsteller ist deshalb in Besitz einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung).
Die Duldung ist mit der Auflage "Erwerbstätigkeit nicht erlaubt" versehen. Mit
Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit kann jedoch die Ausübung einer
Beschäftigung erlaubt werden. Eine entsprechende Erlaubnis ist allerdings bisher
weder erteilt noch beantragt worden.
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Am 04.03.2005 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung von Leistungen
nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 15.03.2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag
unter Hinweis auf § 8 Abs. 2 SGB II ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den
Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil dem Kläger laut der Duldung des Kreises
Herford die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt sei.
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Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, er sei in Deutschland geboren
worden und halte sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzungen des § 8
Abs. 2 SGB II seien erfüllt, denn grundsätzlich könne ihm eine Beschäftigung erlaubt
werden. Er habe in der JVA auch eine Ausbildung abgeschlossen und sei in der Lage
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einer Arbeit und Beschäftigung nachzugehen. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch,
12. Buch (SGB XII) seien ihm verweigert worden, weil er erwerbsfähig sei.
Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2005
zurück, da eine Arbeitsgenehmigung nicht erteilt werden könne.
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Am 19.04.2005 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gestellt. Er trägt vor, die Tatsache, dass er zuvor Arbeitslosengeld bezogen
habe, spreche bereits für seine Erwerbsfähigkeit. Arbeitslosengeld hätte ebenfalls
abgelehnt werden müssen, wenn er dem deutschen Arbeitsmarkt mangels
Arbeitserlaubnis nicht zur Verfügung gestanden hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall. Er
dürfe einer Tätigkeit nachgehen. Es sei lediglich zuvor die Zustimmung der
Bundesagentur für Arbeit einzuholen. Voraussetzung für die Zustimmung zu einer
Erwerbstätigkeit sei, dass das Vorrangprinzip eingehalten werde und sich der Betroffene
seit mindestens einem Jahr geduldet oder erlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Diese
Voraussetzungen sein erfüllt. Er habe zwar bisher keinen Arbeitgeber gefunden, eine
Arbeitserlaubnis könne aber grundsätzlich erteilt werden. Dies werde auch von der
Ausländerbehörde bestätigt. Ein mündlicher Antrag auf Sozialhilfe sei mit dem Hinweis
auf seine Erwerbsfähigkeit abgelehnt worden. Da eine Abschiebung nicht möglich sei
und er Antragsteller einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne, stünden ihm Leistungen
nach dem SGB II zu. Ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache sei ihn nicht
zuzumuten, da ihm erhebliche Nachteile entstünden, wenn nicht umgehend über den
bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag entschieden würde.
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Der Antragsteller beantragt,
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die Antragsgegnerin im Eilwege zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu erbringen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.
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Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil dem
Antragsteller laut Duldung des Kreises Herford die Aufnahme einer Beschäftigung nicht
erlaubt sei. Der Antragsteller dürfe mit dem keine Arbeit aufnehmen. Im Übrigen sei er
leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und könne auch deshalb
keinen Anspruch nach dem SGB II geltend machen.
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Das Gericht hat die über den Antragsteller bei der Bundesagentur für Arbeit geführte
Leistungsakte beigezogen und eine Auskunft des Ausländeramtes des Kreises Herford
vom 09.05.2005 eingeholt. Wegen des Inhalts dieser Auskunft und der übrigen
Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakte
sowie der vorgelegten Akte der Antragsgegnerin und der Bundesagentur für Arbeit.
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II.
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Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
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Gemäß § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der
Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung im Bezug auf den Streitgegenstand
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treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustands die Verwirklichung eines bestehenden Rechts des Antragstellers vereitelt wird
oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige
Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Erforderlich ist in beiden
Fällen, dass dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund
zusteht (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 86b Rd.Nr. 27 ff.).
Nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage steht dem Antragsteller hier
ein Anordnungsanspruch nicht zu. Vorbehaltlich einer Überprüfung im
Hauptsacheverfahren hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch, 2. Buch (SGB II). Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller
erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II ist, denn er gehört nach § 7 SGB II schon
nicht zu den Leistungsberechtigten. Danach ist unter anderem Voraussetzung für die
Leistungsberechtigung ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
(§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Ausländer haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland und erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn die
Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 SGB II vorliegen. Dies gilt nicht für
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylberwerberleistungsgesetztes (§ 7 Abs. 1 Satz 2
SGB II). Diese Vorschrift ist nach allgemeiner Meinung dahingehend auszulegen, dass
bei Leistungsberechtigten nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes generell ein
gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorliegt und deshalb
Asylbewerber und ausreisepflichtige geduldete Personen generell keinen Anspruch auf
Grundsicherung für Arbeitssuchende haben, weil es sich bei dem
Asylbewerberleistungsgesetz um ein besonderes Sicherungsgesetz handelt, dass
eigenständige und abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
sowie zur Annahme und Durchführung von Arbeitsgelegenheiten für einen eng
begrenzten Personenkreis von Ausländern enthält (vgl. Brühl in LPK - SGB II § 7 Rd.Nr.
21 ff.; Eicher/Spellbrink, SGB II, Spellbrink, § 7 Rd.Nr. 13 ff.; Löns/Herold - Tews, SGB II,
Kommentar, § 7 Rd.Nr. 3).
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Die Voraussetzungen dieses Ausschlusstatbestandes liegen vor, denn der Antragsteller
ist Leistungsberechtigter nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Nach dieser
Norm sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet
aufhalten und die eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen (§ 1 Abs.
1 Nr. 4 Asylbewerberleistungsgesetz). Der Kläger ist Ausländer, hält sich im
Bundesgebiet auf und ist nach der Auskunft des Kreises Herford vom 09.05.2005 zwar
vollziehbar zur Ausreise aus der Bundesrepublik verpflichtet, besitzt aber eine zeitlich
befristete Duldung gemäß § 60a des Aufenthaltsgesetzes, weil er der
Minderheitengruppe der Ashkali angehört und eine Abschiebung derzeit nicht möglich
ist. Der Antragsteller ist von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, obwohl
er bisher Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht erhalten hat. § 7 Abs.
1 Satz 2 SGB II stellt insoweit nicht auf die tatsächliche Gewährung von Leistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ab. Voraussetzung für den Ausschluss ist
vielmehr nur, dass der Betroffene leistungsberechtigt nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz ist. Dies ist entsprechend dem oben dargelegten der Fall.
Der Antragsteller ist auch nicht leistungsberechtigt nach § 2 des
Asylbewerberleistungsgesetz, denn er hat nicht über eine Dauer von insgesamt 36
Monaten Leistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten. Im Übrigen
verliert ein Asylberwerber auch bei Erfüllung der Voraussetzung des § 2
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Asylberwerberleistungsgesetz und der damit verbundenen Eröffnung des Zugangs zum
Sozialgesetzbuch, 12. Buch (SGB XII) nicht die formale Stellung eines
Leistungsempfängers im Sinne des § 1 Asylbewerberleistungsgesetz. Auch im Falle
eines längern Bezuges von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
verbleibt es damit bei dem Leistungsauschluß hinsichtlich des SGB II (vgl.
Eicher/Spellbrink, Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 7 Rd.Nr. 13).
Der generelle Ausschluss von SGB II - Leistungen ist sicherlich besonders gravierend,
wenn zuvor Arbeitslosengeld bezogen wurde, da die Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz unterhalb des Niveaus des SGB II/SGB XII liegen und
zusätzlich der befristet Zuschlag nach § 24 SGB II nicht gezahlt wird. Diese Folgen
entsprechen jedoch der Intention des Gesetzgebers. Aus dem vorherigen Bezug von
Arbeitslosengeld lassen sich entgegen der Ansicht des Antragstellers keine
Folgerungen für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II herleiten, denn das
SGB III enthält einen entsprechenden Leistungsauschluß für Berechtigte nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz nicht.
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Die Kostentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.
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