Urteil des SozG Detmold vom 28.08.2006

SozG Detmold: arbeitsunfall, contusio cerebri, leiter, tod, entschädigung, unfallfolgen, trauma, wahrscheinlichkeit, minderung, versicherter

Sozialgericht Detmold, S 14 U 93/04
Datum:
28.08.2006
Gericht:
Sozialgericht Detmold
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 14 U 93/04
Sachgebiet:
Sonstige Angelegenheiten
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Unter Abänderung der Bescheides vom 16.10.2003 und 25.02.2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2004 wird
festgestellt, dass der Tod des K. L. am 29.06.2003 Folge des Unfalles
vom 26.06.2003 war und hierfür die Beklagte der für die Entschädigung
zuständige Unfallversicherungsträger ist.
Die Beklagte hat den Klägern deren notwendige außergerichtliche
Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand:
1
Streitig ist, ob die Beklagte oder die beigeladene Landwirtschaftliche
Berufsgenossenschaft Nordrhein-Westfalen für die Gewährung von
Hinterbliebenenleistungen nach dem Tod des K. L. am 29.06.2003 zuständig ist.
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Die Klägerin zu 2.) ist seit dem 05.05.1988 Ehefrau, der am 00.00.0000 geborene Kläger
zu 3.) leiblicher Sohn sowie der am 00.00.0000 geborene Kläger zu 1.) Pflegekind des
am 00.00.0000 geborenen K. L. (nachfolgend: Versicherter).
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Dieser war seit 1993 selbständiger Unternehmer und betrieb eine Tischlerei in C.;
daneben war er seit Juli 1988 im Nebenerwerb landwirtschaftlicher, bei der
Beigeladenen versicherter Unternehmer.
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Er verunfallte im Rahmen seiner landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit bei
Dachinstandsetzungsarbeiten am 05.08.1989, als er von einer Leiter zu Boden stürzte.
Er erlitt hierbei eine Contusio cerebri mit akutem epiduralen linksgelegenem Hämatom,
eine kleine linksgelegene Kontusionsblutung sowie ein linkshämisphärisches
Hirnödem. Die Beigeladene bewilligte ihm insoweit wegen der verbliebenen Folgen mit
Bescheid vom 08.07.1991 ab dem 01.01.1990 an zunächst Dauerrente nach einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - gestaffelt von 50 vom Hundert (v.H.) bis
31.12.1990 bzw. 40 v.H., wobei sie als Unfallfolgen ein hirnorganisches Psychosyndrom
mit Minderung der Konzentration und der psychischen Belastbarkeit, leichte
Halbseitigenlähmung rechts, gelegentlich auftretend drückende Kopfschmerzen,
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erschwerte Harn- und Stuhlkontrolle nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma. Mit
weiterem Bescheid vom 06.05.1994 bemaß sie die Rente ab dem 01.07.1994 wegen
wesentlicher Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen nunmehr mit einer MdE von
25 v. H. mit der Begründung, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit seien nicht mehr
eingeschränkt, eine funktionell bedeutsame Minderung der groben Kraft bzw. der
Beweglichkeit rechts könne nicht mehr objektiviert werden. Grundlage hierfür war ein
von Prof. Dr. N., Chefarzt der neurologischen Klinik des Klinikums M. erstattetes
fachärztliches Gutachten vom 07.02.1994 nebst ergänzender Stellungnahme vom
04.03.1994. Im Rahmen einer Nachuntersuchung am 30.04.1997 bestätigte dieser
Gutachter die bisherige Bewertung und sah als Unfallfolgen weiterhin eine
Kopfschmerzneigung sowie eine leichte verminderte psychophysische Belastbarkeit an;
im übrigen vom Versicherten beklagte Bewußtseinsstörungen (im Sinne eines
Schwarzwerdens vor den Augen bzw. "Black outs") vermochte er nicht diagnostisch klar
einzuordnen, hielt sie jedoch eher synkopaler Natur als epileptischer Ursache.
Im Rahmen seiner selbständigen Tischlertätigkeit verunfallte der Versicherte am
26.06.2003, als er - so die Unfallanzeige vom 09.07.2003 - im Rahmen des Einbaues
einer Treppe in einem Einfamilienhaus, auf der zweiten oder dritten Stufe einer
zweiteiligen Aluminiumleiter mit drei Sprossen und einer Standfläche stehend von der
Leiter stürzte und mit dem Kopf gegen die Wand, anschließend zu Boden schlug. Er
erlitt hierbei ein erneutes Schädel-Hirn-Trauma mit linkshämisphärischer traumatischer
Subarachnoidalblutung ohne zunächst Indikation einer operativen Behandlung, wobei
er nachfolgend auf dem Boden eines generalisierten Hirnödems und Zunahme der
Blutungen zunehmend eintrübte und am 29.06.2003 verstarb (Berichte des Städtischen
Klinikums L. vom 16. und 23.07.2003).
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Im Rahmen der Ermittlungen zog die Beklagte zunächst die den Arbeitsunfall vom
05.08.1989 betreffenden Verwaltungsakten der Beigeladenen sowie von der
Staatsanwaltschaft Karlsruhe die dortigen Ermittlungsakten bei; nach Befragung von
Mitarbeitern des Versicherten sowie dessen Ehefrau gelangte man polizeilich zum
Ergebnis, eine Fremdeinwirkung sei auszuschließen; aufgrund des geschilderten
Ablaufes sei anzunehmen, dass es dem Versicherten schwindelig geworden war oder
er aufgrund sonstiger Unachtsamkeit von der Leiter gefallen sei; diesbezüglich hatte die
Klägerin zu 2.) angegeben, ihren Erkenntnissen nach sei es dem Versicherten bei der
Arbeit schwindelig geworden, in gleicher Weise hatte sich ein Mitarbeiter des
Versicherten, Herr N1., geäußert, wobei er seinen subjektiven Eindruck eines
Schwindels auch darauf stützte, dass man zuvor über mehrere Stunden vor dem
Bauobjekt in der prallen Sonne die Treppenteile vorgerichtet habe, was dem
Versicherten zugesetzt habe.
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Zu der Frage, ob der Tod des Versicherten Folge des jetzigen oder mittelbaren Folge
des früheren Arbeitsunfalles sei, holte die Beklagte von dem Arzt der Neurologie Dr. T.
eine beratungsärztliche Stellungnahme ein, in welchem dieser nach Aktenlage die
Auffassung vertrat, sowohl für die Annahme einer, insbesondere durch die
Treppenvorrichtearbeiten in großer Hitze bedingte Kreislaufsynkope als auch für ein
posttraumatisches Anfallleiden als Ursache fänden sich starke Belege; auch weitere
Möglichkeiten eines akuten Schwindels, wie etwa ein Herzinfarkt,
Herzrythmusstörungen oder ein Schlaganfall seien denkbar ebenso wie eine
kombinierte Ursache im Sinne einer auf das frühere Unfallereignis zurückzuführenden
posttraumatisch nervösen Instabilität mit erhöhter Anfälligkeit gegenüber längeren
Arbeiten im Stehen und in der Sonne; im Gesamtblick sprächen geringfügig mehr
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Gründe dafür, dass die eingetretene Bewußtseinsstörung dem früheren Arbeitsunfall
des Versicherten zuzurechnen sei.
Mit Bescheiden vom 16.10.2003 in der Gestalt der Bescheide vom 25.02.2004 bewilligte
die Beklagte den Klägern vorläufig Hinterbliebenenleistungen, namentlich Witwen- und
Waisenrente, wobei sie diese nach dem für landwirtschaftliche Unternehmer gesetzlich
festgesetzten durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienst berechnete; zur Begründung
führte sie aus, der Versicherte sei aufgrund des in die Entschädigungspflicht der
Beigeladenen fallenden Arbeitsunfalles vom 05.08.1989 verstorben; die Rente werde
als vorläufige Leistung gewährt, weil streitig sei, welcher Unfallversicherungsträger
zuständig sei; die Beigeladene hatte insoweit mit der Begründung, ein Zusammenhang
mit dem in ihrem Zuständigkeitsbereich fallenden Unfall sei nicht zu erkennen, ihre
Zuständigkeit verneint.
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Mit dem am 14.11.2003 erhobenen Widerspruch machten die Kläger geltend, die
Zuständigkeit der Beklagten sei unzweifelhaft gegeben; auch der beratungsärztlichen
Stellungnahme von Dr. T. lasse sich in keinem Fall zweifelsfrei entnehmen, dass
zwischen der seinerzeitigen Schädel-Hirn-Verletzung und dem zum nunmehrigen Unfall
führenden Geschehen ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Mit
Widerspruchsbescheid vom 27.04.2004 wies die Beklagte die Widersprüche mit der
Begründung zurück, auch wenn die Ursache des Sturzes nicht mit Sicherheit feststellbar
sei, sprächen doch mehr Gründe dafür als dagegen, dass die Bewußtseinsstörung dem
früheren Unfall zuzurechnen sei; gestützt werde die Annahme durch die
Befunderhebungen im Gutachten von Prof. Dr. N. vom 05.05.1997 sowie den Umstand,
dass der Versicherte im Rahmen des Sturzes kein Abwehrverhalten gezeigt habe;
insoweit müsse eine massive Bewußtseinsstörung vorgelegen haben; andere
Ursachen, etwa eine Kreislaufsynkope als Folge längerer Arbeit in der Hitze sei weniger
wahrscheinlich.
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Hiergegen richten sich die am 17.05.2004 erhobenen Klagen, zu deren Begründung die
Kläger zunächst ihren bisherigen Vortrag wiederholen und ferner geltend machen,
Bewußtseinsstörungen hätten zum einen nicht zu den von der Beigeladenen
anerkannten Unfallfolgen gezählt, zum anderen sei bei längerer Arbeit in der Sonne
durchaus wahrscheinlich, dass dieser Umstand den Sturz bedingt habe; so gehe auch
zuletzt Prof. Dr. N. von seinerzeit angegebenen Bewußtseinsstörungen als synkopaler
Natur eher denn als epileptischer Ursache aus. Auch die beratungsärztliche
Stellungnahme von Dr. T. lasse eine Zuständigkeit der Beigeladenen nicht begründen,
abgesehen davon, der Versicherte nach 1997 keine Bewußtseinsstörungen mehr zu
beklagen hatte.
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Die Kläger beantragen,
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unter Abänderung der Bescheide vom 16.10.2003 in der Gestalt der Bescheide vom
25.02.2004 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 27.04.2004 festzustellen,
dass der Tod des Versicherten K. L. am 29.06.2003 Folge des Unfalles vom 26.06.2003
ist und hierfür die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klagen abzuweisen und festzustellen, dass die Beigeladene der für die
Entschädigung des Unfalles vom 26.06.2003 zuständige Unfallversicherungs- träger ist.
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Sie macht zunächst die Ausführungen ihrer Verwaltungsentscheidungen zum
Gegenstand ihrer Klageerwiderung und vertritt die Auffassung, aufgrund des
Erstunfalles habe ein hohes Risiko für den Versicherten zur Entwicklung eines
postraumatischen Anfallleidens bestanden, auf welches der nunmehrige Unfall
zurückzuführen sei; auch wenn Bewußtseinsstörungen des Versicherten
bescheidmäßig nicht festgehalten worden seien, seien sie dennoch vorhanden
gewesen und im seinerzeitigen Gutachten von Prof. Dr. N. dokumentiert. Andere Gründe
seien weniger wahrscheinlich; ein Sturz aus Unachtsamkeit werde zwar polizeilich als
mögliche Ursache genannt, Anhaltspunkte hierfür beständen jedoch nicht; eher sei die
Auslösung des Sturzes durch einen epileptischen Anfall wahrscheinlich, am ehesten
allerdings die Annahme, dass eine Synkope zu dem Sturz geführt habe. Eine solche
wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit Folge des seinerzeitigen Schädel-Hirn-Traumas, da
bereits leichtere Schädel-Hirn-Verletzungen zu einer posttraumatischen nervösen
Instabilität führten, deren typische Symptome eine verminderte psychophysische
Belastbarkeit seien. Eine derartige Labilität in Zusammenwirkung mit besonderen
Anstrengungen bei widrigen Witterungsbedingungen sei in ihrer Kombinationswirkung
die wahrscheinlichste Ursache des Sturzes. Mit Wahrscheinlichkeit sei somit der frühere
Arbeitsunfall wesentliche Teilursache des zum Tode führenden Sturzes; entsprechend
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei dann aber der für den ersten
Arbeitsunfall zuständige Versicherungsträger entschädigungspflichtig.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 19.01.2005 die Klagen der Kläger zu 1.) bis 3.) zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es hat ferner mit Beschluss
vom 30.08.2004 die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Nordrhein-Westfalen
zum Verfahren beigeladen.
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Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ausgehend von der beratungsärztlichen
Stellungnahme sei ein Zusammenhang früherer Unfallfolgen mit dem jetzigen
Sturzereignis allenfalls möglich, was jedoch für eine Zurechnung im Sinne einer
mittelbaren Unfallfolge nicht ausreiche.
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Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren
Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten und Beigeladenen
Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Die gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - statthafte
Feststellungsklage ist zulässig und auch begründet.
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Die Beklagte ist die für die Entschädigung des Unfalles des Versicherten vom
26.06.2003 zuständige Berufsgenossenschaft, der Tod des Versicherten am 29.06.2003
ist Folge dieses Unfalles.
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Dabei ist zunächst unzweifelhaft, dass dieser Unfall ein Arbeitsunfall ist. Arbeitsunfälle
sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VII -
Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Insbesondere mangelt es nicht
der sog. haftungsbegründenden Kausalität, d. h. des ursächliches Zusammenhanges
zwischen der versicherten Tätigkeit am Unfalltage und dem Unfallgeschehen,
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unabhängig davon, ob der Beklagten folgend, die Folgen des in die
Entschädigungspflicht der Beigeladenen fallenden Unfalles vom 05.08.1989 allein im
Sinne eines posttraumatischen Anfallleidens oder rechtlich wesentlich teilursächlich im
Sinne einer konstitutionell durch die verbliebenen Folgen des früheren Unfalles
bedingten Labilität im Zusammenwirken mit besonderen äußeren Einwirkungen am
Unfalltage zum Sturzgeschehen beigetragen haben. Rechtlich wäre letzteres im
Hinblick auf den streitgegenständlichen Unfall im Sinne einer sog. inneren Ursache von
Bedeutung, bei welcher der haftungsbegründende Kausalzusammenhang, handelt es
sich um Unfälle infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des
Betroffenen, zwischen versicherter Tätigkeit und dem Unfall grundsätzlich nicht
gegeben ist; anderes gilt jedoch, ist bei einem Unfall (aus innerer Ursache) die Art und
Schwere der Verletzung durch betriebliche Verhältnisse bedingt. Wäre insoweit der
Unfall ohne die versicherte Tätigkeit wahrscheinlich nicht in der selben Art oder der
selben Schwere dem Versicherten zugestoßen, haben vielmehr betriebliche Gefahren
oder die Beschaffenheit der Unfallstelle an der Herbeiführung oder dem Ausmaß der
Verletzung wesentlich mitgewirkt und Einfluss auf Art und Schwere des Körperschadens
genommen, während das Unfallgeschehen selbst rechtlich wesentlich durch die innere
Ursache ausgelöst worden ist, liegt ein Arbeitsunfall vor. Dies entspricht ständiger
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) SozR 2200 § 548 Nrn. 51, 75, 81;
SozR 3 - 2200 § 548 Nr. 14; Bereiter-Hahn Mertens, Gesetzliche Unfallversicherung,
Handkommentar § 8 SGB VII Anm. 9.6.3). Dabei kommen z. B. als
Betriebseinrichtungen, die für die Schwere eines Unfalles Bedeutung haben können,
eine Treppe, Leitern oder laufende Maschinen in Betracht (vgl. hierzu Podzun, der
Unfallsachbearbeiter, Kennziffer 109 Seite 2 mit weiteren Nachweisen), so dass
vorliegend bei Sturz von einer Leiter, bei welchem der Versicherte sich ein schweres
Schädel-Hirn-Trauma zugezogen hat, ein Arbeitsunfall unzweifelhaft zu bejahen ist.
Für diesen Arbeitsunfall ist die Beklagte auch der zuständige Unfallversicherungsträger.
Der von ihr vertretenen Auffassung, die Beigeladene sei für die Entschädigung
zuständig, da sich der (neue) Arbeitsunfall als mittelbare Folge des früheren
Arbeitsunfalles darstelle, vermochte das Gericht nicht zu folgen. Dabei galt allerdings,
was die Beklagte zutreffend dargelegt hat, nach der Rechtsprechung des BSG (BSG E
1, 254, 256; 47, 25, 26), der Grundsatz, dass ein nicht unter Versicherungsschutz
stehender Unfall als Folge eines früheren Arbeitsunfalles im Sinne einer mittelbaren
Schädigungsfolge des früheren Arbeitsunfalles zu entschädigen ist, wenn die durch den
Arbeitsunfall verursachte Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes bei der
Entstehung des späteren Unfalles in rechtlich erheblicher Weise mitgewirkt hat (BSG E
1, 254, 256), bzw. weitere Folgen eines Arbeitsunfalles auch dann von dem ursprünglich
zuständigen Unfallversicherungsträgers zu entschädigen sind, wenn sie bei einem
neuen Arbeitsunfall eingetreten sind und dieser zugleich eine mittelbare Folge des
früheren Arbeitsunfalles darstellt (BSG E 47, 25 f).
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Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht sachgerecht und fortzuentwickeln. In einem
ersten Schritt hat der nunmehr allein für die gesetzliche Unfallversicherung zuständige
Zweite Senat des BSG insoweit bereits konstatiert, dass genannter Grundsatz keine
Anwendung findet, wenn der nachfolgende Unfall ein Arbeitsunfall ist und die durch den
früheren Arbeitsunfall eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zwar für das
Ausmaß der Folgen des späteren Arbeitsunfalles, jedoch nicht für sein
Zustandekommen ursächlich sind, was er maßgeblich mit dem Schutzzweck der für die
Entschädigung von Arbeitsunfällen regelnden Normen des gesetzlichen
Unfallversicherungsrechts begründet (BSG E 63, 58, 59).
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Dabei hatte er es in dieser Entscheidung noch offengelassen, ob der früheren
Rechtsprechung des BSG zu folgen ist. Nach zutreffender, gewichtig im
unfallversicherungsrechtlichen Schrifttum vertretene Auffassung erscheint es hingegen
geboten, auch bei der vorliegenden Fallgestaltung die Zuständigkeit des
Unfallversicherungsträgers des weiteren Unfalles anzunehmen. Denn dieser steht dem
zweiten Unfall nicht nur zeitlich, sondern auch sachlich näher, in dem z. B. für die
Unfallverhütung bei der versicherten unfallbringenden Tätigkeit zuständig war und auch
die Beiträge für sie erhielt; im übrigen ist es nicht gerechtfertigt, Verletztengeld und
Renten an Arbeitsentgelten zu bemessen, die der Versicherte vor dem im Zweifel schon
lange zurück liegenden Arbeitsunfall, verdient hat (vgl. hierzu Schulin, Handbuch des
Sozialversicherungsrechts Seite 531 f; Hauck-Keller, Kommentar, § 8 SGB VII Rdnr.
309; Bereiter-Hahn-Mertens a.a.O. § 8 Anm. 9.7.1 mit im wesentlichen gleicher
Begründung). Auch das BSG führt in genannter Entscheidung (BSG E 63, 58, 60)
insoweit aus, dass, sind Schädigungsfolgen infolge eines weiteren Arbeitsunfalles
eingetreten, für eine Entschädigungspflicht des für den früheren Arbeitsunfalles
zuständigen Versicherungsträgers keine Notwendigkeit gegeben ist, da der Verletzte
aufgrund des durch den nachfolgenden Arbeitsunfall ausgelösten Versicherungsfalles
eigenständige Entschädigungsansprüche erlangt und es an einer inneren
Rechtfertigung dafür fehlt, den nachfolgenden Unfall als mittelbare Unfallfolge dem
früheren Unfall zuzurechnen. Der Versicherte nämlich, der einen weiteren Unfall bei
einer versicherten Tätigkeit erleidet, begibt sich in einen neuen Risikobereich, den der
hierfür zuständige Versicherungsträger nicht zuletzt wegen der an ihn zu entrichtenden
und nach dem Grad der Unfallgefahr der neuen versicherten Tätigkeit abgestuften
Beiträge abzudecken hat. Dieser Argumentation schließt sich das Gericht an mit der
Folge, dass der erste Versicherungsfall mit Eintritt des zweiten Versicherungsfalles
endet.
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Unabhängig davon könnte (der zitierten Rechtsprechung des 8. Senats des
Bundessozialgerichts (BSG E 47, 25) folgend) eine Zuständigkeit der Beklagten im
konkreten Fall nicht verneint werden. Es ist nämlich keinesfalls bewiesen, dass Ursache
des Sturzes von der Leiter eine posttraumatische Anfallsbereitschaft bzw. eine
kreislaufbedingte Synkope gewesen ist. Die Argumentationskette der Beklagten setzte
insoweit zunächst voraus, dass ein solcher Umstand vollbeweislich bewiesen ist im
Sinne der Gewissheit; dies bedeutet, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar
überschauender Mensch Zweifel hat; eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie nur in so
hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger
Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen
Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen der
Tatsache zu begründen. Dieser Beweis ist auch hinsichtlich der von der Beklagten als
maßgeblich erachteten Ursachen entsprechend allgemeinen Grundsätzen erforderlich;
die kausalwirksamen Anknüpfungspunkte sind in erwiesenermaßen festzustellen; kann
eine in Betracht zu ziehende Ursache nicht festgestellt werden, hat sie bei der
Beurteilung außer Betracht zu bleiben; hat der Versicherte im Unfallzeitpunkt eine
versicherte Tätigkeit verrichtet und lässt sich der Grund z. B. von Stolpern, Ausrutschen
u.a. nicht nachweisen, ist die haftungsbegründende Kausalität nicht deshalb zu
verneinen, weil zwar eine innere Ursache nicht festgestellt werden konnte, sondern
lediglich die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit gegeben ist (BSG in SozR 3 - 2200 §
548 Nr. 11, BSG E 61, 127, 130; Bereiter-Hahn a.a.O. § 8 SGB VII Anm. 9.6.1 mit
weiteren Nachweisen). In diesem Sinne ist aber keinesfalls auszuschließen, dass der
Versicherte auch infolge einer Unachtsamkeit von der Leiter im Rahmen des Unfalles
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gefallen war, wie dies auch die den Vorfall untersuchende Polizei in Erwägung gezogen
hat. Gestützt wird dies durch die verschiedentlichen Vermerke des Polizeipräsidiums
Karlsruhe hinsichtlich der Untersuchung des Todes des Versicherten, maßgebliche der
Befragung des Mitarbeiter des Klägers Herrn N1., wonach festzustellen ist, dass der
Versicherte, auf der Leiter stehend, darauf konzentriert war, dass ihm von oben
entgegengereichte Treppenteil entgegenzunehmen bzw. in die richtige Richtung zu
drücken; daß er hierbei fehlgängig gewesen ist, ist unter lebensnaher Betrachtung
jedenfalls nicht auszuschließen. Im übrigen heben die Kläger zutreffend hervor, dass
gegen die maßgeblich von der Beklagten hervorgehobene schwere
Bewußtseinsstörung infolge von fehlenden Abwehrverhalten der Umstand spricht, dass
der Versicherte nach dem Sturz bei Bewußtsein war und aufstehen wollte bzw. im Sinne
seiner Lautartikulation gerade auf dem sich anbahnenden Sturz reagiert hat.
Zusammengefaßt ist somit die Beklagte der für die Gewährung von
Hinterbliebenenleistungen nach dem Tod des Versicherten am 29.06.2003 zuständige
Unfallversicherungsträger.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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