Urteil des SozG Darmstadt vom 23.09.2009

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Sozialgericht Darmstadt
Urteil vom 23.09.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Darmstadt S 10 KR 119/08
Hessisches Landessozialgericht L 8 KR 286/09
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf 100,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zahlung einer Aufwandspauschale i.H.v. 100,00 EUR nebst Zinsen anlässlich des
stationären Krankenhausaufenthaltes des bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten C. vom 29.05. bis
20.06.2007.
Der Versicherte wurde zur Implantation eines Herzschrittmachers in der Zeit vom 29.05. bis 20.06.2007 als Notfall
stationär in dem von der Klägerin betriebenen und in den Krankenhausplan des Landes Hessen aufgenommenen
Stadtkrankenhaus behandelt. Zum 01.07.2007 stellte die Klägerin eine Rechnung über 4.665,42 EUR aus, wobei sie
die DRG-Ziffer F60A (Akuter Myocardinfarkt ohne invasive kardiologische Diagnostik mit äußerst schweren CC oder
schwerer Arrhythmie und Herzstillstand mit äußerst schweren CC) zugrunde legte. Wegen des Fehlens der
Operationsverschlüsselung aufgrund der von der Klinik mit der Schlussrechnung übermittelten Entlassungsdaten sah
sich die Beklagte noch nicht in der Lage, eine endgültige Feststellung zu treffen. Nachdem der von der Beklagten
eingeschaltete Gutachter Dr. S. am 18.11.2007 festgestellt hatte, dass statt der übermittelten die tatsächliche DRG-
Nummer F67B mit einem Zahlbetrag i.H.v. 21.288,07 EUR angemessen wäre, wurde die Erstrechnung storniert und
die Klägerin erstellte eine neue Rechnung, die am 23.01.2008 bei der Beklagten einging und inzwischen auch bezahlt
wurde.
Da die Beklagte die Zahlung einer Aufwandspauschale ablehnte, hat die Klägerin am 15.04.2008 beim hiesigen
Gericht Zahlungsklage auf 100,00 EUR nebst Zinsen erhoben und macht im Wesentlichen geltend, dass die Beklagte
allein schon aus der Tatsache heraus verpflichtet sei, dass der Rechnungsbetrag aufgrund der Überprüfung durch den
MDK nicht gemindert, sondern sogar erheblich erhöht worden sei. Auf die fehlerhafte Übermittlung der DRG bei der
Abrechnung komme es zur Vermeidung der Aufwandspauschale nicht an, da diese verschuldensunabhängig anfalle.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 100,00 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.02.2008 anlässlich des stationären Aufenthalts des C. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist dagegen darauf, dass die auf die DRG F60A vorgelegte Erstrechnung aufgrund der angegebenen
Datenlage in Bezug auf die Verweildauer nicht überzeugend gewesen wäre, weshalb der MDK zur Prüfung gebeten
worden sei. Da dieser zu dem Ergebnis einer nicht korrekten Nebendiagnose und damit zu einer völlig anderen DRG
gekommen sei, sei die Rechnung storniert und die Beklagte um Erstellung einer neuen, richtigen Rechnung gebeten
worden. Die Stornierung einer Rechnung stehe damit einer Minderung der Rechnung auf Null gleich. Die dann am
25.01.2008 bei ihr eingegangene Rechnung habe die Ausführungen des MDK beachtet und sei daher von ihr ohne
weitere Prüfung durch den MDK auch bezahlt worden. Dieser Sachverhalt rechtfertigte keine Aufwandspauschale, da
die erste Rechnung, die Anlass zur Prüfung durch den MDK gegeben hatte, auch von der Beklagten als falsch
angesehen und durch eine neue Rechnung ersetzt worden sei. Die Tatsache, dass aufgrund der Stellungnahme des
MDK im Endeffekt die Klägerin nicht weniger sondern erheblich mehr für den stationären Aufenthalt erhalten habe,
könne nicht dazu führen, die Aufwandspauschale entstehen zu lassen.
Bezüglich des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und den Einzelheiten in den erwähnten Unterlagen wird auf die
beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die beide Gegenstand der mündlichen Verhandlung
vom 23.09.2009 waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als reine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da zwischen den
Beteiligten als gleichberechtigte Teilnehmer im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht durch
Verwaltungsakt entschieden werden kann. Auch eines Vorfahrens bedurfte es nicht (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.00 –
B 3 KR 33/99 R mit weiteren Nachweisen).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der
Aufwandspauschale anlässlich der Rechnungslegung und Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der
Krankenkasse für den im Stadtkrankenhaus zugunsten des bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten C. für den
Zeitraum vom 29.05. bis 20.06.2007.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 275 Abs. 1 c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche
Krankenversicherung - (SGB V), in der ab dem 01.04.2007 gültigen Fassung des Gesetzes zur Stärkung des
Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG vom 26.03.07
- BGBl I S. 378 ff) in Betracht, wonach eine Aufwandspauschale i.H.v. 100,00 EUR von der Krankenkasse an das
Krankenhaus zu entrichten ist, wenn die im Auftrag der Krankenkasse durch den Medizinischen Dienst der
Krankenkassen erfolgte Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat.
Vorliegend wurde, wie es die Beklagte zutreffend geltend macht, die unter der DRG-Ziffer F60A abgegebene
ursprünglich Rechnung über 4.665,42 EUR von der Beklagte nach Einschaltung des MDK vollständig beanstandet und
storniert, da die darin enthaltenen Angabe, insbesondere die für den Rechnungsbetrag maßgebliche DRG-Ziffer,
unzutreffend ausgewiesen wurde und damit ein völlig falscher Rechnungsbetrag verlangt worden war. Insoweit erfolgte
nicht nur eine Kürzung der Rechnung, sondern deren vollständige Zurückweisung, was ein mehr gegenüber einer
Kürzung der Rechnung darstellt. Ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale lässt sich daher nicht begründen,
zumal die vollständige Zahlung erst aufgrund einer in wesentlichen Teilen, nämlich der DRG-Ziffer, geänderten neuen
Rechnung erfolgt ist.
Soweit die Klägerin demgegenüber die Auffassung vertritt, dass die Aufwandspauschale allein dadurch entstanden
sei, dass es nicht zu einer Minderung (=Kürzung) der Rechnung gekommen war, vielmehr sogar ein höherer
Rechnungsbetrag entstanden sei, folgt dem die Kammer nicht. Denn nach dem System der §§ 39, 275 Abs. 1 c, 276
SGB V ergibt sich, dass die Aufwandspauschale letztlich nur dann entstehen soll, wenn die von der Krankenkasse
eingeleitete Einzelfall-Prüfung durch den MDK dazu geführt hat, dass dieser die Rechnung - sei es hinsichtlich der
Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung, sei es in Bezug auf die Verweildauer, sei es aber auch hinsichtlich der
richtigen Daten - nicht beanstandet hat, vielmehr für ausdrücklich richtig ansieht. Denn dann - und nur dann - war der
von dem Krankenhaus zur Vorlage der Unterlagen an den MDK notwendige Aufwand nicht gerechtfertigt und damit die
dafür - pauschalierten - Kosten dem Krankenhaus zu erstatten.
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vielmehr hat die Prüfung des MDK vom 18.11.2007 ergeben, dass die von der
Klägerin mit der ursprünglichen Rechnung abgerechnete Leistung (akuter Myocardinfarkt ohne invasive kardiologische
Diagnostik mit äußerst schweren CC oder schwerer Arrythmie und Herzstillstand mit äußerst schweren CC - DRG
F60A) der tatsächlich erfolgten Krankenhausbehandlung in keiner Weise gerecht wurde, sondern der Versicherte
wegen Neuimplantation eines Kardioverter/Defibrillator, Zwei-Kammer-Stimulation, ohne zusätzlich Herz- oder
Gefäßeingriffe (DRG F01F) vom 29.05. bis 20.06.2007 stationär behandelt worden war. Damit wird ein völlig anderer
Sachverhalt als Grundlage der Abrechnung festgestellt, was offenbar auch die Klägerin so sah, da sie der Beklagten
die geänderte Rechnung vorgelegt hatte. Insoweit wurde die Rechnung im Einverständnis beider Seiten storniert, und
eine neue Rechnung mit richtiger DRG erstellt.
Soweit die Klägerin schließlich unter Hinweis auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 14.05.2008
(S 15 KR 588/07) und die Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.02.2009 (S 7 KR 432/08) dagegen
geltend macht, dass die Regelung des § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V in der Fassung des GKG-WSG
verschuldensunabhängig sei und allein und ausschließlich nur für den Fall sanktioniere, dass eine Prüfung zu keiner
Minderung des Rechnungsbetrages führe, kann daraus für den hier vorliegenden Fall nichts abgeleitet werden, da - wie
oben bereits dargelegt - die Rechnung im Übrigen im beidseitigen Einverständnis vollständig aufgehoben wurde.
Übrigen teilt die Kammer nicht die Rechtsauffassung, dass die Angabe einer falschen DRG-Ziffer und damit eine
falsch klassifizierte Krankenhausbehandlung, die Anlass für die Krankenkasse war, den konkreten Einzelfall durch
den MDK auf seine Richtigkeit überprüfen zu lassen, für die Entstehung der Aufwandspauschale keine Bedeutung hat,
wenn sie sogar zu einem erhöhten Vergütungsanspruch des Krankenhauses führt. Dies steht mit dem oben
beschriebenen Sinn und Zweck der Regelung nicht mehr im Einklang.
Da die ursprüngliche, über einen Gesamtbetrag i.H.v. 4.824,55 EUR, lautende Rechnung vom 01.07.2007 seitens der
Beklagten gestützt auf die Stellungnahme des MDK zu Recht beanstandet und storniert worden war, ja dies sogar von
der Klägerin durch Ausstellung einer neuen Rechnung auch akzeptiert worden war, kommt es nicht mehr darauf an,
dass diese, auf der Empfehlung des MDK basierende Zweitrechnung sogar zu einem wesentlich höheren
Vergütungsanspruch des Krankenhauses geführt hat. Deshalb hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer
Aufwandspauschale anlässlich des stationären Aufenthaltes des Versicherten vom 29.05. bis 20.06.2007. Die darauf
gerichtete Klage konnte keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da zum
einen keiner der Beteiligten zu den in § 183 SGG genannten Personengruppen gehört und zum anderen von einem
vollständigen Unterliegen der Klägerin auszugehen ist. Die Kammer hat die Berufung ausdrücklich zugelassen, da sie
dem Rechtsstreit angesichts der entgegenstehenden Entscheidungen sowie des Fehlens einer höchstrichterlichen
Entscheidung grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Ziffer 1 SGG). Zumal beide Beteiligten dies
ausdrücklich - offenbar wegen einer Vielzahl entsprechender Behandlungsfälle - beantragt haben.
Der Streitwert ergibt sich aus dem mit der Klage geltend gemachten Zahlungsanspruch i.H.v. 100,00 EUR.