Urteil des SozG Darmstadt vom 25.02.2011

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Sozialgericht Darmstadt
Urteil vom 25.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Darmstadt S 13 KR 244/09
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Säumniszuschlägen.
Zwischen den Beteiligten war bei dem Sozialgericht in Darmstadt ein Rechtsstreit (S 13 KR 258/07) wegen der
Zahlung von Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen anhängig. Im Rahmen der mündlichen
Verhandlung vom 20. Februar 2009 schlossen die Beteiligten einen prozessbeendenden Vergleich, wonach die
Beklagte für den Zeitraum vom 13. Februar 2007 bis 30. April 2007 die Beiträge zur Pflegeversicherung
herausrechnete.
In Ausführung dieses Vergleichs setzte die Beklagte durch Bescheid vom 22. Mai 2009
Krankenversicherungsbeiträge für den Monat Februar 2007 in Höhe von 339,37 EUR sowie für die Monate März 2007
und April 2007 in Höhe von jeweils 505,88 EUR fest. Die Höhe dieser Beiträge ist unstreitig. Außerdem erhob die
Beklagte Säumniszuschläge für Beiträge aus der Zeit von Januar bis April 2007 in Höhe von 1.014,50 EUR.
Wegen der Säumniszuschläge erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Mai 2009 Widerspruch. Sie wies daraufhin,
die Vorschrift des § 24 Abs. 1a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei verfassungswidrig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2009, der der Klägerin am 27. Juli 2009 zugestellt wurde, wies die Beklagte
den Widerspruch zurück. Begründet wurde die Entscheidung damit, es fehle bereits an einer substantiierten, die
Verfassungswidrigkeit nahelegenden Begründung.
Dagegen hat die Klägerin am 27. August 2009 Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.
Die Klägerin trägt vor, schon die Berechnung der Beklagten bezüglich der geltend gemachten Säumniszuschläge sei
nicht nachvollziehbar. Nach ihrer Auffassung sei für den verspätet gezahlten Beitrag für den Monat Januar 2007 ein
Säumniszuschlag in Höhe von 1,50 EUR zu zahlen. Für den Beitrag Februar 2007, der spätestens am 15. März 2007
fällig gewesen sei, sei im ersten Monat ein Säumniszuschlag von 3,00 EUR angefallen, in den folgenden Monaten ein
Säumniszuschlag in Höhe von jeweils 15,00 EUR. Für den rückständigen Monat März 2007 in Höhe von 505,88 EUR
sei im ersten Monat ein Säumniszuschlag von 5,00 EUR angefallen, danach ein Säumniszuschlag in Höhe von
jeweils 25,00 EUR. Für den Beitrag für April 2007 in Höhe von 505,88 seien bis Juli 2008 Säumniszuschläge in Höhe
von insgesamt 355,00 EUR angefallen. Insgesamt seien demnach Säumniszuschläge in Höhe von lediglich 979,50
EUR angefallen. Wenn aber Säumniszuschläge lediglich in Höhe von 1% über den gesamten Zeitraum angefallen
wären, bedeute dies eine Höhe der Säumniszuschläge in Höhe von lediglich 207,50 EUR. Die Vorschrift des § 24 Abs.
1a SGB IV sei nämlich verfassungswidrig. Unter Bezugnahme auf die Kommentierung von Seewald (in: Kasseler
Kommentar, § 13 SGB IV, Rdnr. 10, 11) äußert sie die Auffassung, es liege insoweit ein Verstoß gegen das
verfassungsrechtliche Willkürverbot im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 GG i.V.m. Artikel 1 Abs. 3 GG vor. Die
Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/3100, 182) gehe davon aus, die Erhöhung des Säumniszuschlages sei
wegen der schuldhaften Nichtzahlung der Beiträge erforderlich. Dieses in der Gesetzesbegründung genannte
Verschuldenselement der "schuldhaften Nichtzahlung" fehle jedoch im Wortlaut des § 24 Abs. 1a SGB IV.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 22. Mai 2009 der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2009
aufzuheben, soweit darin Säumniszuschläge von mehr als 207,50 EUR festgesetzt wurden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind,
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2009 ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin wird hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt. Sie ist verpflichtet,
insgesamt Säumniszuschläge in Höhe von 1.014,50 EUR an die Beklagte zu zahlen.
Die Verpflichtung bezüglich der geltend gemachten Säumniszuschläge ergibt sich aus § 24 SGB IV. Danach sind für
Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für
jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 EUR
nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (§ 24 Abs. 1 SGB IV). Abweichend zu § 24 Abs. 1 SGB IV haben
freiwillig Versicherte für Beiträge und Beitragsvorschüsse, mit denen sie länger als einen Monat säumig sind, für jeden
weiteren angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von fünf vom Hundert des rückständigen, auf 50
EUR nach unten abgerundeten Beitrages zu zahlen.
Zwischen den Beteiligten ist dem Grunde nach unstreitig, dass die Klägerin Säumniszuschläge für die rückständigen
Beiträge der Monate Januar bis April 2007 zu zahlen hat. Von daher erübrigen sich Ausführungen hierzu.
Die Kammer hält die Bedenken der Klägerin bezüglich einer Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 24 Abs. 1a
SGB IV zwar für nachvollziehbar. Im Ergebnis geht die Kammer jedoch von einer Verfassungsmäßigkeit der Regelung
aus, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Artikel 100 Grundgesetz (GG) nicht in Betracht
kam.
Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 GG liegt nicht vor. Zwar differenziert die Regelung des § 24
SGB IV in den Abs. 1 und 1a insbesondere zwischen der Personengruppe der freiwillig Krankenversicherten und allen
sonstigen Zahlungspflichtigen, was die Höhe der Säumniszuschläge anbelangt. Während allgemein ein
Säumniszuschlag in Höhe von eins vom Hundert gilt, wird für die in Abs. 1a genannten Gruppen ein Säumniszuschlag
in Höhe von fünf vom Hundert erhoben.
Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich für die Kammer nachvollziehbar, welche sachlichen Gründe für diese
unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend gewesen sind (BT-Drucks. 16/3100, Seite 182). Denn aufgrund der bis
zum 31. März 2007 geltenden Regelung des § 191 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) endete die
Mitgliedschaft freiwillig Krankenversicherter immer dann, wenn Versicherte dieses Personenkreises zweimal am
Zahltag die Beiträge nicht entrichtet hatten. Durch die Aufhebung dieser Regelung bleibt dieser Personenkreis seit
dem 1. April 2007 von dieser - im Einzelfall sehr scharfen, weil unumkehrbaren - Konsequenz des Verlustes einer
Krankenversicherung verschont. Unter dem Gesichtspunkt der Durchsetzung der Verpflichtung zur Beitragszahlung ist
die Neuregelung im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Ermessens schlüssig, denn er ging von der
Notwendigkeit einer solchen Regelung deshalb aus, weil Einnahmeausfälle von der Versichertengemeinschaft
auszugleichen sind und die Sanktionen bei Nichtzahlung durch Säumniszuschläge in Höhe von einem Prozent als
nicht ausreichend angesehen wurde.
Soweit Seewald (Kasseler Kommentar, a.a.O.) außerdem kritisiert, das in der Gesetzesbegründung genannte
Verschuldenselement sei im Wortlaut der Neuregelung nicht enthalten, kann dem die Kammer nicht folgen. Denn die
Gesetzesbegründung muss im Zusammenhang mit der Norm des bisherigen § 24 Abs. 2 SGB IV gesehen werden.
Dort war bereits geregelt, dass ein Säumniszuschlag nicht zu erheben ist, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft
macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Nach Auffassung der Kammer wollte der
Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung im Rahmen der Novellierung inhaltlich auf diese Regelung Bezug nehmen,
die im Übrigen allgemein gilt.
Auch soweit verfassungsrechtlich die absolute Höhe der Säumniszuschläge in § 24 Abs. 1a SGB IV beanstandet
wird, kann dem die Kammer im Ergebnis nicht folgen. Insoweit hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen
Verhandlung zwar durchaus nachvollziehbar die Frage erörtert, ob und inwieweit ein vergleichbarer Zinssatz von 60
vom Hundert p.a. die Grenze der Verfassungswidrigkeit überschritten hätte. Allerdings lassen sich nach Auffassung
der Kammer diese Fälle nicht direkt miteinander vergleichen. Denn die Zielrichtung der Erhebung eines
Säumniszuschlages ist eine völlig andere. Der Gesetzgeber wollte damit den Krankenkassen nicht zu maßlos
überhöhten Einnahmen verhelfen, sondern sah sich zu einer solchen Regelung deshalb veranlasst, um den
Personenkreis dieser Regelung zur pünktlichen Beitragszahlung zu veranlassen und damit Einnahmeausfälle bei den
Krankenkassen zu verhindern.
Auch die von der Beklagten durchgeführte Berechnung der Säumniszuschläge ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Während die Klägerin jeden rückständigen Monatsbeitrag auf 50 EUR nach unten abgerundet hat und hiervon die
Säumniszuschläge für jeden einzelnen Monatsbeitrag berechnet hat, hat die Beklagte zunächst alle rückständigen
Monatsbeiträge addiert und die Summe anschließend auf 50 EUR nach unten abgerundet. Von dieser abgerundeten
Summe sind dann jeweils die Säumniszuschläge errechnet worden. Diese Berechnung der Beklagten entspricht zur
Überzeugung der Kammer den gesetzlichen Vorgaben (ebenso: jurisPK-SGB IV/Segebrecht, § 24 Rdnr. 38, 39;
Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 24 SGB IV Rdnr. 14; Gemeinsame
Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger und der
Bundesanstalt für Arbeit zur Erhebung von der Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV im Rahmen des
Gesamtsozialversicherungsbeitrages ab 1. Januar 1995, Die Beiträge 1995, 100 (105); Niederschrift über die
Besprechung des Arbeitskreises Versicherung und Beiträge der Spitzenverbände der Krankenassen am 8. März 2007,
Die Beiträge 2007, 549 (553)). Die Vorgehensweise der Beklagten ist deshalb gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber in
beiden Absätzen der Vorschrift (Abs. 1 und 1a) den Begriff "Beiträge" gewählt hat. Hätte der Gesetzgeber stattdessen
lediglich den Begriff "Beitrag" verwendet, hätte jeder rückständige Monatsbeitrag gerundet werden müssen. Mit der
Pluralbildung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der Einfachheit halber auch aus den rückständigen
Beiträgen eine Summe gebildet werden kann, bevor anschließend abzurunden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).